Was Astrologen und Hellseher für 2003 vorausgesagt haben – und was wirklich geschehen ist
Michael Kunkel
Am 5. 5. 2003 stand wieder einmal der Weltuntergang auf der Tagesordnung. Das zumindest hatte ein Sektenführer namens „Häuptling Black Eagle Malachi" - der nach eigenen Angaben in einer Galaxis namens Illyuwyn geboren wurde - gepredigt, und Rettung verhieß er nur seinen gläubigen Anhängern, den „Nawaubians".1 Ob sich die 144 000 Plätze im von ihm angekündigten Raumschiff allerdings gefüllt hätten, ist fraglich: Seine auf mehrere Tausend Gläubige geschätzte Anhängerschaft schrumpfte auf wenige Hundert, nachdem er im Mai 2002 verhaftet und wegen Kindesmissbrauchs angeklagt wurde.2 Ebenfalls im Mai sollte ein „Polsprung" - die plötzliche „Umpolung" des Erdmagnetfelds mit folgenden dramatischen Naturkatastrophen und einem möglichen Weltuntergang - durch das erdnahe Auftauchen des in den siebziger Jahren von Zecharia Sitchin beschriebenen „vergessenen" Planeten X (oder „Nibiru") ausgelöst werden. Nancy Lieder, eine Amerikanerin, die sich in telepathischem Kontakt zu einem Planeten namens Zeta wähnt, behauptete, dass man bereits sieben Wochen vor dem entscheidenden Datum den neuen Planeten tagsüber am Himmel ausmachen könne, und rechnete ab dem 15. 5. mit dem Schlimmsten.3 Am 16. 5. teilten ihr die Zetas mit, dass sich der Polsprung erst am 27. 5. ereignen würde 4 , und inzwischen scheint Lieder erst in zehn Jahren mit der Katastrophe zu rechnen.5 Auch die japanische „Pana-Wave"-Gruppe - deren Anhänger aus Angst vor von Kommunisten übertragener elektromagnetischer Strahlung in weiße Gewänder gehüllt sind - erwartete die Apokalypse aus dem gleichen Grund am 15. 5. und verschob sie nach dem offensichtlichen Ausbleiben erst einmal um eine Woche.6 Auf einer deutschen Internetseite zum Thema Planet X/Nibiru7 wird zwar weder der Weltuntergang noch der Polsprung prophezeit, dafür erhält man aber Informationen über die vermutete astrologische Bedeutung des neuen Himmelskörpers, seine Stellung im Tierkreis zu wichtigen Begebenheiten der jüngsten Vergangenheit und jede Menge Verschwörungstheorien (... weil die Astronomen seine Existenz weiterhin hartnäckig „leugnen"). Für Biologen wären die in einer indischen Prophezeiung beschriebenen Vorzeichen einer Zeitenwende höchst interessant gewesen: „Männliche Ziegen und Ochsen mit Milchdrüsen, die gemolken werden können", sollten der für 2003 prophezeiten Ankunft eines „Krishna-Avatars" namens Sree Vishiva Karma Veera Narayana Murthy vorausgehen und ein neues, 108 Jahre dauerndes „Zeitalter der Rechtschaffenheit" einläuten.8Eher bodenständig ging es dagegen in unseren Breiten zu. Nicht das Ende der Welt, sondern das Ende der Bundesregierung sahen der Seher Albert Lehmann 9 oder der Astrologe Helmut Aden10 voraus. Genauer wusste es mal wieder Patricia „Ich habe noch nie daneben gelegen" Schwennold: Nach vorgezogenen Neuwahlen im Oktober 2003 sah sie Angela Merkel als Kanzlerin einer großen Koalition das Land in eine bessere Zukunft führen.11 Der Münchner Astrologe Robert Müntefering war sich hingegen vollkommen sicher: „Auf alle Fälle heißt ab November 2003 der neue deutsche Bundeskanzler Edmund Stoiber, der erste Bayer im Kanzleramt!" 12 Diese auch auf den Webseiten des Starastrologen Winfried Noé veröffentlichte Prognose widerspricht allerdings Noés eigenen astrologischen Analysen, die das Ende von Schröders Kanzlerschaft mehrfach auf 2004 terminierten13. Ob er damit Recht behält, wird die Zukunft zeigen - für 2003 hatte Noé unter anderem mit einem Rückritt der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gerechnet und für Jürgen W. Möllemann „Erfolge als Redner zwischen Mai und November" prognostiziert. Noes Treffer sollen natürlich auch nicht verschwiegen werden: Er hatte die Wiederwahl von Roland Koch in Hessen und Edmund Stoiber in Bayern „vorhergesehen" - aber hätte er für diese Vorhersage wirklich die Sterne bemühen müssen?
Auch die Qualität von Astrologenprognosen für das Leben prominenter Zeitgenossen ließ zu wünschen übrig. Wenn schon einmal halbwegs exakte Voraussagen gemacht wurden (und das war eher selten), waren diese entweder trivial („Dieter Bohlen wird im Juni einen Hit haben") oder überwiegend falsch. Kurt Allgeier sah in seinen Jahresprognosen14 das Ende der Ehe von Gerhard Schröder und Doris Schröder-Köpf, Rosalinde Haller aus Wien Gleiches bei Andre Agassi und Steffi Graf15. Dem Fußballer Olli Kahn wäre es wohl lieber gewesen, wenn Allgeiers Prognosen zutreffend gewesen wären, doch seine Ehe verschwand nicht aus den Schlagzeilen, sondern er trennte sich von seiner Angetrauten - von der Klatschpresse monatelang genüsslich ausgeschlachtet. Weitere Fehlprognosen von Herrn Allgeier betrafen Herbert Grönemeyer (zieht zurück nach Deutschland), Stefan Raab (erhält eine neue Show), Michael Jackson (großes Comeback), Nena (wird schwanger), Arnold Schwarzenegger (sein Wechsel in die Politik scheitert) und Königin Beatrix (dankt ab). Lediglich die Schwangerschaft im niederländischen Königshaus sah Allgeier - übrigens nicht als einziger - richtig voraus.
Dabei liegen dem Autor neben vielen weiteren Nieten durchaus auch zutreffende „Promiprognosen" vor: Joschka Fischer ließ sich tatsächlich scheiden, und Olli Kahn beklagte gesundheitliche Probleme (eine laut Bild „mysteriöse" Augenverletzung, die sogar zu seiner Auswechslung in einem wichtigen Länderspiel führte). Diese beiden Prognosen stammen allerdings nicht von einem Astrologen oder Wahrsager sondern von Wolfgang Hund, Mitglied im Wissenschaftsrat der GWUP, der am 3. 1. 2003 einfach wahllos einer Reihe von prominenten Namen die in der Regenbogenpresse üblichen Themen (z. B. Scheidung, neuer Partner, gesundheitliche Probleme, Schwangerschaft etc.) „zugewürfelt" und seine Zufallsprognosen dem Autor per Mail übermittelt hatte. Freilich erwiesen sich auch die Würfel nicht als unfehlbar, sagten sie doch unter anderem eine Schwangerschaft im Hause des Bundeskanzlers voraus.
Beliebt - wie in jedem Jahr - waren auch diffuse Katastrophenprognosen aller Art. Wahre Meisterschaft in dieser Disziplin zeigt zweifellos die bekannte Astrologin Elizabeth Teissier. In einem Interview mit der Zeitschrift Stern16 behauptete sie: „Eine Untersuchung meiner Gegner hat ergeben, dass 82% meiner Vorhersagen stimmen." Wer diese „Gegner" sind, verrät sie nicht, aber wenn man sich ihre Prognosen für die einzelnen Neumondphasen des Jahres im „Astro Guide 2003"17 betrachtet, kann diese „Trefferquote" nicht verwundern. Die Prognosen der inzwischen sogar mit der Doktorwürde in Soziologie ausgestatteten Französin sind so allgemein und schwammig formuliert, dass es ein Leichtes ist, ihnen im Nachhinein irgendwelche „Treffer" zuzuordnen. So sagte sie für eine Neumondphase voraus: „Schäden und Unfälle durch Wasser, Skandale in Finanzwelt und Politik, Probleme im Gesundheitswesen, in der Ernährung, bezüglich der Umwelt usw. [sind] verstärkt möglich", für eine andere: „Konsequenz: Probleme und Unfälle im Straßenverkehr, im Flugwesen, Unwetter (...) auch Umweltprobleme, Unfälle durch Giftstoffe und außergewöhnliche Verbrechen könnten uns mehr als sonst beschäftigen."
Wenn eine Sache nur „möglich ist" oder „uns beschäftigen könnte", muss das Ausbleiben entsprechender Schlagzeilen natürlich noch nicht unbedingt als Fehlprognose gewertet werden - und außerdem ist es ziemlich wahrscheinlich, dass irgendwo auf der Welt etwas Passendes geschehen ist.
Wie in jedem Jahr gab es auch 2003 Katastrophen aller Art. Erdbeben (z. B. Anfang November in Japan, Algerien im Mai, China im Februar), Flugzeugabstürze weltweit und - die seit dem 11. 9. 2001 bei Prognostikern sehr beliebten - Terroranschläge blieben ebenso wenig aus wie Wirbelstürme (z. B. im Mai und September an der US-Ostküste) und Überschwemmungen (z. B. Las Vegas im August oder Sumatra im November). Mit allgemeinen Prognosen dieser Art konnte man also gar nicht falsch liegen. Gingen Astrologen oder Wahrsager allerdings das Wagnis ein, ihre Katastrophenprognosen bezüglich Zeit und Ort des Geschehens zumindest rudimentär einzugrenzen, lagen sie weitgehend daneben. „Es gibt Anzeichen für neues Hochwasser", las der Astrologe Norbert Giesow18 am 30.12.2002 in einer Radiosendung des NDR in den Sternen, und auch sein Kollege Helmut Aden10 wollte vorab von Überschwemmungen in Deutschland wissen. Aber die Elbeflut von 2002 wiederholte sich nicht, statt dessen bewegten sich die Pegelstände in rekordverdächtigen Tiefen.
In den Lüdenscheider Nachrichten war es der Astrologe Rei Souli, der einerseits die"Horrorangst schürte, indem er Anschläge in Italien, Großbritannien und Deutschland voraussah, die Leser jedoch auch mit der - richtigen! - Prognose „Lüdenscheid bleibt verschont" beruhigte19. Patricia Schwennold wiederholte auf ihren diesjährigen Deutschland-Touren viele ihrer Fehlprognosen aus den vergangenen Jahren: einen Terroranschlag in Berlin, ein Attentat auf Joschka Fischer, ein „Giftattentat" in Washington, die bevorstehende Abschaffung des Euro11, 20 - und auch ihre frühere Prognose, die Amerikaner würden „im Mai/Juni" Osama bin Laden finden,21 erwies sich als falsch. Ein weiterer Klassiker im Angebot der alljährlichen Fehlprognosen sind Nuklearkatastrophen: Wie in den Vorjahren überwiegend für Japan und/oder das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion vorhergesagt (z. B. von Norbert Giesow, Helmut Aden, Rosalinde Haller, Mahendra Sharma22), blieben auch sie glücklicherweise aus.
Die verschiedenen Prognosen zum Irak-Konflikt erwiesen sich dagegen auf den ersten Blick als weitgehend zutreffend. Ob dies allerdings als Beleg für die Treffsicherheit astrologischer Prognosen taugt, darf bezweifelt werden. Auch ohne den Blick in die Sterne waren sich politische Kommentatoren schon 2002 überwiegend einig, dass die amerikanische Führung diesen Weg - notfalls auch ohne UNO-Mandat und trotz des teilweise immensen politischen Widerstands von verbündeten Regierungen - beschreiten würde. Und wie bei den Katastrophenprognosen galt auch hier: je detaillierter die Prognose, desto weniger treffsicher. So hielt Helmut Aden den „Irak-Krieg (...) auch aus astrologischer Sicht [für] wahrscheinlich", befürchtete aber gleichzeitig für Israel: „im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg besteht die Gefahr von Verseuchung". Noch vorsichtiger äußerte sich Norbert Giesow, für ihn „zeigt[e] sich deutlich die Kriegsgefahr (Saturn/Pluto, vor allem Februar)" - zum Zeitpunkt der Prognose am 30. 12. 2002 war dies etwa so schwierig wie die Prognose des morgigen Sonnenaufgangs. Winfried Noé sah für den Irak zwischen März und September voraus, dass „sich das Land grundlegend wandeln" werde, außerdem „großes Leid in der Bevölkerung, Zerstörung des Landes, Elend durch Gewalt" (also die üblichen, schrecklichen Folgen eines Krieges), ohne einen US-Angriff explizit zu nennen. Gar nicht mal falsch, aber laut seines USA-Horoskops sollte ein Militärschlag auch „eine massive Inflation durch Ölverknappung in Gang setzen, was weite Schichten der Bevölkerung verarmen lässt", und zu Terroranschlägen auf amerikanischem Boden führen.
Im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg ist ein weiteres „Lieblingsopfer" der selbst ernannten Zukunftskenner im Jahr 2003 zu nennen: George W. Bush. Schwennold, Haller und Lehmann sahen ebenso einen Anschlag auf das Leben des amerikanischen Präsidenten voraus wie Jean Paul Zamora 23 (der in seinen Visionen außerdem Saddam Hussein neben einem „Anthrax-Pott" sowie Opfer eines Giftanschlags in der Nähe eines US-Supermarktes „gesehen" haben wollte). Auch Winfried Noé wollte einen Anschlag in seinem im Juni/Juli veröffentlichten Bush-Horoskop zumindest nicht ausschließen. Dass Noé mit einigen seiner Einschätzungen zur weiteren politischen Entwicklung der Bush-Administration nicht einmal falsch lag, soll dabei nicht unerwähnt bleiben - allerdings muss auch hier die Frage erlaubt sein, ob es dafür der Astrologie bedurft hätte: Ähnlich lautende Einschätzungen waren auch in Publikationen wie Spiegel, Zeit, Focus oder Newsweek ohne astrologisches Brimborium zu lesen.
Das Fazit kann auch für 2003 nur lauten, dass die vollmundigen Behauptungen diverser Astrologen und Wahrsager in der Öffentlichkeit in krassem Widerspruch zu ihren Prognoseleistungen stehen. Ich traue mich vorauszusagen, dass dies auch 2004 die Protagonisten dieser Szene wenig stören wird - sie werden auch weiterhin ihre Prognosen veröffentlichen. Ob es dann mehr Treffer zu verzeichnen geben wird, bleibt abzuwarten. Und ob sich unter den Treffern auch die folgende Prognose von Edeltraud Lukas Möller24 für 2004 befinden wird, möchte ich schon heute bezweifeln:
„Im Juli-August könnte der Mercur-Löwe-Zyklus dazu beitragen, dass, ,irgendwo in der Welt‘, Bomben zum Einsatz kommen, die aber nicht explodieren, weil vergessen wurde, Zündkörper einzubauen. Diese vollkommen verrückte Geschichte, ob sie nun tatsächlich auf Versagen beruht oder auf raffinierter Sabotage, wird, astrologisch gesehen, einen Kriegsausbrauch verhindern. WENN - der Circus stattfindet, wird er von den Medien wahrscheinlich verheimlicht werden - jedenfalls wären, astrologisch gesehen, verwickelt in die Geschichte: Argentinien, Deutschland, Israel, Griechenland, URSS (die einstige Sowjetrepubliken), die Al-Quaida-Gruppe und die Feindbilder-2004 USA, Polen, Ruanda, Kolumbien und das Saddam-Gespenst."
Quellen
Einige der als Quelle genannten Webseiten werden ständig verändert. Insbesondere bei offensichtlichen Fehlprognosen werden die Texte häufig recht schnell durch neue Prognosen ersetzt. Unter wahrsagercheck.de sind die hier zitierten - und weitere - Prognosen im Originaltext bzw. zumindest in aussagekräftigen Auszügen verfügbar.
(1) Time Magazine, 12. 7. 1999(2) www.rickross.com/groups/nuwaubians.html
(3) www.zetatalk.com/index/psdate0.htm bzw. http://www.zetatalk.com/thub.htm
(4) http://www.zetatalk.com/index/psdate1.htm
(5) www.flagship1.com/research/poleshift.html
(6) www.wwrn.org
(7) www.bunkahle.com/Aktuelles/Astrologie/Planet_X_Nibiru.html"
(8) www.religioustolerance.org/end_wrl1.htm
(9) www.albert-lehmann.com
(10) Ostfriesen Zeitung, Leer, 14. 1. 2003
(11) Neue Westfälische Zeitung, Lokalteil Höxter, 19. 6. 2003
(12) www.zeitdiagnose.de
(13) www.noeastro.com
(14) Neue Revue, Heft 1/2003
(15) web.utanet.at/rosaliny/hellsehen/setprophezeiung.htm
(16) Stern, 15. 4. 2003 bzw. www.stern.de/lifestyle/leute/index.html?id=506692&nv=ma_ct
(17) Astro Guide 2003, Realis Verlag,Gräfelding,
(18) www.giesow.de/Medien
(19) Lüdenscheider Nachrichten, 19. 6. 2003
(20) Passauer Neue Presse, 19. 3. 2003
(21) Erlanger Kreiszeitung, 20. 10. 2001
(22) www.mahendraprophecy.com
(23) www.jpzamora.de
(24) www.astrologiaegiziana.com/de.mundan.htm
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 3/2004.