Rezension
Niall Taylor, Alex Gough
No way to treat a friend
Lifting the lid on Complementary and Alternative Veterinary Medicine
Niall Taylor, Alex Gough, 5m Publishing, 2017, ISBN 978-1-91045-591-3, 14,95 €
„Alternativmedizin“ oder „Komplementärmedizin“ in all ihren Ausprägungen (Homöopathie, Akupunktur, TCM, Osteopathie und andere manuelle Therapien, Bioresonanz, usw.) ist auch in der Veterinärmedizin alltäglich. Dazu kommen Diskussionen über die Fütterung, wo es Verschwörungstheorien analog zu „Big Pharma“ gibt – Fertigfutter enthalte nur Müll und sei an so ziemlich allen Krankheiten schuld, und Tierärzte seien nur die gehirngewaschenen beziehungsweise skrupellosen Handlanger der Futterindustrie. Prophylaxemittel gegen Parasiten (welche immerhin lebensgefährliche Krankheiten übertragen können) werden als „gefährliche Gifte“ abgelehnt und „natürliche Alternativen“ gesucht, von verschiedenen Ölen bis zu Bernsteinhalsketten.
„Alternative Tiermedizin“ boomt
Die Gründe für diese Entwicklung sind sicher ähnlich wie in der Humanmedizin: Wecken von falschen Hoffnungen, Angstmache vor „bösen Nebenwirkungen“, „zurück zur Natur“, etc. Haustiere werden von vielen ihrer Besitzern als vollwertige Familienmitglieder gesehen – Krankheit oder Tod des Tieres führt zu einem emotionalen Zustand, vergleichbar mit der Sorge um einen nahestehenden Menschen, und macht daher entsprechend empfänglich für falsche Heilsversprechungen.
Die Tierärztekammern fördern diese Entwicklung aktiv, indem sie Fortbildungszertifikate (Fachtierarzt, Zusatzbezeichnung) anbieten und die Anwendung von „Alternativmedizin“ bewerben. Betrachtet man die Fortbildungsangebote für Tierärzte, machen Angebote in Alternativmedizin einen großen Teil aus. An den Universitäten werden Kurse in Homöopathie & Co. als Teile des Studiums anerkannt.
Falsche Denkweisen und schädliche Praktiken aufdecken
Die Autoren Niall Taylor und Alex Gough sind beide als praktische Tierärzte in Großbritannien tätig. Sie sind Initiatoren der „Campaign for Rational Veterinary Medicine“, die gegründet wurde, um „den Standpunkt zu vertreten, dass tierärztliche Behandlung im 21. Jahrhundert in jedem Fall auf rationalen, anerkannten wissenschaftlichen Prinzipien basieren muss“. Sie betreiben auch eine Website, mit einem Blog zu aktuellen Ereignissen und vielen Links zu wissenschaftlichen Artikeln. Ihr Buch „No way to treat a friend” richtet sich an Tierbesitzer und Tierärzte gleichermaßen und soll „als Gegenmittel bei Fehlinformation und unkritischer Akzeptanz dienen.“
„When thinking goes wrong“
Das Buch besteht aus zwei Teilen, wovon der erste, der etwa ein Drittel umfasst, betitelt ist mit „Sciences and belief in medicine, the nature of understanding, how it can go wrong and what happens when it does“. Es geht darin um die Definition von „Komplementär- und Alternativmedizin“ (KAM) und warum sie bei Tieren zu wirken scheint, mit den bekannten Effekten natürlicher Krankheitsverlauf, Wunschdenken bzw. selektive Wahrnehmung, zusätzliche Anwendung wirksamer Medikamente, Fehldiagnosen und „Wunderheilungen“ – zu letzteren werden einige anschauliche Bespiele aus der tierärztlichen Praxis beschrieben, wie aussichtslose Fälle, schwere Verletzungen oder bösartige Tumore, die „von alleine“ heilten – Fälle, die als „Triumph der Alternativmedizin“ gefeiert würden, wäre sie zum Einsatz gekommen. Weiters werden Bedeutung und Vorgehensweise der Wissenschaft erklärt und was KAM davon unterscheidet. Das ausführliche Kapitel „When thinking goes wrong“ erläutert alle Fehlschlüsse und rhetorischen Kniffe der KAM und geht auch auf Verschwörungstheorien wie „Big Pharma“ und Vorurteile gegen die Wissenschaft ein. Darüber hinaus wird über beliebte Aussagen wie „ganzheitlich“ und „traditionell“ und die Überzeugungskraft von Erfolgsgeschichten aufgeklärt.
Alternativmedizin und verwandte Denkweisen – eine Kritik
Im zweiten Teil geht es um die Methoden im Speziellen – eigene Kapitel sind jeweils Kräutern und Nahrungsergänzungen (inkl. TCM, Ayurveda, ätherischen Ölen und Zoopharmakognosie [Selbstmedikation von Tieren durch Aufnahme von Pflanzen oder Mineralien mit angeblich therapeutischer Wirkung]), der Rohfütterung, Akupunktur, Homöopathie, den manuellen Therapien und den fragwürdigen Diagnosemethoden (wie Irisdiagnositik, Kinesiologie, Tierkommunikation) gewidmet; ein weiteres Kapitel fasst „den Rest“ (wie Energetik, Aromatherapie, Laserbehandlung, Detox) zusammen. Es werden jeweils Herkunft bzw. Hintergrund, wissenschaftliche Datenlage und mögliche Risiken besprochen. Eine Zusammenfassung geht noch mal auf gängige Mythen der KAM ein, wie „Natürlichkeit“ vs. „Chemie“, Vermeidung von Antibiotika durch KAM, und angebliche „Beweise“.
Tiere sind auf ihre Halter angewiesen
Im Gegensatz zu Menschen können Tiere keine eigenen Entscheidungen treffen, sie müssen auf ihre Halter vertrauen, wenn es um ihre medizinische Behandlung geht. Deswegen sollte diese wohlüberlegt gewählt werden – das ist das Anliegen der Autoren, und man spürt ihre Überzeugung in jedem Wort. Dabei kommen sie nie mit erhobenem Zeigefinger, das Buch ist mit Humor geschrieben und mit vielen Beispielen aus der Praxis aufgelockert. Für Tierbesitzer werden alle Fachbegriffe erklärt und anschauliche Vergleiche benutzt; für Veterinärmediziner und andere Wissenschaftler ist es deswegen nicht oberflächlich; auch gibt es eine ausführliche Liste an Referenzen. Die gesetzlichen Hintergründe zur Anwendung von KAM sind nur für die USA und Großbritannien beschrieben; ansonsten ist der Inhalt natürlich im deutschen Sprachraum ebenso gültig – das Thema ist es auf jeden Fall.
Einziger kleiner Kritikpunkt ist, dass der Titel bereits auf eine kritische Abhandlung hindeutet und daher positiv eingestellte Leser abschrecken könnte.
Ansonsten bleibt zu hoffen, dass ein ähnliches Werk bald auch auf Deutsch erscheint.
Stefanie Handl
(erstmals erschienen in: Skeptiker 3/2018, S. 150 - 151)