Quellen
Wissenschaftsfeindlichkeit
Ignoranz
Religiöse Aspekte
Forderung an die Wissenschaft und die Medien
Ausblick und Schluss
Unwissenschaftliches Arbeiten
So verführerisch der Gedanke auch sein mag, daß Außerirdische die Erde in der Vergangenheit besucht haben und sich unsere Frühgeschichte vielleicht nicht so abgespielt hat, wie es uns die Wissenschaft lehrt: Man sollte sich davor hüten, jedes nicht gleich erklärbare Relikt der Vergangenheit zu einem "Indiz" oder "Beweis" für die PS zu erklären, sondern diesen Relikten gründlich nachgehen. Von Bertrand Russell gibt es ein schönes Zitat, das gut in diesen Zusammenhang paßt:
"Darin besteht das Wesen der Wissenschaft. Zuerst denkt man an etwas, das wahr sein könnte - und dann sieht man nach, ob es der Fall ist, und im allgemeinen ist es nicht der Fall."
Darin kommt ein klares Prinzip wissenschaftlicher Forschung zum Ausdruck: Es geht nicht darum, eine Behauptung zu beweisen, es geht darum, sie zu falszifizieren. In der Wissenschaft geht es um Falsifikation -- mehr als um Verifikation. Wissenschaftliche Hypothesen müssen so vorgebracht werden, daß sie überprüfbar und damit auch falsifizierbar sind.
Das gilt so aber nicht für diejenigen, die "Forschung" im Rahmen der PS-Hypothese betreiben. Hier steht auf jeden Fall das Ergebnis von vornherein fest, wird die Argumentation so manipuliert, das sie mit dem Ergebnis - scheinbar - stimmig ist. Alle Behauptungen der Paläo-SETI, die grundsätzlich nicht falsifizierbar sind, entbehren schon deshalb der Wissenschaftlichkeit, weil sie nicht falsifizierbar sind. Beispiele gibt es zur Genüge.Vielfach werden Fälschungen als Beweise für irgendeine irrwitzige Hypothese präsentiert - Dr. Zillmer hat es hinsichtlich des Hammers von Glen Rose und anderer von Kreationisten präsentierten "Fossilien" so getan. Ein weiteres Beispiel sind die Steine von Ica - größtenteils Fälschungen, auf Anweisung von Dr. Cabrera (Ica, Peru) ausgeführt, von vielen Autoren der Paläo-SETI aber als echt verkauft. Ganze Theoriengebäude von einer Menschheit vor der Menschheit, einer vergangenen Kultur mit Hochtechnologie oder Außerirdischen haben sich daran aufgeknüpft. Oder nehmen wir als letztes Beispiel die Grabplatte von Palenque. Seit Ende der achtziger Jahre die Mayahieroglyphen entziffert wurden und die Mayaikonographie bekannt ist, steht fest, daß auf der Grabplatte kein Raumfahrer in seinem Raumschiff dargestellt wurde, sondern daß es sich um eine religiöse Darstellung handelt, die den Mayaherrscher Pacal II. auf seinem Weg nach Xibalba, dem Jenseits der Maya, zeigt. Zugleich stellt die Grabplatte die Mittlerrolle des Königs zwischen dem Dies- und dem Jenseits dar, eine wichtige Funktion, die Pacal II. als Schamane zukam. Und schließlich ist die Grabplatte politische Propagande, rechtfertigt sie die Thronbesteigung Pacals und die Vererbung des Thrones an seinen Sohn Chan-Balum. Doch diese Erkenntnis stört die PS wenig: Die neuen Erkenntnisse der Mayaforschung werden so manipuliert, daß von der Raumschiffthese keineswegs Abschied genommen werden mußte. Die Liste derartiger Manipulationen im Dienste der Paläo-SETI ließe sich noch weiter verlängern.
Die Konsumenten saugen diese Dinge begierig auf, erklären sie zu Glaubensgrundsätzen, lassen daran nicht mehr rütteln - und wer es dennoch wagt, über den komme der Zorn der Götter. Eine seltsame Reaktion, denn eigentlich sollten sich die Betroffenen darüber ärgern, daß man sie gezielt an der Nase herumgeführt hat.
Manch ein Anhänger der PS argumentiert, daß die A.A.S. für jeden offen sei, sowohl für Leute mit wissenschaftlicher Vorbildung sowie, als anderes Extrem, solchen, die eine rudimentäre Schulbildung haben. Das sei, so wird dann weiter argumentiert, die Berechtigung dafür, auch unwissenschaftlich arbeiten zu dürfen. Doch das überzeugt nicht: Die A.A.S. tritt als Forschungsgemeinschaft auf und sucht trotz aller Wissenschaftshetze den Kontakt zu den Wissenschaften, will mit einem alternativen Erklärungsmodell überzeugen. Auf der Homepage der A.A.S. wird dies auch explizit zum Ausdruck gebracht:
"Das Ziel der A.A.S. - "Forschungesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI ist es, einen anerkannten Beweis für ehemalige Besuche von Ausserirdischen auf unserer Erde zu erbringen. Dabei wollen wir den Grundregeln des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns folgen, uns aber nicht von bestehenden Dogmen oder Paradigmen eingrenzen lassen."
(Die Hervorhebungen im Text stammen von mir)
An diesen Prämissen muß sie sich messen lassen, gleichgültig, wen sie als Mitglied zuläßt. Im übrigen ist es ein großer Schritt vom bloßen Mitglied zum Artikel in Sagenhafte Zeiten - dazwischen steht die Redaktion, die, so sollte man meinen, problematische Artikel im Vorfeld von einer Veröffentlichung ausschließt. Es sei in diesem Zusammenhang auch auf die Infrastruktur der A.A.S. hingewiesen, die einer der herkömmlichen Wissenschaften ähnlich ist. Man verwendet als Ausgangspunkt einen "Fachterminus", entweder "Prä-Astronautik" oder "Paläo-SETI-Hypothese," veranstaltet nationale und internationale Konferenzen und veröffentlicht mit den "Sagenhaften Zeiten" eine "Fachzeitschrift", in denen "Fachartikel" mit Bezug zur grundlegenden Hypothese veröffentlicht werden. Eine Zeitlang wurde sogar ein Forschungspreis vergeben, man bemühte sich sogar um ein Magazin mit echtem wissenschaftlichen Anstrich: Die Scientific Ancient Skies, die leider nach zwei Ausgaben eingestellt wurden.
Quellen
Geradezu typisch für viele Autoren der Paläo-SETI ist der unzureichende oder falsche Umgang mit Quellenmaterial. Quellen, die vielleicht das eigene Weltbild zerstören könnten, werden ignoriert, statt dessen schreibt man lieber bei anderen Autoren ab (wo denn schon mal eine Hypothese zur Theorie und diese dann zum Fakt mutiert) oder es werden Quellen herangezogen, die von der Wissenschaft längst widerlegt worden sind, beispielsweise Velikovsky, Muck oder die Tollmanns. Was aber dann noch schlimmer ist, ist das gegenseitige Zitieren: Man entwirft eine phantastische These nicht etwa aufgrund wissenschaftlichen Materials, egal wie alt es auch sein mag, sondern schreibt bei Arbeiten anderer PS-Forscher ab, die ihrerseits natürlich mit Fehlern behaftet sind. So wird Zecharia Sitchin mit seiner Mär vom 12. Planeten und den Annunaki, die angeblich die Menschen geschaffen haben sollen, immer wieder als Beleg für eigene, bisweilen abstruse Thesen herangezogen. Zillmers Buch "Darwins Irrtum" ist da nur ein Beispiel von vielen. Mit wissenschaftlicher Arbeit hat das wirklich nichts mehr zu tun, im Gegenteil, es werden Altlasten weitergetragen, die sich in den Köpfen der Menschen festnisten und nicht der Forschung, sondern höchstens dem besseren Verkauf diverser Bücher und der Befriedigung einer mehr oder weniger fest umrissenen Fangemeinde dienen.
Nur wenige machen sich überhaupt die Mühe, das Quellenmaterial zu sichten und daraus dann eigene Hypothesen zu entwickeln. Doch mit der Sichtung des Quellenmaterials ist es alleine nicht getan: Ich kann mich in uralte Texte vertiefen, doch wie ich damit umgehe, ist eine andere Frage. Entscheidend ist nämlich, daß man herausarbeitet, was der Schöpfer der Quelle wirklich aussagen wollte. So mancher PS-Autor macht es sich einfach und handelt nach dem Motto "Sieht aus wie, also ist es auch ..." Daraus entwirft er dann eine phantastische These. So sollen die süd- und mittelamerikanischen "Goldflieger" - einer von ihnen ist das Wappen der A.A.S. - Hinweise auf einen Kontakt mit einer unverstandenen Technologie sein, eine Art prähistorischer Cargo-Kult. Von einigen dieser Gebilde wurden Modelle angefertigt, die tatsächlich flogen und einen technologischen Bezug von Völkern in der Vergangenheit unseres Planeten aufzuzeigen scheinen. Doch sind die Originalfundstücke auch Belege für eine frühere Technologie? Die Mitglieder der A.A.S., die diese Modelle gebaut haben, arbeiteten nach dem von Erich von Däniken entworfenen Grundsatz, altes auch einmal durch die moderne Brille zu betrachten. Doch leider ist das der falsche Ansatz, denn mit unserer modernen Sichtweise können wir alte Kulturen nicht begreifen. So mögen zwar die Goldflieger wie Flugzeuge aussehen, sogar als Modelle fliegen und phantastische Flugeigenschaften aufweisen - doch wollten die Indianer wirklich Flugzeuge darstellen oder nicht doch vielleicht etwas anderes? Doch danach wird nicht gefragt. Wichtig ist: Sie sehen aus wie Flugzeuge, nachgebaut fliegen sie wie Flugzeuge, also sind es Hinweise auf einen Cargo-Kult in ferner Vergangenheit. Und da Menschen damals nicht fliegen konnten, mußten es Außerirdische sein. So falsch dieser Gedankengang auch ist, er verkauft sich gut, befriedigt die Leserschaft. Andere Beispiele sind die "Glühbirnen" von Dendera sowie die Grabplatte von Palenque.
Wissenschaftsfeindlichkeit
Statt die Nähe der Wissenschaft zu suchen und ihre Vertreter vom Nutzen der Paläo-SETI zu überzeugen, wird sie von vielen Grenzwissenschaftlern vehement kritisiert, ja geradezu diffamiert und mit Haßtiraden überzogen. Die Wissenschaft, so das allgemein verbreitete Vorurteil, verweigert sich Ansätzen, wie sie die Paläo-SETI vorträgt, erklärt die Rätsel dieser Welt mit allen möglichen Kniffen und Tricks, nur um ja nicht Außerirdische oder andere phantastische Erklärungen ins Spiel zu bringen. Manch einer munkelt sogar von Verschwörungen und sieht sich, ganz im Stile der beliebten Fernsehserie "Akte X", von dunklen Schattenmännern verfolgt. Man sollte die Wissenschaft nicht verteufeln, zumal es Vertreter aus ihren Reihen gibt, die die Idee der Paläo-SETI vom Ansatz her für durchaus sinnvoll und diskussionswürdig halten. Aber so manch ein Autor der "Szene" macht sich gar nicht die Mühe, wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse anzuwenden. Man redet darüber einfach hinweg, ordnet es den eigenen Wunschvorstellungen unter und konstruiert bisweilen abstruse Sachzusammenhänge, die sich aber dennoch wegen ihrer Einfachheit und Verführbarkeit gut verkaufen lassen. Viele Reaktionen auf die MGS-Bilder vom "Marsgesicht", die es als einen natürlichen Felshaufen entlarvt haben, belegen dies ebensogut wie die Haßtiraden der Kreationisten gegen die Evolutionstheorie, von ihnen abfällig als "Darwinismus" bezeichnet. Solange in der Paläo-SETI auch auf diese Weise gearbeitet wird, dürfen sich viele ihrer Vertreter nicht wundern, wenn man sie als Träumer oder Spinner abtut. Es sei denn, sie wollen nur von einer überwiegend kritiklosen, mehr oder weniger klar umrissenen "Gemeinde" bewundert werden. Und das scheint, so mein Eindruck, tatsächlich auch der Fall zu sein.
Einige Autoren jammern in Zeitschriften, in Büchern, auf Meetings und auf Internetforen lautstark, daß die Wissenschaft sie nicht ernstnehmen würde - warum denn auch, wer Wissenschaftler verprellt, darf sich nicht wundern, wenn er dann keinen Kontakt zu ihnen bekommt. Im Gegenteil: Wer es wagt, eine grenzwissenschaftliche These zu kritisieren, soll seine Kritik dann auch bitteschön begründen. Das ist eine Erfahrung, die ich selbst oft genug gemacht habe. Leider vergessen diejenigen, die nach grenzwissenschaftlichen Methoden arbeiten und Kritikern eine Begründung abverlangen, einen ganz wesentlichen Umstand:
Die Wissenschaft hat ihr Weltbild und kann es zumindest durch Theorien auch belegen. Die Grenzwissenschaft stellt überwiegend Behauptungen und Spekulationen auf, fordert dann von der Wissenschaft, darauf einzugehen. Dabei erkennen die Grenzwissenschaftler nicht, daß sie es sind, die die Beweislast tragen.
Es reicht also nicht, daß ein Sonntagsforscher nur Fragen stellt. Wenn er das wissenschaftlich fundierte Weltbild angreift, muß er Erklärungen bieten, mit denen Wissenschaftler auch arbeiten können, er muß seine Behauptungen belegen, und zwar im Sinne eines empirischen Beweises! Ob ein solcher Beweis dann von der Wissenschaftswelt ernst genommen wird, klärt sich nicht durch Veröffentlichung in grenzwissenschaftlichen Büchern oder Magazinen, sondern wissenschaftlichen Zeitschriften, Vorträgen, Diskussionen und Konferenzen. Wird man von der main stream science nicht ernst genommen, muß man eben eigene wissenschaftliche Konferenzen oder Zeitschriften organisieren. Bis auf den hoffnungsvollen, aber leider eingeschlafenen Ansatz mit der Zeitschrift "Scientific Ancient Skies" ist daraus leider nichts geworden. Ehrlich gesagt: Bislang hat niemand einen echten Beweis vorlegen können, obgleich seit über 30 Jahren geforscht wird.
Woran könnte die Wissenschaftsfeindlichkeit der A.A.S.-Mitglieder liegen? Vielleicht ist die A.A.S. für viele eine Stätte, in der sie aus ihrem normalen, bürgerlichen Alltag ausbrechen und den Aufstand proben können - nicht gegen die Politik, sondern gegen die Wissenschaft. Man fühlt sich verkannt und dadurch zusammengehörig, und das ist es, was die Sache für viele erst wirklich interessant macht. Ein Dialog mit der Wissenschaft ist daher nicht vorgesehen, unnötig oder sogar schädlich. Schließlich ist man ja im Besitz der Wahrheit, und „die" Wissenschaftler werden das früher oder später mit hochrotem Kopf und gesenkten Kopf schamvoll eingestehen müssen. Aber so wird das nicht funktionieren.
Ignoranz
In der PS-Forschung werden allerdings nicht nur zahlreiche wissenschaftliche Forschungsergebnisse ignoriert, man kümmert sich auch ungern um Richtigstellung aus den eigenen Reihen. Dabei gibt es zahllose exzellente Arbeiten von Autoren, die mit einigen Mythen der Paläo-SETI gründlich aufräumen. Als Beispiele seien hier nur Jörg Dendl, Wolfgang Siebenhaar oder Johannes Fiebag genannt. Doch werden deren kritische Arbeiten irgendwo in nennenswertem Umfang erwähnt? 1989 schrieb Johannes Fiebag in Ancient Skies kritische Artikel über den Mythos, Atlantis sei eine Insel, die im Atlantik versunken sei. Hat die "Szene" daraus gelernt? Mitnichten, vielmehr hat man den Eindruck, solche Arbeiten werden wie faule Eier gemieden, denn noch immer geistert der Inselkontinent Atlantis durch die Grenzwissenschaften. Wenn überhaupt, werden solche kritischen Arbeiten aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Lobenswerte Ausnahme ist Erich von Däniken, der in seinem letzten Buch "Im Namen von Zeus" die Arbeiten von Johannes Fiebag zum Thema Atlantis gewürdigt hat. Doch erstreckt sich die Ignoranz nicht nur auf kritische Artikel aus den eigenen Reihen, sie erstreckt sich auf alles, was die Hypothesen der PS-Forscher gefährdet. Protagonisten der PS ignorieren Fakten, sie halten unbeirrbar an ihrem Weltbild fest, es kann nicht sein, was nicht sein darf: Sitchin hat die Kartusche in der Königskammer als Fälschung Vyses entlarvt, es kann nicht sein, daß sie echt ist, weil Sitchin sich das nicht ausgedacht und Cheops nicht die Große Pyramide erbaut haben darf. Gerade die Pyramiden von Gizeh sind ein Standardbeispiel für diese Haltung: Die Forschung der Ägyptologen und Archäologen hat inzwischen so viele Indizien gefunden und gesammelt, die belegen, daß die Cheops-Pyramide von Pharao Cheops erbaut wurde und daß sie sich in eine lange Evolution einordnen läßt, die etwa ein Jahrhundert zuvor mit der Stufenpyramide Djosers begann. Doch diese Fakten werden ignoriert, man will auf Seiten der PS-Forscher nicht akzeptieren, daß die Pyramiden Grabmäler waren, und so konstruiert man munter Hypothesen aus einer isolierten Betrachtung des Bauwerks heraus, die sich bei näherer Nachprüfung nicht halten lassen. Alles darf es sein - nur darf Cheops die Pyramide nicht als Grabmal errichtet haben. Der Vorwurf der Ignoranz läßt sich noch auf einen anderen Punkt beziehen: Es wird alten Kulturen die Fähigkeit abgesprochen, sich eigenständig entwickelt und in diesem Zusammenhang eigene, hervorragende Leistungen vollbracht zu haben. Diese Vorgehensweise zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Bücher oder Artikel in der Paläo-SETI: Außerirdische oder Angehörige einer untergegangenen, irdischen Superzivilisation waren die Kulturbringer auf Erden, die Menschen selbst sollen dazu gar nicht in der Lage gewesen sein. Das äußert sich in vielen Facetten: So behauptete Ignatius Donnelly im 19. Jahrhundert, der versunkene Inselkontinent Atlantis habe die Kulturen Mittelamerikas, Ägyptens und Mesopotamiens beeinflußt. Auch wenn Archäologen inzwischen nachgewiesen haben, daß es derartige Kulturbringer nicht gab, glauben immer noch viele an diese Legende, wird sie regelmäßig in der ein oder anderen Form in Artikeln oder in Büchern weitergetragen. Ein anderes Beispiel ist die Behauptung, der frühe Mensch sei von einer außerirdischen Intelligenz genetisch manipuliert worden, denn nur so lasse sich der Schritt zum modernen Menschen, das Fehlen eines Missing Links erklären. Daß dieser Gedanke von Paläoanthropologen und Paläontologen nicht ernsthaft in Betracht gezogen wird, hat nicht etwa etwas damit zu tun, daß man sich vor einem außerirdischen Eingriff fürchtet, sondern daß es dafür bislang keinerlei ernstzunehmende Belege gibt. Warum soll sich nicht der Mensch eigentständig zu dem entwickelt haben, was er heute ist? Diese Fähigkeit traut man ihm jedenfalls in der Paläo-SETI-Forschung nicht zu, etwaige Forschungsergebnisse, die gegen eine außerirdische Manipulation sprechen, werden ignoriert oder lächerlich gemacht. Das kann, das darf nicht sein, es muß eine außerirdische Superzivilisation dahinter stehen.
Religiöse Aspekte
Die Halbwahrheiten, die von Paläo-SETI-Autoren verbreitet werden, mutieren zu Glaubenssätzen, zu Ideologien, die vehement verteidigt werden. Eigene Erfahrungen belegen, daß es eine harten Kern überzeugter Menschen gibt, die an die Paläo-SETI-Hypothese glauben und nicht bereit sind, auch nur einen Milimeter davon abzurücken. Wird eine liebgewonnene PS-Theorie sachlich kritisiert, gar zu Fall gebracht, reagieren diese Menschen mit Unverständnis oder Polemik, also so, als seien sie persönlich angegriffen worden. Direkten Fragen wird gezielt ausgewichen, nur um einen Irrtum nicht zugeben zu müssen. So hatte vor einigen Jahren Wolfgang Siebenhaar, selbst Mitglied der A.A.S., die Geschichte des 12. Planeten, die sich Zecharia Sitchin ausgedacht hat, in einer Artikelserie in G.R.A.L. sowie der kurzlebigen Zeitschrift "Scientific Ancient Skies" glänzend widerlegt und als Unsinn entlarvt. Vielfache Reaktion war: "Es ist anmaßend, daß ein Herr Siebenhaar es wagt, einen Herrn Sitchin zu kritisieren." Anderes Beispiel: Die angeblich von Howard Vyse gefälschte Kartusche des Pharao Cheops in der Cheops-Pyramide. Auch hierbei handelt es sich um eine Erfindung Sitchins, die von Michael Haase und später nochmals von Markus Pössel mit vernichtenden Argumenten widerlegt wurde. Auch hier die Reaktion: Unverständnis oder Polemik. Ich selbst kritisiere seit Jahren den grenzwissenschaftlich-kreationistisch motivierten Versuch Dr. Zillmers, die Evolutionstheorie zu widerlegen. Auch hier die Reaktion: Unverständnis und Polemik. Allen drei Fällen gemeinsam ist, daß diejenigen, die so heftig auf die Widerlegung der PS-Theorien reagieren, selbst nur diese kennen, sonst aber überhaupt keine weitergehenden Kenntnisse besitzen oder besitzen wollen. Man nimmt dann zwar schonmal wissenschaftliche Arbeiten zur Kenntnis, liest sie aber nicht richtig oder verdreht völlig die Aussage, die dort getroffen wird. Typische "Totschlagargumente" der PS-Anhänger, die angewandt werden, wenn die Argumente ausgehen, sind Sätze wie "Die Wissenschaftler waren damals nicht mit dabei, die können das gar nicht genau beurteilen" oder "Kritiker liefern keine Argumente, ihnen paßt nur die Ansicht der PS nicht."
Ein schönes Beispiel ist die kürzlich erfolgte Ablehnung der ägyptischen Altertümerverwaltung, genetische Untersuchungen an der DNA der Pharaonen Tutanchamun und Amenophis III. vorzunehmen. Im Vordergrund stand der Schutz der Mumien, getroffen wurde die Entscheidung von dem Vorsitzenden der Verwaltung, Gaballah Ali Gaballah. Was machten daraus überzeugte PS-Anhänger? Sie schoben diese Entscheidung Zahi Hawass, dem Chef der Verwaltung des Gizeh-Plateaus und Buhmann der Grenzwissenschaftler, in die Schuhe und titulierten ihn als Geschichtsfälscher. So geschehen auf dem Diskussionsforum der A.A.S. Das kuriose dabei ist: Hawass hatte mit der Entscheidung nichts zu tun. Hier begegnete man übrigens einer neuen Variante eines "letzten Argumentes", herangezogen von jemandem, dem die Argumente ausgegangen sind: Zahi Hawass sei ja ein Fachmann, der dürfe nicht lügen; Sitchin dagegen dürfe dies, denn er sei ja kein Fachmann. Eine interessante Logik, vor allem wenn man bedenkt, daß Sitchin sich selbst immer als Fachmann bezeichnet hat.
Als Fazit läßt sich festhalten, daß viele Anhänger der PS-Hypothese inzwischen ein Verhalten an den Tag legen, wie es Erich von Däniken in seinen Büchern den Wissenschaftlern immer wieder vorgeworfen hat: Die Unfähigkeit, über den eigenen Tellerrand zu schauen, die Ignoranz dessen, was sich außerhalb der Paläo-SETI tut. Und dieAutoren, die im Fahrwasser Erich von Dänikens ihre Bücher schrieben und veröffentlichten, taten und tun nichts, den Anhängern der Paläo-SETI den Blick über den Tellerrand zu ermöglichen - im Gegenteil: Längst von der Wissenschaft widerlegte Stützen der PS-Hypothese werden künstlich am Leben erhalten, man verdreht oder manipuliert Erkenntnisse zur Not so, daß sie in das grenzwissenschaftliche Weltbild hineinpassen. Dem der Wissenschaft unkundigen Leser solcher Bücher wird zugleich nahegelegt, nur ja nicht die Wissenschaft zur Kenntnis zu nehmen, indem man sich entweder über wissenschaftliche Theorien lustig macht (so bei Erich von Däniken) oder das Weltbild der Wissenschaften als "verkrustet" bezeichnet (P. Fiebag, Der Götterplan). Das so etwas durchaus auf fruchtbaren Boden fällt, zeigt die Reaktion vieler Anhänger der PS-Hypothese, wenn sie mit Kritik konfrontiert werden. Ohnehin ist Kritik etwas, mit dem ein gestandener PS-Autor nur umzugehen vermag, wenn sie positiv ist. Negativkritik - und sei sie sachlich und begründet - darf nicht sein, wird nicht akzeptiert. So war und ist es üblich, Bücher grenzwissenschaftlicher Kollegen in "Sagenhafte Zeiten" (früher "Ancient Skies") stets positiv zu besprechen und den gegenseitigen Schulterschluß zu üben, selbst wenn in den betroffenen Büchern der größte Unsinn stehen sollte. All das läßt nur einen Schluß zu: Es geht bei der Vermittlung von Prä-Astronautischem Gedankengut nicht um Diskussionsalternativen oder die Schaffung von Wissen, sondern es geht um eine Weltanschauung, eine Ideologie.
Forderung an die Wissenschaft und die Medien
Es gibt Wissenschaftler, die sich kritisch mit dem Gedankengut der PS-Forschung auseinandersetzen, die auch immer wieder bereit sind, gemeinsam mit kritisch eingestellten Laien solche Thesen zu beleuchten und mit wissenschaftlicher Methodik zu hinterfragen. Doch leider sind es nicht genug. Es gibt immer noch zu viele Wissenschaftler, die sich auf ihre aktuelle Forschung zurückziehen und sich aus Zeitmangel oder Desinteresse weigern, auf grenzwissenschaftliche Thesen einzugehen. Am Beispiel Dr. Zillmers läßt sich das gut beobachten: Welcher Wissenschaftler macht sich einmal die Mühe, Dr. Zillmer in eine Diskussion zu verstricken oder ihn zu widerlegen? Ich kenne bislang niemanden. So darf man sich dann auch nicht wundern, wenn mehr und mehr Leute, denen das nötige Hintergrundwissen fehlt, an die grenzwissenschaftlichen Thesen glauben. Meine Forderung an die Wissenschaftler: Geht auf diese Thesen ein, widerlegt sie, laßt nicht zu, daß so etwas zu Gemeingut wird. Was nützt die ganze wissenschaftliche Arbeit, wenn die Menschen auf der Straße den Grenzwissenschaftlern hinterherlaufen? Oder konkret: Ich bin auf das Gesicht des Ägyptologen gespannt, der auf der Straße von Passanten angesprochen wird und nicht etwa gefragt wird, wie die Pyramiden gebaut wurden, sondern warum sie nach den Gürtelsternen des Orion ausgerichtet sind. Wissenschaftler tragen gegenüber der Allgemeinheit die Verantwortung dafür, daß das grenzwissenschaftliche Gedankengut, wie es durch die PS-Hypothese repräsentiert wird, nicht zum Allgemeingut wird. Mancher Wissenschaftler mag argumentieren, die Beschäftigung mit der PS-Hypothese und ihren Protagonisten führe nur zu deren Aufwertung, was man vermeiden solle. Doch bleibt die Frage, ob man eine Aufwertung nicht auch dann betreibt, wenn man die PS-Hypothese und ihre Vertreter ignoriert und ihre Behauptungen unkorrigiert im Raum stehen läßt.
Auch an die Medien geht die Aufforderung, sich kritisch und gründlich mit dem Gedankengut der Paläo-SETI auseinanderzusetzen. Gerade bei den Privatsendern hat man oft den Eindruck, daß hier, wo es anscheinend wesentlich auf die Einschaltquote ankommt, nicht so gründlich recherchiert wird. Je sensationeller, desto besser. Und so darf beispielsweise H.J. Zillmer in einem bekannten deutschen Privatsender seine grenzwissenschaftlich-kreationistischen Thesen verkünden, ohne Kritik zu erfahren. Gleiches gilt hier für verschiedene Zeitungen, die Zillmers Buch "Darwins Irrtum" in den höchsten Tönen loben, ohne auch nur ansatzweise auf die geologisch-paläontologische Argumentation einzugehen, wie sie die Wissenschaft vertritt. Es klingt gut, es verkauft sich gut. Lobenswerte Ausnahme ist hier das ZDF. In seinen Serien "Terra-X" oder "Sphinx" werden auch immer wieder Themenbereiche angeschnitten, die die PS für sich beansprucht. Bislang haben die Redaktionen beider Serien erfolgreich die PS-Hypothesen umschifft. Weder in den Templerfolgen der Serie Terra-X noch in der kürzlich ausgestrahlten Sphinxfolge über den heiligen Gral wurde die von Peter und Johannes Fiebag entworfene Theorie der "Ewigkeitsmaschine" auch nur ansatzweise angesprochen. Gleiches gilt für die Terra-X-Folge über Oak Island. Und in einer Terra-X-Folge über die Sintflut wurde sogar ausdrücklich von wissenschaftlicher Seite Stellung gegen grenzwissenschaftliche Thesen bezogen. Ein ermutigender Anfang.
Ausblick und Schluss
Es bestehen ernsthafte Zweifel am Fortbestehen der Paläo-SETI, so wie sie derzeit bei uns betrieben wird. Man hat den Eindruck, es geht den meisten Protagonisten der PS-Hypothese im wesentlichen weniger um Erkenntnisgewinn als vielmehr um das Aufstellen von Halb- oder Unwahrheiten, mit denen man eine mehr oder weniger fest umrissene "Fangemeinde" befriedigen kann, von denen viele - leider - nicht bereit sind, eigene Nachforschungen anzustellen und diverse phantastische Theorien kritisch zu hinterfragen. Es spricht viel dafür, daß die derzeitigen Vertreter der PS-Forschung in Deutschland, wie sie sich in der A.A.S. konzentriert, gar kein Interesse an einer Veränderung haben, da sie wissen müßten, daß dann Manipulationen, die vielfach vorgenommen wurden und werden, an die Öffentlichkeit gelangen und sie sich auf diese Weise ihrer Existenzgrundlage berauben. Interessante Aspekte, die eine kritische Forschung ermöglichen könnten, wurden eingestellt. All das zeigt, daß letztlich PS-Forschung in Deutschland weltanschaulich, ideologisch motiviert ist und es gar kein wissenschaftlich motiviertes Interesse an einer Suche nach einem Beweis gibt. Markus Pössel gibt in seinem Buch "Phantastische Wissenschaft" im Schlußteil eine gute Zusammenfassung der gesamten Problematik. Ich will seine Argumente, entsprechend für diesen Artikel abgeändert, hier abchließend wiedergeben:
Treffend formuliert es auch die Zeitschrift "Skeptiker" in der Ausgabe 3/01 unter der Überschrift "Wie man Rätsel erzeugen kann. (S. 132)"
- Paläo-SETI-Autoren gehen mit erschreckender Nachlässigkeit und ohne fundiertes Hintergrundwissen mit Argumenten, Quellen, Fakten oder sogar ganzen wissenschaftlichen Theorien um und entwickeln daraus falsche und fragwürdige Aussagen, deren Ziel die Bewahrung der Ideologie ist: Es gab außerirdische Besucher auf der Erde.
- Ein weiteres Ziel ist die Massenwirksamkeit der propagierten Thesen.
- Diese Vorgehensweise führt zu fehlender Akzeptanz in den Wissenschaften.
- Die parawissenschaftliche Organisation der PS-Forschung in der A.A.S. und dem gesamten Umfeld gleicht einer Karikatur von Wissenschaft.
- Jedem, der hofft, bei einem PS-Autor zuverlässige neue Erkenntnisse zu gewinnen, ist dringend zur Vorsicht zu raten. Man sollte Behauptungen dieser Autoren nicht einfach glauben, sondern sich nicht davor scheuen, eigene Nachforschungen insbesondere in der herkömmlichen Wissenschaft anzustellen.
- Journalisten und Medienvertretern sollten insbesondere gründliche Recherchearbeit leisten, bevor sie unbesehen eine PS-These übernehmen, sei sie scheinbar noch so sensationell und publikumswirksam.
Das Schlusswort überlasse ich Professor Dieter B. Herrmann, einem seit langem bekannten Kritiker des Tempel'schen Sirius-Rätsels, das von so vielen pseudowissenschaftlichen Autoren unkritisch übernommen und weitergetragen wurde. In seinem Buch "Rätsel um Sirius" (Berlin, 1994) schreibt Herrmann zum Abschluss seiner kritischen Betrachtung des Sirius-Rätsels (ebd., S. 20 f.):
- Fundstücke, aus ihrem kulturellen Rahmen herausgelöst, erscheinen exotisch
- Zweifelhaftes wird zum Rätsel erklärt, längst Geklärtes neu als Geheimnis präsentiert
- Assoziationen werden zu Tatsachen, Fragezeichen zu Ausrufezeichen zurechtgebogen
- Die wissenschaftliche Deutung wird nicht kritisch hinterfragt, sondern einfach angezweifelt; man stellt ihr unbewiesene Behauptungen entgegen
- Wissenschaft wird einerseits diskreditiert: Man müsse "uniforme Dogmen" angreifen, denn das "schulwissenschaftliche Weltbild" müsse neu überdacht werden.
- Andererseits stützt man sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse, um eigene Argumente zu untermauern.
- Die Werkzeuge der Wissenschaft - akribisches Dokumentieren, kriminalistische Indiziensammlung und logisches Denken - werden missachtet.
- Es werden wissenschaftliche Aussagen widerlegt, die nie getätigt wurden, und das wird dann als Sieg über die Wissenschaft gefeiert.
"Wissenschaft lebt von Rätseln - gewiß. Man kann Wissenschaft durchaus als eine Strategie des Rätsel-Lösens verstehen. Jedoch die ungelösten Rätsel im weiten Feld der Forschung erweisen sich meist als künftig lösbar. Anders die Rätsel der "Rätselmacher". Sie greifen wundersame Korrelationen auf, für doe man leicht eine spekulative und schwer eine rationale Erklärung finden kann. Angesichts einer wachsenden Flut solcher Art von Literatur verhält man sich dieser Spezies gegenüber vielleicht nicht unpassend, wenn man ihr auch den Status einer Kategorie zuerkennt: Neben die wissenschaftliche Literatur, die populärwissenschaftliche und die etablierte 'Science-fiction' würde sie als 'Science-mystery' zu stellen sein. Die seriöse wissenschaftliche Literatur wirft Fragen der Forschung auf und beantwortet sie mit den historisch entstandenen Methoden der Wissenschaft nach dem jeweiligen Erkenntnisstand. Die populärwissenschaftliche Literatur stellt Methoden und Resultate aus Forschung und Wissenschaft auf eine auch dem Nichtfachmann verständliche Weise dar. Die 'Science-fiction', die wissenschaftlich-phantastische Literatur, bringt wissenschaftliches Denken und phantastische Visionen zusammen, wobei meist aus der Sicht heutiger Erkenntnisse mögliche Zukunftsbilder der Menschheit unter starkr Berücksichtigung des wechselseitigen Geschehens in Wissenschaft, Technik und Gesellschaft entworfen werden. Die 'Science-mystery' nun gibt sich mit dem Anspruch der wissenschaftlichen Literatur, verwendet die Mittel der populärwissenschaftlichen und stellt vom Standpunkt der wissenschaftlichen Klärbarkeit 'hoffnungslose' Fälle vor, mit denen sie ihre Leser in Atem hält und ihnen Probleme suggeriert, die angeblich von existenzieller Bedeutung sein sollen."Dem ist nichts hinzuzufügen.
Für Interessierte hier noch zwei Buchtipps:
- Sagan, Carl (1997) Der Drache in meiner Garage - oder die Kunst der Wissenschaft, Unsinn zu entlarven, München.
- Pössel, Markus (2000) Phantastische Wissenschaft, Reinbek.
Klaus Richter, 17. August 2001; zuletzt geändert am 6. Juli 2003