Glaubenskrieg um die Homöopathie?

01.09.2013(GWUP):  Anlässlich der Bundestagswahl wird über die Position der Parteien zu ,,alternativmedizinischen" Behandlungsmethoden viel gestritten. In der aktuellen Ausgabe der ,,Pharmazeutischen Zeitung online (PZ)" befasst sich
ein bemerkenswert kritischer Artikel mit dem Titel ,,Glaubenskrieg um Globuli" mit der Homöopathie.

Dabei wird sehr gut erläutert, dass der Homöopathie-Begründer Samuel Hahnemann seinerzeit nach einer Alternative zur gefährlichen, mit ausleitenden Verfahren arbeitenden Humoralmedizin suchte, also Aderlass und ähnlichem. Dies wurde begründet durch seinen persönlichen Glauben, ,,dass Krankheit und Heilung immaterielle Prozesse" darstellten. Aber alle diese Dinge, einschließlich der fehlerhaften Arzneimittelprüfungen Hahnemanns, die zur Gründung der homöopathischen Lehre führten, werden natürlich auch in den GWUP-Themeneinträgen dargestellt. Der Verfasser des ,,PZ"-Artikels,  der Pharmakologe Professor Eugen J. Verspohl, befasst sich neben der Historie vor allem mit den ,,unbeantworteten Fragen", die Kritiker wie den Berliner Physik-Professor Martin Lambeck  gegen die Homoöopathie aufbringen, beispielsweise
-,,Wodurch ist die Notwendigkeit nachgewiesen, dass man (bei der Zubereitung der homoöpathischen Verdünnungen) gegen den Erdmittelpunkt schütteln muss?"
-,,Wieso werden die Spuren von Verunreinigungen im Lösungsmittel nicht potenziert?"
Dazu passend die Frage, ob Restmengen  von Verreibungen, die an der Wand des benutzten Gefäßes übrig bleiben, eine Wirkung besitzen oder gar schädlich sind.
,,Wie werden die Dosen bei einer bestimmten Potenzierung gewählt, wie wird also zum Beispiel die Entscheidung getroffen,ob zwei, fünf oder zehn Globuli angewendet werden müssen?"
Ferner wehrt sich der Autor gegen von Homöopathen häufig verwendete Floskeln wie ,,Wer heilt, hat Recht", zumal mit Heilung anstatt einer messbaren Größe hier nur subjektiv gefühlte Verbesserungen beschrieben werden. Statistisch außergewöhnliche Einzelergebnisse, die überinterpretiert werden, sind seiner Ansicht nach gefährlich, da echte (reproduzierbare) und zufällige Wirkung vermischt würden. Außerdem bezieht sich der Autor auf das Weltbild Hahnemanns. Bereits zu seiner Zeit, im 19. Jahrhundert, kritisiert, ist es in den entscheidenden Punkten heute widerlegt. So ist Hahnemanns vitalistische Auffassung von einem immateriellen Prozess der Symptom- und Krankheitsbehandlung längst überholt. Heute wisse man eben, dass dem Leben und den Krankheiten biochemisch-materielle Prozesse zugrundeliegen. Auch sei die unbegrenzte Teilbarkeit von Materie widerlegt. An der homöopathischen Anamnese übt Verspohl ebenfalls Kritik, insbesondere aufgrund ihrer übertriebenen Wertschätzung von Erfahrung. ,,Empirie und Intuition können Wissenschaftlichkeit nicht ersetzen" - und werden leicht durch selektive Wahrnehmung verzerrt. Von den fehlenden überzeugenden Studien zur Wirksamkeit ganz abgesehen.
Bei der Diskussion um die Homöopathie geht es also weniger um einen Glaubenskrieg als um fehlende Belege für die Methode. Dabei ließe sich von der Homöopathie lernen, etwa, sich für die Patienten Zeit zu nehmen. Der Pharmakologe kritisiert jedoch den Dogmatismus der heutigen Homöopathie, die länger als andere Therapieverfahren Zeit zur Bewährung gehabt habe (Hahnemanns ,,Organon der Heilkunst" erschien erstmals 1810), diese aber nicht genutzt habe. Stattdessen fordern Homöopathen, Homöpathika nach anderen Kriterien als konventionelle Medikamente zu prüfen, da die Regeln der evidenzbasierten Medizin hier angeblich nicht anwendbar seien. Laut Sozialgesetzbuch sind homöopathische Medikamente sowie Medikamente aus der anthroposophischen Medizin jedoch von einem Wirksamkeitsnachweis befreit. Auch könnten Mängel im konventionellen Medizinbetrieb nicht als Rechtfertigung für unbewiesene ,,Alternativmedizin" dienen. Therapiefreiheit bedeute jedoch nicht ,,Therapiebeliebigkeit". ,,Jeder Patient hat Anspruch darauf, mit nachweislich wirksamen Arzneimitteln behandelt zu werden."

Holger von Rybinski