Klaus Richter
"Und was liegt denn nun hinter dem Schacht? Freunde, inzwischen geht es um zwei Schächte! Ich tippe auf Kammern, und von dort aus wird es weiter zu anderen Räumen gehen. Und noch etwas: Sollten sich hinter den Verschlussblöcken Kammern zeigen, die nichts mit Cheops zu tun haben, werden wir sie mit ihrem Originalzubehör nie zu Gesicht bekommen. Wetten?"
So beendet Erich von Däniken, Schweizer Buchautor und weltbekannter Vertreter der Behauptung "Die Götter waren Astronauten", seine Stellungnahme zur weltweit im September 2002 im Fernsehen übertragenen Öffnung des Blockiersteins im südlichen Schacht der Königinnenkammer der Cheops-Pyramide (v. Däniken, 2002, S. 14). Darin kommentiert von Däniken die Übertragung im ZDF, in der auch ein Interview mit Michael Haase, Diplommathematiker, Wissenschaftsjournalist und Autor mehrerer Bücher über ägyptische Pyramiden. Veröffentlicht wurde die Stellungnahme von Dänikens in Ausgabe 6/2002 von "Sagenhafte Zeiten", einem Magazin, das an Mitglieder der "Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI" (A.A.S., vormals "Ancient Astronaut Society") verteilt wird. Die Aussage von Dänikens, die vermutlich auch über den Mitgliederkreis der A.A.S. hinaus Wirkung entfalten wird, ist nicht ohne Brisanz, hält sie doch eine Verschwörungstheorie am Leben, die schon seit langem in pseudoarchäologischen Kreisen kursiert:
Die Ägyptologie arbeite unseriös, denn sie manipuliere Entdeckungen so, dass das über viele Forschergenerationen hinweg liebgewonnene Theoriengebäude nicht in sich zusammenbrechen und nicht "Querdenker"wie Erich von Däniken und andere Anerkennung finden können. Diese Verschwörungstheorie entbehrt jeglicher Grundlage, dennoch fällt sie bei vielen Menschen ganz unterschiedlicher Bildungs- und Gesellschaftsschichten auf sehr fruchtbaren Boden. Den ägyptischen Pyramiden haftet, trotz ihrer Erforschung durch die Wissenschaft, anscheinend immer noch etwas rätselhaftes und mythisches an, und besonders bei der größten, der Cheops-Pyramide auf dem Giza-Plateau nahe Kairo, fällt es vielen schwer zu akzeptieren, dass sie hier vor der eindrucksvollen Leistung von Menschen stehen, die um 2550 v. Chr., gerade der Steinzeit entkommen, mit einfachen Werkzeugen innerhalb von 20 Jahren ein wahres Wunderwerk der Baukunst zu einem einzigen Zweck errichteten: Als Grabmal eines Pharao der 4. Dynastie, Cheops, mit angeschlossenem Tempelkomplex für die Verehrung des nach seinem Tode in den Götterhimmel aufgestiegenen Königs.
Der Anlass für von Dänikens Beitrag in "Sagenhafte Zeiten" war die Untersuchung des Blockiersteins im Südschacht der Königinnenkammer in der Cheops-Pyramide durch eine Forschungsexpedition unter der Leitung des Leiters der ägyptischen Antikenverwaltung, Zahi Hawass. Millionen Menschen weltweit konnten in der Nacht vom 16. zum 17. September 2002, gemeinsam mit den Technikern und Wissenschaftlern in der Cheops-Pyramide, an ihren Fernsehern mitvefolgen, was sich hinter dem Blockierstein verbarg: Nur ein leerer Hohlraum, etwa 45 cm lang und eine Verlängerung des Schachtes, an dessen Ende man einen unpolierten Steinblock erkennen konnte, der anscheinend zum Kernmauerwerk der Pyramide gehört: Hier war der Schacht zuende (Haase, 2002, S. 7). Zuvor war ein kleines Roboterfahrzeug, der "Pyramid Rover", den knapp sechzig Meter langen Schacht (mittlerer Steigungswinkel: 39,61 Grad, Breite und Höhe des Schachtes: 20,5 cm) bis zu dem Blockierstein hinaufgefahren. Der Roboter war mit einem Bohrer ausgerüstet: Damit wurde ein Loch in den Blockierstein gebohrt, durch das anschließend eine ebenfalls am Roboter montierte Kamera hindurchgeführt wurde. Einmal abgesehen von der durch "National Geographic" mit großem Aufwand betriebenen Ankündigung als Medienereigniss und der anschließenden Enttäuschung bei vielen Zuschauern angesichts des leeren Hohlraums bleibt die Frage nach der Motivation von Dänikens, angesichts des klaren, für jedermann erkennbaren Befundes, weiterhin an einer Verschwörungstheorie festzuhalten. Und was hat jener kleine Blockierstein am Ende eines fast sechzig Meter langen Schachtes an sich, dass er von Däniken und andere Pseudarchäologen derart in seinen Bann zu ziehen vermag?
1. Hintergründe (1): Das Projekt UPUAUT 2
Die Cheops-Pyramide ist ein Touristenmagnet. Tag für Tag, Jahr für Jahr, wird sie von tausenden Besuchern aus aller Welt bestaunt. Heute wird nur einer eng begrenzten Zahl von Touristen der Zutritt in das Kammersystem der Pyramide gewährt. Doch das war nicht immer so. Zu Beginn der neunziger Jahre wälzten sich täglich rund tausend Besucher aus aller Welt durch Gänge und Kammern der Pyramide. Das brachte erhebliche Probleme mit sich: Die stickige und heiße Luft in der Pyramide ließ die Besucher schwitzen. Jeder Tourist, der das Innere der Pyramide betrat, hinterließ etwa 20 Gramm Kondenswasser. Der poröse Kalkstein sog das Wasser auf wie ein Schwamm, Salz und Mineralien wurden gelöst, traten an der Gesteinsoberfläche aus und zerstörerische Pilzkulturen fanden an den Wänden eine neue Heimat (Sasse/Haase, 2000, S. 85 f.). Diese Entwicklung veranlasste die ägyptische Antikenverwaltung, Restaurierungsaktionen in die Wege zu leiten. Unterstützen sollte sie dabei das Deutsche Archäologische Institut (DAI) in Kairo, damals unter der Leitung des renommierten deutschen Ägyptologen Rainer Stadelmann, einem ausgewiesenen Fachmann für ägyptische Pyramiden. Gemeinsam mit dem Münchner Ingenieur Rudolf Gantenbrink erarbeitete Stadelmann eine Lösung, um die gefährliche Luftfeuchtigkeit in der Cheops-Pyramide herabzusenken: Es sollte eine Art Belüftungssystem konstruiert werden. Gantenbrink regte an, zu diesem Zweck die Schächte zu nutzen, deren Austritte sowohl in der Königinnen- wie auch der Königskammer erkennbar waren: Hier konnte man den Bau einer Klimaanlage wagen (Sasse/Haase, 2000, S. 87 ff.).
Im Frühjahr 1992 wurden speziell dafür entwickelte Ventilatoren im südlichen Schacht der Königskammer eingepasst. Bereits bei der Generalprobe konnte die Luftfeuchtigkeit in der Königskammer auf 52 % gesenkt werden (Sasse/Haase, 2000, S. 93). Nun wurden die Schächte in der Königinnenkammer in Angriff genommen. Es gab aber ein Problem: Während die Schächte der Königskammer Öffnungen an den Außenwänden der Pyramide aufweisen, fehlen diese bei den Schächten der Königinnenkammer. Wollte man hier ebenfalls eine Klimaanlage installieren, musste der Sache auf den Grund gegangen werden. Gantenbrink brachte jetzt einen von ihm entwickelten kleinen ferngesteuerten Roboter ins Spiel, ein raupenähnliches Fahrzeug, das mit einer Kamera ausgerüstet war, um in das Innere der Schächte blicken zu können. Der Roboter, der mit Einverständnis des DAI und der ägyptischen Antikenverwaltung die Schächte der Königinnenkammer erkunden sollte, wurde "UPUAUT 2" getauft, nach dem gleichnamigen ägyptischen Gott, dem "Öffner der Wege." Im März 1993 wurde die Erforschung des Nord- und Südschachtes in der Königinnenkammer in Angriff genommen. Im Nordschacht kam Gantenbrinks Roboter schon nach einem kurzen Wegstück nicht mehr weiter: Anders als der Südschacht macht der Nordschacht eine durch das Kammersystem der Pyramide erzwungene Biegung. Just an dieser Stelle befand sich eine Holzleiste sowie eine Eisenstange, die Wayman Dixon, der Entdecker der Schächte, 1872 hier zurückgelassen hatte. Die Stange hatte sich verklemmt, die Gefahr, dass sich auch UPUAUT 2 hier verkeilte, war zu groß (Sasse/Haase, 2000, S. 105).
Doch es gab noch den Südschacht. Hier gab es zunächst kein Hindernis für Gantenbrinks Roboter. Gebannt verfolgten Ingenieure und Wissenschaftler auf Monitoren, die in der Königinnenkammer installiert worden waren, wie sich der Roboter Meter für Meter den Schacht hinaufbewegte. Nach fast sechzig Metern tauchte vor den Augen der staunenden Beobachter eine Blockierung auf, auf deren Oberfläche sich zwei längliche, offenbar kupferne Stifte befanden. Hier war die Reise von UPUAUT 2 zu Ende. Eine Klimaanlage ließ sich hier nicht installieren, doch war man auf eine wissenschaftliche Sensation gestoßen? Jedenfalls überschlugen sich jetzt die Ereignisse: Bereits im April 1993 erschienen erste Zeitungsmeldungen über die Entdeckung von Gantenbrinks Roboter (Sasse/Haase, 2000, S. 115). Die Medien witterten eine Sensation hinter dem Blockierstein, denn seit Jahrtausenden reißen Spekulatonen nicht ab über geheime Kammern und verborgene Schätze in der Cheops-Pyramide. Hatte man jetzt endlich etwas Handfestes gefunden, beispielsweise den Zugang zum eigentlichen Grab des Cheops, einer verborgenen Schatzkammer oder einer "Kammer des Wissens", in der sich Papyri mit den Geheimnissen der alten Ägypter befanden? Das Foto des Blockiersteins, aufgenommen von UPUAUT-2, machte seine Runde durch die Weltpresse. Die erhoffte Antwort auf die Fragen blieb aus: Das Projekt UPUAUT- 2 wurde gestoppt. Inzwischen war unter den Beteiligten des Projektes nämlich ein heftiger Streit ausgebrochen, der sich nicht allein um die Interpretation des Befundes drehte: Stadelmann vermutete keine geheime Kammer, die Schächte waren nie von Menschen benutzt worden. Gantenbrink hielt dagegen den Ausschluss einer Kammer für unseriöse Spekulation (Sasse/Haase, 2000, S. 117). Das allein reichte natürlich nicht aus, um das Projekt zu stoppen. Hinter dieser Entscheidung verbarg sich auch ein Politikum. Nach der Entdeckung des Blockiersteins hatte Gantenbrink kurze Videotrailer produziert und sie an das DAI, die ägyptische Antikenverwaltung und an seine Sponsoren geschickt. Zwar waren die Bildsequenzen, die den Blockierstein zeigten, mit dem Vermerk "Not For Broadcast" versehen, doch einmal in der Öffentlichkeit, entwickelte die Information ihre Eigendynamik (Sasse/Haase, 2000, S. 121). Das Ergebnis der Untersuchung wurde somit in der Öffentlichkeit bekannt, bevor die ägyptische Antikenverwaltung und das DAI darüber berichten konnten. Die Ägypter machten dem DAI Vorwürfe, es habe sich nicht an diese feststehende Regel gehalten: Eine peinliche Lage für die Deutschen, ein Ärgernis für die ägyptische Regierung. Diese jedenfalls beendete die Zusammenarbeit mit Gantenbrink, dem dieser Regelverstoß zur Last fiel und der damit die Ägypter in ihrer Ehre tief getroffen hatte (Sasse/Haase, 2000, S. 123): Bereits 1922 hatte ein Ausländer, der Brite Howard Carter, mit der Entdeckung des Schatzes von Tut-anch-Amun den Ägyptern eine Sensation vor der Nase weggeschnappt. Sollte sich das gleiche nun wiederholen?
2. Hintergründe (2): Die Pyramide des Cheops und die Peudoarchäologie
Aus dem zuvor Gesagten wird die Rolle von Gantenbrinks Entdeckung für die Pseudoarchäologen deutlich. Bereits arabische und koptische Mythen berichteten von geheimen Gängen und scharf bewachten Schätzen in der Cheops-Pyramide, von der Verewigung längst vergessenen Wissens und der Errichtung der Pyramide vor der Sintflut. Das "Hitat" des arabischen Historikers Al-Makrizi (15. Jahrhundert) ist nur ein Beispiel von vielen (Lehner, 1999, S. 40; Haase, 2001, S. 307). Archäologischen Wert haben diese Mythen, wie die Forschungen der letzten 200 Jahre zeigen, nur in begrenztem Umfang, da sie neben einigen Fakten auch viele Gerüchte und Phantastereien überlieferten. Letztere gehören zur Argumentationsgrundlange der Pseudoarchäologen. So auch für Erich von Däniken, der seine Auffassungen von der Pyramide des Cheops in seinem 1989 erschienenen Buch "Die Augen der Sphinx" veröffentlichte. Im 4. Kapitel dieses Buches erfährt der Leser, warum nach Ansicht von Dänikens das nicht stimmen kann, was uns die Ägyptologen von der Cheops-Pyramide erzählen. Dänikens Zielrichtung ist klar: Es war nicht Cheops, der die Pyramide erbauen ließ. Dahinter stecken außerirdische Kulturbringer. Belege für diese Behauptungen sind jene arabischen und koptischen Mythen, übertriebene Berichte des griechischen Historikers Herodot und die längst wiederlegte, rein sepkulative Behauptung des amerikanischen Pseudoarchäologen Zecharia Sitchin, der britische Forscher Howard Vyse habe eine Kartusche des Pharao Cheops in der Pyramide gefälscht, um der Welt verkünden zu können, er habe den Nachweis dafür gefunden, dass Cheops der Bauherr der Pyramide sei (von Däniken, 1989, S. 262 ff.; Widerlegung bei Haase, 1996, S. 159 - 162; ders., 2001, S. 206 ff.). Das Fazit von Dänikens:
"Wären Mytheninhalte nur in dem Nebel zu suchen, in den man sie unentwegt tunkt, dann ließen sich aus ihnen gar keine Informationen ziehen. Es war schon immer einfacher, an irgendeine Lehrmeinung - ob gesichert oder ungesichert - zu glauben, als den Verstand einzusetzen und die Zeit aufzuwenden, Mytheninhalte auf ihre Gemeinsamkeiten abzuklopfen. Dabei geht es mir hier nicht um eine akademische Vergleichsstudie von Mythen (...), mir geht es immer noch um die Erbauung der Großen Pyramide und um die Möglichkeit, dass in der Pyramide uralte Schriftzeugnisse liegen, die unser gesamtes religiöses Denken, doch auch unsere Vorstellungen über die menschliche Frühgeschichte und die Evolution auf den Kopf stellen können (von Däniken, 1989, S. 275)."In dieses Konzept passte die Entdeckung Rudolf Gantenbrinks hervorragend hinein: Hier hatte man vielleicht den ersten Hinweis auf eine verborgene Kammer gefunden, in der sich bislang unbekannte Schätze befinden könnten, ganz so wie es die alten Legenden berichten. Und noch etwas kam hinzu: Die Beendigung des UPUAUT 2-Projektes und das Ende der Zusammenarbeit zwischen Stadelmann und Gantenbrink. In seinem Buch "Der jüngste Tag hat längst begonnen" stellt von Däniken in einem "Nachtrag zur neuesten Forschung" (von Däniken, 1995, S. 255 ff.) die Entdeckung des Blockiersteins und die sich daran anschließenden Folgen geschickt als eine akademische Verschwörung dar, zu deren Opfer die Öffentlichkeit wurde, der man die Wahrheit hinter dieser Entdeckung vorenthalten wolle. Auch Gantenbrink, der den Stopp des Projektes durch die unautorisierte Weitergabe von Informationen an die Presse provoziert hatte, wurde in die Opferrolle gedrängt. Hier ging Erich von Däniken kürzlich sogar so weit zu behaupten, Gantenbrink sollte ausgeschaltet werden, da man zu Unrecht seiner Verschwiegenheit nicht getraut habe (von Däniken, 2002, S. 13).
Damit war die Konstruktion einer Verschwörungstheorie um den Münchner Ingenieur komplett. Dem DAI und seinem Leiter Rainer Stadelmann, deren guter Ruf bei den Ägyptern durch das Vorgehen Gantenbrinks erheblich angeschlagen war, wurde in dieser konstruierten Verschwörungsgeschichte die Rolle des Bösewichts zugeschanzt. Wasser auf die Mühlen der Pseudoarchäologie war zudem die jahrelange Weigerung der ägyptischen Altertümerverwaltung, den Blockierstein einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Diese aus der Enttäuschung der Ägypter verständliche Reaktion wurde als Vertuschungsaktion gewertet. In diesem Zusammenhang wurde sogar mit einer geheimen Öffnung des Blockiersteines spekuliert (Ercivan, 2001, S. 317 - 326). Für die Pseudoarchäologie war der Blockierstein im Südschacht der Königinnenkammer zum Dreh- und Angelpunkt der weiteren Erforschung der Cheops-Pyramide geworden. Um so größer war die Enttäuschung, als der Blick hinter den Blockierstein keine Schriftrollen, Schätze oder außerirdische Artefakte zu Tage förderte, sondern einen leeren, kleinen Hohlraum.
3. Reaktionen
Wie Pseudowissenschaftler reagieren, wenn von ihnen aufgestellte Behauptungen durch wissenschaftliche Forschung widerlegt werden, lässt sich hinsichtlich des Blockiersteins gut beobachten: Man verweigert die Akzeptanz des niederschmetternden Befundes. Auch Erich von Däniken, so zeigt es sein Beitrag in "Sagenhafte Zeiten", geht auf diese Art und Weise vor. Der Beitrag ist ein Lehrstück dafür, wie Pseudowissenschaftler mit Informationen umgehen und wie sie argumentieren, um ihre Spekulationen trotz ihrer Widerlegung weiterhin am Leben zu erhalten. Daher lohnt ein näherer Blick auf einige Behauptungen von Dänikens:
1. "Michael Haase (...) meinte, 'massive Blockierungssysteme' würden ausschließen, dass sich dahinter (dem Gantenbrink-Schacht) eine Kammer befinde. 'Sie wäre auch nicht begehbar.' (Von Däniken, 2002, S. 12)."Von Däniken bezieht sich hier auf ein Interview, das vor der Übertragung der Öffnung des Blockiersteins im ZDF mit Michael Haase geführt wurde.
F.: "Herr Haase, was könnte hinter diesem Stein sein? Sepkulationen reichen ja von gar nichts bis hin zum Schatz des Pharao."
A.: "Ich kann mir gut vorstellen, dass sich hinter diesem Blockierstein oder dieser Blockierplatte noch ein kleiner Hohlraum befindet, ein strukturell, bautechnisch entstandener Hohlraum, der allerdings nichts birgt, also wirklich leer ist. An Schätzen oder anderen Spekulationen kann man sich nicht beteiligen. Wir haben ein Kammersystem in der Pyramide, das allen Normen entspricht, die die Kammersystem in der Zeit hatten: Wir haben eine Grabkammer, einen Sarkophag und vor allem: Wir haben massive Blockiersysteme, das heißt, eine andere geheime Kammer mit irgendwelchen Schätzen dieses Pharaos angehäuft halte ich für blanke Spekulation."
F.: "Das schließt ja auch aus, dass da eine größere Kammer ist für eine Mumie."
A.: "Das ist meine persönliche Meinung. Es gibt zwar noch genug Platz - 16 Meter bis zur Außenseite - aber aufgrund der Befunde, die ich habe und aufgrund meiner Interpretation schließe ich aus, dass es dort eine Kammer gibt. Sie wäre nicht begehbar, sie wäre isoliert. Man müsste erst einmal klären, was für eine Art Kammer sich dort oben verbergen soll. Und das ist schon schwer genug."
Von Däniken hat Haase offenkundig falsch zitiert, seine Statements aus ihrem Zusammenhang gerissen und so eine Aussage konstruiert, die Haase nicht gemacht hat. Haase ging es in seiner Antwort um die Blockiersysteme im Kammersystem der Cheops-Pyramide, nicht jedoch im Südschacht der Königinnenkammer, wo ein solches Blockiersystem gar keinen Sinn hat. Ein Blockiersytem befindet sich in der Cheops-Pyramide einmal im Durchgang zwischen der Großen Galerie und der Königkammer. Dort legten die ägyptischen Baumeister eine Blockiersteinkammer an, in der sie drei Rutschsperrblöcke installierten, die bis zur Bestattung des verstorbenen Königs an starken Tauen hochgehalten wurden, um den Zutritt zur Königskammer zu ermöglichen. Nach der Bestattung wurde der Zugang mit den drei Fallblöcken verschlossen. Ein weiteres Blockiersystem befindet sich in der großen Galerie. Dort installierten die Baumeister große granitene Blockiersteine, deren Halterung nach der Bestattung des Königs gelöst wurde. Dadurch rutschten sie in der Großen Galerie nach unten in den aufsteigenden Gang und blockierten ihn. Somit waren sowohl Königs- wie auch Königinnenkammer (hier wurde übrigens nie eine Königin bestattet, den Namen erhielt die Kammer von ersten arabischen Erforschern der Pyramide) hermetisch versiegelt (Lehner, 1999, S. 114; Haase, 2001, S. 272; Verner, 1999, S. 228). Den Südschacht in der Könginnenkammer mit einem Blockiersystem zu versehen, hätte dagegen keinen Sinn gemacht: Mit einer Breite und Höhe von 20.5 cm hätte er von niemanden betreten werden können, geschweige denn eine hypothetische Kammer an seinem anderen Ende (vgl. auch Verner, 1999, S. 229). Übrigens bezeichnet niemand in der Fachwelt den Südschacht als "Gantenbrink-Schacht." Diese Bezeichnung kursiert nur in der Pseudoarchäologie.
2. "Im Verlaufe der TV-Sendung wurde später eine Computeranimation gezeigt, um zu demonstrieren, dass jeder Schacht und jeder Raum in der Pyramide von Anfang an geplant gewesen sein muss. Phänomenale Architektur zu Cheops Zeiten! Stein oder Kupferzeitgenies! Aber hinter dem Gantenbrink-Schacht darf sich nichts befinden ('nicht begehbar'). Als ob man den Raum dahinter nicht genauso geplant haben könnte wie den Rest des Bauwerks - wer immer das war (von Däniken, 2002, S. 13)."Dieses Zitat aus dem Beitrag von Dänikens zeigt deutlich die pseudowissenschaftliche Denk- und Argumentationsweise im Blick auf die Cheops-Pyramide auf: Den alten Ägyptern wird ihre bautechnische Meisterleistung abgesprochen, denn sie seien von ihrem Wissensstand her nicht in der Lage gewesen, diese Planung vorzunehmen. Derartige Genies, so suggeriert es von Dänikens Aussage, habe es vor 4500 Jahren nicht gegeben. Wem von Däniken eine derartige Planung zutraut, sagt er hier nicht explizit, doch dies geht aus einem Interview hervor, das er 2000 für "Sagenhafte Zeiten" gab:
"Außerirdische werden hier schwerlich Steine herumgeschoben und sich die Finger schmutzig gemacht haben. Das wäre auch nicht nötig gewesen. Schliesslich standen jede Menge gratis Arbeitskräfte zur Verfügung. welche die Drecksarbeit leisteten. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass ET's bei den Planungen mithalfen, der 'göttlichen Geometrie', denn da gibt es eine ganze Menge von offenen Fragen, die nicht ins archäologische Weltbild der damaligen Zeit passen (v. Däniken, 2000, S. 20)."Die alten Ägypter waren demnach gerade gut genug für die "Drecksarbeit", das Produkt "Pyramide" ist dagegen nicht ihre geistige Schöpfung, sondern die einer außerirdischen Zivilisation. Eine im höchsten Maße unfaire Spekulation, die von einer krassen Ignoranz menschlichen Leistungsvermögens zeugt. Dänikens Aussage geht in eine für Pseudoarchäologen typische Richtung: Sie wollen die Pyramide um jeden Preis aus dem evolutionären Zusammenhang, den sie mit den anderen Pyramiden des Alten Reiches teilt, herauslösen und isoliert betrachten. Dabei sind es gerade die drei Pyramiden von Cheops' Vorgänger Snofru, die deutliche Hinweise in der Planung und Konzeption der ägyptischen Pyramiden geben. Planung und Bau der Cheops-Pyramide sind eine Konsequenz aus den Erfahrungen, die Snofrus Baumeister in Meidum und Dahschur machten (Haase, 2000 a; Haase, 2001, S. 150 f.). Einmal mehr sieht man, dass Spekulationen, wie sie von Däniken anstellt, eines außer Acht lassen: Die Menschen, die vor Jahrtausenden das Niltal bevölkerten und denen wir diese großartigen Bauwerke zu verdanken haben. Auf S. 14 seines Beitrages versucht von Däniken seinen Lesern die Argumente nahezubringen, die seiner Meinung dagegen sprechen, dass Cheops der Erbauer der ihm zugeschriebenen Pyramide ist. Wir finden hier die in den meisten pseudoarchäologischen Büchern, die sich mit der Cheops-Pyramide befassen, auftauchenden Behauptungen, die die Pyramide einem anderen Bauherren zuschreiben sollen, nur nicht eben Cheops. Schauen wir uns einige davon näher an.
a. Arabische Mythen
Mythen, die arabische Historiker des Mittelalters über die Cheops-Pyramide berichteten, gehören zum festen pseudoarchäologischen Argumentationsfundus. Von Däniken berichtet uns da beispielsweise von Al-Makrizi, der die Pyramide einem gewissen Saurid zuschrieb, der vor der Sintflut gelebt haben sollte und den die Hebräer Henoch und die Griechen Hermes nannten (v. Däniken, 2002, S. 14; 1989, S. 268 ff.). Treffsicherer noch als alle ägyptologischen Forschungsergebnisse ist für von Däniken eine Aussage von Muhammad ben Abdallah ben abd al-Hakam (14. Jhdt.), die von Däniken wie folgt zitiert:
"Die Pyramide kann nur vor der Flut gebaut worden sein; denn wäre sie nachher erbaut, so wüssten die Araber Bescheid darüber (v. Däniken, 2002, S. 14)."Genau da liegt das Problem: Anders als Herodot, der Ägypten zur Zeit der Perserherrschaft bereiste und noch - verzerrte - Erinnerungen an einen Pharao Cheops vorfand, schrieben die arabischen Historiker ihre Werke im Mittelalter, lange nach dem Niedergang der antiken Welt und der altägyptischen Kultur. Sie wußten nichts mehr über die Pyramiden und ihren Ursprung, erfanden so phantastische, märchenhafte Beschreibungen, die, wie gezeigt, in pseudowissenschaftlichen Kreisen großen Anklang finden und
"ungeachtet aller wissenschaftlichen Erforschung, immer neue, krankhafte Blüten treiben" (Stadelmann, 1997 a, S. 265)".
b. Nur eine Arbeiterinschrift?
Seit dem Erscheinen von Zecharia Sitchins Buch "Stufen zum Kosmos" hält sich in pseudowissenschaftlichen Kreisen hartnäckig die Legende von einer Kartusche, die den Namen "Chufu" wiedergibt (die ägyptische Form des griechischen "Cheops") und die der britische Forscher Howard Vyse in der obersten Entlastungskammer der Königskammer - der "Campbell-Kammer" - angebracht habe, um sich den Ruhm als Entdecker des Bauherren der Pyramide einzuheimsen (Sitchin, 1989, S. 284 ff.). Haase hat diese als "Fälscherlegende" bekannt gewordene Spekulation bereits 1996 ausführlich widerlegt (Haase, 1996, S. 159 - 162; ders., 2001, S. 206 - 208). Man kann Howard Vyse so manches vorwerfen: Ein Kartuschenfälscher war er jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Besagte Kartusche ist echt und damit ein authentischer Beleg für die Bauherreneigenschaft von Cheops. Die vier oberen Entlastungskammern waren bis zu ihrer gewaltsamen Öffnung durch Vyse 1837 hermetisch abgeschlossene Räume, der inhaltliche Kontext der Inschriften 1837 noch weitgehend unbekannt: Erst 15 Jahre vor Vyses Grabungen in Giza hatte Champollion die Hieroglyphen erstmals entziffern können (Lehner, 1999, S. 50). Im Zusammenhang mit der angeblich gefälschten Kartusche stellt von Däniken auch die Behauptung auf, es gebe nur diese eine:
"Gerade Zahi Hawass und Marc Lehner wurden nicht müde dem Publikum klarzumachen, wie raffiniert die Pyramidenbauer ihre Arbeit organisiert hätten. Da gab es verschiedene Gruppen, die untereinander konkurrierten. Familienbetriebe und Aufseher. Aber nur gerade einer dieser Abertausenden hat in dieser Entlastungskammer einige Pinselstriche hinterlassen. Entsetzlich traurig (v. Däniken, 2002, S. 14)."Es gibt bereits mehr als eine Inschrift von Arbeitertrupps in den Entlastungskammern. Zahlreicher Bauarbeitergraffiti findet sich in der "Lady Arbuthnot-Kammer" unterhalb der "Campbell-Kammer". Dort findet sich an der Westwand beispielsweise auf dem Kopf stehend (!) die Bezeichnungn eines Bautrupps:
"Arbeitermannschaft: Die weiße Krone des Chnum-Chufu ist mächtig" (Haase, 2002, S. 12).Das ist ein weiterer Hinweis auf die Bauherreneigenschaft des Cheops. Interessant ist auch der Umstand, dass die Inschriften auf dem Kopf stehen: Das sowie die Tatsache, dass keine Fugen überschrieben werden, deutet darauf hin, dass sie von Bauarbeitern angebracht wurden, bevor die Steine verbaut wurden. Weitere Inschriften dürften sich an den so genannten
"Backing Stones" finden lassen, wie dies bereits bei der roten Pyramide, die Cheops' Vorgänger Snofru in Dahschur errichten ließ und die die erste echte Pyramide der Welt war, geschehen ist. In Dahschur ließen sich Datumsinschriften, Königsnamen und verschiedene Markierungen nachweisen (Haase, 2000 a, S. 166).Ein weiterer Beweis für die Bauherreneigenschaft des Cheops sind die zahlreichen Grabanlagen von Familienangehörigen, Priestern und Beamten des Königs in unmittelbarer Umgebung der Pyramide. In diesen Gräbern finden sich Aufzeichnungen, die einen klaren Bezug zu Cheops und dem Kult, der nach seinem Tode an der Pyramide betrieben wurde, haben. Eines dieser Gräber gehört einem Priester namens Kar aus der 6. Dynastie. In dem Grab, das jedermann zugänglich ist, stellt sich Kar der Nachwelt mit seinen Titeln vor: "Aufseher der Pyramidenstädte von Cheops und Mykerinos", "Priester der Chephren-Pyramide" und "Gärtner von Pepi I. (Haase, 2001, S. 258)." Hier wird die Pyramidenstadt des Cheops genannt, wobei wir von Kar auch die altägyptische Bezeichnung für die Cheops-Pyramide erfahren: "Achet Chufu" - "Horizont des Chufu" (Haase, 1996, S. 154).
c. Die Pyramide: Ein Wallfahrtsort?
Von Däniken ist das Umfeld der Cheops-Pyramide mit seinen Grabanlagen bekannt. Da dies seiner Deutung der Cheops-Pyramide als isoliertem Bauwerk widerspricht, fügt er das Umfeld der Pyramide in seine Argumentationskette ein:
"Aber da sind doch die Gräber um die Pyramide herum. Die Bäckereien, Schlafsäle und so fort. Die können genausogut das Gegenteil von dem beweisen, was Marc Lehner und Zahi Hawass ihren Studenten einbläuen möchten. Wenn es die Pyramide schon lange vor Cheops gegeben hätte, wäre sie so selbstverständlich zum Wallfahrtsort geworden wie das heutige Fatima in Portugal oder Jerusalem in Israel. Bäckereien oder Metzgereien, Kornsilos und Essensabfälle stammen nicht von den Erbauern der Pyramide, sondern von den Wallfahrern (v. Däniken, 2002, S. 14)."Gräber, Bäckereien, Silos und Schlafsäle im Umfeld der Pyramide: Sind sie vielleicht in der Tat ein Hinweis auf einen Wallfahrtsort?
Was sich auf den ersten Blick als plausibel anhören mag, ist bei näherem Hinsehen nicht haltbar. Arbeitersiedlungen und vor allem Grabanlagen im Umfeld einer Pyramide sind nicht nur bei der Cheops-Pyramide, sondern auch bei anderen ägyptischen Pyramiden nachgewiesen worden, so beispielsweise bei der Knick-Pyramide Snofrus in Dahschur (Haase, 2000 a, S. 140 ff.) oder im Umfeld von Djosers Stufenpyramide in Saqqara, der ersten ägyptischen Pyramide, errichtet um 2600 v. Chr (Haase, 2000 a, S. 39 f.). Wenn von Däniken die Gräber und die Arbeitersiedlung im Umfeld der Cheops-Pyramide einem Wallfahrtsort zuordnen möchte, so ist seine Zielrichtung klar: Er versucht, die Pyramide zu isolieren, aus ihrem evolutionären Zusammenhang mit den übrigen Pyramiden der 4. Dynastie herauszulösen und sie der pseudoarchäologischen Vorstellung folgend nicht Cheops zuzuordnen. Wenn die Pyramide ein Wallfahrtsort war: Warum tauchen in den Gräbern Bezüge zu Cheops auf? Wo soll Cheops begraben worden sein, wenn nicht in der Pyramide? Die gleiche Frage stellt sich bei Djoser, Snofru und anderen Königen. Königsgräber waren im Alten Reich nicht isoliert, sie waren vielmehr groß angelegte Grabkomplexe, bestehend aus Pyramiden, Tempeln, Pyramidenstädten und umgebenden Grabanlagen der Höflinge und Angehörigen des Königs (Lehner, 1999, S. 18 f.; 233 ff.; Wilkinson, 2000, S. 20 ff.).
d. Fehlende Inschriften im Kammersystem
3. "Zudem fehlen in der Cheopspyramide alle Inschriften an Wänden und Kammern, welche auf die phänomenale Leistung eines Cheops hinweisen können. Da ist totale Anonymität. Ich sehe zwei mögliche Gründe dafür: Entweder stammt die Pyramide nicht von Cheops - oder Cheops liess die Inschriften allesamt entfernen (von Däniken, 2002, S. 14)."Auf den ersten Blick erscheint von Dänikens Behauptung einleuchtend: Warum findet man in den Kammern der Cheops-Pyramide keine Inschriften, die auf ihren Erbauer hinweisen? Wenn wir einen Blick von Giza weg ins Tal der Könige werfen, dann finden wir dort prachtvoll ausgestattete Gräber, in denen sich Bezüge zu ihren Besitzern befinden. Auf den zweiten Blick entpuppt sich von Dänikens Aussage jedoch als weitere unfundierte Behauptung, die das Ziel verfolgt, die Cheops-Pyramide kulturhistorisch isoliert betrachten zu können. Tatsache ist, dass über einen Zeitraum von etwa 270 Jahren in keinem Kammersystem einer Pyramide aus der 4. und dem überwiegenden Teil der 5. Dynastie Inschriften angebracht wurden. Die ersten Inschriften - die "Pyramidentexte" - finden wir in der Pyramide des Unas, dem letzten Pharao der 5. Dynastie (ca. 2356 - 2323 v. Chr.; vgl.Haase, 1999, S. 212 - 217; Lehner, 1999, S. 154; Stadelmann, 1997 a, S. 185 f.). Das Fehlen der Inschriften ist also weder ein Indiz dafür, dass Cheops die Pyramide nicht errichten ließ noch ein Hinweis darauf, dass Cheops etwaige Inschriften entfernt habe. Grabinschriften in Pyramiden waren zu seiner Zeit unüblich.
e. Bauherr Cheops: Ein ägyptologisches Märchen?
4. "Letztlich - und darum geht es- was habe ich gegen Cheops? Im Grunde nichs. Aber ich habe etwas gegen die dumme Behauptung der Ägyptologen, um Cheops Zeiten sei gerade das Ende der Steinzeit eingeläutet worden. Und jetzt - oh Wunder - kommen Organisationsgenies mit den raffiniertesten Plänen für das phänomenalste Bauwerk mit Kammern, Schächten, Sicherungssystemen daher und errichten in 20 Jahren die grosse Pyramide. Nicht zu reden von der Planung, den Rampen, Taltempeln, den rund '6 Kilometern unterirdischen Gängen' (Zahi Hawass) und dem weiteren Drumherum. Ich unterschätze die Leistung der Menschen nicht, wenn es um Religion geht (Ideologie ist dasselbe). Doch jede Bauleistung brauchte hervorragende Planung und sehr, sehr viel Erfahrung. Beides war zu Zeiten von dem Cheops, den uns die Ägyptologie einredet, nicht vorhanden. (von Däniken, 2002, S. 14)"Diese Behauptung deckt sich von ihrer Zielrichtung mit der unter 2. zitierten Aussage von Dänikens: Die Menschen vor 4500 Jahren sollen einfach nicht in der Lage gewesen sein, die grosse Pyramide des Cheops in Giza zu errichten. Deutlich wird auch die bereits mehrfach angesprochene Isolierung der Cheops-Pyramide, ihre Herauslösung aus der bautechnischen Evolution, die mit Djoser zu Beginn der 3. Dynastie ihren Anfang nahm. Von Dänikens Behauptung, "hervorragende Planung und sehr, sehr viel Erfahrung" sei zu zu Cheops Zeiten nicht vorhanden gewesen, ist reine Spekulation und obendrein falsch. Sie ignoriert ganz einfach die Leistungen, die insbesondere unter Pharao Snofru erreicht wurden: Dieser ließ insgesamt drei Pyramiden errichten. Diese Pyramiden sind natürlich auch von Däniken bekannt. In "Die Augen der Sphinx" schreibt er:
"Der Einwand, schon vor der großen Pyramide sei an Vorläufern des Bauwerks 'geübt' worden, kann nicht allzu schwer wiegen, denn diese 'Übungs-Pyramiden' liegen zeitlich nur wenige Jahrzehnte vor Cheops. Zudem erreichen die 'Übungs-Pyramiden' bei weitem nicht die Gigantomanie und die mathematischen Raffinesen der Cheops-Pyramide (von Däniken, 1989, S. 159)."Seinen Lesern möchte von Däniken glaubhaft vermitteln, dass die Pyramiden des Snofru in ihrer bautechnischen Leistung längst nicht an das Meisterwerk des Cheops heranreichen, dies aber eigentlich müssten, wenn sie "nur wenige Jahrzehnte vor Cheops" errichtet wurden. Konsequenz auch hier: Die Isolierung der Cheops-Pyramide. Bei genauer Betrachtung entpuppt sich von Dänikens Äußerung jedoch nicht nur als falsch, sie wird auch der bautechnischen Leistung, die unter Snofru vollbracht wurde, in keinster Weise gerecht. Die von Däniken geringschätzig als "Übungs-Pyramiden" bezeichnete Pyramide in Meidum und die "Knickpyramide" und die "Rote Pyramide" in Dahschur umfassten gut 1 Millionen Kubikmeter mehr an Bauvolumen als die Cheops-Pyramide und wurden teilweise sogar noch präziser vermessen (dazu ausführlich Haase, 2000 a; Stadelmann, 1997 a, S. 105). Nicht Cheops, sondern sein Vater Snofru war der größte Bauherr der Pyramidenzeit! Snofrus Bautätigkeit bewirkte gewaltige Fortschritte in den angewandten Techniken der Konstruktion, Steinbearbeitung, der Statik, des Steintransports und der Aussschachtung. Gleichzeitig bewirkte sie eine erhebliche Verbesserung der bautechnischen Organisation und Logistik sowie einem Anwachsen der Beamtenschaft zu einem wirksamen Instrument des zentralisierten altägyptschen Staates (Stadelmann, 1997 b, S. 59). Ganz offensichtlich konnten Cheops Architekten und Bauleiter auf die umfangreichen Erfahrungen, die während der Regierungszeit Snofrus gesammelt wurden, zurückgreifen und sie beim Bau der Cheops-Pyramide verwenden (Haase, 2000 b, S. 4 ff.).
4. Fazit:
a. Erich von Dänikens Argumentation kann bei Überprüfung der von ihm aufgetellten Behauptungen nicht überzeugen. Sie ist fehlerhaft und belegt von Dänikens Unkenntnis über fundamentale Grundlagen der ägyptischen Pyramiden, ihrer Erbauung und Funktion als Grabmäler.
b. Von Däniken stellt die Forschungsergebnisse der Ägyptologie verzerrt dar, stellt auf dieser Grundlage Fragen, deren Zielrichtung weg von den eigentliche Bauherren hin zu den erwünschten außerirdischen Konstrukteuren führt.
c. Die Pyramide des Cheops wird aus ihrem evolutionären Zusammenhang und ihrem Pyramidenkomplex herausgelöst, wird isoliert betrachtet und dient so als Projektionsfläche pseudoarchäologischer Vorstellungen, in diesem Fall dem Wirken außerirdischer Planer. Zugleich wird die bautechnische Kompetenz der alten Ägypter ausgeschlossen.
d. Von Dänikens Ausführungen widersprechen allen Fakten, die eindeutig auf die Bauherreneigenschaft des Cheops hinweisen, ebenso wie auf langjährige Erfahrung, die bereits mit früheren Pyramidenprojekten insbesondere unter Snofru gewonnen wurden.
e. Erich von Däniken geht es nicht um die objektive Darstellung eines archäologischen Befundes. Vielmehr erschafft er einen rätselhaften Tatbestand, den er seinen Lesern wirkungsvoll durch Halbwahrheiten, Fehlinterpretationen, Spekulationen und der bewußten Manipulation von Fakten vorspiegelt. Ziel ist nicht die Vermittlung einer seriösen Diskussionsalternative, sondern die Schaffung und Erhaltung eines pseudoarchäologischen Weltbildes: Es gab in der Vergangenheit den Besuch Außerirdischer, die gezielt in die biologische und kulturelle Entwicklung des Menschen eingegriffen haben. Dadurch wird der Charakter des Pseudowissenschaftlichen belegt. Pseudoarchäologische Spekulationen, die sich auf Unterstellungen oder Unverständnis stützen, schaffen gefährliches Halb- und Falschwissen, das nicht nur von den Protagonisten der Pseudoarchäologie, sondern auch von einigen Vertretern der Medien mehr oder weniger kritiklos in der Öffentlichkeit verbreitet wird und dadurch ein breites Publikum erreicht. Pseudoarchäologen verfügen nur in seltenen Ausnahmefällen über eine wissenschaftliche Aubildung, in den meisten Fällen sind es Laien ohne fundiertes Hintergrundwissen. Die Spekulationen der Pseudoarchäologen stehen in Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. Um bei ihrer Leserschaft keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen zu lassen, drehen Pseudoarchäologen den Spieß um: Sie beschreiben sich als gewissenhafte Sucher nach der Wahrheit, die von einer verkrusteten, selbstverliebten Wissenschaft gemieden wird, um nicht die Aufgabe liebgewonnener Lehrgebäude akzeptieren zu müssen. Aus den zitierten Aussagen Erich von Dänikens geht diese Haltung deutlich hervor. Pseudoarchäologen werfen ihren Kritikern "Autoritätsgläubigkeit" vor, doch das Gegenteil ist der Fall: Es sind die Pseudoarchäologen, die eisern an ihren Spekulationen festhalten, selbst wenn sie längst widerlegt worden sind, und die sich weigern, einen Blick über den Tellerrand zu riskieren.
Literatur:
- Michael Haase: Im Zeichen des Re, München 1999
- Michael Haase: Das Feld der Tränen, München 2000 (Haase 2000 a)
- Michael Haase: Bemerkungen zur Architektur des Kammersystems der Cheops-Pyramide, in: Sokar 1 (2000), S. 4 - 11 (Haase 2000 b)
- Michael Haase: Das Rätsel des Cheops, München 2001
- Michael Haase: Brennpunt Giza, in: Sokar 5 (2002), S. 3 - 13
- Mark Lehner: Das Geheimnis der Pyramiden in Ägypten, München 1999
- Torsten Sasse, Michael Haase: Im Schatten der Pyramiden, München 2000
- Rainer Stadelmann: Die ägyptischen Pyramiden, 3. Auflage, Mainz 1997 (Stadelmann 1997 a)
- Rainer Stadelmann: Königsgräber der Pyramidenzeit, in: Regine Schulz, Matthias Seidel (Hrsg.), Ägypten - Die Welt der Pharaonen, Köln 1999, S. 46 - 77 (Stadelmann 1997 b).
- Miroslav Verner: Die Pyramiden, Hamburg 1999
- Richard H. Wilkinson: The Complete Temples of Ancient Egypt, London 2000
Spekulative Literatur:
- Erich von Däniken: Die Augen der Sphinx, München 1989
- Erich von Däniken: Der jüngste Tag hat längst begonnen, München 1995
- Erich von Däniken: Ägyptologisches Wunschdenken, in: Sagenhafte Zeiten 6/2002, S. 12 - 14.
- Erdogan Ercivan: Verbotene Ägyptologie, Rottenburg 2001