Ernährungsmythen und Religion

21.12.2013 (GWUP): Zur Weihnachtszeit stehen den meisten Menschen üppige Mahlzeiten bevor. Zwei völlig unterschiedliche Artikel in der deutschen Presse beleuchten den Zusammenhang zwischen Essen und religiösen Überzeugungen sowie fragwürdige Untersuchungen zum Thema „Ernährung".

So vertritt der der evangelische Theologe Dr. Kai Funkschmidt von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in einem Interview mit ARD.de die Aufassung, dass manche Essgewohnheiten und Einstellungen zum Thema Essen durchaus religiösen Charakter haben können. Eine Untersuchung indonesischer Ethnologiestudenten, die manche Ernährungsgewohnheiten der Deutschen ebenfalls zu deren religiösen Überzeugungen zählten, führte vor zwei Jahren zu kritischen Diskussionen. Nach  Auffassung des Theologen Funkschmidt ist für Menschen, die auf eine bestimmte Art der Ernährung fixiert sind,  „das Essen Zentrum der Heilsbotschaft". Er sieht sogar Versuche, durch Ernährung grundsätzlich einen „neuen Menschen" schaffen zu wollen. Zur Ersatzreligion wird eine Ernährungsweise nach seiner Ansicht dann, wenn sie Immunität gegenüber Krankheiten verheißt - ein säkuläres Heilsversprechen, verbunden mit der Idee der Selbsterlösung.
Er kritisiert, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit hergestellt werde, also, wer krank werde, habe sich nicht richtig ernährt. Diese Parallele gibt es auch manchen in religiösen Strömungen, wonach angeblich krank wird, wer nicht fest genug geglaubt hat. Mit diesem Vergleich  wird der Theologe sicher bei vielen Ernährungsbewussten auf Widerspruch stoßen, schließlich kann eine Nahrungsumstellung durchaus der Gesundheit förderlich sein. Wer dagegen gern nascht und knabbert, wird sich, rechtzeitig zur Weihnachtszeit, über Ergebnisse von Untersuchungen freuen, die Ernährungswissenschaftler angestellt haben. Der Wissenschaftsjournalist Werner Bartens berichtet in seinem schönen „SZ"-Beitrag „Apfel, Nuss und Mandelkern" über eine Studie, die von der angeblich gesundheitsfördernden Wirkung von Walnüssen bericht. Demnach soll es in zwei Studien unter Teilnehmern, die regelmäßig Walnüsse aßen, bis zu 20 Prozent weniger Todesfälle gegeben haben, zumindest, wenn man wie die Testpersonen bis zu siebenmal wöchentlich Nüsse konsumiert, weshalb Bartens auch fragt, wer sich „außer ein paar Nussknackern noch so oft Nüsse einverleibt". Immerhin, auch die Ludwig-Maximilians-Universität in München  ließ 40 Probanden zwei Monate lang Walnüsse knabbern, was sich günstig auf Fettwerte ausgewirkt haben soll (oder weil die Kekse drumherum weggelassen wurden?). Viel erfreulicher erscheint da doch die Erkenntnis, dass Wissenschaftler aus Mailand, die 1000 Patienten zu ihrem Essverhalten befragt hatten, bei Leuten, die gelegentlich Pizza aßen, ein um 22 Prozent gesunkenes Risiko für Herzinfarkte gemessen haben wollen, bei Leuten, die die belegten Fladen regelmäßig konsumierten, sogar um 38 Prozent. Ob derlei Studien nun wirklich geeignet sind, zum Verzehr von Walnüssen und kalorienreicher Pizza aufzurufen, weil es der Gesundheit dient, wird von dem promovierten Mediziner Bartens bezweifelt. Eine der Walnussstudien wurde immerhin von der kalifornischen Walnussindustrie unterstützt. So sei zu erwarten, dass demnächst Studien erschienen „in denen Hilfe gegen Krampfadern, Hexenschuss oder Gedächtnisverlust durch Aachener Printen, Lübecker Marzipan oder Dominosteine" beschrieben würden. Immerhin, hier werden vermeintlichem Fastfood wie Pizza durchaus positive Eigenschaften zugesprochen. Welche echten und vermeintlichen Wirkungen der Konsum von Zucker haben kann, darüber berichtet übrigens auch  der aktuelle „Skeptiker".

Holger von Rybinski