Esoterik-Kritik als massentaugliches Edutainment: Das ist das Konzept der „Science Busters". Skeptiker-Chefreporter Bernd Harder traf die „Chippendales der Physik" bei einem Auftritt in München.
Vorhang auf für die „Science Busters": Heinz Oberhummer, Martin Puntigam und Werner Gruber (v. l.) Für die multimedialen Effekte zeichnet der Visual Artist Christian Gallei (nicht im Bild) verantwortlich. |
Herr Professor Oberhummer, Sie haben bedeutende wissenschaftliche Beiträge zur Astrophysik und Kosmologie geleistet – hätten Sie je gedacht, nach Ihrer Emeritierung auf der Kabarett-Bühne zu stehen?
Oberhummer: Allenfalls in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir das während meiner Universitätslaufbahn vorstellen können. Oder dass ein Projekt wie die „Science Busters" überhaupt Erfolg haben könnte. Aber jetzt bin ich schon seit vier Jahren nicht mehr an der Uni und kann endlich das machen, was ich immer schon machen wollte: nämlich den Leuten – und insbesondere der jungen Generation – zu erzählen, wie faszinierend Naturwissenschaft und Technik ist. Und dabei habe ich erfahren, dass die breite Öffentlichkeit sehr wohl an Physik interessiert ist. Man muss das Ganze nur unterhaltsam, spannend und vor allem verständlich rüberbringen.
Unterhaltsam, spannend, verständlich: Für die meisten Ihrer Fachkollegen an den Universitäten sind das gleich drei Reizwörter auf einmal.
Oberhummer: Ja, leider. Noch vor einem Jahrzehnt spielten Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit fast gar keine Rolle, wenn es um Beförderungen oder um die Besetzung von Hochschullehrerstellen ging. Das hat sich in den letzten Jahren etwas gebessert. Dennoch wäre aus meiner Sicht zu fordern, dass populärwissenschaftliches Engagement ebenso eine Rolle spielen sollte wie die Anzahl der Fachpublikationen, wenn es um die Entscheidung geht, ob jemand Professor wird.
Allerdings sind Bühnenprogramme wie die der „Science Busters" auch ziemlich zeitaufwändig.
Ob Live-Tunneleffekt, aktives Lichtfasten oder schweres Wasser: Alles im Universum ist Physik, und die „Science Busters" sind in der Lage, das verständlich und unterhaltsam zu präsentieren. |
Oberhummer: Das stimmt. Früher, während meiner aktiven akademischen Laufbahn, hätte ich schon aus diesem Grund niemals Wissenschaftskabarett machen, regelmäßig im Radio und im Fernsehen auftreten oder Audio- und Video-Podcasts produzieren können. Denn die Popularisierung von Wissenschaft ist, wenn man das Ganze ernsthaft betreibt, in der Tat äußerst aufwändig. Einen Fachvortrag kann ich praktisch aus dem Stegreif halten – eine populärwissenschaftliche Präsentation dagegen braucht viel Zeit und ist harte Arbeit, um die fachlichen Inhalte so in Bilder und Sätze zu packen, dass sie auch verständlich sind.
Professoren, die bei den Studenten sehr beliebt sind, werden von ihren Kollegen oft geschnitten. Erleben Sie mit den „Science Busters" dasselbe?
Oberhummer: Es gibt schon Kolleginnen und Kollegen, die neidisch sind. Ich verstehe das auch. Die arbeiten intensiv und hingebungsvoll an ihrer wissenschaftlichen Karriere und kommen trotzdem kaum in den Medien vor, während unsere Aktivitäten einige Aufmerksamkeit erregen. Aber insbesondere die wissenschaftlich hervorragenden und bekannten Kollegen begrüßen unser Engagement sehr und gratulieren uns zu unseren Erfolgen. ?? In den verschiedenen Programmen der „Science Busters" geht es um die Popularisierung von Wissenschaft, aber auch – zu einem nicht geringen Anteil – um Esoterik-Kritik. Herr Puntigam, wieso beschäftigen sich nicht viel mehr Kabarettisten mit den bizarren Absonderlichkeiten der Esoterik?
Puntigam: Man muss schon auch etwas darüber wissen. Natürlich ist es leicht, sich über blockierte Wurzel-Chakren oder yogisches Fliegen lustig zu machen – aber was bringt das? Kabarettisten sind ja keine reinen Spaßmacher, sondern sie analysieren und sezieren gesellschaftliche Phänomene. Bei mir war es so, dass erst die Bekanntschaft mit den Herren Oberhummer und Gruber mir das Rüstzeug vermittelt hat, um esoterische Phrasen wie zum Beispiel „Wer heilt, hat Recht" auseinanderzunehmen.
Wie sind Sie denn an die beiden geraten?
Puntigam: Da war wohl eine Art spukhafte Fernwirkung im Spiel. Kurioserweise hat mich an der Physik zuallererst die Sprache fasziniert. Gerade die Teilchenphysiker versetzen ihren Jargon ja grundsätzlich mit Superlativen. Da geht es immer um die „höchsten" Energien, die „größten" Maschinen, die „komplexesten" Strukturen und so weiter. Totale Angeber, die mit ihrem Teilchenzoo spielen wie kleine Kinder mit einem Playmobil-Bauernhof. Und wenn sie einen Beschleuniger benennen müssen, nehmen sie dafür ein Akronym das wie der Name einer Frau klingt. Ich wollte damals wissen, was das für Menschen sind, und habe dann gemerkt, dass die Sache eigentlich recht spannend ist.
Wenn Kabarettisten über Atome reden, geht es normalerweise um Laufzeiten und Streitereien, um Politik und Kernkraft-Lobby ...
Puntigam: ... und lauter so fades Zeug, genau. Ich habe das Thema von der Seite der Naturwissenschaften aufgezäumt und unter anderem in der Deutschen Schule des CERN gespielt, wo ich auch Professor Oberhummer zum ersten Mal traf. So kam der Kontakt zustande, der mich schließlich viele Jahre später zu den „Science Busters" führte.
„Die Physik von Harry Potter" heißt eines der fast 30 „Science Busters"-Programme. Kann man mit einem Besen wirklich fliegen? Mit welchen Zutaten braut man einen Zaubertrank? Und was muss man tun, um für seine Gegner unsichtbar zu werden? |
Was hat Sie an dem Projekt gereizt?
Puntigam: Wenn die Leute in Urlaub fliegen wollen, sollen die Naturgesetze natürlich gelten. Aber daneben glaubt man trotzdem an Lichtfasten, und wer das für Blödsinn hält, kann sich immer noch an die Homöopathie halten. Das ist zwar genauso albern, aber wesentlich anerkannter. Als Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre „New Age" Karriere machte, dachte ich noch, dieser Unfug würde bald wieder verschwinden. Das war ein grundlegender Irrtum. Zum einen ist die Esoterik mit ihrem rücksichtslosen Egoismus bei der individuellen Sinnsuche eine ideale spirituelle Begleitung für Wirtschaftsideologien wie den Neoliberalismus. Zum anderen glaubt der Mensch gern. Neurowissenschaftler, wie Herr Gruber, können erklären, warum das so ist. Mich als Kabarettisten und Satiriker beschäftigen mehr die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Klar kann jeder sich einen Hausaltar bauen und darauf Schüssler-Salze anbeten – das ist mir völlig wurscht. Aber wenn Kinder leiden müssen oder sogar sterben, weil eine Lungenentzündung mit D 30-Globuli behandelt wird, sieht die Sache schon anders aus. Das mögen Ausnahmefälle sein, aber sie zeigen doch eine unheilvolle Tendenz. Und deshalb interessiert mich das Thema.
Herr Gruber, im Buch der „Science Busters" steht zu lesen, dass man mit Mondkalendern zehn Millionen Euro verdienen kann, mit dem Physik-Nobelpreis dagegen nur eine Million. Zitat: „Selber schuld, wenn man Physik studiert und nicht Mondholz." Klingt da ein Hauch von Verbitterung an?
Gruber: Durchaus nicht. Geld ist doch nicht alles. Es stimmt schon: Wenn jemand Kohle machen will, dann ist er in der Esoterik-Szene natürlich gut dabei. Aber ich muss für mich sagen, ich finde es cool, Wissenschaft zu betreiben und daneben die Esoterik aufzumischen. Das macht doch einfach Spaß!
Aber was sagt das über den Stellenwert von Wissenschaft aus, wenn ein Tennisspieler das Hundertfache verdient wie so mancher Nobelpreisträger?
Gruber: Na und? Ich kann damit gut leben, und zwar aus folgendem Grund: Egal ob Torschützenkönig, Weltmeister oder Olympiasieger – spätestens vier Jahre danach wird das Ganze neu gemischt. Und in zehn Jahren weiß keiner mehr, wer das war. Ein Wissenschaftler, der eine bahnbrechende Entdeckung macht oder auf neue Erkenntnisse stößt, forscht für die Ewigkeit. Oder prägt wenigstens die nächsten Forschergenerationen.
Oberhummer: Ärgern tut mich der Erfolg solcher Esoterikschwarten auch nicht. Ich begreife es eher als Ansporn, dass wir noch mehr dafür tun müssen, um das zu ändern.
Was können die „Science Busters" denn realistischerweise bewirken? Wer an Engel glaubt, wird sich kaum von Ihrer Argumentation beeindrucken lassen, der Erzengel Gabriel „hätte ausgeschaut wie ein magersüchtiger Skispringer mit einer Flügelspannweite von neun bis zwölf Meter".
Oberhummer: Nein, mit überzeugten Gläubigen und/oder Esoterikern kann man nicht ernsthaft diskutieren. Also man kann es schon – es bringt bloß nichts. Aber es gibt eine nicht geringe Zahl von Unentschlossenen, die beispielsweise schon viel von Homöopathie gehört haben, aber nicht recht wissen, was sie davon halten sollen. Und diese Menschen wollen wir auf unsere Seite ziehen. Mit unseren Mitteln, und das sind in erster Linie Humor und Satire. Bei den „Science Busters" kann man über Homöopathen, Exorzisten, Ufo-Kontaktler, Seher und Nahrungslose lachen. Und wenn man über etwas lacht, nimmt man es nicht mehr ernst.
Gruber: Genau, machen wir sie lächerlich!
Die meisten Ihrer Fachkollegen scheuen jedwede Auseinandersetzung mit Esoterik und Pseudowissenschaften. Häufig mit dem Argument, das Ganze nicht noch weiter „aufwerten" zu wollen.
„Es brennt öfters etwas ab" ist einer der zahlreichen Presseartikel zur Show der „Science Busters" überschrieben. Dabei will das Impro-Trio nur zeigen, wie man einen Außerirdischen jederzeit mit einem Feuerball begrüßen kann, ohne die ganze Zeit einen auffälligen Flammenwerfer im Vorzimmer liegen haben zu müssen. |
Oberhummer: Diese Argumentation ist grundverkehrt, weil die Esoterik ja längst ihren Siegeszug angetreten hat. Und sogar schon Universitäten infiltriert.
Ohne dass ein Aufschrei durch die Wissenschaft geht.
Gruber: Vielen Kolleginnen und Kollegen fehlt einfach das Rückgrat. Der universitäre Betrieb fördert eher Ja-Sager und Angepasste und bringt selten Personen hervor, die ihre Meinung kundtun.
Oberhummer: Die akademische Welt kümmert sich einen Dreck um die Esoterik. Jede Akademie der Wissenschaften, jede Gelehrtengesellschaft müsste eigentlich geschlossen aufstehen gegen Behauptungen, man könne nur von Licht leben ...
Puntigam: Gelingt beim Lichtfasten das Abnehmen mit Energiesparlampen eigentlich noch besser?
Oberhummer: ..., aber die lassen uns so was von allein. Wir stehen hier mit den „Science Busters" gewissermaßen an der Front, und denen sind wir völlig gleichgültig. Im besten Fall denken sich die Fachwissenschaftler und Experten wohl: „Die schaffen das schon."
Und, schaffen Sie's?
Oberhummer: Ich hoffe es. Ich bin ja zur Wissenschaftskommunikation gekommen, als ich meine Friseurin zu einem Vortrag einladen wollte. Sie fragte, ob das etwas Wissenschaftliches sei, und lehnte dann ab. Mit der Begründung: „Das ist mir zu kompliziert, davon verstehe ich eh nix." In dem Moment ist mir klar geworden, dass wir andere Wege gehen müssen. Ich halte ja auch ganz normale Vorträge über Esoterik und Paranormales, aber damit kommt man nie so weit wie mit einer Show. Die „Science Busters" sind eine einmalige Chance. Puntigam: Kabarett macht normalerweise Witze über Fußball, Männer und Frauen, Politik oder übers Wetter. Wir gehen halt der Frage nach, wo man in einem Paralleluniversum am billigsten Urlaub machen kann. Oder ob man mit einem homöopathischen Vollrausch noch Auto fahren kann.
Homöopathischer Vollrausch?
Gruber: In Österreich gibt es den Ausdruck „Sommerspritzer" oder „Sommergespritzter" für eine Schorle aus wenig Wein und viel Soda- oder Mineralwasser. Nach homöopathischer Lehre müsste dieses Mischgetränk doch sehr viel stärker betrunken machen als unverdünnter Wein. Das sind Beispiele, die jeder Zuschauer versteht.
Interview: Bernd Harder. Fotos: Ingo Pertramer
Heinz Oberhummer (geb. 1941) ist Universitätsprofessor i. R. für Theoretische Physik am Atominstitut der Österreichischen Universitäten der Technischen Universität Wien. Mit seinen Arbeiten über die kosmologische Feinabstimmung der grundlegenden Kräfte im Universum erregte er internationales Aufsehen. Seine Veröffentlichung „Kann das alles Zufall sein?" wurde 2009 in Österreich zum Wissenschaftsbuch des Jahres gewählt. Oberhummer gehört dem wissenschaftlichen Beitrat der Giordano-Bruno-Stiftung an und ist Vorsitzender des Zentralrates der Konfessionsfreien. Bis zum Juni 2010 war er Vorsitzender der „Gesellschaft für kritisches Denken", der österreichischen GWUP-Regionalgruppe.
Werner Gruber (geb. 1970) lehrt Experimentalphysik an der Universität Wien. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Neurophysik, insbesondere Brain Modelling (physikalische Modelle über das Gehirn). Er hat zahlreiche Bücher über Alltags- sowie kulinarische Physik geschrieben, darunter die Bestseller „Die Genussformel" und „Unglaublich einfach. Einfach unglaublich. Physik für jeden Tag".
Martin Puntigam (geb. 1969) studierte einige Semester Medizin, ehe er sich ganz dem Kabarett zuwandte. Er arbeitet als Humorist, Autor und Schauspieler für verschiedene Medien, unter anderem für den ORF. Puntigam wurde mit zahlreichen Bühnen- und Kleinkunstpreisen ausgezeichnet.
Zum Thema: Die Physik des Paranormalen
Die „Science Busters" treten auch im Rahmen der 21. GWUP-Konferenz in Wien auf. Zum Abschluss des „Publikumstages" am Donnerstag, 2. Juni 2011, präsentieren sie um 20 Uhr im Rabenhoftheater ihr Programm „Die Physik des Paranormalen". Infos unter www.sciencebusters.at und www.gwup.org.
Buchtipp: Topwissenschaft und Spitzenhumor
Werner Gruber/Heinz Oberhummer/Martin Puntigam: Wer nichts weiß, muss alles glauben. Ecowin, Salzburg 2010, 234 Seiten, 21,90 €.
Aus der Verlagsinformation: „Wird Erdbeerjoghurt aus Sägespänen hergestellt? Kann man einen Tsunami surfen? Wenn ein Außerirdischer vor der Haustür steht, bin ich stärker, oder soll ich ihm doch lieber Hausschuhe anbieten? Und wenn ja, wie viele? Prof. Heinz Oberhummer, Univ.-Lekt. Werner Gruber und Kabarettist Martin Puntigam erklären als schärfste Science-Boygroup des Universums Wissenschaft für alle – farbenfroh, lehrreich und unterhaltsam. Denn: Topwissenschaft und Spitzenhumor müssen keine Feinde sein! "Wer nichts weiß, muss alles glauben" ist ein kurzweiliger und gewitzter Ausflug in die Welt der Naturwissenschaft vom Urknall über das Leben und die Liebe, bis hin zum Tod."