Martin Mahner
Die Pläne zur Einrichtung eines „Skeptischen Zentrums“, wie der ursprüngliche Arbeitstitel hieß, gehen auf das Jahr 1998 zurück. Die GWUP wollte eine zentrale Anlauf- und Informationsstelle schaffen, denn die Zahl der An- und Nachfragen nahm stetig zu und konnte von den ehrenamtlichen Kräften nur noch unzureichend bewältigt werden. Es wurde dann auch jemand gefunden, der diese Stelle im Mai 1999 angetreten hat: der Autor dieses Berichts. Die erste Frage, die damals auftauchte, war: Wie nennen wir diese neue Einrichtung? Einen Namen sollte das Kind schon haben, auch wenn es sich noch im Embryonalzustand befand. Viele Vorschläge wurden gemacht und diskutiert: Info-Zentrum für Wissenschaft und Aufklärung, Skeptisches Zentrum, Skeptiker-Forum, Carl-Sagan-Zentrum, Skepzent Hall, Zentrum für kritisches Denken, Zentrum für Wissenschaft und kritisches Denken, Zentrum für wissenschaftliche Information und Aufklärung, u. v. m. Den Ausschlag gab schließlich die Tatsache, dass seit Heft 3/98 der Skeptiker den Untertitel „Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken“ trägt. Warum also nicht auch ein „Zentrum für Wissenschaft und kritisches Denken“?
Die zweite Frage, die damals beantwortet werden musste, war gewichtiger: Wohin mit dem Neuling und der aufzubauenden Institution? Die GWUP verfügte seinerzeit gerade einmal über ein etwa 27 Quadratmeter umfassendes Büro, das aus allen Nähten platzte. Es war bis unter die Decke vollgestapelt mit Ordnern, Büchern und Skeptiker-Schachteln; dazu ein Schreibtisch, von dem aus Frau Körkel die Mitglieder- und Abonnentenverwaltung betreute sowie die vielen andere kleinen und großen Dinge, die anfielen. Es gab keinen Weg darum herum: Die GWUP musste umziehen. Doch wohin? Sollten wir die Gelegenheit nutzen, 7 km weiter nach Darmstadt zu ziehen – eine Stadt, die man im Gegensatz zum kleinen Roßdorf besser kennt? Oder wäre es wichtiger, Postfach und Telefonnummern behalten zu können, damit der Kontakt zu Mitgliedern, Abonnenten und Interessenten nicht behindert wird? Zum Schluss gab der Zufall in Kombination mit letzterem Argument den Ausschlag, denn wir fanden im Arheilger Weg 11 ein schönes neues Büro. (Benannt ist die Straße übrigens nach dem Ort Arheilgen nördlich von Darmstadt. Der Name ist also kein Tippfehler, wie diejenigen möglicherweise annehmen, die uns immer wieder an den Arheiliger Weg schreiben.) So verfügen wir nun über einen kleinen Seminarraum, einen Raum für die allgemeine Verwaltung sowie einen für die neue Informationsstelle und Bibliothek. Die Aufbauarbeit konnte also beginnen. Zunächst wurde die kleine, wenig nutzerfreundliche Bibliothek neu organisiert und ausgebaut. Der Buchbestand ist von unter 300 inzwischen auf über 800 angewachsen. Darunter befinden sich auch sehr seltene Exemplare, wie z. B. zwölf Protokoll-Bücher von Michel Gauquelin, die das belgische Comité Para erst vor kurzem dem Zentrum überlassen hat. Zum Bestand gehören zudem ca. 130 Zeitschriftentitel, die aber nicht alle laufend gehalten werden (können). Dabei dürfte das Zentrum die für Europa größte Sammlung von Zeitschriften und Newslettern internationaler Skeptiker-Organisationen besitzen: Von Nigeria bis Finnland, von Tschechien über Indien bis Neuseeland reicht das Zeitschriften-Sammelgebiet des Zentrums. Zur Verwaltung der Bibliothek sowie zur Literaturverwaltung allgemein wurde ein professionelles Datenbankprogramm angeschafft. Dieses erlaubt es auch, verschiedenste Bibliographien zu generieren, z. B. durch Suche nach Stichworten, Autoren, Zeitschriften usw. Diese Datenbank wird weiterhin gefüllt und ausgebaut.Ein weiteres Projekt des Zentrums ist eine Informationsblatt-Sammlung. In Form von kurzen, prägnanten, zweiseitigen Infoblättern werden die wichtigsten Themen, die immer wieder nachgefragt werden, übersichtsartig behandelt. Die meisten Leute, die sich an uns mit der Bitte um Auskunft wenden, wünschen keine langen Listen mit Spezialliteratur oder Diskussionen um die neuesten Studien und Meta-Analysen, sondern eine übersichtliche Zusammenstellung von Grundinformationen. Diese Nachfrage soll damit befriedigt werden. Erstellt werden die Blätter von Fachleuten oder in Zusammenarbeit mit solchen. Daher sei an dieser Stelle auch allen gedankt, die bislang an den Infoblättern mitgearbeitet haben. Zurzeit liegt eine noch eher heterogene Sammlung von knapp 35 Blättern zu den verschiedensten Themen vor, womit jedoch noch längst nicht alle wichtigen Themen abgedeckt sind. (Eine Übersicht der vorhandenen Infoblätter ist im Zentrum erhältlich bzw. findet sich auf unserer Webseite unter www.gwup.org/ueberuns/zentrum/index.html.) Auch dies ist also ein weiter auszubauendes Projekt.
Das Zentrum hat ferner damit begonnen, eine Reihe von Seminaren durchzuführen bzw. zu organisieren. Die Leser und Leserinnen des Skeptiker dürften diesen Aspekt der Zentrumsarbeit durch die großformatigen Anzeigen dazu auf der Rückseite vieler Hefte sicher seit geraumer Zeit bemerkt haben. Auch hier danken wir allen, die bislang so freundlich waren, Seminare anzubieten und durchzuführen. Hauptaufgabe des Zentrums ist neben der Literaturverwaltung und der Durchführung von Seminaren die Beantwortung von Anfragen aus der Öffentlichkeit. Im Jahre 2002 bearbeiteten wir bis Anfang Dezember ca. 220 Anfragen zu den verschiedensten Themen. Dabei stammten zwei Drittel von Privatpersonen, ein Drittel der Anfragen von den Medien. Erfreulich ist festzustellen, dass das Zentrum bzw. die GWUP gerade bei den Medien einen zunehmenden Bekanntheitsgrad als Anlaufstelle für kritische Informationen erlangt hat. Die im Jahre 2002 am häufigsten nachgefragten Themen waren: Erdstrahlen/Wünschelruten, Magnettherapie, Geistheiler, Homöopathie sowie die verschiedensten Wasserbelebungsverfahren (z. B. Grander-Wasser, levitiertes Wasser). Hervorheben sollte man vielleicht noch, dass das Zentrum nur Sachfragen beantworten kann. Anfragen, die sich als Suche nach psychologischer Beratung erweisen, werden an andere Stellen weitergeleitet, die für eine solche Beratung qualifiziert sind. Solche Fälle sind glücklicherweise eher selten und sie sind bei der oben genannten Zahl der Anfragen auch nicht mitgezählt. Dasselbe gilt für die gelegentlichen Anfragen, die auf einem Missverständnis unserer Arbeit beruhen. So fragen manche danach, ob wir ihnen nicht einen echten Wahrsager oder Heiler empfehlen können, denn es sei ja so schwer, diese in der Masse der Scharlatane zu erkennen. Wir müssen dann leider mitteilen, dass bislang keine Gütesiegel für diese Gruppen zu vergeben sind. Was für den, der damit am Telefon zu tun hat, glücklicherweise ganz selten vorkommt, sind schließlich Protestanrufe nach dem Motto, dass das, was die GWUP sage, vollkommen falsch sei, weil der Anrufende selbst über diese oder jene Fähigkeiten verfüge und diese nachgewiesen seien. Nein, testen lassen möchte man sich nicht, das sei nicht nötig. Dafür könne man aber beispielsweise ein Traktat mit näheren Ausführungen schicken. Oder man könne gleich ein praktisches Beispiel geben, wie z. B. eine Ferndiagnose per Radar, die schließlich dem Zentrumsleiter Probleme mit der Milz, dem Dünndarm und am 12. (!) Halswirbel attestierte und in einer Empfehlung mündete, deswegen baldigst einen Arzt aufzusuchen …
Neben all dem Genannten ist das Zentrum natürlich auch an vielen anderen kleinen und größeren Dingen beteiligt, wie z. B. an der Organisation der GWUP-Jahreskonferenz, die aber nicht weiter aufgezählt seien. Hervorzuheben bleibt noch, dass das Zentrum – als Center for Inquiry Europe – neuerdings auch als zentrale Verwaltungseinrichtung des europäischen Skeptiker-Dachverbands ECSO (European Council of Skeptical Organisations) fungiert. Insgesamt dürfte die Einrichtung des Zentrums in neuen Büroräumen der größte Schritt sein, den die GWUP seit ihrer Gründung vor 15 Jahren getan hat. Mögen wachsende Abonnenten- und Mitgliederzahlen dazu beitragen, dass diese Einrichtung auch langfristig weitergeführt werden kann.
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 4/2002.