Du sprichst vom Fall Amelung?
André Sebastiani: Genau. Der Vorstand unter Holm Hümmler hat Till Randolf Amelung, dessen Vortragsvorschlag durch die SkepKon-Programmkommission ausgewählt wurde, von der Referentenliste gestrichen, weil man Retweets gefunden hatte, die angeblich andeuteten, dass er der Vereinsmeinung der GWUP zur Satanic-Panic-Verschwörungstheorie widersprochen habe. Till bestritt dies. Die geteilten Tweets hatten nichts mit seinem Vortrag zu tun. Und: Die Position, der er vermeintlich widersprach, wurde nie offiziell als Vereinsmeinung etabliert. Das war einfach das, was zwei Mitglieder vertreten haben. Und auf dieser Grundlage wurde dann gesinnungspolizeilich ermittelt. Nachdem wir jetzt ganz offiziell beschlossen haben, dass es keine offiziellen Vereinsmeinungen gibt, ist einem solchen Vorgehen auch die Grundlage entzogen.
Ist es dann überhaupt noch möglich, von der GWUP eine offizielle Einschätzung zu erhalten?
Nikil Mukerji: Wenn sich zum Beispiel Presse-Vertreter mit einer Frage an uns wenden, bekommen sie Kontakt zu jemandem, der fachkundig ist und in seiner Rolle als Skeptiker und GWUP-Mitglied Auskunft geben kann. Die entsprechende Person gibt dann ihre Kenntnisse weiter und hilft auch dabei, eine wissenschaftliche Denkweise zu erklären und sie auf die vorliegende Frage anzuwenden. Wer sich in dieser Weise als Botschafter äußert, sollte auf Basis unserer Werte handeln und ein gutes Beispiel für einen respektvollen und einladenden wissenschaftlichen Skeptizismus geben. Es gibt aber keine Garantie, dass die Rat gebende Person genau das Gleiche sagt wie alle anderen Skeptiker. Und es gibt auch keine Garantie, dass alles korrekt ist – auch wenn dies das Ziel ist.
Vielleicht hilft eine Analogie weiter: Unser Rechtssystem stellt ja auch Regeln auf, nach denen entschieden werden kann, wer in einer Streitfrage Recht hat. Analog dazu stellt der wissenschaftliche Skeptizismus Regeln auf, nach denen wir entscheiden können, wer in einer Diskussion über eine empirische Frage Recht hat. Unterschiedliche Juristen können im gleichen Fall unterschiedlich argumentieren und auch zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. Wird das vor Gericht diskutiert, dann prallen Argumente aufeinander, und daraus wird dann eine Abwägung möglich. Ähnlich ist es bei Skeptikern. Wir versuchen zwar alle, die gleichen Regeln anzuwenden, kommen dabei aber möglicherweise zu unterschiedlichen Schlüssen. Und dann schauen wir uns die Argumente an und haben hoffentlich etwas gelernt.
Die Analogie ist nicht perfekt. Denn ein Gericht spricht ja ein Urteil. Die GWUP soll dagegen als Gesamtorganisation keine Urteile mehr aussprechen.
Nikil Mukerji: Ein guter Punkt. Ein Richter kann am Ende eines Verfahrens nicht sagen: “Das war eine interessante Diskussion. Jetzt kann sich jeder sein eigenes Urteil bilden und nach Hause gehen.” Es muss ja etwas Verbindliches entschieden werden. Genau dafür gibt es ja Gerichte. Wir als Skeptiker müssen aber nichts Verbindliches entscheiden. Unsere Aufgabe liegt darin, Menschen für Wissenschaft und kritisches Denken zu gewinnen und produktive, respektvolle Debatten zu ermöglichen.
Erstmals veröffentlicht in: Humanistischer Pressedienst, 17.10.2025.