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Mit nackten Sohlen über glühende Kohlen

Stefan Kirsch

Motivationsgurus und New-Age-Propheten verklären den Lauf über glühende Kohlen immer wieder zu einem mystischen Phänomen, das sich jeder wissenschaftlichen Untersuchung und Erklärung entzieht. Die Bamberger Skeptiker zogen die Schuhe aus und wagten den Praxis-Test. Der Spätsommertag war unerwartet warm und sonnig - ideales Wetter für das traditionelle Sommerfest der Bamberger Skeptiker. Jetzt weht ein angenehm kühler Hauch durch die sternenklare, beinahe ganz wolkenlose Nacht. Der Abend nähert sich seinem Höhepunkt. Zwei Schritte hinter mir knistert das inzwischen weit heruntergebrannte Lagerfeuer und wärmt mir den Rücken. Ab und zu explodiert noch ein Knorren krachend in der heißen Glut. Es riecht nach glimmendem Holz und nassem Gras. Die Szene könnte romantisch, ja fast sogar kitschig wirken - würde ich nicht mit nackten Füßen und hochgekrempelten Hosenbeinen auf einem trockenen Handtuch vor einem in der Schwärze dunkelrot leuchtenden Kohleteppich stehen und mit angestrengtkonzentriertem Gesichtsausdruck meine langsam aufkeimende Nervosität niederkämpfen. Lagerfeuerromantik unterm Sternenhimmel? Keine Spur! Irgendwie erinnert mich das Ganze eher an mittelalterliche Gottesurteile unter den wachsamen Augen des sensationsheischenden Volkes. Es gibt eine alte Legende hier in Bamberg (1): Kaiser Heinrich soll auf einer seiner Reisen zugetragen worden sein, dass seine Gattin Kunigunde es während seiner Abwesenheit mit der ehelichen Treue nicht so genau nehme. Auf das Gerücht angesprochen, bewies die Ehefrau ihre Unschuld, indem sie prompt die Schuhe wegwarf, das Kleid hochraffte und über glühende Pflugscharen stolzierte. Der Kaiser war baff und küsste seiner Gattin die unverletzten Füße. So weit die Legende. Der glühende Kohleteppich vor mir wirkt dagegen sehr real. Zudem halten sich meine religiöse und eheliche Motivation für den Feuerlauf eher in Grenzen. Vielmehr hat mich schlicht Neugier in diese Situation gebracht. Selber schuld, denke ich mir, schließlich wollte ich noch vor einigen Minuten unbedingt barfuß und unversehrt durchs Feuer schreiten: mit nackten Sohlen über glühende Kohlen. Die Physik gibt mir zwar prinzipiell Recht, liegt aber noch im Widerstreit mit meiner Psyche, die das Vorhaben inzwischen nicht mehr für eine wirklich gute Idee hält. Wer jemals versehentlich barfuß auf eine glimmende Zigarettenkippe trat, bleibt ein gebranntes Kind. Ja, der Zweifel schleicht sich langsam durch meine Gehirnwindungen. Das mag zwar würdig und recht sein für einen skeptischen Kopf. Die dazugehörigen Füße wünschen sich jedoch etwas mehr Vertrauen ins Naturgesetz. Etwa einen halben Meter breit und rund vier Meter lang ist die Bahn aus glühenden Holzstückchen. Das sind mindestens sechs Schritte, schätze ich. Sechsmal werden meine bloßen Füße auf einige hundert Grad heiße Holzkohle treten, die mich von unten böse anfunkelt und im Rhythmus des sanften Windes pulsiert. Sechsmal werde ich die Zähne zusammenbeißen und hoffen, das die Physik auf meiner Seite bleibt. Detlev Lück und Michael Link von den Bamberger Skeptikern betrachten prüfend die Glutbahn, stoßen dann noch einmal ihre Schaufeln ins Funken stiebende Lagerfeuer und verlängern den Marterpfad um ein paar Dezimeter. Sieben Schritte. Christoph Bördlein tritt an meine linke Seite - er moderiert den heißen Spaziergang über die Holzkohle. Der promovierte Psychologe und Autor hat die Bamberger Skeptiker als hiesige Regionalgruppe der GWUP vor rund sechs Jahren ins Leben gerufen. Seitdem organisieren die Bamberger Skeptiker öffentliche Vorträge und Diskussionsrunden mit Experten zu allerhand pseudowissenschaftlichen und esoterischen Themen.

Vor einiger Zeit haben sie ihr Repertoire mit dem Feuerlauf an ihrem Sommerfest um eine erlebnispädagogische Komponente erweitert. Angewandter Skeptizismus: Für den Lauf über glühende Kohlen braucht es weder stundenlange Meditationskurse noch ein „höheres Bewusstsein". So genannte Motivationsgurus, selbst ernannte Schamanen und New-Age-Propheten plärren auf ihren zahllosen Web- Seiten allerdings fröhlich das Gegenteil heraus. „Dem Geist des Feuers kann man am besten in einem Feuerlauf begegnen", verspricht kondor.de (2). In keltia-shop.de (3) dozieren die Macher: „Bis jetzt hat die Wissenschaft noch keine Erklärung für dieses Phänomen der Unverletzlichkeit [beim Feuerlauf] gefunden." Das ist zwar schlichtweg Unsinn, aber wenigstens macht der nächste Satz etwas Mut: „Tatsächlich ist es jedoch möglich, über einen bis zu 800° heißen Glut-Teppich zu laufen, ohne sich Verbrennungen zuzuziehen. Durch entsprechend mentale Meditationstechniken und Konzentrationsübungen kann jedem Menschen, der es wünscht, nach ausreichender Vorbereitung dieses Erlebnis zuteil werden." - Ich bin begeistert: Wenn jeder es kann, dann kann ich es auch! Und weiter heißt es: „Der Lauf durch das Feuer ist ein Vorgang der Reinigung von allem Unechten und Überflüssigen. Das Feuer verbrennt alles Falsche an uns und hilft uns, alte Gewohnheiten, Einstellungen und Denkweisen loszulassen." „Jeder Mensch hat übernatürliche Kräfte, die seinen körperlichen Fähigkeiten 1000 Mal überlegen sind. Die innere POWER aber ist stärker als jedes Dynamit und einsetzbar für Gück [sic!], Reichtum und Gesundheit!" posaunt Richard Wandl (4) in interessanter Orthographie aus dem World Wide Web: „Nach der intensiven MEDITATION, kommt endlich die SELBSTVERWIRKLICHUNG für jeden Seminarteilnnehmer [sic!]." Was mich betrifft, so stehe ich nur noch einen halben Schritt von meiner glühenden „Selbstverwirklichung" entfernt. Christoph Bördlein nimmt meinen linken Arm, so dass ich nicht mitten im Lauf stolpere, hinfalle und mir wirklich schmerzhafte Verbrennungen zuziehe. Ich solle mich konzentrieren, meint er. „Nicht nach unten auf die Kohle sehen, sondern einfach geradeaus." Ich atme ein paar Mal tief durch und starre auf den nächtlichen Horizont, wo ein paar graue Wolkenschlieren im Mondlicht träge ihre Bahnen ziehen. „Denk an kühles Moos", rät mir der Psychologe. „Bist du schon einmal barfuß über kühles Moos gelaufen? Versuch' einfach, dir das vorzustellen. Lauf' los, wenn du bereit bist." Also krame ich in meiner Erinnerung nach kühlem Moos und verdränge alle Schreckensszenarien aus meinem Kopf, wo ich schreiend über die Wiese springe, während sich meine Fußsohlen dampfend im Gras auflösen. Wasser, Brandsalbe und ein Erste-Hilfe-Kasten stehen zwar für den Notfall bereit, allerdings ist das kein wirklich beruhigender Gedanke. Die Vorsichtsmaßnahmen beweisen nur: Es kann tatsächlich etwas passieren. Erst vor wenigen Monaten haben sich laut Presseberichten zehn Teilnehmer eines Motivationsseminars in Österreich die Füße versengt (5). Die Kohle, über die ich gleich schreiten werde, stammt von unbehandelten Holzabfällen einer Schreinerei. Keine Schrauben, keine Nägel. Holz ist ein schlechter Wärmeleiter, Metall dagegen ein sehr guter. Ein Tritt auf einen heißen Nagel oder Ähnliches wäre deshalb fatal, ein glücklicher Lauf über glühende Pflugscharen bleibt deshalb wohl der Bamberger Stadtheiligen Kunigunde vorbehalten. Mitarbeiter des Max- Planck-Institutes maßen die Temperatur bei einem Feuerlauf einmal auf etwa 240 bis 440 Grad Celsius. Zudem sei die Kontaktzeit, die der Fuß pro Schritt auf dem Kohleteppich ausharrt, mit 0,25 bis 0,8 Sekunden äußerst gering, so die Forscher (6). Die dünne Ascheschicht auf der Kohle und ein - trotz aller Hygiene - feiner Schweißfilm auf den Füßen wirke ebenfalls isolierend, sagt Bördlein: „Dieser Film verdunstet beim Kontakt mit der Kohle und der entstehende Dampf ist wiederum ein sehr guter Wärme-Isolator." - Man nennt das auch Leidenfrost-Effekt, benannt nach einem Physiker des 18. Jahrhunderts. Hinzu kommt ein einfacher psychologischer Trick: „Wenn man sich vor der Spritze beim Arzt fürchtet, dann tut sie auch weh", weiß der Psychologe. Ich erinnere mich an meinen jüngsten Besuch beim Hausarzt, der mich immer in die andere Ecke des Raumes sehen und dabei kurz husten lässt, während er mir die Nadel in den Arm sticht. Schmerzfrei. „Angst verstärkt unser Schmerzempfinden. Wer unvorbereitet über glühende Kohlen geht, wird auch ohne physikalisch realen Anlass Schmerz empfinden - einfach deshalb, weil er weiß, dass die Kohlen furchtbar heiß sind. Wer sich dagegen erfolgreich ablenkt, empfindet auch keinen Schmerz", sagt Bördlein. Ich atme ein letztes Mal durch, denke mehr oder weniger erfolgreich an kühles Moos und setze sieben schnelle Schritte über den Kohleteppich. Es knirscht unter meinen Füßen. Es ist warm und fühlt sich so ähnlich an wie ein Lauf über einen Sandstrand. Dann plötzlich stehe ich auf dem nassen Handtuch am Ende des Parcours und Christoph Bördlein lässt meinen Arm los. Alles ging sehr schnell. Ich bin etwas enttäuscht. Nicht, dass ich eine Vision des Feuergeistes, Erleuchtung oder unglaubliche Euphorie erwartet hätte - ein bisschen aufregender hatte ich mir das große Mysterium aber dennoch vorgestellt. Wenigstens hat mich der Spaß nichts gekostet. Für esoterisch motivierte Feuerläufe blättert man dagegen schnell mal Gebühren zwischen 100 bis 200 Euro auf den Tisch. Desillusioniert wasche ich mir die Asche von den Füßen und ziehe meine Schuhe wieder an. n der nächsten halben Stunde kitzeln meine Fußsohlen leicht - etwa so, als hätte ich eine längere Wanderung gemacht. Am nächsten Tag aber finde ich tatsächlich zwei kleine Brandblasen zwischen zwei Zehen. Vermutlich war doch ein Kohlestückchen dort hängen geblieben. Oder ich habe als Schreibtischtäter und Stubenhocker nicht genug schützende Hornhaut an den Füßen. Es könnte sich auch ein Steinchen in die Glut eingeschlichen haben. Vielleicht habe ich nicht kräftig genug an kühles Moos gedacht. Oder es war die furchtbare Rache des Feuergeistes an einem widerspenstigen Skeptiker. An Letzteres kann ich aber nicht recht glauben ...

Quellen:

  1. http://www.br-online.de/land-und-leute/thema/stadt-bamberg/sagen.xml, Zugriff am 31.20.2004
  2. http://www.kondor.de/shaman/feuerlauf.html, Zugriff am 31.10.2004
  3. http://www.keltia-shop.de/p944.html, Zugriff am 31.10.2004
  4. http://www.richard-wandl.de/26imp.htm, Zugriff am 31.10.2004
  5. http://www.nachrichten.at/lokal/297953?PHPSESSID= f684bb52b046fa2e56202765785fc3e9, Zugriff am 07.09.2004
  6. http://www.agpf.de/Feuerlauf.htm#AAII-87, Zugriff am 31.10.2004

Weitere Infos zu den Feuerläufen der Bamberger Skeptiker unter www.bambergerskeptiker.de.

Stefan Kirsch, geboren 1978, studiert Germanistik, Kommunikationswissenschaft, Philosophie und Psychologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, ist Pressesprecher der Bamberger Skeptiker und im News-Team der GWUP. Zudem ist er als freier Journalist für verschiedene Redaktionen tätig. Kontakt: kirsch(at)bambergerskeptiker(Punkt)de

Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 4/2004.

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