Michael Kunkel
Fordert man Wahrsager oder Astrologen dazu auf, ihre vermeintliche Kenntnis der Zukunft durch die Bekanntgabe der
nächsten Lottozahlen zu belegen, dann winken diese in der Regel ab. Nur wenn es im deutschen Lottoblock einen hohen
Jackpot zu gewinnen gibt, werden von den Medien bisweilen Wahrsager oder Astrologen nach den kommenden Lottozahlen befragt – aber solche augenzwinkernd vorgebrachten Medienaktionen dienen lediglich der Unterhaltung und
dürften von niemanden ernst genommen werden. Deswegen war es überraschend, als der Astrologe Hans-Werner Wolters
Anfang Mai 2009 ein astrologisches Lottoexperiment ankündigte – und zwar nicht nur im Forum auf seiner Webseite (1),
sondern auch per Mail an die GWUP. Dabei genügte der Aufbau dieses Experiments grundsätzlich wissenschaftlichen
Anforderungen, lediglich die Dauer des Experiments hatte Wolters im Vorhinein nicht festgelegt.
Neun Jahre hatte er nach eigenen Angaben zum Start des Experiments an seiner Software KME (Kosmophänologische
MusterErkennung) gearbeitet. Jetzt sollte die Software mittels der Analyse astrologischer Konstellationen zum jeweiligen
Ziehungstermin Zahlen ermitteln, die eine überzufällige Anzahl an Treffern liefern. Dafür errechnete das Programm
für jede Ziehung zehn Zahlen, entsprechend einem Lottotipp im so genannten „10er-Vollsystem“, einer Tippvariante bei
der durch das Ankreuzen von zehn Zahlen auf einem Lottoschein sämtliche 210 Kombinationen von sechs aus den zehn
angekreuzten Zahlen abgedeckt sind. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man mittels des 10er-Vollsystems mindestens
einen Gewinn (also mindestens einen „Dreier“) erzielt, liegt bei .9,027 % oder ca. 1/11 (2). Die Trefferdefinition war einfach und klar: KME erzielt einen Treffer, wenn mindestens ein Gewinn (also ein „Dreier“) erzielt wird.
Nicht besser als Würfeln
Per Mail einigten sich Wolters und der Autor darauf, das Experiment zunächst auf das Jahr 2009 zu beschränken. Mit
dieser definierten Dauer des Experiments konnte festgelegt werden, ab wie vielen Treffern ein signifikantes Ergebnis
vorliegt. Bei einem Signifikanzniveau von 5 % wären elf Treffer notwendig gewesen, um die Nullhypothese ("die
KME-Zahlen sind nicht besser als reine Zufallszahlen") abzulehnen (3). Das Ergebnis am Jahresende war eindeutig:
Die Software erzielte sechs Treffer, die Nullhypothese konnte nicht abgelehnt werden – wie erwartet gibt es also keinen
Hinweis darauf, dass man mittels dieser Art der astrologischen Lottozahlenvoraussage mehr Treffer als durch reines
Raten erhält.
Rein aus Spaß hatte der Autor noch zehn eigene Zufallszahlenreihen erzeugt, Wolters per Mail zugeleitet und ebenfalls mit den jeweiligen Lottozahlen verglichen. Diese Zufallszahlenreihen lieferten zwischen zwei und elf (!) Treffern, eine der
reinen Zufallsreihen lieferte also tatsächlich ein – auf den ersten Blick – signifikantes Ergebnis. Allerdings sind diese
Ergebnisse nicht vergleichbar, denn man kann die Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei zehn solchen Reihen mindestens eine elf oder mehr Treffer erzielt, ebenfalls berechnen und sie liegt bei 33,9 % – es ist also gar nicht so unwahrscheinlich,
dass eine von zehn Zufallszahlenreihen ein signifikantes Ergebnis erzielt.
Interessant ist ein weiterer Kommentar von Hans-Werner Wolters in seinem Forum. Angesichts des bereits zu erwartenden Scheiterns seines Experiments schrieb er am 6. September 2009: "Mit den Zufallsreihen ist das nämlich so eine Sache. Es ist ganz schön verzwickt. Aus der Sicht des Astrologen sind Zufallsreihen ebenso spannend wie erheiternd,
denn wenn man genügend Zufallsreihen erzeugt, dann wird eine dabei sein, welche die Zeitqualität über einen abgegrenzten Zeitraum recht gut widerspiegelt."
Man könnte angesichts dieses Ergebnisses auch schließen, dass die „astrologische Zeitqualität“ eben doch nichts
anderes als Zufall ist, aber Wolters lässt sich entmutigen – er erwartet, dass bei einer längeren Laufzeit (seine Schätzung: vier bis fünf Jahre) eines solchen Experiments eine signifikante Trefferquote erreicht werden kann. Aktuell hat er seine Lottoprognosen für das erste Halbjahr 2010 veröffentlicht. Ob dies bereits der Beginn eines langfristigen Experiments ist muss noch geklärt werden.
Anmerkungen:
(1) http://prognosefokus.siteboard.eu/f47t309-geht-nichtgibt-s-nicht-lottozahlen-prognostisch.html, Zugriff am
02.02.2010.
(2) Eine kurze Erklärung liefert https://www.tipp24.com/lotto-bosch-18.html, für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit
wird die hypergeometrische Verteilung benutzt.
(3) Die Wahrscheinlichkeit für elf oder mehr Treffer liegt bei etwas über 4%.