Bernd Harder
Das kommt darauf an, wen man fragt. Die Astronomie (die Wissenschaft von der Erforschung des Weltraums und der Gestirne) sagt ja. Die Astrologie (die mystische Lehre vom angeblichen Einfluss der Sterne auf unser Leben) sagt nein. Das liegt in erster Linie daran, dass Astronomen die realen Sternbilder am Himmel betrachten, während Astrologen ihre Horoskope am Schreibtisch erstellen und dafür nur die Tierkreiszeichen ins Kalkül ziehen.
Was bedeutet das? Dazu müssen wir etwas weiter ausholen. Zur Geburtsstunde der klassischen Astrologie in den frühen Hochkulturen orientierten sich die babylonischen Sterndeuter an der scheinbaren Sonnenbahn. Heute wissen wir, dass die Sonne gar nicht wandert, sondern in Wirklichkeit die Erde sich um die Sonne bewegt. Davon spüren wir aber nichts. Aus unserer Perspektive sieht es vielmehr so aus, als würde die Sonne um die Erde kreisen.
Diesen "Sonnenlauf" nannten die Astrologen Ekliptik. Und sie beobachteten weiter, dass die Sonne auf ihrem scheinbaren Wanderweg am Firmament Jahr für Jahr zwölf Sternbilder passierte – also Gruppen von Sternen, die ein mehr oder weniger auffälliges Muster bilden und hauptsächlich nach Gestalten aus der Mythologie benannt sind. Dieser Gürtel aus den zwölf Sternbildern Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fische bekam die Bezeichnung "Tierkreis".
Die Sternbilder auf dem Tierkreis heißen "Tierkreissternzeichen" oder kurz Tierkreiszeichen. Und nur diesen zwölf Tierkreiszeichen, die vor 2000 Jahren auf der Ekliptik zu sehen waren, schreibt die Astrologie eine astrale Bedeutung zu. Konkret: Astrologen unterteilen die Ekliptik in zwölf gleiche Abschnitte von genau 30 Grad, die nach den dort sichtbaren Sternbildern benannt wurden.
Heute jedoch stellt sich die Situation am Himmel ganz anders dar. Wegen der Anziehungskräfte von Sonne und Mond bewegt sich die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne nicht in einer festen Achslage, sondern taumelt sozusagen wie ein Kreisel durchs All. Der Fachausdruck dafür lautet „Präzession". Und diese Tatsache ist äußerst bedeutsam für die Ekliptik, also den scheinbaren Sonnenlauf.
Denn als "Startpunkt" für die alljährliche Wanderung der Sonne durch den Tierkreis bestimmten die Astrologen damals den so genannten Frühlingspunkt – den Punkt am Himmel, wo die Sonne zum Frühlingsanfang um den 21. März zu sehen ist. Vor 2000 Jahren stand die Sonne am Frühlingsanfang vor dem Sternbild Widder. Deshalb beginnt der klassische astrologische Tierkreis mit dem Tierkreiszeichen Widder.
Da aber die Sonne gar nicht wirklich wandert, sondern die Erde, haben wir mittlerweile ganz andere "Himmelsgegenden" vor Augen als vor 2000 Jahren. Denn eine natürliche Folge der Präzession ist, dass unsere Erdachse schwankt. Genauer gesagt: Wie ein Kinderkreisel, der langsam ausläuft, taumelt die Erdachse, sodass sich die Schrägstellung der Achse dauernd verändert, wenn auch nur sehr langsam. Im Laufe von etwa 26 000 Jahren vollführt die Erdachse eine vollständige "Taumeldrehung", steht also nach 26 000 Jahren wieder in der gleichen Schrägstellung.
Was hat das nun mit den Tierkreiszeichen zu tun? Mit der Taumeldrehung der Erdachse "wandert" und verschiebt sich auch der Frühlingspunkt als optischer Bezugspunkt. Das heißt: Wenn wir heute zum Himmel schauen, sehen wir die Sonne zum Frühlingsanfang nicht mehr vor dem Sternbild Widder (und somit im ersten Zwölftel des astrologischen Tierkreises), sondern vorm Sternbild Fische. Auch die übrigen Tierkreiszeichen decken sich nicht mehr mit den gleichnamigen Sternbildern, sondern liegen um etwa 30 Grad, also etwa um ein Tierkreiszeichen, verschoben.
Und nun kommt endlich das 13. Tierkreiszeichen ins Spiel: Anders als die Astrologie kennt die Astronomie keinen "Tierkreis". Astronomen unterteilen die zwölf Sternbilder auf dem astrologischen Tierkreis nicht in die zwölf gleichen Längenabschnitte von jeweils 30 Winkelgraden eines 360-Grad-Kreises, sondern vermessen exakt die realen, ungleichen Längenausdehnungen der Sternbilder.
Nach der Festlegung der Sternbild-Grenzen durch die Internationale Astronomische Union verläuft ein Teil der imaginären astrologischen Ekliptik durch das Sternbild "Schlangenträger". Die Sonne steht momentan also für einige Tage im Jahr (vom 29. November bis zum 18. Dezember) im Schlangenträger und damit außerhalb der zwölf Tierkreiszeichen der klassischen Astrologie. Genau genommen ist also jemand, der zu dieser Zeit geboren wird, kein "Schütze", sondern ein "Schlangenträger".
Die Astrologie indes ficht das nicht an. Da die Sonne das Sternbild "Schlangenträger" nur knapp am Rand streift und außerdem mit 12 leichter zu rechnen ist als mit der ungeraden Primzahl 13, spielt das 13. Tierkreiszeichen im astrologischen Weltbild keine Rolle.
Gegen wissenschaftliche Einwände haben sich Astrologen ohnehin weitgehend immunisiert, indem sie ihr Fach zueinem reinen "Symbolsystem" auf der Grundlage eines uralten und recht sturen Schematismus erklären.