09.12.12 (GWUP): Kann man PSI-Phänomene mit Hilfe der Quantenphysik erklären? Viele Esoteriker berufen sich bei der Erklärung von scheinbar außergewöhnlichen Erfahrungen dabei ausgerechnet auf diesen für Nichtfachleute kaum verständlichen Teil der Physik, um angeblich unerklärliche Phänomene wie Heilung mittels Homöopathie oder Gedankenübertragung zu erklären. Der weltbekannte Quantenphysiker Professor Anton Zeilinger widerspricht solchen Thesen in einem Interview mit der ,,Wiener Zeitung".
Gerade im Bereich der ,,Alternativmedizin" findet man vielerlei Begriffe aus der Physik, die im Zusammenhang mit umstrittene Behandlungsmethoden verwendet werden. Die ,,Paraphysik" erweckt dabei den Eindruck, wissenschaftlich-physikalische Erklärungen für Phänomene zu haben, die den Naturgesetzen widersprechen. Der Begriff ,,Quantenheilung" ergibt bei Google derzeit 578.000 Suchergebnisse, von heilenden ,,Energien" ist die Rede und dass man mit dem Geist den Heilungsprozess steuern kann. Dabei werden Eigenschaften, die bei subatomaren Teilchen im Mikrokosmos beobachtet werden können, unzulässigerweise auf unsere Alltagswelt übertragen und als Erklärungsmuster für allerlei Unsinn verwendet. Auch Parapsychologen wie der Psychologe und Physiker Walter von Lucadou berufen sich in ihren Büchern immer wieder auf die Quantenphysik, um vermeintliche Spukphänomene oder Telekinese und Gedankenübertragung zu erklären. Doch wie sehen Experten derartige Behauptungen? Der mit zahlreichen internationalen Auszeichnungen bedachte Wiener Professor Anton Zeilinger, unter anderem mit seinen Experimenten zur Quantenteleportation berühmt geworden, bezieht dazu eindeutig Stellung. Auf die aus den Erkenntnissen der Quantenphysik abgeleiteten zahlreichen Fragen sagt er unter anderem:
,,Davon getrennt zu sehen ist eine Interpretation, die die Quantenphysik zur Begründung für gewisse esoterische Positionen heranzieht. Das ist blanker Unsinn. Wer so etwas behauptet, versteht die Quantenphysik nicht, sondern folgt mentalen Spielereien von manchen Leuten. Was soll das heißen, es gibt einen Quantencode, der auch das Leben nach dem Tod beeinflusst? Es gibt auch "Quantenheiler" - maximal ein Placebo-Effekt. Aber mit Physik hat das überhaupt nichts zu tun."
Und auf die Frage, ob Quantenphänomene im Gehirn erklären können, warum zwei Menschen gleichzeitig scheinbar an das Gleiche denken, antwortet er:
,,Das wäre zu vordergründig, zu aufgelegt. Das gefällt mir nicht. Gelegentlich denken natürlich zwei Menschen an das Gleiche, ich und meine Frau auch - wir kennen uns ja auch schon lange genug. Manche Menschen behaupten auch zu wissen, wie eine Situation in Zukunft sein könnte. Wenn man aber aufzeichnen würde, wie oft die beiden Menschen nicht an das Gleiche denken, bezweifle ich, ob an das Gleiche zu denken öfter auftreten würde als reiner Zufall. Ich glaube, die Quantenphysik ist philosophisch schwerer fassbar, als das ganze Esoterik-Camp sich das vorstellen kann."
Auch zur in diesem Zusammenhang häufig genannten angeblich auf quantenphysikalischer Ebene wirkenden Homöopathie hat sich Professor Zeilinger jüngst geäußert - verärgert darüber, dass seine Arbeiten fälschlicherweise immer wieder als vermeintlicher Beleg der ,,alternativen" Heilmethode zitiert werden.
Ob Esoteriker nach diesen eindeutigen Aussagen des Wiener Professors nun aber ihre Argumentationsweise überdenken, bleibt abzuwarten.
Holger von Rybinski
Weiterführende Informationen zum Thema:
Seit vielen Jahren beschäftigt sich Prof. Martin Lambeck , Mitglied des GWUP-Wissenschaftsrates, in zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen mit den Behauptungen von ,,Alternativmedizinern" und Esoterikern und deren Bezugnahme auf die Physik (http://www.gwup.org/ueber-uns-uebersicht/wiw/717-irrt-die-physik).
Ferner im GWUP-Blog vom 11.Oktober 2011: Quantenphysik: Wankt das ,,skeptische Dogma"?
sowie ein weiterer Artikel von Dr. Philippe Leick im Skeptiker 3/2006: Die "schwache Quantentheorie" und die Homöopathie