Die Parapsychologie (griech. para: neben; psyche: Seele; logos: Lehre) hat sich die Beschreibung und Erklärung von paranormalen Phänomenen zum Ziel gesetzt. Damit sind Erscheinungen gemeint, die mit den heutigen Erkenntnissen der Wissenschaften nicht erklärt werden können. Der Begriff Parapsychologie wurde 1889 von Max Dessoir geprägt. Heute wird das Forschungsgebiet der Parapsychologie in mentale und paraphysische Sachverhalte unterteilt, d.h. außersinnliche (ohne Nutzung der bekannten Sinne) Wahrnehmung (ASW) und die Einwirkung von Geist auf Materie. Mentale Sachverhalte sind Telepathie (Gedankenlesen), Psychometrie (Präkognition und Hellsehen). Zu den paraphysischen Phänomenen zählt man alle Formen von Beeinflussung der physischen Umwelt auf mentalem Weg, ohne die Beteiligung von bekannten physikalischen Energien oder direkten physikalischen Kontakt. Zu dieser Gruppe gehören Telekinese, Materialisation, Spuk und Levitation.
Als Überbegriff für parapsychologische Phänomene wurde „Psi“ gewählt. Psi ist ein Buchstabe des griechischen Alphabets und Anfangsbuchstabe des Wortes „psyche“ (griech. Seele). Oft bezeichnet „Psi“ auch eine unbekannte Kraft, die hinter den Phänomenen vermutet wird.
Das Interesse von Menschen an solchen Phänomenen geht weiter zurück, aber als den Beginn der wissenschaftlichen Erforschung kann man das Jahr 1882 ansehen, in dem die Society for Psychical Research in London gegründet wurde. Die umfassende experimentelle Erforschung begann 1934 mit der Gründung des ersten parapsychologischen Labors durch den Amerikaner Joseph Banks Rhine. Mit einem Satz von 25 eigens entwickelten Symbolkarten (Zener-Karten) führte er Rateversuche durch. Von der statistischen Auswertung versprach er sich den Nachweis auch kleinerer Effektstärken von ASW. In Deutschland gründete Hans Bender 1954 das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. (Freiburg i.Br.), ferner wurden an vereinzelten Universitäten Lehrstühle für Parapsychologie eingerichtet. Noch heute existiert ein Lehrstuhl für Parapsychologie im schottischen Edinburgh.
Die zurzeit am meisten diskutierten Forschungen zur ASW sind die durch Charles Honorton initiierten Ganzfeld-Experimente zur Telepathie. Hierbei werden Probanden durch weißes Rauschen sowie diffuses rotes Licht und halbierte Tischtennisbälle auf den Augen von strukturierten akustischen und optischen Reizen abgeschirmt. Ihre Aufgabe ist der Empfang von telepathischen Signalen eines zweiten Versuchsteilnehmers, der sich an anderem Ort Raum auf bestimmte Bilder oder Eigenschaften des Ortes konzentriert. Auf dem Gebiet der Einwirkung des Geistes auf die Materie haben Helmut Schmidt und Robert Jahn winzige Effekte der mentalen Beeinflussung von Zufallsgeneratoren berichtet.
Trotz umfangreicher Forschung gibt es für die Existenz derartiger Phänomene keine überzeugenden wissenschaftlichen Hinweise und die Parapsychologie muss deshalb als hoch spekulativ betrachtet werden. Die Kritikpunkte im Einzelnen:
- Die fehlende sichere Replizierbarkeit der Phänomene.
- Sie merken an, dass mit zunehmender experimenteller Kontrolle die Effektstärken abnehmen und teilweise extrem kleine Werte erreichen und
- viele der berichteten Gesetzmäßigkeiten (z.B. der „decline effect“ und der „sheep/goat effect“) eher auf normale Erklärungen (mangelnde experimentelle Kontrolle) hindeuten.
- Ferner weisen sie auf die definitorische Unschärfe des Begriffs Psi hin. Eine positive Definition von Psi-Phänomenen fehlt, stattdessen wird Psi als unbekannter Faktor definiert, der sich den bekannten Wahrnehmungskanälen entzieht.
Inge Hüsgen, Prof. Dr. Wolfgang Hell
Literatur:
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Alcock, J. (2003) Give the Null Hypothesis a Chance: Reasons to Remain Doubtful About the Existencen of Psi. In: J. Alcock, J. E. Burns, A. Freeman (Hg.) Psi Wars - Getting to Grips with the Paranormal, S. 29-50. Imprint Academic, Exeter.
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Hergovich, A. (2001): Der Glaube an Psi. Die Psychologie paranormaler Phänomene. Huber, Bern
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Hyman, R.(1989), The Elusive Quarry: A Scientific Appraisal of Psychical Research, Prometheus Books, Amherst.
Stand: 15.03.2009