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04.07.2010 (GWUP) -  Die Änderung einer umstrittenen Passage in einem Englisch-Buch des Cornelsen-Verlages wird derzeit heftig diskutiert. Nach Kritik religiöser Gruppen sowie einzelner Lehrer über einen darin enthaltenen Text der amerikanischen Journalistin Susan Jacoby, in dem diese einen Zusammenhang zwischen christlichem Fundamentalismus in den USA und geringem Bildungsniveau hergestellt hatte,  wurde das Bayerische Kultusministerium aktiv. Es forderte den Verlag auf, das Kapitel ,,zu überarbeiten", da es pädagogisch nicht sinnvoll sei, den Schülern nur eine Dimension der Alltagswelt (in den USA) vorzustellen. Diesen Eindruck gewinnt man allerdings keineswegs, wenn man auf der Homepage des Verlags auf den Seiten des der Abiturvorbereitung dienenden Buches ,,Context 21" blättert.

 

Neben vielen anderen Aspekten der amerikanischen Gesellschaft wird eben auch der religiöse Fundamentalismus behandelt. Der Text von Susan Jacoby, ein Auszug aus einem ihrer Bücher, wird darin zur Diskussion gestellt. Außerdem sind fundamentalistische Weltanschauungen wie Kreationismus, mit dem neueren Umfragen zufolge über 40 Prozent der Amerikaner sympathisieren sollen, keineswegs nur eine unbedeutende Dimension der Alltagswelt der US-Gesellschaft.

Der Journalist Christoph Titz äußert auf ,,Spiegel-online" daher dezent den Verdacht, dass das Ministerium hier möglicherweise voreilig auf Kritik religöser Gruppen reagiert haben könnte. Dies weist Ministeriumssprecher Dieter Unger im selben Artikel jedoch weit von sich. Zwar habe man sich auf eine Anfrage des christlichen Nachrichtenportals ,,Idea" hin das Buch angesehen, entscheidend für die geforderte Änderung des Textes sei jedoch die nach Meinung des Ministeriums einseitige Interpretation des religiösen Lebens in den USA sowie die - wiederum einseitige - Schilderung von Verhaltensmustern, ohne die Gegenseite ausreichend darzustellen. Die gerät in den USA durch den Einfluss der Kreationisten allerdings zunehmend in Bedrängnis. So hat  ein Sprecher des National Centre for Science Education (NCSE) kürzlich darauf hingewiesen, dass die Kreationisten generell anti-wissenschaftlich eingestellt seien, da sie Erdgeschichte, Plattentektonik und globale Erwärmung leugneten. Als Reaktion darauf rief das NCSE das Jahr 2010 prompt zum ,,Jahr der Wissenschaftsleugnung" aus. Auch versuchen evangelikale Gruppen in den USA seit langem, Einfluss auf den Inhalt von Schulbüchern zu nehmen, um beispielsweise die Schöpfungslehre gleichberechtigt neben der Evolution  in den Schulbüchern zu verankern . Der christliche Fundamentalismus in den USA ist also mitnichten eine Randerscheinung. Unter anderem dies wird in dem Artikel in ,,Context 21" auf kluge Weise thematisiert.  

In einer Stellungnahme im ,,Börsenblatt des Deutschen Buchhandels " kündigte der Cornelsen-Verlag nun an, das strittige Teilkapitel zu streichen und neu zu erstellen, man sei sehr zuversichtlich, dass Context 21 dann ,,auch in Bayern zugelassen" werde.

Andere Bundesländer hatten mit dem eher harmlosen Text weniger Schwierigkeiten. In Thüringen und Sachsen soll das Schulbuch in der ursprünglichen Fassung erscheinen.  


Holger von Rybinski


Whittell, Giles (2010): Don McLeroy, the dentist who wants to drill pupils in creationism.  In: Times-online, 07.05.2010

o.V/KNA (2010): Spaenle beanstandet Kapitel in Schulbuch, in: Süddeutsche Zeitung, 30.06.2010