Kein Anschluss unter dieser Nummer?
Tobias Seyb
Seit vier Jahren kann sich jeder Besitzer eines Heimcomputers an der Suche nach außerirdischen Intelligenzen beteiligen – das Projekt SETI@home macht’s möglich. Doch die Chancen, tatsächlich fündig zu werden, stehen gering.
Hätten Sie’s gewusst? Das größte Rechenprojekt der Welt war keine Voraussage eines Hurricans beim Wetterdienst, auch nicht die Simulation einer Atombombenexplosion – Aufgaben, mit denen normalerweise Supercomputer von hallengroßen Ausmaßen beschäftigt sind. Die größte Rechenaufgabe der Welt läuft seit 1999 auf normalen PC’s, wie sie nahezu in jedem Haushalt stehen. Und dieses Herumstehen ist genau der entscheidende Punkt. Den Großteil ihrer aktiven Zeit haben übliche Computer nämlich nichts zu tun. Könnte die enorme Menge an verschwendeter Rechnerzeit nicht für notwendige wissenschaftliche Aufgaben genützt werden? Ein kleines Expertenteam programmierte einen Bildschirmschoner, also ein Programm, das sich nach einer gewissen Zeit von selbst aktiviert, wenn der Rechner inaktiv ist. Dieser spezielle Bildschirmschoner lässt nun aber keine Toaster über den Monitor fliegen oder virtuelle Fische digitale Blasen blubbern, sondern analysiert Signale vom größten Radioteleskop der Welt in Arecibo. Die enorme Datenmenge wird in kleine Portionen zerlegt und über das Internet an Rechner in aller Welt verteilt, die sie im Stand-by-Betrieb – also quasi „nebenbei“ – analysieren.
SETI@home läuft heute, Mitte 2003, schon auf mehr als vier Millionen Rechnern weltweit und hat im Juni 2002 eine Million Jahre an Rechenzeit überschritten. Dieses „verteilte Rechnen“ wird inzwischen von vielen Projekten nachgeahmt, von der Berechnung von Primzahlen bis zur Analyse der Faltung von Proteinen. SETI@home untersucht die Radiowellen aus dem All auf künstliche Signale außerirdischen Ursprungs. SETI ist ein Akronym für „Search for Extra Terrestrial Intelligence“, also für die Suche nach außerirdischer Intelligenz. Leider haben uns bisher anscheinend noch keine Aliens auf der Erde besucht. Auch in der Menge von Berichten über UFOs haben sich bisher nur viele Wahrnehmungstäuschungen, Fehleinschätzungen und auch absichtliche Täuschungen gefunden, aber keine zuverlässigen Berichte über gelandete Außerirdische. Darum sehen sich seriöse Wissenschaftler gezwungen, andere Wege zu gehen, wenn sie die Frage nach intelligentem Leben im Universum beantworten wollen. Gibt es intelligentes Leben außerhalb der Erde?
Für Wissenschaftler früherer Zeiten war der Himmel dicht bevölkert. Giordano Bruno etwa hielt die Myriaden von Sternen für ferne Sonnen, die alle von belebten Welten umkreist würden. Als der berühmte Astronom John Herschel 1835 in Südafrika den südlichen Sternenhimmel studierte, dachte sich der Journalist R. A. Locke in der New York Sun eine Reihe von Artikeln aus, in denen er detailliert Herschels Entdeckungen von wunderbaren Mondwesen beschrieb. Der Schwindel flog bald auf, aber die Bevölkerung glaubte das Ganze trotzdem, und die Serie bescherte dem Blatt Auflagenrekorde. Mit zunehmenden Kenntnissen über die wahre Natur der Himmelskörper wuchs aber auch die Enttäuschung – der Weltraum ist eine lebensfeindliche Wüste. In unserem eigenen Sonnensystem gibt es nur einen Planeten, auf dem intelligentes Leben möglich ist, nämlich unsere Erde. Selbst der Mars, der ihr am ähnlichsten ist, entpuppte sich als eine unwirtliche, eiskalte Hölle.
Die Hoffnung, auf dem Mars Leben zu finden, wurde mit jeder weiteren Erkenntnis geringer (vgl. Skeptiker 1/01, S. 14-19). Nachdem noch vor hundert Jahren die berühmten Astronomen Sciaparelli und Lowell fest davon überzeugt waren, auf der Marsoberfläche künstliche Kanäle zur Bewässerung der Wüsten zu sehen, zeigten die ersten unscharfen Bilder der Sonde Mariner 4 nur eine fast atmosphärelose Welt, die mit Einschlagkratern übersät war. Von Kanälen und Marsprinzessinnen keine Spur. Nach neuesten Erkenntnissen könnten sich im Innern der Jupitermonde Europa und Ganymed Ozeane aus flüssigem Wasser befinden. Dort könnte Leben entstanden sein, das sich – ähnlich wie in den Tiefen der irdischen Ozeane – von der Wärme und den Mineralien unterirdischer Vulkane nährt. Das sind aber nur vage Möglichkeiten. Tatsache ist, dass in unserem Sonnensystem höheres und gar intelligentes Leben nur auf der Erde existiert. Im November 1960 fand am Green-Bank-Observatorium in den USA eine Konferenz von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen statt. Aufgabe war vor allem eine Schätzung, wie viele Sterne in unserer Galaxis Planeten mit intelligentem Leben besitzen könnten. Dafür wurden verschiedene Annahmen gemacht und in eine Formel gebracht, die als „Drake-Formel“ Berühmtheit erlangen sollte. Man setzte die Zahl der Sterne in der Galaxis, die Wahrscheinlichkeit, dass sie von Planeten in einer bestimmten Entfernung umkreist werden, die Entstehung von Intelligenz und die Lebensdauer von technischen Zivilisationen miteinander in Beziehung. Daraus folgend wird ein Kontakt nur dann möglich sein, wenn ein Stern einen Planeten hat, der ihn so nahe umkreist, dass er warm genug für flüssiges Wasser ist, aber nicht zu nahe, weil er sonst zu heiß für Leben wäre. Auf diesem Planeten müssten die Bedingungen lange genug stabil sein, dass sich intelligentes Leben entwickelt.
Dieses intelligente Leben müsste eine Technologie entwickeln, um mit uns und anderen in Kontakt zu treten, müsste aber das Problem der Selbstzerstörung durch diese Technologie lösen, um lange genug zu bestehen (da zwischen Sendung und Antwort, je nach Entfernung, viele tausend Jahre vergehen könnten). Diese Formel ergab – bei pessimistischen Schätzungen in den einzelnen Punkten – eine Zahl von Tausenden bis hin zu vielen Millionen technischer Zivilisationen in unserer Heimatgalaxis. Inzwischen ist klar geworden, dass diese großen Zahlen nicht zutreffen können. Die Mitarbeiter des SETI-Projekts lassen sich aber dadurch nicht entmutigen – es gibt einfach zu viele Frequenzen, auf denen ein Signal gesendet werden könnte, und es dauert viele Jahre, um alle Sterne gezielt abzuhören. Dennoch gibt es in letzter Zeit vermehrt Gründe, viel pessimistischer über die Chancen der Existenz von intelligenten Nachbarn zu denken als bisher. Da ist die Tatsache, dass das einzige Beispiel von intelligentem Leben, das wir kennen, sich unendlich viel Zeit mit seiner Entstehung gelassen hat. War man bisher allgemein der Ansicht, dass die Evolution sich von primitiven Formen hin zu immer höheren bewegt, versteht man heute besser, dass dieser Fortschrittsglaube nur eine Illusion ist. Wissenschaftler haben gezeigt, dass die Entstehung von Intelligenz reiner Zufall war. So wird vielleicht irgendwann eine Welle noch weiter den Strand herauflaufen als alle anderen. Das heißt aber nicht, dass die Wellen immer höher werden, sondern es ist reiner Zufall (mehr z. B. bei S. J. Gould: „Illusion Fortschritt“, Frankfurt 1999). Das Leben auf der Erde hätte noch weitere Milliarden Jahre gut ohne uns Menschen auskommen können, so wie in den vier Milliarden Jahren davor auch. Dazu kommt noch, dass die Region der Galaxis, in der Leben möglich wäre, bedeutend schmäler ist als angenommen. Planeten, auf denen Leben gedeihen kann, sind also auf jeden Fall viel seltener als bisher angenommen. Trotzdem gibt es, allein wegen der schieren Größe der Galaxis, immer noch eine Unzahl von Sternen in der lebensfreundlichen Zone. Und seit im letzten Jahrzehnt der Nachweis von extrasolaren Planeten gelungen ist, wissen wir endlich sicher, dass Planeten keine Besonderheit unserer Sonne sind (das hatte auch kaum jemand ernsthaft angenommen, aber Wissen ist besser als Glauben). Wir sollten uns allerdings mit dem Gedanken vertraut machen, dass „außerirdisches Leben“ und „außerirdische Zivilisationen“ wohl ganz unterschiedliche Dinge sind. Unsere gute Erde wimmelt schon so lange von Leben; aber eine technische Zivilisation hat sie erst vor gut hundert Jahren entwickelt, und das ist, wenn man das Alter des Planeten mit der Dauer eines Jahres vergleicht, erst in der letzten Sekunde passiert. Es ist also anzunehmen, dass, wenn außerirdisches Leben existiert, es fast überall nur einfach und unscheinbar ist und Zivilisationen, wenn überhaupt, äußerst selten sind.
Da die Entfernungen im All so unvorstellbar groß sind und die höchstmögliche Geschwindigkeit die des Lichtes ist, beschränkt sich die Suche nach außerirdischem Leben auf unsere eigene Galaxis. Die Milchstraße besteht aus einem zentralen schwarzen Loch mit Millionen von Sonnenmassen, etlichen Sternhaufen, Gas- und Staubwolken und an die dreihundert Milliarden Sternen. Sie hat die Form einer Linse mit einem Durchmesser von ca. 100 000 Lichtjahren. Dahinter kommt erst nach über zwei Millionen Lichtjahren die nächste große Galaxis, der Andromedanebel. Das ist, kosmisch gesehen, unsere nächste Nachbarschaft. In dem Bereich des Weltalls, den wir heute überschauen können, befinden sich bis zu einer Entfernung von über zehn Milliarden Lichtjahren Abermilliarden von Galaxien. Ein hypothetisches Raumschiff wäre mit Lichtgeschwindigkeit mehr als vier Jahre unterwegs, um von der Erde zum nächsten Stern (Proxima Centauri) zu gelangen, eine Reise zum Mittelpunkt der Galaxis würde 30 000 Jahre dauern. Und dabei ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Menschen oder irgendwelche anderen Wesen jemals Raumschiffe bauen können, die auch nur einen wesentlichen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Außerdem würden typische Reisen zwischen den Sternen dann immer noch Tausende von Jahren dauern (Raumschiffe mit Überlichtgeschwindigkeit gehören in den Bereich der Science fiction). Tatsache ist, wir können die Sterne, jedenfalls heute, nicht erreichen, und Besucher sind entgegen der Behauptung von Sensationsautoren wohl auch noch keine auf der Erde erschienen. So scheidet die Reise mit Raumschiffen als Mittel der Kommunikation ziemlich sicher aus. Doch es gibt ein Medium, das die Abgründe zwischen den Sternen schnell, sicher und billig überbrücken kann: die elektromagnetische Strahlung in Form von Licht- oder Radiowellen. Und wenn wir auch keine Sternenschiffe bauen können, so können wir mit unseren hypothetischen Nachbarn per Funk in Kontakt treten.
Im Jahre 1960 wurden im Rahmen des Projekts OZMA sonnenähnliche Sterne in der näheren Umgebung des Sonnensystems abgesucht – ohne Ergebnis. Und trotz enormer Fortschritte in der Technik gibt es bis heute kein positives Ergebnis. So wurde schnell klar, dass das All keinesfalls von technisch begabten Zivilisationen wimmelt und unsere Nachbarn, wenn es sie gibt, auch nicht in nächster Nähe zu Hause sind. Richtet man ein Radioteleskop auf die Sterne, empfängt man eine wilde Kakophonie von Geräuschen auf allen Frequenzen. Ein Information tragendes Signal müsste sich davon klar abheben: es wäre schmalbandig (d. h. auf einen sehr schmalen Frequenzbereich beschränkt) und moduliert, im Gegensatz zu den chaotischen Signalen, die von Sternen, Gaswolken, Galaxien etc. erzeugt werden. Im Radiospektrum gibt es einen schmalen Frequenzbereich, wo relativ wenig „Lärm“ herrscht. Das ist der Bereich um 1420 Mhz, der Frequenz des Wasserstoffs. Hier hat das Kontinuum des Hintergrundrauschens quasi ein Loch. Also, vermuteten die Wissenschaftler, wäre dieser Frequenzbereich geeignet, um ein Signal von Hintergrundlärm abzuheben. Dazu kam noch eine etwas romantische Überlegung: Wo könnten sich unbekannte Intelligenzen, deren Biologie auf Wasser basiert, besser treffen als an einem Wasserloch? (Leben, das nicht auf Wasser basiert, ist sehr unwahrscheinlich.)
Nun ist es leider nicht damit getan, einfach einen Mikrowellenempfänger auf 1420 Mhz einzustellen und die Lautsprecher aufzudrehen. Der in Frage kommende Bereich enthält immer noch sehr viele Frequenzen, und dazu kommen noch viele andere Probleme. Das nächstliegende ist natürlich die Position des Senders am irdischen Himmel. Wohin sollen wir die Antenne richten? Die nächsten Sterne kommen nicht mehr in Frage, und weiter weg gibt es unzählige Möglichkeiten. Sodann wird uns ein Signal auf keinen Fall auf einer konstanten Frequenz erreichen, sondern diese wird sich laufend verschieben. Ein Sender wird sich auf einem Planeten, einem Mond oder auf einem Raumschiff befinden. Diese Station wird sich, relativ zur Erde, ständig bewegen (wie die Erde selber auf ihrem Weg um die Sonne). Diese Bewegung wird in einer Zu- oder Abnahme der Frequenz resultieren, ähnlich dem Signal eines Feuerwehrautos, das höher wird, solange sich das Fahrzeug nähert, und tiefer, wenn es sich an uns vorbei wieder entfernt. Dieser Doppler-Effekt muss bei der Suche nach Signalen aus dem All berücksichtigt werden.
Die Analyse von Signalen auf vielen Frequenzen, die aus vielen Richtungen aufgefangen werden und die man auf jede Menge möglicher Dopplerverschiebungen hin untersuchen muss, erfordert eine gigantische Rechenleistung. Diese kann sich das SETI-Institut, das nach dem Ausstieg der amerikanischen Regierung nur noch aus privaten Mitteln finanziert wird, nicht leisten. So hatten ein paar Leute die geniale Idee, die brachliegende Zeit von privaten Computern anzuzapfen. Der Erfolg war umwerfend. Die Resonanz ist weitaus größer als erwartet. Seit Beginn wurde der Bildschirmschoner mehrfach überarbeitet; inzwischen analysiert er die Datenpakete viel genauer als zu Beginn, weil das durch die gestiegene Teilnehmerzahl und die ebenfalls gestiegene durchschnittliche Rechnerleistung möglich wurde. Einziger Wermutstropfen: Der SETI-Bildschirmschoner verrät leider nicht, ob er gerade eine heiße Alien-Spur verfolgt oder nur die Störsignale eines Satelliten verdaut. Entschlüsselt werden kann der kosmische Wellensalat nur von den initiierenden Wissenschaftlern selbst. Die Betreiber von SETI@home haben inzwischen ihre Pläne für die nahe Zukunft vorgestellt: So wird die Gewinnung und Analyse der Daten vom Radioteleskop in Arecibo im Laufe des Jahres 2003 auslaufen. Das Teleskop hat den größten Teil des Nordhimmels mehrfach abgesucht. Deshalb sollen jetzt Observatorien auf der Südhemisphäre an seine Stelle treten. Weiterhin sollen die bisher gesammelten Daten nach Signalen von Pulsaren, schwarzen Löchern und anderen astronomischen Phänomenen untersucht werden. Diese Signale sind völlig anders strukturiert und können mit der bisherigen Analysemethode nicht nachgewiesen werden. So bergen die SETI-Daten, wenn sich auch E.T. bisher nicht gemeldet hat, jede Menge wertvolles Material für Astronomen. Wir haben bisher nur einen winzigen Teil des Weltraums nach außerirdischen Signalen abgesucht. Trotzdem müssen wir damit rechnen, niemals Nachricht von Nachbarn im All zu bekommen. Wer weiß, ob sie vielleicht lange vergeblich gelauscht haben und ihre Zivilisation schon vor langer Zeit untergegangen ist, oder sie warten geduldig seit langer Zeit darauf, dass endlich jemand ihre Botschaft hört und antwortet. Wir werden es nie erfahren, wenn wir nicht danach suchen. Vielleicht aber sind wir selbst dazu bestimmt, den Anfang zu machen. Tobias Seyb
Internet-Tipp: Alles zu SETI@home unter: setiathome.ssl.berkeley.edu
Quellen:
ERRATUM: Nikolaus Vogt ist nicht Mitglied des GWUP-Wissenschaftsrates, sondern Mitglied des wissenschafltichen Beirats des Skeptiker. Die Redaktion bittet, diesen Irrtum zu entschuldigen.
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 1/2003.