Einer der bekanntesten Vertreter der deutschen Freie-Energie-Szene dürfte Prof. Dr.-Ing. Konstantin Meyl sein (1), der an der FH Furtwangen Leistungselektronik und alternative Energietechnik lehrt. Ausgangspunkt seiner weit reichenden Theorien ist eine von ihm selbst entwickelte einheitliche Feldtheorie, nach der sich Wirbel des elektrischen Feldes im Raum als elektromagnetische Longitudinalwellen ausbreiten.
In der Physik werden Phänomene als Wellen bezeichnet, bei denen durch zeitlich und räumlich veränderliche Störungen eines Feldes Energie, aber keine Materie transportiert wird. Longitudinale Wellen werden dadurch charakterisiert, dass die Störungen entlang der Ausbreitungsrichtung orientiert sind. Die bekanntesten Beispiele dafür sind Schallwellen in Gasen oder Flüssigkeiten, bei denen Druck bzw. Dichte ihren jeweiligen Ruhewert in schneller Folge über- und unterschreiten.
Elektromagnetische Wellen sind jedoch transversale Wellen – ähnlich wie bei den Wellen auf einer Wasseroberfläche sind die Störungen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung ausgerichtet (s. Abbildungen).
Schema einer longitudinalen Welle in einer Feder (a) bzw. Schallwelle in einem Gas (b). Der Abstand der Windungen bzw. die Dichte ändern sich periodisch entlang der Ausbreitungsrichtung (v), deren Richtung der der anregenden Kraft (F) entspricht.
Quelle: Alonso, M.; Finn, E. J. (1992): Physics. Addison-Wesley Publishing Company, Harlow.
Schema einer elektromagnetischen Welle. Elektrisches (E) und magnetisches (B) Feld liegen senkrecht zueinander und zur Ausbreitungsrichtung (X). Die dargestellte Welle ist linear in Y-Richtung polarisiert, entsprechend der Richtung des elektrischen Feldes.
Quelle: Alonso, M.; Finn, E. J. (1992): Physics. Addison-Wesley Publishing
Company, Harlow.
Anhand der Maxwell-Gleichungen, die alle Phänomene des Elektromagnetismus zuverlässig beschreiben (Fließbach 1997), lässt sich leicht nachvollziehen, dass es im Vakuum oder in Luft keine elektromagnetischen Longitudinalwellen geben kann.
Meyl, der dafür den Begriff der Skalarwellen eingeführt hat, will die Maxwell-Gleichungen um zusätzliche Terme erweitert haben, beruft sich aber letztendlich nur auf die Wellengleichung (Meyl 2001), die für eine vollständige Beschreibung elektromagnetischer Wellen alleine nicht ausreicht.
Kritiker wie der Darmstädter Mathematiker Gerhard W. Bruhn haben Meyl zahlreiche Rechenfehler nachgewiesen (Bruhn 2001, 2002); z. B. zeigt Meyl in Vorträgen und Artikeln regelmäßig Verteilungen des elektromagnetischen Feldes in der Nähe eines Hertz'schen Dipols und weist dort auf longitudinale Anteile hin, vergisst aber zu erwähnen, dass diese Anteile keine Wellen sind und mit zunehmender Entfernung rasch abklingen.
Ernstzunehmende empirische Hinweise auf elektromagnetische Longitudinalwellen sind ebenfalls nicht bekannt. Da das Spektrum elektromagnetischer Wellen je nach Frequenz bzw. Wellenlänge scheinbar so unterschiedliche Erscheinungen wie Radio- und Mikrowellen, Infrarotstrahlung, sichtbares Licht, UV-, Röntgen- und Gammastrahlung umfasst, gibt es keinen Mangel an verwertbaren experimentellen Befunden. Aus der Optik ist z. B. bekannt, dass Licht sich in zwei unterschiedliche, senkrecht zueinander stehende Polarisationskomponenten aufspalten lässt, die nicht miteinander interferieren.
Seit den frühen Tagen der Rundfunktechnik weiß man, dass bei Stabantennen der Empfang am schlechtesten ist, wenn die Antenne in Richtung des Senders zeigt, und am besten, wenn sie senkrecht zu dieser Richtung steht. Diese Beobachtungen lassen sich am einfachsten dadurch erklären, dass elektromagnetische Wellen keine longitudinale Komponente besitzen.
Meyl vertreibt unterschiedliche Bausätze, mit "deren Hilfe der interessierte Praktiker eigene Erfahrungen machen" und "eine vollständige Skalarwellen-Übertragungsstrecke" aufbauen und vorführen kann. Das einfache Demo-Set (2), das im Wesentlichen aus zwei Platinen mit aufgedruckten Spulen, einem einfachen Funktionsgenerator und zwei imposanten Metallkugeln besteht, wurde vom Institut für Gravitationsforschung der Göde-Wissenschaftsstiftung untersucht, die gegenüber alternativen Ideen in der Physik als sehr aufgeschlossen gilt.
Der Gutachter kommt in seinem Bericht aber zu einem vernichtenden Ergebnis (3): Minderwertige Komponenten und unzureichende Beschreibungen der vorgeschlagenen Versuche, die seitens Meyl ein erschreckend schlechtes Verständnis der verwendeten Hochfrequenztechnik offenbaren. Sämtliche mit Meyls Demo-Set gemachten Beobachtungen lassen sich ganz ohne Skalarwellen interpretieren. Mehr noch: Die von Meyl behauptete verlustfreie drahtlose Energieübertragung findet nicht statt, da Sender und Empfänger durch einen unscheinbaren Draht verbunden sein müssen!
Philippe Leick
Anmkerungen:
(1) Manfred Dworschak: Schwarzwälder Kopernikus. Der Spiegel 21/2001,
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-19237596.html, Zugriff am 23.07.2010.
(2) http://www.k-meyl.de/xt_shop/product_info.php?info=p6_Demo-Set.html, am Zugriff am 23.07.2010.
(3) Herbert Weidner: "Analyse eines Teslaschwingkreises oder Was ist dran an Skalarwellen?", 2001,http://www.gravitation.org/Mey-Experimentiersatz_Langerversion.pdf, Zugriff am 23.07.2010.
Literatur
Fließbach, T. (1997): Elektrodynamik. 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg.
Konstantin Meyl, K. (2001): Scalar Waves: Theory and Experiments. Journal of Scientific Exploration, 15: 199–205.
Bruhn, G. W. (2001): On the Existence of K. Meyl‘s scalar waves. Journal of Scientific Exploration, 15: 206–210.
Bruhn, G. W. (2002): Can Longitudinal Electromagnetic Waves Exist?, Journal of Scientific Exploration, 16: 359–362.