Martin Mahner
Mit diesem Titel resümiert der bekannte amerikanische Psychologe und Skeptiker Ray Hyman in der jüngsten Ausgabe des britischen Magazins Skeptic (2/2010) seine gegenwärtige Einschätzung der Parapsychologie. Hyman hat die Parapsychologie jahrzehntelang kritisch begleitet und wird auch von Parapsychologen als Diskussionspartner geschätzt. Nun kommt er jedoch zu dem Schluss, dass es an der Zeit sei, den Tod dieses 160 Jahre alten Unterfangens festzustellen.
Eine Chronik des Scheiterns
Im 19. Jahrhundert war die Parapsychologie angetreten, wissenschaftliche Belege für die Existenz spiritueller bzw. okkulter Phänomene zu erbringen, um die bereits damals skeptische wissenschaftliche Gemeinschaft von der Existenz von Psi zu überzeugen. Dies galt bis vor kurzem weiterhin als ihr Hauptziel. In den vergangenen zehn Jahren seien jedoch immer mehr Parapsychologen zu der Ansicht gelangt, dass dieses Ziel nicht zu erreichen ist (z. B. Bierman 2001; Jahn, Dunne 2008; Kennedy 2001, 2003; Lucadou 2001), so Hyman. Diese Neoparapsychologen, wie Hyman sie nennt, gäben zu, dass die Beleglage für Psi nicht nur widersprüchlich und flüchtig ist, sondern auch anerkannte wissenschaftliche Standards nicht erfüllt. Während dies früher als Manko beklagt worden sei, behaupteten die Neoparapsychologen nun, dass Psi wissenschaftliche Standards grundsätzlich nicht erfüllen könne: Sie argumentieren, es gehöre zur Natur von Psi, eben nicht mit wissenschaftlicher Methodologie greifbar zu sein. Mit der daraus abgeleiteten Forderung, die wissenschaftliche Methode müsse aufgegeben bzw. den Anforderungen der Parapsychologie angepasst werden, sei das ursprüngliche wissenschaftliche Ideal der Parapsychologie abhanden gekommen. Freilich gebe es auch weiterhin Parapsychologen (wie Jessica Utts oder Dean Radin), die dem ursprünglichen wissenschaftlichen Paradigma folgend meinen, die Existenz von Psi sei wissenschaftlich belegt. Hyman widerspricht jedoch dieser Behauptung. Zu oft vertrauten Parapsychologen allein auf Metaanalysen, die an notorischen Problemen leiden (s. auch Skeptiker 1/2005). Teilweise würden die verwendeten Studien so geschickt kombiniert, dass es am Ende so aussieht, als sei dennoch ein Effekt nachgewiesen. Ferner deute der Decline-Effekt – die Abnahme der Effektstärken mit zunehmender und verbesserter Forschung – auf die Nichtexistenz des vermuteten Gegenstandes der Parapsychologie hin. Wäre man in einem Gebiet tatsächlich auf einen robusten, replizierbaren Effekt gestoßen, müssten die Effektstärken eigentlich einen Anstieg zeigen. Schließlich müsse man feststellen, dass der Gegenstand der Parapsychologie – das ominöse Psi – immer noch rein negativ definiert ist (Alcock 2003). Psi ist immer gerade das, was nicht mit bekannten Mechanismen und Gesetzen erklärt werden kann. Das Fehlen einer positiven Charakterisierung führe aber dazu, dass man schlichtweg nicht sagen könne, ob ein festgestellter Effekt in einem Experiment wirklich auf derselben Ursache beruht wie ein Effekt in einem anderen Experiment.
„Change the Rules“ oder R. I. P.?
Aufgrund dieser und vieler anderer Gründe, so Hyman, konnte die Parapsychologie ihren Anspruch nicht einlösen, Psi mit wissenschaftlichen Mitteln belegen zu können. Wenn die Neoparapsychologen nun also das exzentrische Verhalten parapsychologischer Ergebnisse als Hinweis deuten, dass diese Unreplizierbarkeit, Unregelmäßigkeit und Flüchtigkeit zur Natur von Psi gehöre, dann gestehen sie damit das Scheitern der Parapsychologie ein. Mit ihrer Forderung, die wissenschaftlichen Methoden zu ändern bzw. aufzuweichen (s. vor allem Jahn, Dunne 2008), um Psi zur Anerkennung zu verhelfen, wenden sie sich von der Wissenschaft ab und kehren zurück zum Okkultismus. Man könne, so Hyman, in diesem Sinne also nur noch zu dem Schluss kommen, dass die Parapsychologie nach 160 Jahren das Zeitliche gesegnet hat. In der nachfolgenden Diskussion antworten der Psychologe Richard Wiseman sowie die Parapsychologen Caroline Watt und Chris Roe. Wiseman stimmt Hyman weitgehend zu, ist aber bereit, der Parapsychologie noch eine allerletzte Chance zu geben, und fordert sie auf, die Experimente mit den meistversprechenden Ansätzen zu bestimmen und zu versuchen, diese in einer konzertierten Aktion in mehreren Labors gleichzeitig unter strengen Bedingungen zu replizieren. Bringt auch das keinen Erfolg, so sollte man die Nullhypothese – Psi gibt es nicht – endlich akzeptieren. Es erübrigt sich der Hinweis, dass die Parapsychologen Watt und Roe Hymans Analyse natürlich nicht zustimmen und noch Bedarf für viel weitere Forschung sehen. Die Parapsychologie wird uns daher wohl als Untote erhalten bleiben.
Dr. Martin Mahner leitet das Zentrum für Wissenschaft und kritisches Denken" der GWUP.
Literatur
- Alcock, J.E. (2003): Give the null hypothesis a chance: reasons to remain doubtful about the existence of psi. In Alcock, J.E., Burns, J.E., & Freeman, A. (Hrsg.), Psi wars: Getting to grips with the paranormal (S. 29 – 50). Imprint Academic: Charlottesville, VA.
- Bierman, D. J. (2001): On the nature of anomalous phenomena: Another reality between the world of subjective consciousness and the objective world of physics? In P. van Locke (Hrsg.), The physical nature of consciousness (S. 269 – 292). Benjamins: New York.
- Hyman, R. (2010): The Demise of Parapsychology, 1850 – 2009. Skeptic 22(2): 17 – 20.
- Jahn, R.G., & Dunne, B.J. (2008): Change the rules! Journal of Scientific Exploration 22: 193 – 213.
- Kennedy, J.E. (2001) Why is psi so elusive? A review and proposed model. Journal of Parapsychology 65: 219 – 246.
- Kennedy, J.E. (2003): The capricious, actively evasive, unsustainable nature of psi: a summary and hypotheses. Journal of Parapsychology 67: 53 – 74.
- Lucadou, W. v. (2001): Hans in luck: The currency of evidence in parapsychology. Journal of Parapsychology 65: 3 – 16.
- Radin, D. (1997): The conscious universe: the scientific truth of psychic phenomena. Harper Edge: San Francisco.
- Utts, J. (1995): An assessment for the evidence for psychic functioning. Journal of Parapsychology 59: 289 – 320.
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 2/2010.