Die Erde, ein "kosmischer Zoo?“
Werner Walter
Unbekannte Flugobjekte (UFO), gibt es die wirklich? Es wäre vermessen, diese Frage einfach mit "Nein" zu beantworten. Selbstverständlich gibt es Wahrnehmungen von UFOs, wie jüngst um Würzburg geschehen. Doch ob diese Fliegende Untertassen oder sogar Wesen von anderen Planeten sind, ist eine ganz andere Frage.
Selbst erfahrene Flieger, Astronomen und Polizisten melden die Wahrnehmung von himmlischen Erscheinungen, die sie nicht erklären konnten. Seit 1947 wird von "flying discs" gesprochen und schon frühzeitig sahen besonders interessierte Promotoren darin das Manifest außerirdischer Besucher. Sie nannten diese Objekte "Fliegende Untertassen / ET“ (ET steht für extraterrestisch) und banden sie fest in ihr Konzept zur Deutung von gesichteten unbekannten Flug-Objekten ein.
UFOs, im Sinne von unbekannten, nicht identifizierten fliegenden Objekten, gibt es tatsächlich. Fliegende Untertassen extraterrestrischen Ursprungs jedoch, gibt es nicht. Unbestritten ist, daß die Welt immer wieder durch Sichtungen von UFOs aufgeschreckt worden ist. Angstauslösend sind Ideen und Phantasien über außerirdische Invasoren oder irgendwelche Galaktiker, die die Erde als eine Art "kosmischen Zoo" betrachten. Die Vorstellung über "Brüder im All" (space brothers) geht auf eine Science Fiction-Filmidee zurück, die in dem amerikanischen Utopiafilm "Der Tag, an dem die Erde stillstand" dargestellt worden ist. Seither berichten sogenannte "Kontaktler" über ihre Verbindungen zu außerirdischen Weltraumfahrern, die selbst einer galaktischen Föderation angehören sollen. Diese seien in einem universalen Friedensauftrag tätig. Daß sich in diesen "Botschaften" dann in Wirklichkeit nicht mehr als subjektive Friedenswünsche ausdrücken, übersehen die meisten UFO-Fans geflissentlich.
Die zuweilen hitzige Diskussion um UFOs entbrennt wohl vor allem deswegen, weil sich hier vermeintlich etwas zeigt, was der Mensch nicht geschaffen hat, und das angeblich außerhalb seiner Kontrolle liegt. Gleich, ob nun UFOs physikalisch real Zu Pennen sind oder nicht, ein gewisses soziopsychologisches Phänomen hat sich daraus verselbständigt: der UFO-Glaubens-Kult. Ist er ein moderner Aberglaube des High-Tech-Zeitalters, sozusagen ein New Age-Syndrom der Moderne? Unzweifelhaft sind sogenannte (selbsternannte) UFOlogen eine besondere Gruppe von Menschen. Sie geben sich weitabgeklärt und begegnen mit offener Gesinnung dem vermeintlich Neuen, das sie als fortschrittlich und föderativ ansehen. UFOlogen haben sich einer Idee verschrieben und wollen den Inhalt dieser Idee verbreitet wissen. Sie wollen die Menschen mit einer "neuen Wirklichkeit" beglücken, überbracht von Fliegenden Untertassen.
Doch die rationale, wissenschaftliche Welt macht es den UFO-Fans nicht leicht. Sie lehnt die angebotenen Nachweise als Fehleinschätzung, ja, als Lug und Trug oder sogar als Scharlatanerie ab. So fühlen sich die Mitglieder der UFO-"Studiengruppen" und "freien Akademien der UFOlogie" nicht anerkannt und führen einen Kampf gegen die "verblendeten Wissenschaftshörigen". Da bleibt es nicht aus, daß von "Verschwörungskonzepten" und "Wahrheitsverheimlichungen" gesprochen wird. In dieser gedanklichen Welt leben jene Menschen, die dafür sorgen, daß der UFO-Aberglaube lebhaft ist und gut vermarktet wird.
Steven Spielbergs phantastischer UFO-Film „Unheimliche Begegnungen der Dritten Art", ein Millionen-Erfolg an der Kinokasse, wäre vermutlich nicht möglich gewesen, hätte ihm nicht die populäre UFO-Debatte in den letzten Jahrzehnten den erforderlichen Nährboden geschaffen. Weltweit gut organisiert, gelang es den UFOlogen, eine publikumswirksame Propaganda zu betreiben, das .UFO-Geheimnis" zu nähren. Die Wissenschaft hatte außer pauschaler Ablehnung dem nichts entgegenzusetzen. Im Gegenteil, durch unzureichende und teilweise sogar falsche Erklärungen für einzelne UFO-Beobachtungen oder bestimmte Themenkomplexe fand die "Verschwörungstheorie" neue Nahrung, was den UFO-Glauben unbeabsichtigt begünstigte.
So erklärte kein geringerer als Prof. Heinz Haber einem Millionenpublikum in der ehemaligen ZDF-Sendereihe Drehscheibe" am 26. März 1982, die gemeldete Sichtung einer halbstündig wahrgenommenen UFO-Erscheinung nahe Darmstadt sei ein Meteorit. In Wirklichkeit war sie die Kombination am Horizont sichtbarer Sterne und des Vorbeiflugs eines dahinziehenden Hubschraubers! Ein weiteres Beispiel betrifft Prof. H. Kaminsky, „Hofberater von Springers BILD für alle kosmischen Katastrophen", der eine UFO-Wahrnehmung" im nächtlichen Bielefeld am 9. Mai 1979 ebenso zum großen Meteoriten" machte (Neue Westfälische, 10. Mai 1979). Dabei sagten 30 Beobachter, daß das Objekt zwischen 3:45 und 4:00 Uhr langsam wie ein Fesselballon gen Bielefeld-Brackwede schwebte". In Wirklichkeit war es ein Party-Gag-Heißluftballon, ein Kinderspielzeug.
UFO-Sichtungen stoi3en in weiten Teilen der Presse auf wohlwollende Resonanz. Zack, weg war's", überschrieb die Würzburger Main Post in ihrer Ausgabe vom 15. April 1988 die Sichtung einer grün leuchtenden Kugel, wahrgenommen von mehreren Bürgern. Einen Tag zuvor wußte das Fränkische Volksblatt über das gleiche fluoreszierende Himmelsphänomen zu berichten. Eine Sternschnuppe, Leuchtkugel, der Mond oder ein Blitz wurden von den Zeugen, der Polizei, der Feuerwehr, der Würzburger Sternwarte und sogar der ansässigen Wetterwarte ausgeschlossen.
Fachleute von CENAP, dem Centralen Erforschungs-Netz außergewöhnlicher Himmels-Phänomene" mit Sitz in Mannheim, nahmen sich des ungeklärten Phänomens an. Seit 1976 untersucht die CENAP alle ihr bekannt gewordenen UFO-Sichtungen in der Bundesrepublik. Resultat der akribischen, zwölfjährigen Arbeit, an der sich auch Experten der Flugsicherung und meteorologischer Stationen, Astronomen und Polizisten beteiligen: In keinem einzigen der bisher 350 bearbeiteten Fälle wurde ein Hinweis auf außerirdische Besucher gefunden. Die Boten aus den Tiefen der Galaxis entpuppten sich allesamt entweder als Heißluftballons, Flugzeug- oder Hubschrauberlichter, Sterne, Planeten, Meteore oder atmosphärische Turbulenzen. Gut 90 von 100 Himmelsphänomenen wurden nachts beobachtet.
Bei den gesichteten grünschimmernden UFOs in der Nähe von Würzburg handele es sich vermutlich um Laserstrahlen, die in Nürnberg, rund 90 Kilometer Luftlinie vom Ort der Sichtung entfernt, anläßlich einer beliebten TV-Spielshow, Vier gegen Willy", projiziert worden seien, gab eine Bürgerin am Ort des Geschehens kund. Doch mit einem kugelförmigen Leuchtphänomen, das wie verpuffendes Gas" sich gebärdet, hatte die Laser-Interpretation wenig gemein.
Edgar Wunder von der Astronomischen Arbeitsgemeinschaft der Sternwarte Nürnberg, der mangels freier Sicht - der Himmel war tief bewölkt - das Laser-Schauspiel observierte, konnte die Laser-These schließlich widerlegen. Die kohärente grünliche Illumination am Hauptturm der Nürnberger Burg sei mit dem bloßen Auge kaum sichtbar gewesen. Um das Spektakulum zu geniei3en, hätte er das größte zur Verfügung stehende Teleskop auf die Mauerfugen, Entfernung 3,5 Kilometer, halten müssen. Somit schied diese Variante als Deutung aus. Auch Alkohol war nicht im Spiel. Denn die beiden Hauptzeugen des nächtlichen Phänomens, zwei Damen von Tischtennisverein TV-Ochsenfurt, wurden die Erscheinung nach einem schweißtreibenden Verbandsspiel gewahr. Und da ist Alkohol verpönt, Mineralwasser gefragt.
Also doch UFOs? "Wir vermuten aufgrund der uns zugegangenen Beschreibungen vielmehr eine Meteorerscheinung", deutet Astronom Wunder die mysteriöse Darbietung. Zum genannten Termin sei nämlich der Meteorstrom Virginiden aktiv gewesen. Sein Ausstrahlungspunkt lag im Sternbild der Jungfrau, die zum Zeitpunkt der Beobachtung im Südosten stand. was der Richtung Würzburg-Nürnberg entspreche. Angesichts der ungewöhnlich langsamen Geschwindigkeit dieser Meteore, etwa nur 30 Kilometer pro Sekunde in den obersten Schichten der Atmosphäre, und somit in verglühenden Eintritt in Erdatmosphäre leuchtend sichtbar, sei "eine erste Fehlklassifikation des Phänomens als UFO wahrscheinlich", sagt Wunder.
Werner Walter ist Mitglied vom "Centralen Erforschungs-Netz außergewöhnlicher Himmels Phänomene" (CENAF) in Mannheim und Herausgeber des „CENAP-Reports".
Dieser Artikel erschien im Skeptiker 2/1988.