Skeptiker suchen wissenschaftliche Erklärungen für parawissenschaftliche Erscheinungen. Wie sie das machen, erklärt Prof. Wolfgang Hell, Vorsitzender des Wissenschaftrates der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP).
Werden wir seit Jahrzehnten von fremden Intelligenzen beobachtet oder sogar manipuliert? Sind unter dem Sternzeichen des Krebses Geborene „launenhaft“ und „mitfühlend“? Kann man mit Wünschelruten Wasser muten? Können Menschen sich als außerhalb ihres Körpers befindlich wahrnehmen? Wirkt Homöopathie? Lebt im Loch Ness eine noch unbekannte große Tierart? Können Menschen spüren, dass sie von hinten beobachtet werden? Sind die Überlebenschancen von Kranken, für die gebetet wird, höher?
Das ist nur eine kleine Auswahl von Fragen, die Laien in meinen Augen völlig zu Recht spannend finden, aber die von vielen Wissenschaftlern eher belächelt oder ignoriert werden. Für einen Astronomen beispielsweise wäre eine Beschäftigung mit der Astrologie eher rufschädigend. Aber es gibt Leute, Wissenschaftler und an Wissenschaft interessierte Laien, die solche Fragen ernst nehmen und versuchen, sie vom Stand der Wissenschaft aus so gut wie möglich zu beantworten. Das sind wissenschaftliche Skeptiker.
Was ist ein Skeptiker?
Das Wort ist vom griechischen „skeptikos“ abgeleitet und bedeutet wörtlich ein „Ausschau haltender“ oder „Untersuchender“ – also einer, der genau hinschaut. Man findet mehrere Bedeutungen des Wortes Skeptiker in Lexika, aber die GWUP hat sich dem „wissenschaftlichen Skeptizismus“ verschrieben. Es geht hierbei darum, Behauptungen über ungewöhnliche Befunde, Erlebnisse oder Erfahrungen genau und wissenschaftlich zu prüfen. Das Ergebnis einer solchen Prüfung steht nicht von vorneherein fest, sondern kann unterschiedlich ausfallen.
Die Antwort kann heißen, „stimmt einfach nicht“ – wie die Fähigkeit Blicke zu spüren aber dann bleibt immer noch die spannende Frage, welche subjektiven Erlebnisse solchen Behauptungen zugrunde liegen. Die Antwort kann lauten – wie im Fall von Loch Ness – „nicht völlig ausgeschlossen, aber sehr, sehr unwahrscheinlich“. Die Antwort kann auch komplexer ausfallen: Homöopathie beispielsweise wirkt nicht besser als ein Placebo und garantiert nicht aus den von Homöopathen angegebenen Gründen. Und natürlich kann die Antwort auch „stimmt“ sein, wie im Fall außerkörperlicher Erfahrungen – zumindest unter ungewöhnlichen physiologischen Bedingungen.
Ein Skeptiker „weiß“ also nicht von Anfang an, dass alle ungewöhnlichen Berichte Humbug sind, und hält Menschen, die solches für denkbar halten, nicht für Spinner oder zumindest fehlgeleitete Leichtgläubige. Ein Skeptiker urteilt nach bester wissenschaftlicher Evidenz und gegebenenfalls erst nach eigenen empirischen Untersuchungen. So hat die GWUP beispielsweise mehrere Tests, insbesondere von Wünschelrutengängern, durchgeführt, die allesamt nicht besser abschnitten, als per Zufall zu erwarten ist.
Die angemessene Antwort für Menschen, die eine ungewöhnliche, ihnen unverständliche Erfahrung gemacht haben und sie als übernatürlich interpretieren, ist: „Ich nehme dir ab, dass du das so wahrgenommen hast bzw. erinnerst, möchte dir aber eine andere Erklärung dafür anbieten.“ Skeptiker versuchen immer, eine Antwort im Rahmen von etablierter Wissenschaft zu geben, sie bieten also gegenüber parawissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen Erklärungsversuchen von Phänomenen eine andere, faktenbasierte Interpretation an. Dieses Angebot verbreiten Skeptiker in Zeitschriften, Blogs und Vorträgen mit dem Ziel aufzuklären und wissenschaftliches Denken zu verbreiten.
Die Grenze zwischen Parawissenschaft und Wissenschaft
Was macht eine Interpretation zu einer parawissenschaftlichen und wo ist die Grenze zu einer wissenschaftlichen Deutung? Eine ganz klare Grenze gibt es nicht. In den Extremen (Astronomie vs. Astrologie) ist man sich schnell einig, wo die Wissenschaft aufhört, aber es gibt immer Zweifelsfälle. Vielleicht kann man den Unterschied am besten auf einem Gebiet klarmachen, auf dem sich sowohl Wissenschaftler als auch Parawissenschaftler tummeln: der Suche nach außerirdischem Leben. UFO-Anhänger sammeln Berichte über ungewöhnliche Sichtungen, lesen in Regierungsdokumenten zwischen den Zeilen, ob es Hinweise auf ein Verschweigen gibt. Wissenschaftler studieren „extremophile“ Lebensformen, die auf der Erde an eigentlich lebensfeindlichen Orten, zum Beispiel unter einem knappen Kilometer Eis, existieren, um zu eruieren, wie variabel Leben sein kann. Wissenschaftler schauen sich Spektrallinien in interstellarem Staub an, um nach Bausteinen von Aminosäuren zu suchen.
Der Unterschied liegt, hier wie auch im Allgemeinen, im methodischen Vorgehen: Die Wissenschaft ist dabei selbstkritisch, offen für alternative Interpretationen, für andere nachvollziehbar, überprüfbar. Sie nutzt also die Methoden, die sich im Verlauf der Wissenschaftsgeschichte als diejenigen herausgestellt haben, mit denen man gesichertes Wissen aufbauen kann. Das ist kein sicheres Rezept für Fehlerfreiheit aber ein Rezept für die Minimierung von Fehlern.
Wolfgang Hell
Dieser Beitrag erschien erstmals am 25.April 2017 auf wissenschaftskommunikation.de.