Der unterschätzte Baumeister - Spekulationen und Erkenntnisse über die Architektur der Cheops-Pyramide
Klaus Richter
Ein unscheinbarer Blockierstein in einem Schacht der Cheops-Pyramide erhitzte im letzten Jahr die Gemüter der Archäologie-Interessierten. Bereits 1993 entdeckt, wurde er nach Querelen zwischen den Verantwortlichen erst im September 2002 geöffnet.
Diese Verzögerung wurde zum Nährboden für Verschwörungstheorien. Die offizielle Ägyptologie blockiere jede weitere Untersuchung aus Furcht, dass die Entdeckung hinter dem Stein ihr Weltbild zum Einsturz bringen werde, so Bestseller-Autor Erich von Däniken. Denn seiner Ansicht nach war der Pharao Cheops gar nicht Erbauer der Pyramide. Die Menschen des dritten vorchristlichen Jahrtausends konnten ein so anspruchsvolles Bauwerk nur unter Anleitung hoch zivilisierter außerirdischer Architekten errichten, behauptete Däniken. Entsprechende Belege würden von einer ignoranten, selbstverliebten Wissenschaft bewusst übergangen.
Die Öffnung des Ganges brachte allerdings nur einen kleinen, unspektakulären Hohlraum zutage. Däniken hält dennoch an seiner These fest: Die Cheops-Pyramide rage als einmaliges Bauwerk aus der Kulturgeschichte Ägyptens heraus. Dabei lässt sich der Kolossalbau in Giza gut in die Pyramiden-Tradition des Alten Reiches einordnen. Auch Pharao Cheops als Erbauer ist gut belegt. Dänikens These lässt sich nur durch Verschwörungstheorien und verzerrte Wiedergaben von Forschungserkenntnissen aufrecht erhalten.
"Und was liegt denn nun hinter dem Schacht? Freunde, inzwischen geht es um zwei Schächte! Ich tippe auf Kammern, und von dort aus wird es weiter zu anderen Räumen gehen. Und noch etwas: Sollten sich hinter den Verschlussblöcken Kammern zeigen, die nichts mit Cheops zu tun haben, werden wir sie mit ihrem Originalzubehör nie zu Gesicht bekommen. Wetten?" (Däniken 2002).
So beendet Erich von Däniken, weltbekannter Vertreter der Spekulation "Die Götter waren Astronauten", seine Stellungnahme zum archäologischen Live-Ereignis des letzten Jahres. Im Mittelpunkt stand die Cheops-Pyramide. Es war geplant, den Blockierstein im südlichen Schacht ihrer Königinnenkammer zu öffnen, und das Fernsehen sollte weltweit live dabei sein.
Veröffentlicht wurde Dänikens Mutmaßung in Ausgabe 6/2002 des Magazins Sagenhafte Zeiten, das Mitglieder der pseudoarchäologischen "Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI" (A. A. S.) kostenlos erhalten. Die Aussage Dänikens ist nicht ohne Brisanz, hält sie doch eine Verschwörungstheorie am Leben, die schon seit langem in pseudoarchäologischen Kreisen kursiert: Die Ägyptologie arbeite unseriös, denn sie manipuliere Entdeckungen, damit das über viele Forschergenerationen hinweg lieb gewonnene Theoriengebäude erhalten bleibt und "Querdenker" wie Erich von Däniken keine Anerkennung finden können.
Diese Verschwörungstheorie fällt bei vielen Menschen ganz unterschiedlicher Bildungs- und Gesellschaftsschichten auf sehr fruchtbaren Boden. Den ägyptischen Pyramiden haftet trotz ihrer Erforschung durch die Wissenschaft anscheinend immer noch etwas Rätselhaftes und Mythisches an. Besonders bei der größten, der Cheops-Pyramide auf dem Giza-Plateau nahe Kairo, fällt es vielen schwer zu akzeptieren, dass es sich dabei um die Leistung von Menschen handelt. Um 2550 v. Chr. errichteten sie mit einfachen Werkzeugen innerhalb von 20 Jahren ein Wunderwerk der Baukunst. Und das zu einem einzigen Zweck, als Grabmal des Pharaos Cheops, mit angeschlossenem Tempelkomplex für die Verehrung des nach seinem Tode in den Götterhimmel aufgestiegenen Königs.
Auch die Öffnung des Blockiersteins im September 2002 brachte nichts Mysteriöses zutage. Was sich wirklich hinter ihm verbarg, konnten Millionen von Menschen in der Nacht vom 16. zum 17. 9. 2002 an ihren Fernsehern mitverfolgen: Die Forschungsexpedition unter der Leitung von Zahi Hawass, dem Leiter der ägyptischen Antikenverwaltung, fand nur einen leeren Hohlraum, etwa 45 cm lang, und eine Verlängerung des Schachts. An ihrem Ende konnte man einen unpolierten Steinblock erkennen, der anscheinend zum Kernmauerwerk der Pyramide gehört (Haase 2002). Zuvor war ein kleines Roboterfahrzeug, der "Pyramid Rover", den knapp sechzig Meter langen Schacht (mittlerer Steigungswinkel: 39,61 Grad, Breite und Höhe des Schachtes: 20,5 cm) bis zu dem Blockierstein hinaufgefahren. Der Roboter war mit einem Bohrer ausgerüstet. Damit wurde ein Loch in den Blockierstein gebohrt und anschließend eine ebenfalls am Roboter montierte Kamera hindurchgeführt.
Bei vielen Zuschauern blieb angesichts des leeren Hohlraums nur Enttäuschung, hatte doch die Zeitschrift National Geographic die Schachtöffnung mit großem Aufwand als Medienereignis angekündigt. Auch Dänikens Vermutung über ein weiteres Kammersystem jenseits des Blockiersteins erwies sich als falsch. Doch trotz des eindeutigen Befundes hält er weiterhin an seiner Verschwörungstheorie fest. Was hat jener kleine Blockierstein am Ende eines fast sechzig Meter langen Schachtes an sich, dass er den Bestseller-Autor derart in seinen Bann zu ziehen vermag?
Zwischen dem ältesten Grab in Abydos, dem Grab "U-j" eines nicht näher identifizierten Herrschers aus der Dynastie 0, und dem Grab des Pharao Chasechemui, dem letzten Herrscher der 2. Dynastie, lässt sich eine eindrucksvolle Weiterentwicklung der Baukunst ablesen. Ein weiteres Gräberfeld befindet sich in Saqqara. Hier wurden bereits in frühdynastischer Zeit Angehörige der ägyptischen Elite bestattet, in späteren Dynastien auch Pharaonen. Hier errichtete König Aha in der 1. Dynastie die neue Hauptstadt Inebu Hedj ("die weißen Mauern"), die man heute unter dem Namen Memphis kennt. Hohe Beamte des Herrschers wurden am Rand des Wüstenplateaus bestattet. Die Ägyptologen fanden heraus, dass sich die Grabanlagen in Saqqara von denen in Abydos unterschieden und sich hier offenbar unterschiedliche religiöse Vorstellungen von einem Leben nach dem Tode verwirklicht haben. Anders als in Abydos wurden in Saqqara die Grabbauten aus Ziegel errichtet und mit einer Nischengliederung versehen. Weil diese Grabbauten eine gewisse Ähnlichkeit mit einer arabischen Sitzbank haben, nennt man sie "Mastabas" (arab.: Bank). In Saqqara zeigen sich wichtige technische und handwerkliche Neuerungen auf dem Weg zum Pyramidenbau, so die vorrangige Verwendung von Stein als Baumaterial. Der Weg zu Djosers Stufenpyramide in Saqqara war damit vorgezeichnet.
Djoser (eigentlich: Netjerichet) steht am Anfang der 3. Dynastie um 2650 v. Chr. Die Legende schreibt Planung und Bau des Grabmals Imhotep zu, dem Wesir des Herrschers. Geplant war das Grabmal zunächst als eine für Saqqara typische Mastaba, doch entschloss man sich, auf dieser Mastaba stufenförmig weitere Bauten dieses Typs zu errichten: Die Stufenpyramide war geboren. Zusätzlich errichteten die Baumeister über der so entstandenen, ersten Stufenpyramide eine größere Pyramide, die man auch heute noch in Saqqara bewundern kann. Unterirdisch wurde ein komplexes Labyrinth angelegt, das den unterirdischen Palast des Königs darstellt. Warum ließ Djoser eine Stufenpyramide erbauen? Ägyptologen vermuten hier religiöse Motive, denkbar ist aber auch, dass es erst unter Chasechemui zu einer Vereinigung von Ober- und Unterägypten zu einem Reich kam und Djoser das Grabmal als Zeichen des erstarkten, zentralistischen Anspruches und als Machtsymbol des Königs errichten ließ.
Auf Djosers Pyramide folgten weitere Stufenpyramiden, bis mit Pharao Snofru, dem ersten Herrscher der 4. Dynastie (um 2600 v. Chr.), weitere, wichtige Schritte in der Pyramidenevolution vollzogen wurden. Snofru ließ insgesamt drei Pyramiden errichten. Die erste befindet sich in Medum. Sie wurde ursprünglich als Stufenpyramide gebaut und später in eine echte Pyramide umgewandelt, vermutlich als Experimentierfeld für Architekten. Dort konnten sie ihre Erfahrungen mit Snofrus zweiter Pyramide, der Knickpyramide in Dahschur, umsetzen für den dritten, entscheidenden Pyramidenbau Snofrus, die rote Pyramide von Dahschur. Die Knickpyramide entpuppte sich als Baukatastrophe, da sie zum einen auf unsicherem Grund errichtet wurde und man sich zum anderen beim Winkel so verschätzt hatte, dass während des Baus eine Korrektur erforderlich wurde.
Auf den Erfahrungen von Snofrus Baumeistern baute Cheops auf. Einmalig an seiner Pyramide ist das Kammersystem, das sich weit in den Pyramidenkörper erstreckt. Wie es dazu kam, ist unter den Fachleuten umstritten. Einige vermuten hier eine einheitliche Planung, während andere eine Planänderung annehmen. Eine solche ist immerhin denkbar: Ursprünglich sollte das Kammersystem der Pyramide unterirdisch angelegt werden, doch mussten die Arbeiten in der unvollendeten Felsenkammer eingestellt werden, da Staub und Dreck die Sicht behinderten und die Luftzufuhr für die Arbeiter unzureichend war. Angesichts der Erfahrungen von Snofrus Baumeistern ist es vorstellbar, dass Cheops eine Planänderung in Erwägung zog, um eine weitere Baukatastrophe zu vermeiden. Die übrigen Pyramiden der 4. Dynastie wiesen bescheidenere Kammersysteme auf.
Während die Pyramide des Chephren der Cheops-Pyramide an Größe gleichkommt, vollzieht sich mit Mykerinos ein deutlicher Wandel. Seine Pyramide ist die kleinste der Giza-Pyramiden. Wichtige Änderungen ergaben sich mit der 5. Dynastie. Häufige Probleme, die Improvisationen erforderten, und der frühe Tod der Herrscher zwangen zum Umdenken. Ein Grabmal musste schnell verfügbar sein und sollte unter möglichst geringem Materialaufwand errichtet werden. Der Bau riesiger, steinerner Pyramiden wurde als Sackgasse angesehen. So verzichtete man ab der 5. Dynastie auf große Steinpyramiden. Statt dessen baute man das Pyramideninnere aus Geröll oder grob bearbeiteten Kalksteinblöcken zusammen und stabilisierte das Ganze durch die Außenverkleidung. So konnte das Grabmal vergleichsweise schnell errichtet werden. Was sich aus heutiger Sicht als technischer Rückschritt darstellt - von den Pyramiden der 5., 6. Dynastie oder des Mittleren Reiches sind nach Entfernung der Außenverkleidung nur unförmige Stein- und Ziegelhaufen übrig geblieben - war aus ägyptischer Sicht ein technischer Fortschritt, notwendig für eine erfolgreiche Jenseitsreise des verstorbenen Herrschers. Klaus Richter
Literatur
- Haase, M. (2000): Das Feld der Tränen. Ullstein, München
- Haase, M. (2001): Das Rätsel des Cheops. Droemer Knaur, München
- Lehner, M. (1999): Geheimnis der Pyramiden. Orbis Verlag, München
- Stadelmann, R. (1997): Die ägyptischen Pyramiden. von Zabern, Mainz
Hintergründe: Das Projekt UPUAUT-2
Die Cheops-Pyramide ist ein Touristenmagnet. Tag für Tag wird sie von unzähligen Besuchern aus aller Welt bestaunt. Heute gewährt man nur einer eng begrenzten Zahl von Touristen der Zutritt in ihr Kammersystem. Doch das war nicht immer so. Zu Beginn der neunziger Jahre wälzten sich täglich rund tausend Besucher durch Gänge und Kammern der Pyramide. Das brachte erhebliche Probleme mit sich. Die stickige und heiße Luft ließ die Besucher schwitzen. Jeder einzelne Tourist hinterließ im Inneren des Bauwerks etwa 20 Gramm Kondenswasser. Der poröse Kalkstein sog das Wasser auf wie ein Schwamm. Salz und Mineralien wurden gelöst, traten an der Gesteinsoberfläche aus und zerstörerische Pilzkulturen fanden an den Wänden eine neue Heimat (Sasse, Haase 2000). Diese Entwicklung veranlasste die ägyptische Antikenverwaltung, Restaurierungsaktionen in die Wege zu leiten. Unterstützen sollte sie dabei das Deutsche Archäologische Institut (DAI) in Kairo, damals unter der Leitung des Ägyptologen Rainer Stadelmann, eines ausgewiesenen Fachmanns für ägyptische Pyramiden. Gemeinsam mit dem Münchner Ingenieur Rudolf Gantenbrink entwarf Stadelmann eine Art Belüftungssystem, das die gefährliche Luftfeuchtigkeit in der Cheops-Pyramide herabsenken sollte. Gantenbrink regte an, zu diesem Zweck die Schächte zu nutzen, deren Austritte sowohl in der Königinnen- wie auch in der Königskammer erkennbar waren (siehe Abb. auf S. 48). Im Frühjahr 1992 wurden speziell für die Klimaanlage entwickelte Ventilatoren im südlichen Schacht der Königskammer eingepasst (Sasse, Haase 2000). Danach nahm man die Schächte in der Königinnenkammer in Angriff. Es gab aber ein Problem: Während die Schächte der Königskammer Öffnungen an den Außenwänden der Pyramide aufweisen, fehlen diese bei den Schächten der Königinnenkammer. Wollte man hier ebenfalls eine Klimaanlage installieren, musste der Sache auf den Grund gegangen werden. Gantenbrink brachte jetzt einen von ihm entwickelten kleinen ferngesteuerten Roboter ins Spiel, ein raupenähnliches Fahrzeug, ausgerüstet mit einer Kamera, um in das Innere der Schächte blicken zu können. Der Roboter wurde UPUAUT-2 getauft, nach einem ägyptischen Gott, dem "Öffner der Wege". Im März 1993 begann die Erforschung des Nord- und Südschachtes in der Königinnenkammer. Im Nordschacht kam Gantenbrinks Roboter schon nach einem kurzen Wegstück nicht mehr weiter. Anders als der Südschacht macht dieser Weg eine durch das Kammersystem der Pyramide erzwungene Biegung. Just an dieser Stelle befanden sich eine Holzleiste sowie eine Eisenstange, die Wayman Dixon, der Entdecker der Schächte, 1872 hier zurückgelassen hatte. Die Stange hatte sich verklemmt, zu groß war die Gefahr, dass sich auch UPUAUT-2 hier verkeilte (Sasse, Haase 2000). Doch da war noch der Südschacht. Hier gab es zunächst kein Hindernis für Gantenbrinks Roboter. Nach fast sechzig Metern erschien vor den Augen der staunenden Beobachter in der Königinnenkammer eine Blockierung, auf deren Oberfläche sich zwei längliche, offenbar kupferne Stifte befanden. An dieser Stelle war die Reise von UPUAUT-2 zu Ende. War man auf eine wissenschaftliche Sensation gestoßen?
Jetzt überschlugen sich die Ereignisse: Bereits im April 1993 erschienen erste Zeitungsmeldungen über die Entdeckung von Gantenbrinks Roboter (Sasse, Haase 2000). Die Medien witterten eine Sensation hinter dem Blockierstein, denn seit Jahrtausenden gibt es immer wieder Spekulationen über geheime Kammern und verborgene Schätze in der Cheops-Pyramide. Hatte man jetzt endlich etwas Handfestes gefunden, beispielsweise den Zugang zum eigentlichen Grab des Cheops, zu einer verborgenen Schatzkammer oder gar einer "Kammer des Wissens", in der sich Papyri mit den Geheimnissen der alten Ägypter befanden? Das Foto des Blockiersteins, aufgenommen von UPUAUT-2, machte seine Runde durch die Weltpresse.
Doch dabei blieb es zunächst. Das Projekt UPUAUT-2 wurde gestoppt. Denn inzwischen war unter den Beteiligten ein heftiger Streit ausgebrochen. Dabei ging es unter anderem um die Interpretation des Befundes: Stadelmann vermutete hier keine geheime Kammer, denn mit 20,5 Zentimetern Höhe seien die Schächte für Menschen nicht begehbar. Gantenbrink hielt es dagegen für unseriös, die Existenz eines solchen Raumes von vorneherein auszuschließen (Sasse, Haase 2000). Das allein reichte natürlich für einen Abbruch des Projektes nicht aus. Hinter dieser Entscheidung verbarg sich auch ein Politikum. Nach der Entdeckung des Blockiersteins hatte Gantenbrink kurze Videotrailer produziert und sie an das DAI, die ägyptische Antikenverwaltung und an seine Sponsoren geschickt. Zwar waren die Bildsequenzen, die den Blockierstein zeigten, mit dem Sperrvermerk "Not for broadcast" versehen, doch einmal in der Öffentlichkeit, entwickelte die Information ihre Eigendynamik (Sasse, Haase 2000). Das Ergebnis der Untersuchung wurde somit in der Öffentlichkeit bekannt, bevor die ägyptische Antikenverwaltung und das DAI darüber berichten konnten. Dieser klare Verstoß gegen den Verhaltenskodex für solche Fälle traf die Ägypter tief in ihrer Ehre. Die Schuld gaben sie dem DAI. Das Institut beendete seinerseits die Zusammenarbeit mit Gantenbrink.
Auch nach dem Untergang des Alten Reiches bleibt die Erinnerung an Cheops lebendig. So ist sein Totenkult bis in saitische Zeit (26. Dynastie, 7. Jh. v. Chr.) nachweisbar, Cheops selbst lebt in Legenden fort. Berühmt geworden sind die Erzählungen im Papyrus Westcar, die Cheops positiv charakterisieren und die Herrschaft der 5. Dynastie legitimieren sollen. Weniger positiv ist die Beschreibung bei dem griechischen Historiker Herodot, der Cheops unterstellte, er habe zur Finanzierung seines Projektes die eigene Tochter in die Prostitution geschickt und für den Pyramidenbau 100 000 Menschen geknechtet. Heute glauben Ägyptologen, dass für den Bau der Pyramide etwa 20 000 Mann erforderlich waren, technisch versierte Profis, die in einer Arbeitersiedlung untergebracht waren und vom Pharao bestens versorgt wurden. Klaus Richter
Literatur
- Lehner, M. (1999): Das Geheimnis der Pyramiden in Ägypten. Orbis Verlag, München
- Schneider, T. (1996): Lexikon der Pharaonen. Deutscher Taschenbuch-Verlag
- Stadelmann, R. (1997): Königsgräber der Pyramidenzeit. In: Regine Schulz, Matthias Seidel (Hrsg.): Ägypten - Die Welt der Pharaonen. Könemann, Köln, 46-77
Zur Funktion der Pyramidenschächte Nach wie vor umstritten ist die Funktion der Schächte, die sowohl von der Königinnen- als auch der Königskammer ausgehen. Nach Ansicht von Rainer Stadelmann, der bei seiner Analyse die Pyramidentexte der 5. Dynastie heranzog, handelt es sich dabei um "Modellkorridore" für die Seele des verstorbenen Königs. Dahinter stehe die Idee der Himmelfahrt des toten Königs. Bei der Cheops-Pyramide ergebe sich jedoch ein Problem: Aufgrund des im Pyramidenmassiv befindlichen Kammersystems müsse die Seele des Königs erst durch die Große Galerie absteigen, um dann in den aufsteigenden Korridor zu gelangen, in der religiösen Vorstellung der alten Ägypter etwas Unvorstellbares. Dieses Problem habe man durch die "Modellkorridore" gelöst. Diese seien einem echten Grabkorridor nachempfunden, indem sie zunächst ein kurzes horizontales Gangstück aufweisen und danach in steilem Winkel zum Himmel ansteigen.
Dem widerspricht Michael Haase. In allen Pyramiden von Cheops' Vater Snofru sei die Grabkammer leicht erhöht gegenüber dem Grabkorridor errichtet worden, sodass auch hier die Seele des toten Königs zunächst hätte absteigen müssen, um dann zum Himmel aufzusteigen. Die Pyramidentexte, auf die Stadelmann sich berufe, seien erstmals 200 Jahre nach dem Tod Cheops' in der Pyramide des Unas fixiert worden. Zeitgenössische Quellen aus der 4. Dynastie seien nicht bekannt, weshalb Haase es als problematisch ansieht, aus den jüngeren Quellen auf die religiösen Vorstellungen der 4. Dynastie zu schließen. Auch in den Pyramiden von Cheops' Nachfolgern seien vergleichbare Schächte nicht nachweisbar, sodass eine religiöse Deutung der Schächte nicht in Frage komme. Haase vermutet, ebenso wie Rolf Krauss oder Miroslav Verner, dass die Schächte eine logistische Funktion als Luftschächte für die Arbeiter hatten. Die Erfahrungen der Ägypter mit dem unterirdischen Kammerbereich hätten Belüftungsschächte im oberen Kammersystem der Pyramide erforderlich gemacht. Der unterirdische Kammerbereich ist unvollendet. Vieles spricht dafür, dass die Arbeiten aufgegeben wurden, weil die Luftzufuhr für die Arbeiter völlig unzureichend war. Daran konnte auch ein heute als "Schacht" oder "Brunnen" bekannter Luftschacht nichts mehr ändern. Haase folgert daraus, dass man beim Bau des oberen Kammersystems vorsorglich Lüftungsschächte konstruiert habe, um nach Fertigstellung des Strukturbereichs der Königinnen- und Königskammer die Luftversorgung der Arbeiter sicherzustellen. Bei der Königinnenkammer habe man die Schächte offenbar nicht mehr benötigt, daher habe man sie nicht zur Kammer hin ausgeführt und nach oben hin blockiert und überbaut. Die Nachfolger des Cheops, Djedefre und Baka, hatten offenbar aus dessen Schwierigkeiten gelernt: Sie ließen Kammern und Schächte nicht mehr herausmeißeln, sondern schachteten eine Vertiefung aus, in der vor dem Bau der Pyramide ohne weiteres eine Grabkammer, Blockiervorrichtungen und der Grabkorridor errichtet werden konnten. Haase führt noch einen weiteren Hinweis für die bautechnische Funktion der Schächte an. In der Lady-Arbuthnot-Kammer, einer der Entlastungskammern über der Königskammer, erkennt man über dem Namen einer Arbeitermannschaft eine horizontale Markierungslinie. Der Abstand dieser Linie zum Basisniveau beträgt etwa 59,60 Meter. Auf ungefähr dieser Höhe enden auch beide Schächte der Königinnenkammer. Haase vermutet hier einen konstruktiven Zusammenhang. Vieles spricht also für eine bautechnische Funktion der Schächte. Klaus Richter
Literatur: Michael Haase, Brennpunkt Giza. Sokar 5, 3-13
Hintergründe: Die Pyramide des Cheops und die Pseudoarchäologie
Der Stopp des Projektes UPUAUT-2 forcierte die Spekulationen über bislang unbekannte Schachtsysteme in der Pyramide. Vermutungen darüber gibt es aber schon seit Jahrhunderten.
Bereits arabische Historiker berichteten von geheimen Gängen und scharf bewachten Schätzen in der Cheops-Pyramide, von der Verewigung längst vergessenen Wissens und der Errichtung der Pyramide vor der Sintflut. Das "Hitat" des Al-Makrizi (15. Jh.) ist nur ein Beispiel von vielen (Lehner 1999, Haase 2001). Archäologischen Wert haben diese Geschichten nur in begrenztem Umfang, wie die Forschungen der letzten 200 Jahre zeigen, da sie neben einigen Fakten auch viele Gerüchte und Phantastereien überlieferten. Letztere gehören für zahlreiche Autoren zur Argumentationsgrundlage, so auch für Erich von Däniken, der seine Auffassungen von der Pyramide des Cheops in seinem 1989 erschienenen Buch "Die Augen der Sphinx" veröffentlichte. Im 4. Kapitel behauptet er, dass nicht stimmen kann, was die Ägyptologen über die Cheops-Pyramide sagen. Denn es sei nicht Cheops gewesen, der die Pyramide erbauen ließ. Außerirdische Kulturbringer steckten dahinter. Belege für diese Behauptungen seien jene arabischen Mythen, außerdem übertriebene Berichte des griechischen Historikers Herodot und längst widerlegte, rein spekulative Behauptungen anderer pseudowissenschaftlicher Autoren. Das Fazit Dänikens:
In dieses Konzept passte die Entdeckung Rudolf Gantenbrinks sehr gut hinein: Hier hatte man vielleicht den ersten Hinweis auf eine verborgene Kammer gefunden, in der sich bislang unbekannte Schätze befinden könnten, ganz so wie es die alten Legenden berichten. Und noch etwas kam hinzu: Die Beendigung des UPUAUT-2-Projektes und der Zusammenarbeit von Stadelmann und Gantenbrink. In seinem Buch "Der jüngste Tag hat längst begonnen" stellt Däniken in einem "Nachtrag zur neuesten Forschung" den Abbruch des Projektes UPUAUT-2 geschickt als eine akademische Verschwörung dar (Däniken 1995). Die Wahrheit hinter dieser Entdeckung wolle man der Öffentlichkeit vorenthalten. Dabei drängt er Gantenbrink, der den Stopp des Projektes provoziert hatte, in die Opferrolle hinein. Kürzlich ging Erich von Däniken sogar so weit zu behaupten, Gantenbrink sollte ausgeschaltet werden, da man zu Unrecht seiner Verschwiegenheit misstraut habe (Däniken 2002). Damit war die Verschwörungstheorie um den Münchner Ingenieur komplett. Dem DAI, dessen guter Ruf bei den Ägyptern durch Gantenbrinks Vorgehensweise erheblich angeschlagen war, wurde in dieser Verschwörungsgeschichte die Rolle des Bösewichts angehängt."Wären Mytheninhalte nur in dem Nebel zu suchen, in den man sie unentwegt tunkt, dann ließen sich aus ihnen gar keine Informationen ziehen. Es war schon immer einfacher, an irgendeine Lehrmeinung - ob gesichert oder ungesichert - zu glauben, als den Verstand einzusetzen und die Zeit aufzuwenden, Mytheninhalte auf ihre Gemeinsamkeiten abzuklopfen. Dabei geht es mir hier nicht um eine akademische Vergleichsstudie von Mythen (...), mir geht es immer noch um die Erbauung der Großen Pyramide und um die Möglichkeit, dass in der Pyramide uralte Schriftzeugnisse liegen, die unser gesamtes religiöses Denken, doch auch unsere Vorstellungen über die menschliche Frühgeschichte und die Evolution auf den Kopf stellen können" (Däniken 1989).
Wasser auf die Mühlen der Pseudoarchäologie war zudem die jahrelange Weigerung der ägyptischen Altertümerverwaltung, den Blockierstein einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Diese aus der Enttäuschung der Ägypter verständliche Reaktion wurde als Vertuschungsaktion gewertet. In diesem Zusammenhang gab es sogar Spekulationen über eine geheime Öffnung des Blockiersteines (Ercivan 2001). Für die Verfechter der Verschwörungsthese war der Blockierstein im Südschacht der Königinnenkammer zum Dreh- und Angelpunkt der weiteren Erforschung der Cheops-Pyramide geworden. Umso größer war die Enttäuschung, als der Blick hinter den Blockierstein keine Schriftrollen, Schätze oder außerirdische Artefakte zu Tage förderte, sondern nur einen leeren, kleinen Hohlraum.
Reaktionen
Doch selbst diese Entdeckung ließ die pseudowissenschaftlichen Spekulationen nicht verstummen, der niederschmetternde Befund wurde vielmehr ignoriert. Auch Erich von Däniken geht auf diese Weise vor. Sein Beitrag ist beispielhaft für den Versuch, Spekulationen trotz ihrer Widerlegung weiterhin am Leben zu erhalten. Daher lohnt ein näherer Blick auf einige seiner Behauptungen:
"Michael Haase (...) meinte, ‚massive Blockierungssysteme‘ würden ausschließen, dass sich [hinter dem so genannten Gantenbrink-Schacht] eine Kammer befinde. ‚Sie wäre auch nicht begehbar.‘" (Däniken 2002)
Däniken bezieht sich hier auf ein ZDF-Interview mit Michael Haase, das vor Übertragung der Blockierstein-Öffnung geführt wurde. Darin äußerte Haase die Vermutung, hinter dem Stein befinde sich ein kleiner, aber leerer Hohlraum. Mutmaßungen über Schätze in einer Geheimkammer halte er für blanke Spekulation. Auch sei nicht an eine geheime Grabkammer für die Mumie des Königs zu denken. Solch eine Geheimkammer sei wegen ihrer Isolierung nicht begehbar. Hinter dem Blockierstein brauche auch kein derartiger Raum angenommen zu werden, denn es gebe in der Pyramide ein klar definiertes Kammersystem, das mit seiner Grabkammer, dem Sarkophag und einigen Blockiersystemen den Normen für Kammersysteme der 4. Dynastie entsprochen habe.
Däniken hat Haase falsch zitiert, sein Statement aus dem Zusammenhang gerissen und so eine Aussage konstruiert, die es in Wahrheit nicht gab. Haase ging es in seiner Antwort um die Blockiersysteme im Kammersystem der Cheops-Pyramide, nicht jedoch im Südschacht, wo ein solches Blockiersystem gar keinen Sinn hat: Niemand hätte eine Kammer hinter dem Blockierstein betreten können.
Die Blockiersysteme der Cheops-Pyramide sind Bestandteil ihres Kammersystems: Eines befindet sich im Durchgang zwischen der Königskammer und der so genannten Großen Galerie, einer schrägen, raumartigen Gangerweiterung. Dort legten die ägyptischen Baumeister eine Blockiersteinkammer an, in der sie drei Rutschsperrblöcke installierten. Diese wurden bis zur Bestattung des verstorbenen Königs an starken Tauen hochgehalten, um den Zutritt zur Königskammer zu ermöglichen. Danach wurde der Zugang mit den drei Fallblöcken verschlossen. Ein weiteres Blockiersystem befindet sich in der Großen Galerie selbst. Dort installierten die Baumeister große granitene Blockiersteine, deren Halterung nach der Bestattung des Königs gelöst wurde. Dadurch rutschten sie nach unten in den aufsteigenden Gang und blockierten ihn. Auf diese Weise wurden sowohl Königs- als auch Königinnenkammer hermetisch versiegelt (Lehner 1999, Haase 2001, Verner 1999). Den Südschacht in der Königinnenkammer mit einem Blockiersystem zu versehen hätte dagegen keinen Sinn gehabt. Mit einer Breite und Höhe von 20,5 cm hätten weder er selbst noch eine hypothetische Kammer an seinem Ende betreten werden können (vgl. auch Verner 1999). Übrigens bezeichnet niemand in der Fachwelt den Südschacht als "Gantenbrink-Schacht". Diese Bezeichnung kursiert nur in der Pseudoarchäologie.
"Im Verlaufe der TV-Sendung wurde später eine Computeranimation gezeigt, um zu demonstrieren, dass jeder Schacht und jeder Raum in der Pyramide von Anfang an geplant gewesen sein muss. Phänomenale Architektur zu Cheops' Zeiten! Stein- oder Kupferzeitgenies! Aber hinter dem Gantenbrink-Schacht darf sich nichts befinden (‚nicht begehbar‘). Als ob man den Raum dahinter nicht genauso geplant haben könnte wie den Rest des Bauwerks - wer immer das war." (Däniken 2002)
Dieses Zitat aus dem Beitrag Dänikens zeigt deutlich die pseudowissenschaftliche Argumentationsweise im Blick auf die Cheops-Pyramide: Den alten Ägyptern wird ihre bautechnische Meisterleistung abgesprochen, denn sie seien von ihrem Wissensstand her nicht in der Lage gewesen, diese Planung vorzunehmen. Derartige Genies, so suggeriert es Dänikens Aussage, habe es vor 4500 Jahren nicht gegeben. Wem Däniken eine solche Planung zutraut, sagt er hier nicht explizit, doch dies geht aus einem Interview in Sagenhafte Zeiten hervor:
"Außerirdische werden hier schwerlich Steine herumgeschoben und sich die Finger schmutzig gemacht haben. Das wäre auch nicht nötig gewesen. Schließlich standen jede Menge gratis Arbeitskräfte zur Verfügung, welche die Drecksarbeit leisteten. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass ET's bei den Planungen mithalfen, der ‚göttlichen Geometrie', denn da gibt es eine ganze Menge von offenen Fragen, die nicht ins archäologische Weltbild der damaligen Zeit passen" (Däniken 2000).
Die alten Ägypter waren demnach gerade gut genug für die "Drecksarbeit", das Produkt Pyramide ist dagegen nicht ihre geistige Schöpfung, sondern die einer außerirdischen Zivilisation. Eine im höchsten Maße unfaire Spekulation, die von einer krassen Ignoranz menschlichen Leistungsvermögens zeugt.
Dänikens Aussage geht in eine pseudoarchäologische Richtung: Er möchte die Pyramide um jeden Preis aus dem kulturgeschichtlichen Zusammenhang herauslösen, der sie mit den anderen Pyramiden des Alten Reiches verbindet. Dabei sind es gerade die drei Pyramiden von Cheops' Vorgänger Snofru, die deutliche Hinweise auf die Konzeption dieses Gebäudetyps geben. Planung und Bau der Cheops-Pyramide sind eine Konsequenz aus den Erfahrungen, die Snofrus Baumeister in Medum und Dahschur machten (Haase 2000a; 2001). Einmal mehr sieht man, dass Spekulationen, wie sie Däniken anstellt, eines außer Acht lassen: die Menschen, die vor Jahrtausenden das Niltal bevölkerten und denen wir diese großartigen Bauwerke zu verdanken haben.
Arabische Mythen
Auf S. 14 seines Beitrages nennt Däniken Argumente, die seiner Meinung nach gegen Cheops als Erbauer der ihm zugeschriebenen Pyramide sprechen. Schauen wir uns einige davon näher an.
Bei mehreren arabischen Historikern des Mittelalters sind Mythen über die Cheops-Pyramide nachzulesen. Heute gehören sie zum festen pseudoarchäologischen Argumentationsfundus. Däniken bezieht sich beispielsweise auf den Kairoer Gelehrten Al-Makrizi (15. Jh.). Dieser schrieb die Pyramide einem gewissen Saurid zu, der vor der Sintflut gelebt habe, und den die Hebräer Henoch und die Griechen Hermes nannten (Däniken 1989, 2002). Treffsicherer als alle ägyptologischen Forschungsergebnisse ist für Däniken auch eine Aussage von Muhammad ben Abdallah ben abd al-Hakam (14. Jh.), die er wie folgt zitiert: "Die Pyramide kann nur vor der Flut gebaut worden sein; denn wäre sie nachher erbaut, so wüssten die Araber Bescheid darüber" (Däniken 2002).
Genau da liegt das Problem: Anders als Herodot, der Ägypten zur Zeit der Perserherrschaft bereiste und noch - verzerrte - Erinnerungen an einen Pharao Cheops vorfand, schrieben die genannten arabischen Historiker ihre Werke im Mittelalter, lange nach dem Niedergang der antiken Welt und der altägyptischen Kultur. Sie wussten nichts mehr über die Pyramiden und ihren Ursprung. Statt dessen erfanden sie phantastische, märchenhafte Beschreibungen.
Arbeiterinschriften
Seit dem Erscheinen von Zecharia Sitchins Buch "Stufen zum Kosmos" hält sich hartnäckig die Legende von einer gefälschten Cheops-Kartusche in der Pyramide. Der britische Forscher Howard Vyse soll die Inschrift mit dem Namen "Chufu" (der ägyptischen Form des griechischen "Cheops") in der obersten Entlastungskammer der Königskammer - der Campbell-Kammer - angebracht haben, um den Ruhm als Entdecker des Pyramiden-Bauherrn einzuheimsen (Sitchin 1989).
Doch besagte Kartusche ist echt und damit ein authentischer Beleg für die Bauherrenschaft von Cheops. Haase hat diese als "Fälscherlegende" bekannt gewordene Spekulation bereits 1996 ausführlich widerlegt (Haase 1996, 2001). Die vier oberen Entlastungskammern waren bis zu ihrer gewaltsamen Öffnung durch Vyse 1837 hermetisch abgeschlossene Räume, der inhaltliche Kontext der Inschriften damals noch weitgehend unbekannt. Erst 15 Jahre vor Vyses Grabungen in Giza hatte Champollion die Hieroglyphen erstmals entziffern können (Haase, GWUP-Vortrag 2001, Lehner 1999).
Im Zusammenhang mit der angeblich gefälschten Kartusche behauptet Däniken auch, es gebe nur diese eine: "Gerade Zahi Hawass und Mark Lehner wurden nicht müde dem Publikum klarzumachen, wie raffiniert die Pyramidenbauer ihre Arbeit organisiert hätten. Da gab es verschiedene Gruppen, die untereinander konkurrierten. Familienbetriebe und Aufseher. Aber nur gerade einer dieser Abertausenden hat in dieser Entlastungskammer einige Pinselstriche hinterlassen. Entsetzlich traurig" (Däniken 2002).
Dabei sind zahlreiche Inschriften von Arbeitertrupps in den Entlastungskammern bekannt, so in der Lady-Arbuthnot-Kammer unterhalb der Campbell-Kammer. An der dortigen Westwand beispielsweise findet man folgende, auf dem Kopf stehende Bezeichnung eines Bautrupps: "Arbeitermannschaft: Die weiße Krone des Chnum-Chufu ist mächtig" (Haase 2002).
Dies ist ein weiterer Hinweis auf die Bauherreneigenschaft des Cheops. Die umgekehrte Position dieser und anderer Inschriften deutet darauf hin, dass sie von Bauarbeitern angebracht wurden, bevor die Steine verbaut wurden. Dazu passt auch die Tatsache, dass keine Fugen überschrieben wurden.
Ein weiterer Beweis für die Bauherrenschaft des Cheops sind die zahlreichen Grabanlagen von Familienangehörigen, Priestern und Beamten des Königs in unmittelbarer Umgebung der Pyramide. In diesen Gräbern befinden sich Aufzeichnungen mit klarem Bezug zu Cheops und dem Kult, der nach seinem Tode an der Pyramide betrieben wurde. Eines dieser Gräber gehört einem Priester namens Kar aus der 6. Dynastie. Der Verstorbene stellt sich dort der Nachwelt mit seinen Titeln vor: "Aufseher der Pyramidenstädte von Cheops und Mykerinos", "Priester der Chephren-Pyramide" und "Gärtner von Pepi I." (Haase 2001). Hier wird die Pyramidenstadt des Cheops genannt, wobei wir von Kar auch die altägyptische Bezeichnung für die Cheops-Pyramide erfahren: "Achet Chufu" - "Horizont des Chufu" (Haase 1996).
Die Pyramide: Ein Wallfahrtsort?
Däniken ist das Umfeld der Cheops-Pyramide mit seinen Grabanlagen bekannt. Da dieses Areal seiner These von der kulturellen Isolation dieses Bauwerkes widerspricht, passt er es folgendermaßen in seine Argumentationskette ein:
"Aber da sind doch die Gräber um die Pyramide herum. Die Bäckereien, Schlafsäle und so fort. Die können genauso gut das Gegenteil von dem beweisen, was Mark Lehner und Zahi Hawass ihren Studenten einbläuen möchten. Wenn es die Pyramide schon lange vor Cheops gegeben hätte, wäre sie so selbstverständlich zum Wallfahrtsort geworden wie das heutige Fatima in Portugal oder Jerusalem in Israel. Bäckereien oder Metzgereien, Kornsilos und Essensabfälle stammen nicht von den Erbauern der Pyramide, sondern von den Wallfahrern" (Däniken 2002).
Dies mag zunächst plausibel erscheinen, ist bei näherem Hinsehen aber nicht haltbar. Arbeitersiedlungen und vor allem Grabanlagen im Umfeld einer Pyramide sind nicht nur bei der Cheops-Pyramide, sondern auch bei anderen ägyptischen Pyramiden nachgewiesen worden, so beispielsweise bei der Knick-Pyramide Snofrus in Dahschur (Haase 2000a) oder im Umfeld von Djosers Stufenpyramide in Saqqara, der ersten ägyptischen Pyramide, errichtet um 2700 v. Chr.
Wenn Däniken die Gräber und die Arbeitersiedlung im Umfeld der Cheops-Pyramide einem Wallfahrtsort zuordnen möchte, so ist seine Zielrichtung klar: Er versucht auch hier, die Pyramide zu isolieren, sie aus ihrem kulturgeschichtlichen Zusammenhang mit den übrigen Pyramiden der 4. Dynastie herauszulösen und sie der pseudoarchäologischen Vorstellung folgend dem Bauherrn Cheops abzusprechen. Wenn die Pyramide ein Wallfahrtsort war, warum tauchen in den Gräbern Bezüge zu Cheops auf? Wo soll Cheops begraben worden sein, wenn nicht in der Pyramide? Die gleiche Frage stellt sich bei Djoser, Snofru und anderen Königen. Königsgräber waren im Alten Reich nicht isoliert, sie waren vielmehr groß angelegte Grabkomplexe, bestehend aus Pyramiden, Tempeln, Pyramidenstädten und umgebenden Grabanlagen der Höflinge und Angehörigen des Königs (Lehner 1999, Wilkinson 2000).
Fehlende Inschriften im Kammersystem
"Zudem fehlen in der Cheopspyramide alle Inschriften an Wänden und Kammern, welche auf die phänomenale Leistung eines Cheops hinweisen können. Da ist totale Anonymität. Ich sehe zwei mögliche Gründe dafür: Entweder stammt die Pyramide nicht von Cheops - oder Cheops ließ die Inschriften allesamt entfernen" (Däniken 2002).
Auf den ersten Blick wirkt Dänikens Behauptung einleuchtend. Schließlich gibt es nahe Giza, im Tal der Könige, prachtvoll ausgestattete Gräber, deren Inschriften auf den Bestatteten hinweisen. Ist es nicht seltsam, dass solche Texte in den Kammern der Cheops-Pyramide fehlen? Auf den zweiten Blick entpuppt sich Dänikens Aussage jedoch als weitere unfundierte Behauptung, die das Ziel verfolgt, die Cheops-Pyramide kulturhistorisch isoliert zu betrachten. Tatsache ist, dass über einen Zeitraum von etwa 270 Jahren in keinem Kammersystem einer Pyramide aus der 4. und dem überwiegenden Teil der 5. Dynastie Inschriften angebracht wurden. Die ersten Inschriften finden wir in der Pyramide des Unas, des letzten Pharaos der 5. Dynastie (ca. 2356-2323 v. Chr.; vgl. Haase 1999; Lehner 1999; Stadelmann 1997a). Das Fehlen der Inschriften ist also weder ein Indiz dafür, dass Cheops die Pyramide nicht errichten ließ, noch ein Hinweis darauf, dass er etwaige Inschriften entfernt habe. Grabinschriften in Pyramiden waren zu seiner Zeit einfach unüblich.
Bauherr Cheops: Ein ägyptologisches Märchen?
"Letztlich - und darum geht es - was habe ich gegen Cheops? Im Grunde nichts. Aber ich habe etwas gegen die dumme Behauptung der Ägyptologen, um Cheops Zeiten sei gerade das Ende der Steinzeit eingeläutet worden. Und jetzt - oh Wunder - kommen Organisationsgenies mit den raffiniertesten Plänen für das phänomenalste Bauwerk mit Kammern, Schächten, Sicherungssystemen daher und errichten in 20 Jahren die große Pyramide. Nicht zu reden von der Planung, den Rampen, Taltempeln, den rund ‚sechs Kilometern unterirdischen Gängen‘ (Zahi Hawass) und dem weiteren Drumherum. Ich unterschätze die Leistung der Menschen nicht, wenn es um Religion geht (Ideologie ist dasselbe). Doch jede Bauleistung brauchte hervorragende Planung und sehr, sehr viel Erfahrung. Beides war zu Zeiten von dem Cheops, den uns die Ägyptologie einredet, nicht vorhanden" (Däniken 2002).
Diese Behauptung deckt sich von ihrer Zielrichtung mit der unter 2. zitierten Aussage Dänikens: Die Menschen vor 4500 Jahren waren seiner Ansicht nach einfach nicht in der Lage, die Cheops-Pyramide zu errichten. Deutlich wird auch sein bereits mehrfach angesprochener Versuch, dieses Bauwerk argumentativ aus der bautechnischen Evolution herauszulösen. Schlichtweg falsch ist Dänikens Behauptung, "hervorragende Planung und sehr, sehr viel Erfahrung" habe es zu Cheops' Zeiten nicht gegeben. Sie ignoriert ganz einfach die Leistungen, die insbesondere unter Pharao Snofru erbracht wurden: Dieser ließ insgesamt drei Pyramiden errichten. Bauwerke, die natürlich auch Däniken bekannt sind: "Der Einwand, schon vor der großen Pyramide sei an Vorläufern des Bauwerks ‚geübt‘ worden, kann nicht allzu schwer wiegen, denn diese ‚Übungs-Pyramiden‘ liegen zeitlich nur wenige Jahrzehnte vor Cheops. Zudem erreichen die ‚Übungs-Pyramiden‘ bei weitem nicht die Gigantomanie und die mathematischen Raffinessen der Cheops-Pyramide" (Däniken 1989).
Bei genauer Betrachtung entpuppt sich Dänikens Äußerung jedoch nicht nur als falsch, sie wird auch der bautechnischen Leistung unter Snofru in keiner Weise gerecht. Die von Däniken geringschätzig als "Übungs-Pyramiden" bezeichneten Bauwerke, die Pyramide in Medum sowie die "Knickpyramide" und die "Rote Pyramide" in Dahschur umfassten gut 1,4 Millionen Kubikmeter mehr an Bauvolumen als die Cheops-Pyramide und wurden teilweise sogar noch präziser vermessen (Haase, G W U P-Vortrag 2001; Stadelmann 1997a). Nicht Cheops, sondern sein Vater Snofru war der größte Bauherr der Pyramidenzeit!
Snofrus Bautätigkeit bewirkte gewaltige Fortschritte in der Bautechnik, eine erhebliche Verbesserung der bautechnischen Organisation und Logistik sowie ein Anwachsen der Beamtenschaft zu einem wirksamen Instrument des zentralisierten altägyptischen Staates (Stadelmann 1997b). Ganz offensichtlich, so der archäologische Befund, konnten Cheops' Architekten und Bauleiter auf die umfangreichen Erfahrungen aus der Regierungszeit Snofrus zurückgreifen und sie beim Bau der Cheops-Pyramide verwenden (Haase 2000b).
Fazit
a) Erich von Dänikens Behauptung und Argumentation hält einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Sie ist fehlerhaft und belegt seine fundamentale Unkenntnis der ägyptischer Pyramiden, ihrer Erbauung und Funktion als Grabmäler.
b) Däniken gibt die Forschungsergebnisse der Ägyptologie verzerrt wieder. Ausgehend von diesem Zerrbild stellt er Fragen, die weg von den eigentliche Bauherren, hin zu den erwünschten außerirdischen Konstrukteuren führen.
c) Die Pyramide des Cheops wird aus ihrem kulturhistorischen Zusammenhang herausgelöst, wird isoliert betrachtet und dient so als Projektionsfläche pseudoarchäologischer Vorstellungen vom Wirken außerirdischer Planer. Zugleich ignoriert Däniken die bautechnische Kompetenz der alten Ägypter bewusst, ebenso die langjährige Erfahrung, die bereits mit früheren Pyramidenprojekten, insbesondere unter Snofru, gewonnen wurde.
Dänikens Spekulationen schaffen gefährliches Halb- und Falschwissen, das inzwischen auch von Medienvertretern mehr oder weniger kritiklos in der Öffentlichkeit verbreitet wird.
Vor einem solchen Publikum inszeniert er sich selbst als gewissenhaften Wahrheitssucher, geächtet von einer selbstverliebten Wissenschaft, die ihr verkrustetes Weltbild nicht aufgeben will.
In diesem Zusammenhang werfen Verfechter von Dänikens Thesen ihren Kritikern immer wieder Autoritätsgläubigkeit vor. Neuartige Erkenntnisse würden per se verworfen. Dabei sind es gerade Thesen wir Dänikens Verschwörungstheorie, die trotz Widerlegung weiter bestehen.
Literatur
- Däniken, E. v. (1989): Die Augen der Sphinx. Bertelsmann, München
- Däniken, E. v. (1995): Der jüngste Tag hat längst begonnen. Bertelsmann, München
- Däniken, E. v. (2002):Ägyptologisches Wunschdenken. Sagenhafte Zeiten 6/2002, 12-14
- Ercivan, E. (2001): Verbotene Ägyptologie. Kopp Verlag Rottenburg
- Haase, M. (1999): Im Zeichen des Re. Herbig, München
- Haase, M. (2000a): Das Feld der Tränen. Ullst, München
- Haase, M. (2000b): Bemerkungen zur Architektur des Kammersystems der Cheops-Pyramide. Sokar 1, 4-11
- Haase, M. (2001): Das Rätsel des Cheops. Droemer Knaur, München
- Haase, M. (2002): Brennpunkt Giza. Sokar 5, 3-13
- Lehner, M. (1999): Das Geheimnis der Pyramiden in Ägypten. Orbis, München
- Sasse, T.; Haase, M. (2000): Im Schatten der Pyramiden. Econ, Düsseldorf
- Sitchin, Z. (1989): Stufen zum Kosmos. Droemer Knaur, München
- Stadelmann, R. (1997a): Die ägyptischen Pyramiden. von Zabern, Mainz
- Stadelmann, R. (1997b): Königsgräber der Pyramidenzeit. In: Regine Schulz, Matthias Seidel (Hrsg.): Ägypten - Die Welt der Pharaonen. Könemann, Köln, 46-77
- Verner, M. (1999): Die Pyramiden. Rowohlt, Reinbek
- Wilkinson, R. H. (2000): The Complete Temples of Ancient Egypt. Thames & Hudson, London
Dr. Klaus Richter, Jahrgang 1965, studierte von 1985 bis 1993 Rechtswissenschaften an der Universität des Saarlandes und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. 1997 Promotion in der Juristischen Fakultät des Saarlandes, seit 1999 ist er wissenschaftlicher Assistent an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Neben der beruflichen Tätigkeit gilt sein Interesse Themen aus der Astronomie, Archäologie (mit dem Schwerpunkt Ägypten) und einer kritischen Auseinandersetzung mit spekulativen Behauptungen aus dem pseudowissenschaftlichen Bereich. Zu diesen Themen hat er Artikel in den Magazinen MegaLithos und Sokar veröffentlicht. Anschrift: Bosestraße 40, 12103 Berlin
Haase, Michael. Das Rätsel des Cheops - Die letzten Geheimnisse der großen Pyramide von Giza, Droemer Knaur, München 1997, ISBN 3-426-77439-9, EUR 10,50.
Der Band fasst in leicht lesbarer Form zusammen, was heute über den Bau der Cheops-Pyramide bekannt ist. Haase erläutert das technische und mathematische Vorgehen der Ägypter ebenso wie ihre mythologischen Vorstellungen, die ein solches architektonisches Mammutprojekt erst möglich machten.
Sasse, Torsten; Haase, Michael. Im Schatten der Pyramiden - Spurensuchen im Alten Ägypten, Econ, Düsseldorf 1997, (nicht mehr im Handel)
Jahre vor der Öffnung des Blockiersteins in der Königinnenkammer verfasst, gibt der Band dennoch einen guten Überblick über das Projekt UPUAUT-2 und die Streitigkeiten, die schließlich zu seinem Stopp führten.
Lehner, Mark. Geheimnis der Pyramiden. Orbis Verlag, München 1999/2002, ISBN 3-572012619, 256 S., + 15,-In diesem Standardwerk wird die Entwicklung von den ersten Königsgräbern um 3000 v. Chr. über die großen Pyramiden bis hin zu den Pyramiden des meroitischen Königreichs (350 n. Chr.) nachgezogen. Dieser vollständige Katalog beschreibt alle ägyptischen Pyramiden detailliert mit vielen Bauzeichnungen und anderen Abbildungen, die sowohl einen fundierten Gesamteindruck als auch die Kenntnis relevanter Details vermitteln. Auch der kulturhistorisch-religiöse Zusammenhang und die Geschichte ihrer Wiederentdeckung in der Neuzeit werden ausführlich dargestellt.
Sokar Die Welt der Pyramiden Verlag Michael Haase, Drakestr. 41, 12205 Berlin, ISSN 1438-7956, Jahresabo + 13,- (2 Ausgaben)
Die halbjährlich erscheinende Zeitschrift behandelt detailliert und kenntnisreich alle Aspekte der Pyramidenforschung: archäologische Forschungen, Baufragen, ihre kulturelle und historische Bedeutung, aber auch die Rezeption in der Neuzeit. Der Schwerpunkt liegt auf den ägyptischen Pyramiden, doch auch Maya-Pyramiden und andere pyramidenförmige Bauwerke aus aller Welt nehmen breiten Raum ein. Inge Hüsgen und Stephan Matthiesen
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 2/2003.