Neun Antworten auf typische Argumente
[nach (4)]
"Die biologischen Wirkungen von Elektrosmog sind noch gar nicht bekannt, die jetzigen Grenzwerte sind zu hoch."
Es gibt mittlerweile so viele Publikationen, dass selbst Experten sie kaum noch überblicken. Datenbanken wie die Information Ventures in Philadelphia haben bis Mitte 2002 über 25.000 wissenschaftliche Arbeiten gesammelt, die von Fachleuten ausgewertet wurden. Wenn die in Deutschland geltenden Grenzwerte eingehalten werden, sind nach Meinung internationaler Experten und Gremien Schadwirkungen ausgeschlossen (2,4,5,8,9,11).
"Die neuen, digital gepulsten Hochfrequenztechniken sind besonders gefährlich."
Seit einem halben Jahrhundert gibt es Fernsehen, das zu ca. 80% aus gepulsten Signalen besteht. Negative Auswirkungen auf die Gesundheit sind nicht bekannt. Dafür, dass andere gepulste Signale, wie die des digitalen Mobilfunks, gesundheitsschädlich sind, gibt es bisherebenfalls keinerlei epidemiologische Anhaltspunkte (4,5,10).
"Langzeitwirkungen des Elektrosmogs sind unbekannt."
Nieder- und hochfrequente technische Felder gibt es seit Beginn des letzten Jahrhunderts, also seit gut drei Ge¬nerationen. Diese Zeit, in der sich unsere Lebenserwartung verdoppelt hat, ist sicher lang genug, um mögliche Langzeitwirkungen ausschließen zu können.
"Die Wirkung von Elektrosmog wird ebenso bagatellisiert wie einst die von Radioaktivität und Röntgenstrahlen."
Nein, bei Radioaktivität und Röntgenstrahlen handelt es sich um ionisierende Strahlen, deren schädliche Wirkungen man seit Jahrzehnten genau kennt. Gäbe es vergleichbare Wirkungen durch Elektrosmog, sie wären längst genauso bekannt. Selbst wenn man auf biologische Effekte stößt, bedeutet das noch keineswegs, dass sie gesundheitsschädlich sind. Rechnungen und Messungen ergaben, dass Handys mit Strahlungsleistungen von 0,1 bis 1 W nur lokale Erwärmungen im Kopfbereich um höchstens 0,1° erzeugen können. Die auf den Körper einwirkenden Feldstärken der Basisstationen, die von der Bevölkerung vor allem bei Sichtkontakt (!) gefürchtet werden, sind um mehrere Zehnerpotenzen schwächer und können daher mit Sicherheit nicht thermisch wirksam sein. Im Sinne des Vorsorgeprinzips ist zudem bei den Grenzwerten noch ein Sicherheitsfaktor von 50 berücksichtigt. Eine Schadwirkung ist daher auszuschließen (9).
"Es gibt Untersuchungen, in denen schädliche Wirkungen nachgewiesen worden sind"
Die gibt es unter Tausenden von Publikationen immer. Welche Aussagekraft eine Untersuchung hat, wie zuverlässig sie ist, das kann nur der Experte sagen, der sie im Zusammenhang mit vergleichbaren Studien beurteilt und prüft, ob sie fehlerfrei durchgeführt wurde.
"Elektrosmog ist sicher gefährlich, weil noch niemand beweisen konnte, dass keine Gesundheitsgefahr besteht."
Man kann nur etwas beweisen, was wirklich existiert - Nicht-Existenz ist nicht beweisbar. Kein Wissenschaftler kann daher nachweisen, dass Elektrosmog absolut unschädlich ist - auch wenn dies objektiv so ist. Aber man kann berechnen, innerhalb welcher Grenzen sich schädliche Wirkungen bewegen würden, wenn es sie gäbe. Und die wären beim Elektrosmog so klein, dass sie - im Vergleich zu bekannten Umweltgefahren - zu vernachlässigen sind.
"Ich bin absolut sicher, dass Elektrosmog gesundheitsschädlich ist, denn ich kenne viele, die darunter leiden."
Fallbeispiele sind menschlich anrührend, aber sie haben keine wissenschaftliche Aussagekraft. Denn wir alle neigen dazu, das wahrzunehmen und zu empfinden, was wir bewusst oder unbewusst erwarten. Und so schlafen viele besser, wenn sie ihren Schlafraum freischalten, oder ihr Handy ausmachen - dank des wohlbekannten Placebo-Effekts. Aber sie schlafen genau so gut, wenn sie nur glauben, der Strom sei abgeschaltet, auch wenn er es gar nicht ist. Kurzum: Es geht uns gesundheitlich schlechter, wenn wir glauben, schädlichen Umweltfaktoren ausgesetzt zu sein, und besser, wenn wir meinen, dass wir vor ihnen geschützt sind Das sind typische Placebo- und Nocebo-Effekte!
Ein typisches Beispiel ist eine Basisstation in Amberg, die in der Reichstr.12 errichtet wurde. Kaum war sie Ende 1998 aufgestellt, gab es Klagen über Seh- und Schlaf¬störungen. Der Sendebetrieb begann aber erst im April 1999.
"Die zunehmende Krebsrate beweist, dass wir immer mehr schädlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind."
Die Zahl der Krebserkrankungen in den Industrieländern ist - bezogen auf die jeweilige Altersgruppe - seit 1900 nahezu konstant geblieben. Die Zunahme der Krebserkrankungen erklärt sich zwanglos durch die höhere Lebenserwartung (7).
"Experten und Studien sind von der Industrie gekauft und daher nicht glaubwürdig."
Die Fachleute, die die Untersuchungen durchführen und beurteilen, kommen aus Unis und staatlichen Institutionen. Sie sind zu Neutralität verpflichtet. Käuflichkeit wäre sinnlos, denn objektive naturwissenschaftliche Zusammenhänge lassen sich durch Geld nicht ändern.
"Würden Sie denn eine Mobilfunkantenne auf Ihrem eige¬nen Haus dulden?"
Ja. Ich wohne übrigens direkt im Strahl einer Antenne, die auf dem Haus eines Nachbarn montiert ist.
Folgende wissenschaftliche Ergebnisse sprechen eindeutig gegen die Annahme, dass "Elektrosmog" Gesundheitsschäden hervorruft:
- Von 420 000 mehrjährigen Handy-Nutzern erkrankten 10% weniger an Krebs als in einer Vergleichsgruppe, die keine Handys besaß (6).
- Wenn Handys schädlich sind, dann sollten Leute, die viel telefonieren, häufiger erkranken: und zwar besonders an der Kopfseite, an die sie das Handy halten. Diese Erwartung trifft nicht zu (3).
- In Deutschland gab es 1997 etwa 10.000 "Elektrosensible", die an diversen Befindlichkeitsstörungen litten. In England, Finnland, Italien und Österreich dagegen sind solche Fälle kaum bekannt (1). Daher handelt es sich hier sehr wahrscheinlich um ein psychologisches Phänomen: Um Auto- bzw. Fremdsuggestion, die parallel zur Resonanz in den Medien erfolgt.
- Bei ca. 400 000 Personen, die jahrelang in der Nähe von Hochspannungsleitungen gelebt hatten, ergab sich keine Zunahme der Krebsrate (12).
- Wissenschaftliche Untersuchungen - z.B. an der Universität Witten-Herdecke - zeigten, dass "Elektrosensible" nicht fähig sind, schwache elektromagnetische Felder tatsächlich zu spüren. Bei Tests zeigten sie vielerlei Befindlichkeitsstörungen - unabhängig davon, ob die Testfelder eingeschaltet waren oder nicht (10).
Der Begriff "Elektrosmog" ist ein Unwort: Er ist negativ vorbelastet durch die sachlich unbegründete Assoziation mit der realen Schadwirkung von chemischen Umweltgiften ("Smog"). Wie irrational die Angst vor Elektrosmog ist, zeigt sich in dem lauten Protest gegen hohe, weithin sichtbare Sendemasten, obwohl sie Mensch und Umwelt weniger belasten als bodennahe Sender - und diese noch hundertmal weniger als die Handys, die selbst von prominenten Mobilfunk-Gegnern in der Praxis bedenkenlos genutzt werden (8).
Gesundheit sollte oberste Priorität haben. Wenn man aber aus gut gemeinter Vorsicht die Sendeantennen aus den Wohngebieten entfernen würde, dann müssten die Handys mit höheren Leistungen strahlen als bisher. Und wenn man die Grenzwerte weiter senkt, müssen weit mehr Sendeantennen aufgestellt werden - Masten, die die Angst steigern, weil man ihnen dann allerorts begegnet. Es besteht die Gefahr, dass dann wegen des "Nocebo-Effekts" noch mehr Menschen sich - allein durch Suggestion! - von Elektrosmog beeinträchtigt fühlen als heute.
So ist zu erwarten, dass Befindlichkeitsstörungen der Anwohner umso mehr zunehmen, je näher sie an einer weithin sichtbaren Sendeantenne wohnen. Denn wer sich vor etwas fürchtet, kann allein aus Angst davor organisch erkranken (13, 14). Wir halten es daher für unverantwortlich, Angst und Panik zu verbreiten vor etwas, dessen Schädlichkeit bis heute wissenschaftlich nicht belegt ist.
"Es gibt bis heute keinen wissenschaftlich glaubwürdigen Nachweis, dass sich bei Einhalten der gültigen Grenzwerte Elektrosmog - über Nocebo-Effekte hinaus - gesundheitsschädlich auswirkt. Elektro-Smog ist ein Elektro-Spuk - allein die Angst davor macht krank!" (Prof. Dr. med. P. Kröling, Universität München)
Dagegen ist die Nützlichkeit des Mobilfunks schon allein auf der Gesundheitsebene unbestreitbar. Über 60 Millionen Bundesbürger besitzen mittlerweile ein Handy. Allein in Deutschland gehen täglich Zehntausende von Notrufen via Mobilfunk ein. Hierdurch haben sich die Rettungszeiten z.B. bei Verkehrsunfällen drastisch verkürzt, und es ist kaum zu überschätzen, wie viele Menschenleben so gerettet werden. "Nicht das Vorhandensein hochfrequenten Elektrosmogs ist demnach ein konkretes Gesundheitsrisiko, sondern seine Abwesenheit in Form der.“Funklöcher“, die eine schnellstmögliche Hilfe im Notfall verhindern" (5).
Ergänzung zum Thema „Erdstrahlen“:
Das einzige, bisher bekannte „Messgerät“ zum Nachweis von angeblich gesundheitsschädlichen „Erdstrahlen“ ist die Wünschelrute (bzw. Pendel oder Ähnliches). Wann und wo eine Wünschelrute ausschlägt, das verrät schon ihr Name: Dort nämlich, wo der Muter dies – bewusst oder unbewusst – wünscht, also dort, wo er eine Störzone – bewusst oder unbewusst - erwartet.
Solche angeblichen Störzonen können unsere Befindlichkeit in der Tat beeinträchtigen – dann nämlich, wenn wir an ihre Existenz glauben und uns vor schädlichen Wirkungen fürchten. Tatsache aber ist, dass bis heute noch niemand die Existenz dieser angeblichen Störzonen nachgewiesen hat.
Solange dies nicht erfolgt ist, gilt: Rutengehen ist nach bestem heutigen Wissen Humbug, aber nicht Bluff. Denn die Rutengänger sind ja selbst von der Existenz der angeblichen Störzonen fest überzeugt. Und damit täuschen sie nicht nur ihre zahlungswilligen Kunden, sondern – vor allem – auch sich selbst.
Fazit: Ob gesundheitsgefährdende Erdstrahlen existieren, ist nicht eine Sache des subjektiven Glaubens, sondern objektiven Wissens; des Wissens nämlich, dass ihr Nachweis bis heute noch nie gelungen ist.
Jeder, der von den angeblichen Gefahren des Mobilfunks redet, muss rst einmal erklären, wie sich seine Meinung mit den unter 1-5 genannten wis¬senschaftlichen Daten verträgt.
Die Schädlichkeit von Elektrosmog ist ebenso wenig erwiesen wie die angebliche Existenz der "Erdstrahlen" oder "Wasseradern", vor denen findige Wünschelrutengänger und selbsternannte "Baubiologen" warnen; noch keiner von ihnen konnte bisher das Preisgeld abholen, das seit vielen Jahren für einen Rutengänger ausgesetzt ist, der einen objektiven Test erfolgreich besteht.
So verständlich die Besorgnis der Mobilfunkgegner und ihr öffentliches Engagement sein mag: Die damit verbundene Panikmache halte ich ethisch für höchst unverantwortlich, denn sie bedeutet eine echte, akute Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung.
Dr. habil. Rainer Wolf, Würzburg
Literatur:
(1) Bergqvist U, Vogel E (eds.): Possible health implications of subjective symp¬toms and electromagnetic fields. A report prepared by an european group of ex¬perts for the European Commission, Directorate-General V. National Institute for Working Life, Solna/Sweden (1997).
(2) Health Council of the Netherlands (2002).
(3) Inskip PD et al: Cellular-Telephone Use and Brain Tumors. New England J. of Medicine 344:79-86 (2001).
(4) Kröling P: Krank durch Elektrosmog? Skeptiker 11: 89-96 (1998). In: Heilungs¬versprechen. Zwischen Versuch und Irrtum. Skeptisches Jahr¬buch III (Shermer& Traynor, Eds.). Alibri, Aschaffenburg, S.156-173 (2000).
(5) Kröling P: Elektrosmog - ein Gesundheitsrisiko? Ei¬ne Lite¬ra¬tur¬über¬sicht zur aktuellen Diskussion. Physikal. Med., Rehabil.-Med., Kurortmed. 9:103-109 (1999).
(6) Johansen C et al: Cellular telephones and cancer - a nationwide cohort study in Denmark. J. Nat. Cancer Inst. 93:203-207 (2001).
(7) Lock W et al: Alter und Krebs. Eine Analyse der Krebs¬mortalität in Deutschland von 1900-1990. Versicherungsmedizin 47:157-165 (1995).
(8) Ludwig U, Schmundt H: Sender unterm Kirchendach. Der Spiegel 20:183-186 (2002).
(9) Positionspapier des VDE (www.vde.com), Frankfurt (2002).
(10) Rubner J: Süddeutsche Zeitung, 6.4.2001, S.11.
(11) "Stewart-Report" der Independent Expert Group on Mobile Phones, in: Mobile Phones and Health (Mai 2000).
(12) Verkasalo PK et al: Magnetic fields of high voltage power lines and risk of cancer in Finnish adults: nationwide cohort study. Brit. Med. Journal 313:1047-1051 (1996).
(13) Wolf R: Vom Sinn und Unsinn der Sinnestäuschung. Wie uns Wahrnehmen und Denken in die Irre führen. Studium Generale der Universität Würzburg (1998).
(14) Wolf R: Das 11. Gebot: Du sollst dich nicht täuschen. Skeptiker 12:140-149 (1999).
Nimtz, G.: Gefahr Elektrosmog? Handy - Mikrowelle - Alltagsstrom. Biophysikalische Wirkung elektromagnetischer Strahlung. Richard Pflaum, München (2003).
Leitgeb N.: Machen elektromagnetische Felder krank? Springer-Verlag, Wien (2000).
Zum Weiterlesen:
- GWUP-Lexikon: Elektrosmog