Geschichtsirrtümer, -fälschungen und -leugnungen
11. GWUP-Konferenz in Roßdorf, 24.–26. 5. 2001
Thomas Kettenring und Holger von Rybinski
"Para-Geschichte(n)" war das Hauptthema der diesjährigen GWUP-Konferenz, die in brütender Hitze am Himmelfahrtswochenende in Roßdorf bei Darmstadt, dem Sitz der GWUP, stattfand. Doch wie bei jeder GWUP-Konferenz wurden neben Vorträgen zum Hauptthema auch Beiträge zu einem weiten Themenspektrum angeboten, sodass die etwa 90 Teilnehmer sich nicht nur über Geschichtsirrtümer, sondern auch über Statistik, Aurasehen, Präkognition und Hypnose informieren konnten
Wie im Vorjahr begannen die Vorträge mit den Fallstricken der Statistik. Hans-Peter Beck-Bornholdt, Professor für Biophysik und Strahlenbiologie am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf und Koautor des populärwissenschaftlichen Statistikbuches "Der Hund, der Eier legt", zeigte Beispiele für falsche Statistiken, hauptsächlich aus der Medizin, und veranschaulichte die Fehler mit Gleichnissen, bei denen der Hund aus dem Titel des Buches (und des Vortrages) allerdings nicht vorkam.
Den Anfang machte das Will-Rogers-Phänomen (oder stage migration): Eine Statistik, bei der die Daten in Gruppen eingeteilt sind, von denen jede einzeln bewertet wird, kann durch Verschiebung der Grenzen zwischen den Gruppen verändert werden. Benannt ist dieses Phänomen nach dem amerikanischen Humoristen Will Rogers, der anmerkte, durch Auswanderung der "Okies" aus Oklahoma nach Kalifornien habe sich in den dreißiger Jahren der durchschnittliche Intelligenzquotient in beiden Staaten erhöht. In der Krebs-Statistik kann so durch verbesserte Diagnostik eine verbesserte Therapie vorgetäuscht werden: Die Tumore werden in große und kleine eingeteilt; wenn die Diagnosemethode sich verbessert, werden von jedem Tumor mehr Teile entdeckt, und Tumore, die früher für klein gehalten worden wären, werden als groß erkannt. Dadurch werden die gefährlichsten Exemplare aus der Gruppe der kleinen Tumore entfernt und als harmloseste Exemplare in die Gruppe der großen Tumore eingefügt – für beide Gruppen scheint sich die Heilbarkeit zu verbessern. Außerdem werden nun auch sehr kleine Tumore entdeckt, was die gemessene Heilbarkeit weiter erhöht.
Diese Gefahr besteht immer, wenn man in epidemiologischen Studien ältere Daten zum Vergleich heranzieht – ein Grund für die Verwendung gleichzeitiger Kontrollgruppen. Simpsons Paradoxon (Skeptiker 3/00, S. 149) ist ein Extremfall: Hier werden die Gruppen nicht nur verändert, sondern gleich vereinigt. Weiter sprach Beck-Bornholdt über Unterschlagung von Daten (indem z. B. von einer Kurve nur der passendere Teil gezeigt wird), um "Kriminelle Vereinigung" (unzulässige Zusammenfassung zu Gruppen, oder Vergleich der Daten einer Behandlungsmethode nicht mit den Daten der anderen Behandlungsmethode, sondern mit der Summe aus beiden), und um "Stille Post" (Veränderung der Aussage beim Abschreiben eines Wissenschaftlers vom anderen).
Ein weiteres Vergehen ist es, bei Untersuchungen eine Hypothese manchmal erst nach Bekanntwerden der Testergebnisse zu formulieren, statt die Hypothesen durch die Tests zu prüfen. Beck-Bornholdt berichtet von Untersuchungen zu Krebstherapien, die oft zu dem Zeitpunkt abgebrochen werden, wenn Langzeitnebenwirkungen auftreten können. "Das ist vergleichbar mit einem Pferderennen, das in dem Moment abgebrochen wird, in dem der eigene Gaul in Führung liegt", meint Beck-Bornholdt.
Den Abschluss bildete die statistische Signifikanz: Beck-Bornholdt brachte Beispiele für "Texanische Scharfschützen", die zuerst schießen und dann die Zielscheibe um das Loch malen. Konkret: Aus einer größeren Menge Studien werden nur diejenigen mit positiven Ergebnissen herausgepickt und als Treffer verkauft, obwohl positive Ergebnisse auch ohne einen echten Effekt als Zufallstreffer zu erwarten sind. Denn nach der Definition der statistischen Signifikanz heißt beispielsweise ein Signifikanzniveau von 5%, dass – falls "tatsächlich" die Nullhypothese wahr ist, also kein Unterschied zwischen der untersuchten Probe und einer Zufallsprobe besteht – mit einer Wahrscheinlichkeit von 5% dennoch ein falsch positives Ergebnis erhalten wird. Ein weiterer Fehler ist es, die Definition des Signifikanzniveaus umzudrehen und irrtümlich anzunehmen, es gebe die Wahrscheinlichkeit an, dass (bei Vorliegen eines positiven Ergebnisses) die Nullhypothese tatsächlich wahr ist, also sozusagen die Wahrscheinlichkeit, dass man sich mit dem positiven Ergebnis geirrt hat – was laut Beck-Bornholdt durch den Namen "Irrtumswahrscheinlichkeit" suggeriert wird. Tatsächlich kann ein Signifikanztest diese Frage gar nicht beantworten. Allerdings: Auch der Vortragende selbst fängt sich in seinem Buch (erste Auflage, S. 56) in dieser Falle. Wie er als Einleitung sagte: "Auch ich mache die selben Fehler immer wieder."
Angesichts der Tatsache, dass einige der zitierten falschen Statistiken bereits in Medizin-Lehrbüchern gelandet sind, appellierte er dann an die anwesenden Skeptiker, ihre Aufmerksamkeit doch etwas von den Astrologen und anderen "klassischen" Parawissenschaften weg auf die ungleich wichtigeren medizinischen Forscher zu lenken, die er provozierend zum guten Teil selbst unter den Parawissenschaften einordnete.
Der zweite Kongresstag war dem eigentlichen Hauptthema, den Geschichtsirrtümern, -leugnungen und -fälschungen, gewidmet. Angefangen mit der Prä-Astronautik des Erich v. Däniken und seinen Epigonen bis zu den Nostradamus-Deutungen gibt es eine Vielzahl von Publikationen, die scheinbar Fakten zu historischen Ereignissen wiedergeben, in ihrer eigenwilligen Deutung und Verfälschung tatsächlicher Ereignisse jedoch typische Beispiele für Pseudowissenschaft liefern. Daher nahmen die Referenten des zweiten Kongresstages zu solchen Publikationen Stellung.
Den Anfang machten Martin Mahner, Leiter des Zentrums für Wissenschaft und kritisches Denken in Roßdorf, sowie einer der Redaktionsleiter des Skeptiker, Stephan Matthiesen, mit dem Thema "Kreationismus als Naturgeschichtsleugnung". Die Kreationisten, von denen es vor allem in den USA eine große Anzahl gibt, nehmen die biblische Schöpfungsgeschichte wörtlich und als historisch verbindlich, d. h. sie leugnen die von der Wissenschaft gemachten Erkenntnisse bezüglich der Entstehungsgeschichte von Kosmos, Erde und Leben, und insbesondere die von Charles Darwin begründete Evolutionstheorie. Dieser stellen sie ein "Schöpfungsmodell" gegenüber, das sie als wesentlich plausibler als die Darwin’sche Theorie ansehen. Die so genannten Kurzzeit-Kreationisten (oder young earth creationists) gehen zudem davon aus, dass die Erde nicht älter als etwa 6000–10 000 Jahre ist. Mahner erläuterte an Beispielen aus der Zoologie, wie die Entwicklung der Lebewesen aus wissenschaftlicher Sicht und aus der Perspektive der Kreationisten stattgefunden haben soll. Während die Evolutionstheorie die beobachtete Ähnlichkeit der Arten mit gemeinsamer Abstammung erklärt, erklären die Kreationisten diese als das Ergebnis eines Schöpfungsaktes. Wie Mahner anmerkte, komme dies einer "Allerklärung" gleich, denn durch Rückgriff auf übernatürliche Wesenheiten lassen sich letztlich alle Beobachtungen erklären. Matthiesen ging auf kreationistische Argumente zur Altersbestimmung der Erde ein und zeigte, dass eines der häufigsten "Gegenbeispiele" (eine 200 Jahre alte Lava, die angeblich auf mehrere Millionen Jahre datiert wurde) auf einem einfachen, anhand der Originaluntersuchung leicht klärbaren Missverständnis beruht. Mahner und Matthiesen kamen zu dem Schluss, dass sich die Evolutionsbiologie und die geologische Datierung der Erde nahtlos in den Kontext der Wissenschaften einreihen, während das kreationistische Schöpfungsmodell zu ihnen im Widerspruch steht.
Im Anschluss widmete sich Lee Traynor einem für einen Skeptiker-Kongress auf den ersten Blick ungewöhnlichen Thema: dem Buch "The Guitar & Mandolin" von Philip J. Bone. Dieser, ein 1964 im Alter von 64 Jahren gestorbener Musiker, hatte es sich zum Ziel gesetzt, die seiner Meinung nach vernachlässigte Bedeutung seiner beiden Lieblingsinstrumente – Gitarre und Mandoline – hinreichend zu würdigen. Zu diesem Zweck verfasste er 1914 das oben genannte Werk. Laut Bone hatten die großen Komponisten wie Mozart, Händel und Beethoven ihre edelsten Werke für die beiden Zupfinstrumente geschrieben, eine Behauptung, der die meisten Musiker sicher sofort widersprechen würden. Lee Traynor zeigte nun anhand von Textbeispielen, wie Bone angestrengt den Beweis für seine These anzutreten versuchte. Der Referent listete eine Reihe von sachlichen Fehlern auf und wies nach, dass einige von Bones Argumenten offensichtlich frei erfunden waren ("… some of the details are not quite accurate", wie ein zeitgenössischer Kritiker bemängelte). Auf der Suche nach Quellen für Bones Thesen wurde er bei Werken anderer Autoren fündig, von denen kräftig abgekupfert worden war. Der Vortrag zeigte, dass sich Skeptiker keineswegs nur mit Paranormalem auseinandersetzen müssen, sondern auch ungewöhnliche Thesen aus anderen Bereichen in kritischer Manier auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen können.
Der Berliner Sachbuchautor Michael Haase gewährte mit seinem Vortrag "Der Fall Cheops" einen interessanten Einblick in den aktuellen Wissensstand über die ägyptischen Pyramiden. Speziell dem wohl bekanntesten Bauwerk aus der Antike, der Cheops-Pyramide, galt sein Interesse. Obwohl von König Cheops als Grabmal errichtet, wird in zahlreichen Publikationen immer wieder behauptet, die Errichtung ginge auf unbekannte Hochkulturen zurück. Für Anhänger der so genannten Prä-Astronautik kommen gar Außerirdische als Architekten dieses Bauwerkes in Betracht. In den Köpfen vieler Menschen, so Haase, habe sich durch derlei Pseudoarchäologie ein alternatives Geschichtsbild festgesetzt. Noch heute seien die Thesen eines Erich v. Däniken populär, obwohl sie den wissenschaftlichen Befunden widersprächen. Haase meinte, die Versuche, die Pyramiden aus dem kulturhistorischen Kontext herauszureißen, beruhten auf Spekulationen oder Außerachtlassung der Fakten.
Daher war Haase bemüht, in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit einen Abriss der Epoche zu zeichnen, in der die Pyramiden einst entstanden sind. Denn die großen Pyramiden stehen nicht ohne Vorläufer da, und Haase ging besonders auf die ältere so genannte Rote Pyramide des Pharao Snofru in Dahschur ein. Mit Informationen über diese Pyramide entkräftete Haase auch das Argument v. Dänikens, die Ägypter seien zu solchen architektonischen Leistungen gar nicht fähig gewesen, allein die logistischen Probleme wären unlösbar gewesen. Geologische Untersuchungen haben nämlich ergeben, dass beispielsweise der Hauptsteinbruch der Roten Pyramide nur etwa 400 m entfernt lag. In den Steinblöcken finden sich noch heute Inschriften mit Jahresangaben, sodass der Baubeginn ziemlich genau bestimmt werden kann. Zwischen Baubeginn und Errichtung der zwölften Steinlage beispielsweise lagen 284 Tage, wobei 400 000 Kubikmeter aufgeschichtet wurden. Also 6 Steine pro Stunde (Anm.: Siehe hierzu das Erratum) – wesentlich weniger als die von v. Däniken behaupteten 30 Steine pro Stunde – durchaus machbar, da auf der großen Grundfläche mehrere Bautrupps gleichzeitig arbeiten konnten. Die Cheops-Pyramide selbst sei in ihrer Bauweise keineswegs beispiellos. Zwar sei die Anordnung der Grabkammern einzigartig – aber tatsächlich hat jede Pyramide ein individuelles Kammersystem, und die Cheops-Pyramide fällt nicht aus dem allgemeinen Muster heraus. Auch die These, dass sich die Anordnung der Pyramiden von Giseh an den Sternen des Orion orientiert, wies Haase zurück, vielmehr ginge die Anordnung auf die Platzverhältnisse auf dem Giseh-Plateau zurück.
Ein weiterer Versuch, die Zuordnung der Cheops-Pyramide in Zweifel zu ziehen, sei die Behauptung, dass keine Inschriften im pyramidalen Kammersystem zu finden seien. Tatsächlich jedoch gibt es eine Baumarkierung mit dem Pharaonennamen, und die Cheops-Pyramide kann außerdem durch Vergleich mit anderen Pyramiden datiert werden: In einem Zeitraum von 270 Jahren wurden Pyramiden in diesem Stil erbaut.
Eines der gängigsten Klischees über die Bauweise der Ägypter ist, dass die riesigen, tonnenschweren Steine der monumentalen Grabmäler immer millimetergenau nebeneinander gereiht wurden. Tatsächlich jedoch wurde auch von den Bauarbeitern der Hochkultur kräftig mit einer Art Mörtel ausgeholfen. So konnten pro Minute gleich mehrere Steine aneinandergefügt und später nachgebessert werden.
Ein trauriges, leider heute immer noch aktuelles Thema behandelte der Historiker und Lehrer Markus Tiedemann. "Die Argumente der Holocaustleugner und ihre Widerlegung" befasste sich mit dem Thema Geschichtsrevisionismus. Revisionisten leugnen drei zentrale Punkte: die Absichtlichkeit des Völkermordes ("Hitler selbst hat von der Ermordung der Juden gar nichts gewusst"), die technische Durchführbarkeit und die Rolle der Gaskammern sowie die Zahl von fünf bis sechs Millionen Toten. Über den pseudowissenschaftlichen Charakter der revisionistischen Argumente besteht kein Zweifel, und Tiedemanns Zielrichtung lag vor allem im pädagogischen Bereich: Er begründete, warum sich Lehrer und Eltern mit den Argumenten der Revisionisten auseinandersetzen sollten, und erklärte, wie das in der Praxis geschehen kann. Zuerst zeigte Tiedemann, wie Geschichte oft unabsichtlich, beispielsweise durch unvollständige Bildunterschriften in Zeitungsartikeln, verfälscht wiedergegeben wird.
Dann unterschied er drei Stufen des Revisionismus. Eine erste Stufe sei der salonfähige, gesellschaftliche Revisionismus. Dieser sei fester Bestandteil von Stammtischgesprächen, beiläufigen Bemerkungen und in der Gesellschaft vorhandenen Vorurteilen. Tiedemann meinte, Sprüchen wie "Zu Hitlers Zeiten konnte Oma noch sicher über die Straße gehen" könne man am besten entgegnen mit "Ja, wenn sie nicht an einer Erbkrankheit litt, nicht Gewerkschafterin war, Sozialdemokratin, homosexuell oder gar behindert – dann konnte sie sicher über die Straße gehen."
In einer zweiten Stufe des Revisionismus würden Verschwörungstheorien zum Kennzeichen rechtsradikaler Propaganda. Die Attraktivität des Mythischen und der Stigmatisierten würde für rechte Zwecke ausgenutzt. Daher müsse mit Geschichtsmythen Schluss gemacht werden. Die Wehrmacht beispielsweise dürfe nicht als Identifikationsfläche für junge Männer dienen. Wie man an der Debatte über die Wehrmachtsausstellung sehen konnte, marschierten bei Gegendemonstrationen Gruppen aus dem rechten Spektrum zusammen, die sonst nichts miteinander zu tun hatten. Auch gebe es die Tendenz, Verbrechen der Wehrmacht gegen Verbrechen der Roten Armee aufzurechnen. Hierbei werde jedoch meist vergessen, dass Kriegsverbrechen innerhalb der Roten Armee sehr wohl bestraft wurden, während sie in der Wehrmacht durch die Wehrmachtsführung gefördert wurden. Damit sei die Wehrmacht, so Tiedemann, eine verbrecherische Organisation gewesen – eine Aussage, an der sich nach dem Vortrag eine heftige Diskussion entzündete. Auf die Kritik aus den Reihen der Zuhörer präzisierte Tiedemann seine Aussage dahingehend, dass nicht alle Wehrmachtssoldaten als Individuen verbrecherisch gehandelt haben, sondern die Wehrmacht als Institution eine verbrecherische Organisation gewesen sei.
Den letzten Teil seines Vortrages widmete er dem "harten Revisionismus, 3. Ebene". Ein professioneller Revisionist sei jemand, der wesentliche Inhalte des Nationalsozialismus relativiert bzw. leugnet. Bezug nehmend auf Veröffentlichungen wie den so genannten "Leuchter-Report" zeigte Tiedemann, wie man die Scheinargumente der Verfasser solcher Werke widerlegen kann. Dessen Autor, Fred Leuchter, der sich selbst als Gaskammer-Experte ansieht (in Wirklichkeit hat er nur einmal an Bauzeichnungen für eine Todeszelle im US-Bundesstaat Maryland mitgewirkt – die nie gebaut wurde, weil sich Maryland stattdessen für die Todesspritze entschied), behauptet in diesem zur Verteidigung des Rechtsradikalen Ernst Zündel geschriebenen Stück, die Massenvernichtung in den Konzentrationslagern sei technisch gar nicht möglich gewesen – doch tatsächlich lassen sich die angeführten Argumente leicht entkräften. Ein sicherlich makabres Unterfangen, doch kann man nach Tiedemanns Ansicht nur Erfolg gegen den Revisionismus haben, wenn man die Behauptungen dieses unter rechtsgerichteten Jugendlichen weit verbreiteten Reports konkret kennt und mit Gegenargumenten reagieren kann. Daher sollten sich Pädagogen und Lehrer mit dieser Thematik beschäftigen und Jugendlichen zeigen, warum die Argumente der Holocaustleugner und Neonazis falsch sind. Dies könnte eine Möglichkeit sein, rassistischem und nationalsozialistischem Gedankengut den Boden zu entziehen.
Es folgte ein Vortrag von Andrea Kamphuis mit dem Titel "Sonnenhut in Buchenwald – Alternativmedizinische Forschungsprojekte und Menschenversuche im 'Dritten Reich‘". Sie berichtete darüber, dass die Echinacea-Produkte der Firma Madaus bei Menschenversuchen der SS zur Behandlung von Brandwunden verwendet wurden, und dass die Firma auch an einem Vorhaben zur Zwangssterilisation beteiligt war (siehe den Artikel in Skeptiker 2/01, S. 52).
Ungewöhnliches hatte Heidi Peter-Röcher unter dem Motto "Mythos Menschenfresser" zu berichten. Ihrer Meinung nach gibt es überhaupt keine wissenschaftlichen Belege für Kannibalismus – jedenfalls im Sinne einer regelmäßigen, kulturell akzeptierten Norm (im Gegensatz zu Kannibalismus in Notzeiten oder bei pathologischem Verhalten Einzelner, der immer wieder vorkommt). Grund für diese Vermutung: Keine der bekannten Schilderungen stamme tatsächlich von unmittelbaren Augenzeugen kannibalischer Akte, sondern stets nur aus zweiter Hand, wobei Interpretationen und Vorurteile über fremden Völker oder archäologische Funde einfließen. Fremden, andersartigen Kulturen (oder auch Außenseitern der eigenen Kultur) wurde immer wieder Menschenfresserei unterstellt. Auch die indirekten Beweise sind dürftig: Eine Halskette mit menschlichen Zähnen oder ähnliche Objekte weisen noch nicht auf Menschenfresserei hin. Häufig werden auch vor allem in archäologischen Grabungen Bearbeitungsspuren an Knochen als Kannibalismus interpretiert, doch niemals eindeutig: Sie können auch auf mehrstufige Bestattungssitten deuten, bei denen der Körper nach dem Tode noch umgelagert oder zerlegt wird – in der einfachsten Form etwa bei der selbst im heutigen Mitteleuropa nicht unüblichen Verwahrung von Knochen in Beinhäusern, oder in vielen anderen Kulturen bei der Abtrennung der Köpfe für die Ahnenverehrung oder einer Vielzahl von anderen, gut belegten und teilweise noch heute gängigen Bestattungspraktiken.
Im Anschluss zeigte Lee Traynor nochmals den Videofilm "Magic Tricks, Science Facts", in dem der amerikanische Zauberkünstler Bob Friedhoffer auf spielerische Weise vor einer Schulklasse Zaubertricks präsentierte – und diese dann sofort erklärte. So wurde deutlich, dass hinter vermeintlicher Magie nur Physik – und Show – stecken.
Wer bei diesem abwechslungsreichen Programm bis zum Ende durchgehalten hatte, konnte sich abends bei einem leckeren Büffet stärken. Während sich ein Teil der Tagungsteilnehmer an den Vorstellungen der bewährten "Zauberer" Hundini und Incubus erfreute, nutzten etliche andere die nachlassende Hitze an diesem herrlichen vorsommerlichen Tag zum regen Gedankenaustausch mit anderen Besuchern auf dem Vorplatz der Rehberghalle.
Am dritten Tag ging es hauptsächlich um parapsychologische Themen. Gerald Huber referierte über die allgemeine Beweislage in der Parapsychologie. Zunächst sprach er die Definitionsfrage an: Wie nennt man das Ganze? Statt "paranormal" hat sich inzwischen "anomal" eingebürgert. Dann bemängelte er, dass die Stärke des von Parapsychologen gemessenen Effekts wechselt und es keine konkreten Voraussagen gibt, was bei einem Experiment herauskommen sollte. Viele Studien fallen bereits aus diesem Grund als nicht aussagekräftig weg. Für die Experimente, die positive Ergebnisse zeigen, gibt es laut Huber drei mögliche Erklärungen: Betrug, Inkompetenz oder echtes Psi. Betrug hält er nicht für ausgeschlossen, betont aber auch die hohe Qualität parapsychologischer Experimente, die – nicht zuletzt durch Kritik von Skeptikern – inzwischen einem hohen Standard entsprechen.
Fiona Steinkamp, promovierte Philosophin und Mitarbeiterin an der Koestler Parapsychology Unit der Universität Edinburgh, berichtete über die Ergebnisse einer von ihr durchgeführten Umfrage über präkogniti-ve Erfahrungen. Teilgenommen hatten 167 Personen, die laut eigener Aussage solche Erfahrungen gehabt und geahnt hatten, dass sie später wahr werden würden. Das Ziel der Studie war herauszufinden, wie die Betroffenen auf die Erfahrung reagieren und insbesondere, ob sie versuchen, das Vorhergesehene in irgendeiner Form zu beeinflussen oder zu verhindern.
Steinkamps Voraussage vor der Studie, Präkognition würde sich im Gegensatz zu ASW (Außersinnlicher Wahrnehmung) eher in Träumen äußern, hat sich bewahrheitet. Die Vorahnungen der Befragten waren von unterschiedlicher Qualität: Eine Person hatte geahnt, sie würde auf einer Treppe vor einem Haus sein, eine andere, ein Freund sei aus dem Hospital entlassen worden. Eine hat vom Tod ihres Vaters und von einem Leichenwagen geträumt, eine, dass sie Herrn B. im Urlaub an einem bestimmten Ort treffen würde.
Einen Skeptiker werden solche anekdotischen Vorhersagen nicht beeindrucken, aber die Studie diente auch nicht dazu, die Echtheit des Phänomens nachzuweisen, sondern die Erlebnisse zu klassifizieren. So waren die Mehrzahl der Vorahner weiblich (56%). Erstaunlicherweise unternahm die überwiegende Mehrzahl (78%) keinen Eingriffsversuch, versuchte also beispielsweise nicht, ein vorhergesehenes Unglück zu verhindern. Die Neigung, in das Geschehen einzugreifen, war nicht korreliert mit den Kontrollüberzeugungen (d. h. es spielte keine Rolle, ob die Personen sich eher selbst in Kontrolle über ihr Schicksal erleben oder eher von der Umwelt dominiert); auch zur Ambiguitätstoleranz, also der Fähigkeit, widersprüchliche Reize zu tolerieren, wurde keine signifikante Korrelation gefunden.
Eingriffsversuche wurden jedoch häufiger unternommen von Personen, die auf der Neurotizismus-Skala von Eysenck, Eysenck und Barrett zu nicht-neurotischen Werten tendierten – weniger neurotische Personen versuchten also eher, das vorhergesehende Ereignis zu beeinflussen.
Ein Rätsel sah Steinkamp in einem Ergebnis zur Fruchtbarkeit: Je früher eine Frau einen Glauben an Paranormales entwickelt, desto mehr Kinder bekam sie. Zuhörer boten soziologische Erklärungen an – Fruchtbarkeit und der Glaube an Paranormales korrelieren mit der Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht.
Es folgte "Ontogenese und individuelle Repräsentation des Aurasehens" von Ludwig Issing und Oliver Amm. Issing ist Leiter des Arbeitsbereichs Medienforschung am Institut für Pädagogische Psychologie und Medienpsychologie der Freien Universität Berlin. Sein Interesse gilt auch dem Paranormalen, daher veranstaltet er im Rahmen des Psychologiehauptstudiums Seminare zu parapsychologischen und esoterischen Themen aus kritischer Sicht, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Sein Mitarbeiter Oliver Amm ist in seiner Diplomarbeit der Frage nachgegangen, wie Aura-Sichtige ihre Aura-Wahrnehmung erleben. Issing begann den Vortrag mit einem Überblick über der Aura verwandte Konzepte in Kulturen in aller Welt, wie Ka, Ga’llama, Chakra, Ätherleib und Heiligenschein. Es folgte ein historischer Überblick von Amm: von Mesmers animalischem Magnetismus über die Ebenen der Theosophen, Reichenbachs Od und Reichs Orgon bis zu John Pierrakos und Barbara Ann Brennan.
Amm berichtete von fünf Interviews mit Aura-Sichtigen, darunter einer Verhaltenstherapeutin, die einen Aura-Seh-Kurs mitgemacht hatte, und einer Russin, die außer Auren auch Geister sieht. Deutlich wurde die starke individuelle Komponenten, jede Person erfährt die Auren anders: Flirren, wabernde Farben, fließendes Wasser oder ein Kokon um einen Menschen herum, und auch andere Sinnesmodalitäten können betroffen sein, etwa Hören oder Riechen. Insgesamt handelt es sich um eine veränderte Wahrnehmung, die von allen Befragten als emotional bedeutungshaltig und spirituell erfahren wird. Amm betonte dabei, dass keiner der Befragten Anzeichen für psychische Störungen aufwies.
Die Erklärungsansätze für das Aura-Sehen sind vielfältig. Charles Tart unterscheidet vier Erklärungsansätze: physikalische Ansätze – dazu gehören der "übliche Verdächtige" Elekromagnetismus, Popps Biophotonen oder Kirlian-Gasentladungen –, Esoteriker wünschen sich Feinstoffliches, Parapsychologen mutmaßen eine Projektion von Gefühlen nach außen mittels Psi.
Psychologische Erklärungen fanden am meisten Anklang, auch wegen der Türrahmenversuche, bei denen Aura-Sichtige im Doppelblindversuch nicht erkennen konnten, ob eine Person hinter einer Tür steht oder nicht. Demnach können Auren entstehen durch die Wahrnehmungstäuschung beim Anstarren eines Gesichtes (Skeptiker 4/99, S. 142), durch Synästhesie und Halluzination, Migräne (eher als geometrische Muster) oder das Charles-Bonnet-Syndrom (Skeptiker 4/00, S. 206) und – in Ausnahmefällen und als Begleitung akustischer Halluzinationen – durch Schizophrenie. Doch ging es Amm in seiner Untersuchung zunächst nicht um eine Erklärung, sondern eine differenzierte Beschreibung des Phänomens, sodass die Frage der Erklärung vorläufig offen bleiben muss.
Hans-Christian Kossak, Psychologe und Therapeut, gab einen Überblick über die Möglichkeiten der Hypnose und zeigte, was mit Hypnose möglich ist und was nur mit Bühnentricks. Von Schamanen praktiziert, von Franz Anton Mesmer vermarktet (sein "Magnetismus" funktionierte auch ohne Magnet), von Braid auf den Namen "Hypnose" getauft, von Bernheim untersucht ("Suggestion"), von Freud kritisiert ("ändert nur Symptome"), von Schultz zur Selbsthypnose erweitert ("Autogenes Training"), hat diese Technik eine wechselvolle Geschichte. Dabei spielte der Zeitgeist kräftig mit: Die autoritäre Vorstellung, absolute Macht über andere auszuüben, war typisch für die Hypnose zu Freuds Zeit.
Was bei der Hypnose abläuft, ist unklar. Es gibt Theorien, wonach Hypnose ein spezieller Bewusstseinszustand ist oder auch nicht ("State-Theorien", "Non-State-Theorien"). Die Hypnotisierbarkeit ist zwar individuell unterschiedlich, aber sie hängt nicht von anderen Persönlichkeitsmerkmalen ab, und auch das Alter und die Intelligenz spielen keine Rolle (sofern ein Mindestmaß an Kommunikation möglich ist). Wesentlichen Elemente der Hypnose sind das Vertrauen in den Hypnotiseur, die Suggestion und das Einengen der Aufmerksamkeit.
Allergikern kann man laut Kossak ihr Allergen vortäuschen oder seine Abwesenheit; bei Hochdruck, Diabetes, Hämophilie, Epilepsie, Rheuma, Schlafproblemen, Essstörungen, Nägelkauen etc. wird Hypnose eingesetzt. Beim Zahnarzt erspart der Hypnotiseur die Narkose. Eher nutzlos, aber unterhaltsam war die Geschichte von dem Mann, dem suggeriert wurde, er esse ein Käsebrot, und der daraufhin eine ganze Weile Stresssymptome zeigte, weil er erst im Geist zu seinem Auto gehen musste, wo im Handschuhfach sein Käsebrot lag, oder das Video von dem Mann, der "die Zahl zwischen fünf und sieben" vergessen sollte und dann beim Zählen von Fingern zu seiner Bestürzung immer wieder auf elf kam.
Es folgten die Tricks der Show-Hypnotiseure. Zum größten Teil führen hier die "Hypnotisierten" Dinge aus, die auf den ersten Blick unmöglich scheinen, es aber nicht sind: Waagerecht auf zwei Stuhllehnen liegen, Scherben- und Feuerlaufen, Nagelbrettliegen. "Blindes" Autofahren und "Suggestion" von Brandblasen sind einfache Tricks. Und die Freiwilligen machen oft auch einfach zum Spaß mit, aber auch aus sozialem Druck. Gefährlich wird es, wenn die Mitwirkenden tatsächlich hypnotisiert und zu erniedrigendem Verhalten veranlasst werden – vor allem dann, wenn dies vor einem großen Publikum geschieht, kann es in der Folge zu schweren psychologischen Problemen führen. Daher ist Show-Hypnose in Schweden und Israel verboten. Viele Fragen bezüglich der Hypnose mussten offen bleiben, die Trennung zwischen seriöser Hypnose und Showhypnose ermöglicht jedoch dem interessierten Laien sich nun intensiver mit der spannenden Thematik zu beschäftigen.
Mit diesem vielfältigen Einblick in das interessante Thema der Hypnose ging die diesjährige Konferenz zu Ende. Die nächste GWUP-Konferenz wird am 9.–11. 5. 2002 in Berlin stattfinden.
Erratum zum Bericht über die GWUP-Konferenz in Skeptiker 3/01
Erratum zum Bericht über die GWUP-Konferenz in Skeptiker 3/01
Leider ist in dem Bericht über Michael Haases Vortrag auf der GWUP-Konferenz 2001 im Skeptiker 3/01, S. 126, eine zentrale Aussage falsch dargestellt worden. Im Konferenzbericht heißt es: ”Zwischen Baubeginn und Errichtung der zwölften Steinlage (der Roten Pyramide in Dahshur) beispielsweise lagen 284 Tage, wobei 400000 Kubikmeter aufgeschichtet wurden. Also 6 Steine pro Stunde – wesentlicher weniger als die v. Däniken behaupteten 30 Steine pro Stunde – durchaus machbar, da auf der großen Grundfläche mehrere Bautrupps gleichzeitig arbeiten konnten.” Korrekt ist: In der Roten Pyramide wurden an der Basis ca. 6 Steine pro Minute verbaut. Haase hat tatsächlich folgende Argumentation vorgetragen: v. Däniken hatte für die Cheops-Pyramide anhand der Größe und vermuteten Bauzeit abgeschätzt, dass im Durchschnitt 35 Kubikmeter Material pro Stunde (also ca. ein Stein von einem Kubikmeter alle zwei Minuten) verbaut wurde. Haase erklärte nun, dass diese Bauleistung nicht einmalig ist und präsentierte als Vergleich Baudaten der älteren Roten Pyramide.. Dort lässt sich nämlich der Baufortschritt anhand von Baumarkierungen zeitlich verfolgen. In der ersten Steinlage wurden gut 6 Steine (mit einem mittleren Volumen von 0,4 Kubikmetern) pro Minute verlegt, und da ein Datum auf einem Stein der zwölften Lage eine maximale Zeit von 284 Tagen seit Baubeginn belegt, ergibt sich demnach eine Bauleistung von 117 Kubikmetern pro Stunde für die ersten Lagen. Für die oberen Lagen war der Baufortschritt langsamer, doch bei einer heute von einigen Ägyptologen angenommenen Gesamtbauzeit von 10 bis 11 Jahren ergibt sich mit dem Arbeitszeitmodell von Däniken immer noch eine durchschnittliche Leistung von 46 Kubikmetern pro Stunde – deutlich mehr als v. Däniken für die Cheops-Pyramide berechnet hatte.
Die Redaktion bedauert, dass diese Argumentation falsch dargestellt wurde. Ergänzend seien noch folgende Präzisierungen angemerkt: Die Aussage, dass jede Pyramide ein individuelles Kammersystem hat, bezog sich im Vortrag sich auf die Pyramiden der 4. Dynastie.
Nicht nur der Steinbruch der Roten Pyramide (wie im Bericht erwähnt), sondern auch der Hauptsteinbruch der Cheops-Pyramide war nur wenige Hundert Meter vom Bauplatz entfernt, was kurze Transportwege und –zeiten gewährleistete.
Die Aussage, dass ”in einem Zeitraum von 270 Jahren Pyramiden in diesem Stil erbaut wurden”, ist in dieser Kürze missverständlich: Gemeint ist, dass alle Pyramiden der 4. und 5. Dynastie bis König Unas (also 270 Jahre lang) in den Kammersystemen keine Inschriften aufweisen, sodass die Cheopspyramide in dieser Beziehung nicht einmalig ist (die Bauinschriften mit dem Namen des Pharaos befinden sich in unzugänglichen Entlastungskammern). Weiterhin lässt sich die Cheops-Pyramide durch architektonische Vergleiche mit anderen Pyramiden in eine lange Entwicklungsreihe einordnen und datieren.
Die Redaktion
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 3/2001.