Schweizer Wissenschaftler kritisieren Erstattung von „Alternativmedizin"

08.06.2014 (GWUP):  Vor einem Monat verkündete das Schweizer Innenministerium, dass künftig verschiedene „alternativmedizinische" Verfahren trotz fehlender Belege für deren Wirksamkeit in den Erstattungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden sollen. In einem Appell kritisieren skeptische Wissenschaftler diese Pläne.

Die Unterzeichner des vom „Verein für kritisches Denken" veröffentlichten Aufrufes halten den Beschluss des schweizerischen Bundesrates für höchstproblematisch. Als 2009 ein Volksentscheid zu dieser Thematik durchgeführt wurde, war das Ziel, Komplementärmedizin auf ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen, um dann über deren Erstattung durch die gesetzlichen Kassen zu entscheiden. Nach Ansicht der Schweizer Skeptiker wird mit der Erstattung von Homöopathie, traditioneller chinesischer Medizin, anthroposophischer Medizin und Phytotherapie Vertretern dieser Therapierichtungen eine Sonderbehandlung gewährt und damit  ,,der Volkswille verhöhnt". Außerdem werde rationale, evidenzbasierte Medizin durch diese Entscheidung untergraben. Es dränge sich die Frage auf, warum Wissenschaft als Kriterium für andere Fachrichtungen beibehalten werden solle. ,,Warum nicht allen Therapiemethoden Tür und Tor öffnen? Warum überhaupt noch kontrollieren, ob Medikamente, welche von großen Pharmaunternehmen hergestellt werden, eine nachweisbare Wirkung haben?", so die Unterzeichner des Appells, darunter zahlreiche Mediziner sowie die auf der Skepkon 2014 als Referentin vertretene Molekularbiologin Jasmin Barman- Aksözen. Die Wissenschaftler verweisen in ihrem Appell auf die gewaltigen Fortschritte der medizinischen Forschung in den letzten hundert Jahren, die einen Zuwachs an Lebensqualität, zielgerichtete Behandlung von Krankheiten sowie Erfolge bei der Rettung von Leben gebracht habe. Diese Fortschritte seien nur möglich, wenn evidenzbasierte, also auf dem wissenschaftlichen Nachweis von Wirkung basierende Medizin das Fundament bleibe. Der Bundesrat solle daher nicht Politik auf Kosten von Wissenschaft betreiben, das oberste Kriterium zur Berurteilung von medizinischen Diagnosen und Therapien müsse auch künftig deren wissenschaftlich belegte Wirkung sein.

Damit stellt sich in der Schweiz das gleiche Problem wie in Deutschland, wo einzelne Therapien unabhängig von einer belegten Wirksamkeit erstattet werden können, wenn sie nach Ansicht von Vertretern dieser Methoden zum Behandlungsstandard gehören.
Den vollen Wortlaut des „Schweizer Appells", der online von Unterstützern unterzeichnet werden kann, lesen Sie hier.


Holger von Rybinski