Das A -Z wird nicht mehr aktualisiert.
Die Auseinandersetzung mit Corona-Mythen, Verschwörungstheorien, "Querdenkern" etc. wird tagesaktuell im GWUP-Blog fortgeführt.
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5G
Siehe unter "F".
A
Ärzte für Aufklärung
Federführend bei den Hamburger „Aufklärungsärzten“ sind Heiko Schöning, der bei Corona-Demos von einer „Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht“ spricht, der „Ganzheitsmediziner“ Marc Fiddike (Kinesiologie, Homöopathie), der Hochdosis-Vitamin-C-Propagandist Olav Müller-Liebenau und der Onkologe Walter Weber, der davon ausgeht, dass Krebs auch durch „psychosomatischen Stress“, also „Konflikte“, verursacht wird.
Wie Report Mainz im Juli berichtete, spricht sich die Gruppe im Internet für ein "großzügiges" Ausstellen von Attesten gegen die Maskenpflicht aus:
Mehrere Ärzte, die die Initiative unterstützen, kommen diesem Aufruf nach.
Einen aussagekräftigen Bericht über einen Auftritt von Walter Weber in Bozen hat das Südtiroler Nachrichtenportal Salto.bz im September veröffentlicht.
- Medical Tribune: Wenn Ärzte von der Coronakrise als einer „kriminellen Inszenierung“ sprechen
- Correctiv: „Ärzte für Aufklärung“ verbreiten in ihrer Videokonferenz irreführende Behauptungen über Covid-19
- GWUP-Blog: Video: Ärzte „für Aufklärung“ oder eher mit Aversionen gegen die Corona-Vorschriften
Alkohol
- siehe "Wasser / Wasserstoffperoxid"
Alternative Meinungen
Wenn jemand ganz einfache Antworten auf eine so komplexe Situation wie die Coronakrise gibt – dann hat man es nahezu sicher mit einer Fake News oder Verschwörungstheorie zu tun, ist die Quintessenz dieses SAT.1.-Interviews:
Denn einfach ist das Ganze nun mal nicht.
... waren unsere Regierungen, Behörden und Beamten gewarnt, durch Szenarien, die in allen Details ausgemalt waren.
... ist die Corona-Krise für die Mehrheit der Menschen weder der lang herbeigesehnte Systemwechsel, noch ist sie ein meditatives Erweckungserlebnis [....], sondern eine verfickte Katastrophe.
Und zu Recht ...
... wird das Nachdenken darüber, was da mit uns geschehen ist und wie es weitergehen soll, intensiver,
schreibt Dr. Joseph Kuhn im Science-Blog Gesundheits-Check:
Es war gut, entschieden zu handeln, auch um den Preis, dass dabei Fehler gemacht wurden oder Tatkraft und Profilierungsdrang nicht immer zu unterscheiden waren. Nichtstun wäre ganz sicher keine Alternative gewesen.
Aber wer hat jetzt die richtige Exitstrategie aus dem Shutdown?
Kuhn:
Ich behaupte: im Augenblick niemand.
Und das ist genau das Feld, auf dem die Verschwörungstheorien blühen: die Suche nach Gewissheiten, "an die man sich klammern kann; die nicht auf wackligen Füßen stehen und im Begriff sind, von neuen Entwicklungen immer wieder über den Haufen geworfen zu werden":
Verschwörungstheorien erfüllen eigentlich immer dieselbe Funktion: In einer Situation, die man sich nicht erklären kann, die man nicht kontrollieren kann, die als bedrohlich für das eigene Leben empfunden wird, Sicherheit herzustellen, indem man Urheber und Schuldige ausmachen kann.
sagt die Philosophin Prof. Caroline Heinrich im Standard:
Das Erklären suggeriert, in einer unübersichtlichen Situation den "Durchblick zu haben" und so Kontrolle zurückzugewinnen. Was die Sache schwierig macht, ist, dass es tatsächliche Verschwörungen gibt – angefangen bei kleinen Intrigen und unzulässig geheimen Absprachen – und dass es partikuläre Einzelinteressen gibt, die auf den eigenen Vorteil – ökonomischer oder sonst wie gearteter Natur – ausgerichtet sind.
Damit gibt sich der Verschwörungstheoretiker aber nicht ab. Er will nur die "groß angelegte konzertierte Aktion" sehen, durch die er sich, indem er sie vermeintlich durchschaut, selbst überhöht.
Der "große Plan", gezielte Komplotte, gelenkte Marionetten – das ist das zweite Kennzeichen von Verschwörungstheorien. Und zugleich die Abgrenzung zu respektablen Einwänden.
Die Pharmazeutische Zeitung etwa zitierte als Beispiel für "Meinungen am Rande des Mainstreams" den Würzburger Virologen Prof. Carsten Scheller.
Im Unterschied zu Bodo Schiffmann klagt auch der Virologe Scheller aktuell eine stark tendenziöse Datenlage zur Corona-Epidemie in Deutschland an.
Das macht er laut PZ aber nicht vorwurfsvoll, sondern er erkenne sehr wohl an, dass das Vorgehen der Verantwortlichen den Zwängen der Situation geschuldet sei.
Aus diesen und weiteren Gründen sehe Scheller die aktuellen Maßnahmen ebenfalls kritisch und empfehle, auch über Exitstrategien nachzudenken.
Im Gegensatz zu Schiffmann stellt er aber nicht das gesamte System und alle Maßnahmen infrage,
analysierte die Schwäbische Zeitung.
Das ist der entscheidende Unterschied zwischen sinnvoller Kritik und der "Bequemlichkeit der Unvernunft" eines Wodarg, Bhakdi und Co.
Trotzdem erreichen deren Videos auf Youtube und Facebook Millionen Menschen – und das, obwohl "diese mit Wissenschaft nichts zu tun haben":
Wodarg und Bhakdi sind zwei von Dutzenden angeblichen Experten, die derzeit als Corona-Meinungsmacher auftreten. Sie kritisieren die Maßnahmen der Bundesregierung, warnen vor angeblicher Panikmache und sprechen von Hysterie.
Die Recherche-Organisation Correctiv und Medien wie das ZDF, die Welt, der Spiegel und der Bayerische Rundfunk haben die Behauptungen geprüft. Das Ergebnis: Was Wodarg und Bhakdi sagen, ist nicht völlig falsch, jedoch vermischen sie Fakten mit Spekulation und Desinformation.
Mit Erfolg: Ein Millionenpublikum hört und sieht zu. Und das, obwohl soziale Netzwerke versuchen, Lügen zu Covid-19 einzudämmen. Wie viele Menschen sich desinformieren lassen, zeigt eine Analyse, die Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorliegt. Der Datenanalyst Philip Kreißel hat Videos und Artikel erfasst, die von professionellen Faktenprüfern als irreführend oder falsch gekennzeichnet wurden, und untersucht, wie sie sich in sozialen Netzwerken verbreiten.
Demnach wurden allein 18 Videos, die Fehlinformationen über das Coronavirus enthalten, mehr als zwölf Millionen Mal auf der Videoplattform Youtube angesehen.
Eine Studie der Universität Oxford zeigt einen ähnlichen Befund.

Demnach sind die meisten Falschnachrichten Halbwahrheiten und richten sich gegen Institutionen:
Der Hauptteil der untersuchten Beiträge (etwa 59 Prozent) enthielt nicht vollständig erfundene Inhalte, sondern teilweise wahre Fakten, die verdreht, überspitzt, umformuliert oder aus dem Kontext gerissen worden waren. Diese Form der Falschinformation erwies sich auf sozialen Medien als besonders erfolgreich [...]
Dass sich die meisten Falschnachrichten inhaltlich auf Regierungen und Institutionen bezögen, müsse auch als Indikator dafür gewertet werden, dass es Regierungen nicht immer gelungen sei, „klare, nützliche und vertrauenswürdige Antworten auf dringende Fragen der Öffentlichkeit zu geben“.
Und damit sind wir wieder am Anfang.
Datenlücken, Unsicherheiten und eine mitunter unqualifizierte Risikokommunikation sind Fakt, bedeuten aber weder, dass Merkel eine Diktatur errichten oder das Bargeld abschaffen will, noch dass die Politik mit ihren nichtpharmazeutischen Maßnahmen völlig unangemessen und hysterisch agiert – wie uns "Alternativmedien" nach einer aktuellen Studie der Uni Münster weismachen möchten.
Für all die "Besserwisser und Millionen Hobby-Virologen und -Epidemiologen in den sozialen Netzwerken" (Tagesspiegel) hat der Facharzt FMH für allgemeine Chirurgie, Herz- und Gefäßchirurgie und Präsident von „EurAsia Heart – A Swiss Medical Foundation“, Prof. Paul Robert Vogt, eine
Zwischenbilanz oder eine Analyse der Moral, der medizinischen Fakten, sowie der aktuellen und zukünftigen politischen Entscheidungen
Ein Auszug:
Handelt es sich hier nur um "eine gewöhnliche Grippe", die jedes Jahr vorüberzieht und gegen die wir üblicherweise "nichts" unternehmen – oder um eine gefährliche Pandemie, welche rigide Massnahmen benötigt?
Um diese Frage zu klären, muss man bestimmt keine Statistiker fragen, die noch nie einen Patienten gesehen haben. Die reine, statistische Beurteilung dieser Pandemie ist sowieso unmoralisch. Fragen muss man die Leute an der Front.
Keiner meiner Kollegen – und ich natürlich auch nicht – und niemand vom Pflegepersonal kann sich erinnern, dass in den letzten 30 oder 40 Jahren folgende Zustände herrschten, nämlich dass:
- ganze Kliniken mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose besitzen;
- ganze Intensivstationen mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose aufweisen;
- 25 bis 30 Prozent der Pflegenden und der Ärzteschaft genau jene Krankheit auch erwerben, welche jene Patienten haben, die sie betreuen;
- zu wenig Beatmungsgeräte zur Verfügung standen;
- eine Patientenselektion durchgeführt werden musste, nicht aus medizinischen Gründen, sondern weil wegen der schieren Anzahl an Patienten schlicht das entsprechende Material gefehlt hat;
- die schwerer erkrankten Patienten alle dasselbe – ein uniformes – Krankheitsbild aufgewiesen haben;
- die Todesart jener, die auf der Intensivstationen verstorben sind, bei allen dieselbe ist;
- Medikamente und medizinisches Material auszugehen drohen.
Aufgrund von 1-8 ist es klar, dass es sich um einen gefährlichen Virus handelt, der dieser Pandemie zugrunde liegt. Die Behauptungen, eine "Influenza" sei genau gleich gefährlich und koste jedes Jahr gleich viele Opfer, ist falsch.
Zudem ist die Behauptung, man wisse nicht, wer "an" und wer "wegen" COVID-19 sterbe, ebenso aus der Luft gegriffen.
Vergleichen wir Influenza und COVID19:
Hat man das Gefühl, bei Influenza seien immer alle Patienten "wegen" Influenza gestorben und nie einer "mit"? Sind wir Mediziner im Rahmen der COVID-19-Pandemie nun alle plötzlich so verblödet, dass wir nicht mehr unterscheiden können, ob jemand "mit" oder "wegen" COVID-19 stirbt, wenn diese Patienten eine typische Klinik, typische Laborbefunde und ein typisches Lungen-CT aufweisen?
Aha, bei der Diagnose "Influenza" waren natürlich alle immer hellwach und haben immer die ganze Diagnostik bemüht und waren immer sicher: Nein, bei der Influenza sterben alle "wegen" und nur bei COVID-19 viele "mit".
Zudem: wenn es in einem Jahr in der Schweiz angeblich 1600 Influenza-Tote gab, so sprechen wir über 1600 Tote über 12 Monate – ohne präventive Massnahmen. Bei COVID-19 gab es jedoch 600 Tote in 1(!) Monat und das trotz massiver Gegenmassnahmen. Radikale Gegenmassnahmen können die Verbreitung von COVID-19 um 90 Prozent senken.
Man kann sich also vorstellen, welches Szenario ohne Gegenmassnahmen herrschen würde.
Und darum ist es wichtig, sowohl gegen Viren als auch Verschwörungstheorien vorzugehen.

Gerade ist eine deutsche Übersetzung des "Conspiracy Theory Handbook" von Stephan Lewandowsky und John Cook erschienen.
Darin findet sich unter anderem diese Gegenüberstellung:

Hier geht's zum kostenlosen Download.
Auf diesen Rant haben wir im Kommentarbereich des GWUP-Blogs bereits hingewiesen:
Neu hinzugekommen ist dieser "Netzfund" in der Facebook-Gruppe "Nothing but the Truth –Aufklärung über die Verschwörungsszene" mit ebenfalls nachvollziehbaren Argumenten:
Die Regierungen der Europäischen Union, der USA, Japan, aller G20-Nationen und so ziemlich aller Staaten weltweit riskieren nicht den wirtschaftlichen Ruin ihrer Volkswirtschaften aus einer Laune heraus.

Die Regierungen der Europäischen Union, der USA, Japan, aller G20-Nationen und so ziemlich aller Staaten weltweit lassen sich von Experten beraten. Diese Fachleute sind sich in der Einschätzung der Gefährlichkeit des Coronavirus einig: Es ist KEINE harmlose Grippe.
Wer die "harmlose Grippe-Theorie" noch immer äußert, während das Militär in Bergamo Leichen abtransportiert und Ärzte in den Krankenhäuser von New York bis Madrid verzweifeln, ist ein rücksichtsloser Idiot, der bereit ist, andere Menschen zu gefährden.
Die Einlassungen des von Euch favorisierten Virologen aus der YouTube-Akademie oder der Schwindelpraxis mögen manche Gründe haben: Aufmerksamkeitsdefizit, Langeweile, Arroganz, Dummheit. Relevant macht es den Unfug nicht.
Nein, "die Medien" in Europa, den USA, in Japan, allen G20-Nationen sind nicht allesamt ferngesteuert. Es gibt niemanden, der die "Wahrheit" verschweigt, weil eine geheime Macht übernommen hat.
Unterdrückt wird schon gar niemand, was man daran erkennt, dass selbst Figuren wie Xavier Naidoo oder KenFM ihre Sauce verbreiten, wie es ihnen beliebt.
Allerdings sollte man das etwas freundlicher rüberbringen.
Und was in Ländern geschieht, wo "Alternativmedien" eine dominierende Rolle spielen, können wir gerade in den USA beobachten:
Wenn sich erst einmal flächendeckend die Überzeugung in eine Gesellschaft hineingefressen hat, dass Wissenschaftler und Medien sowieso lügen würden, dass es viele, also immer auch alternative Wahrheiten gebe, dann gibt es gar keine Wahrheit mehr – und dann lassen sich auch real existierende Bedrohungen nicht mehr erkennen.
Dann glaubt eine Gesellschaft den eigenen Experten und Institutionen nicht mehr, sieht nur noch Feinde und Intrigen, jede Antithese ist Hochverrat und natürlich ist darum auch alles Machtpolitik, also persönlich.
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker”: So manipuliert dich dieser Kettenbrief
- Siehe auch "Bhakdi", "Grippe", "Hockertz", "Köhnlein", "Schiffmann", "Verschwörungstheorien", "Wodarg" und "Youtube-Videos"
"An" oder "mit" Covid-19 gestorben?
Update (September):
- Correctiv: Nein, in den USA sind nicht nur sechs Prozent der Corona-Toten an Covid-19 gestorben
Die Welt berichtete am 27. August 2020:
Von 154 untersuchten, in deutschen Kliniken verstorbenen Covid-19-Patienten starben 86 Prozent an der Sars-CoV-2-Infektion und nicht an ihren Vorerkrankungen. Das geht zumindest aus ihren Obduktionen hervor. Die Ergebnisse wurden vor einer Woche vom Bundesverband Deutscher Pathologen vorgestellt.
„In mehr als drei Viertel der Obduktionen konnte die Covid-19-Erkrankung als wesentliche oder alleinige zum Tode führende Erkrankung dokumentiert werden“, heißt es in dem Bericht.
Corona-"Kritiker" wie Sucharit Bhakdi und Karina Reiß zitieren "gerne mal verkürzt oder gar falsch", schrieb die Süddeutsche Zeitung am 13. September:
Etwa aus einem Artikel im Telegraph vom März, wonach 88 Prozent der italienischen Corona-Toten nicht ursächlich an den Coronaviren gestorben seien. Die Zahl entspricht jedoch dem Anteil der Opfer mit Vorerkrankung.
In der aktuelleren wissenschaftlichen Literatur, zum Beispiel in einer Übersichtsarbeit vom Juli im Fachblatt Jama, ist die Rede von 60 bis 90 Prozent der Covid-Toten im Krankenhaus mit Vorerkrankung. Doch mit Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und anderen Covid-19-Risikofaktoren lässt sich gut und lange leben.
Das zeigt, dass Bhakdi/Reiß schlicht die falsche Frage stellen: Es geht nicht darum, ob ein Patient auch ohne Vorerkrankungen an dem SARS-CoV-2-Virus gestorben wäre – sondern ob er seine Vorerkrankungen ohne das Virus überlebt hätte.
Stand März - August:
In seinem "offenen Brief an Frau Bundeskanzlerin Dr. rer. nat. Angela Merkel" fokussiert der emeritierte Mikrobiologieprofessor Sucharit Bhakdi unter anderem auf die Mortalität von Covid-19.
Weltweit werde der Fehler begangen,
... virusbedingte Tote zu melden, sobald festgestellt wird, dass das Virus beim Tod vorhanden war – unabhängig von anderen Faktoren [...] Wie soll dann zwischen echten Corona-bedingten Todesfällen und zufälliger Viruspräsenz zum Todeszeitpunkt unterschieden werden?

Aus weitgehend unerfindlichen Gründen ist diese epidemiologisch und medizinisch durchaus interessante Frage zu einem Hauptnarrativ der Corona-Verschwörungstheoretiker geworden – auch im Kommentarbereich des GWUP-Blogs, wo gemutmaßt wurde, dass das RKI "wissentlich Tote MIT Corona zählt, damit die Schätzungen nicht vollends in die Hose gehen".
Anscheinend – wenn wir diesen verbalen Radbruch richtig deuten – soll damit suggeriert werden, dass das RKI die Zahl der Corona-Todesfälle absichtsvoll massiv übertreibe. Und deshalb, ganz im Sinne Bhakdis, die Maßnahmen gegen die Pandemie "sinnlos und selbstzerstörerisch" seien.
Was ist dran an diesem Vorwurf?

Schon am 23. März kommentierte Christian Meesters im Science-Blog rupture de caténaire:
Herr Bhakdi hat recht, wenn er sagt, dass hier (in der Presse — nicht unbedingt in der klinischen Praxis!) viel über einen Kamm geschoren wird.
Allerdings: So wie es für die Konzeption neuer Sicherheitsmaßnahmen und Behandlungen in der Vergangenheit interessant war, bei Autounfällen zu ermitteln, was die genauen Verletzungsursachen und Verletzungen waren (und immer noch sind), so ist auch hier, bei der SARS-CoV-2-Pandemie, die Differenzierung der Vorerkrankungen, ihrer Auswirkungen, die geographische Stratifikation usw. usw. interessant und wichtig — und zugleich ziemlich irrelevant für das medizinische Personal, dass sich mit akuter Pneumonie befasst.
Also: Nice to have – aber für die Praxis erst einmal ohne große Bedeutung.

Am 31. März wies der Biometeriker Gerd Antes bei Spiegel-Online zudem darauf hin, dass sich derzeit kaum auseinanderdividieren lasse, ob jemand am oder mit dem Virus stirbt:
In der Geriatrie gibt es seit Jahren die Forderung, mehr zu obduzieren, um Todesursachen exakt zu bestimmen. Das dürfte sich in der aktuell angespannten Lage allerdings kaum umsetzen lassen.
Auch der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut Hamburg erklärte bei Welt-Online:
"Man fordert hier knallharte Beweise, die man in einer akuten pandemischen Lage gar nicht erbringen kann." Für einen echten Beweis müsse man eine aufwendige Obduktion durchführen, die Verteilung des Virus untersuchen und nach anderen Erregern fahnden.
„Ich fände es gut, wenn es diese Untersuchungen gäbe und hätte mir da auch schon mehr Erkenntnisse aus China gewünscht“, so der Hamburger Virologe. Man dürfe aber deswegen nicht im Umkehrschluss das Virus für harmlos erklären.

Halten wir fest:
Tatsächlich zählt das RKI als Corona-Todesfälle alle Menschen, die mit einer COVID-19-Erkrankung in Verbindung stehen. Dazu gehören erstens Menschen, die direkt an der Erkrankung gestorben sind ("gestorben an"). Und zweitens Patienten mit Grundkrankheiten, die mit COVID-19 infiziert waren und bei denen sich nicht klar nachweisen lässt, was letzten Endes die Todesursache war ("gestorben mit").
Und noch Anfang April hieß es in den "Empfehlung des RKI zum Umgang mit Covid-19-Verstorbenen":
Eine innere Leichenschau, Autopsien oder andere aerosolproduzierenden Maßnahmen sollten vermieden werden. Seien diese notwendig, sollten sie auf ein Minimum beschränkt werden."
Mit einer "Verschwörung" oder versuchter Datenfälschung hatte das indes nichts zu tun.
- Zum einen lag das Augenmerk des RKI auf der Vermeidung von infektionsgefährlichen Aerosolen bei der Leichenöffnung.
- Zum anderen geht das RKI laut dem Corona-Briefing vom 3. April davon aus, dass auch Menschen an oder mit Corona sterben, ohne dass sie in die Zählung einfließen, weil sie nie getestet werden – was bedeuten würde, dass das Problem eher die Unter- statt Übererfassung ist.
Denn das Risiko, an Covid-19 zu versterben, ist bei Personen mit bestimmten Vorerkrankungen höher. Aus diesem Grund wird nicht unterschieden zwischen „verstorben an Coronavirus“ und „verstorben mit Coronavirus“. So will man ein möglichst genaues Bild der Todesfälle bekommen. Im Extremfall führt das in der Tat dazu, dass ein Mensch, der unter Selbst- oder Fremdeinwirkung gewaltsam verstirbt und zuvor positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde, vom RKI als "Coronatoter" gezählt wird. Allerdings ist diese Situation so selten, dass die Zahl der Todesfälle nicht verzerrt wird, erklärt das RKI.
Würde man nur streng "verstorben an" erfassen, liefe man Gefahr, die Todesfälle unterzuerfassen.
- Drittens kann man die Frage nach der Kausalität "ins Unendliche treiben, das ist schlicht und einfach hanebüchen“, wie der Leiter der Pathologie eines österreichischen Spitals gegenüber addendum erklärt:
Es diskutiert ja auch niemand darüber, wie viele Menschen durch Corona jetzt nicht sterben, weil wir weniger Tote im Osterverkehr haben.“
Die Todesursache werde auch bei anderen Krankheiten so bestimmt, da sei Covid-19 kein Einzelfall: „Wenn ich mit einer Tuberkulose in ein Spital eingeliefert werde und dort versterbe, bin ich ein Tuberkulose-Toter.“

- Und viertens bleibt die Frage nach der Relevanz.
In seinem NDR-Podcast (32) sagte der Virologe Christian Drosten dazu:
Ich verstehe diese ganze Diskussion nicht so richtig: An oder mit einem Virus gestorben? [...] Man kann natürlich testen, ist das Virus in der Lunge oder ist es im Rachen, auch bei Verstorbenen kann man das machen in der Sektion. Aber welche Konsequenz will man daraus denn medizinisch nun ziehen?
Ich finde, da gehen zwei Dinge durcheinander. Da wird einerseits ein Argument gemacht, das so medizinisch klingt, wir differenzieren jetzt den Tod an dem Virus von dem Tod mit dem Virus und daraus entsteht dann aber sofort eine gesellschaftliche Bewertungsdiskussion – eine politische Diskussion, bei der im Hintergrund eine ganz andere Botschaft mitschwingt, nämlich:
Wir verschätzen uns hier total, wir übersehen was, in Wirklichkeit ist das alles gar nicht so schlimm. Wir legen hier die Wirtschaft lahm wegen nichts.

Ich finde es total gefährlich, diese Verbindung zu machen. Ich finde, man muss da mit ganz großer Sorgfalt hinschauen. Man muss dann aber auch mal mit einem anderen Blick darauf schauen, ob dieses Argument überhaupt zu irgendetwas führt und ob so eine Auffassung überhaupt gerechtfertigt ist.
Fragen wir doch mal, was so eine Auffassung geändert hätte – in Italien oder jetzt in New York oder in anderen amerikanischen Großstädten, wo als Nächstes die Fälle jetzt ansteigen werden. Oder auch in England.
Hätte das denn was geholfen? Hätte das irgendwas geändert am Handlungsgrundsatz in dieser akuten Phase, Distanzierungsmaßnahmen aufzuerlegen?
Heißt: Die Debatte "mit oder an SARS-CoV-2 gestorben?" taugt mitnichten dazu, die Coronakrise unsachlich zu verharmlosen, wie Bhakdi und andere das tun.

Nichtsdestotrotz kritisierten verschiedene Experten die Haltung des RKI.
Der Bundesverband Deutscher Pathologen (BDP) und die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP) forderten in einer Stellungnahme "möglichst zahlreiche Obduktionen von Corona-Verstorbenen". Allerdings weniger aus statistischen Erwägungen heraus, sondern um das klinische Krankheitsbild von Covid-19 besser zu verstehen und therapeutische Konzepte zu entwickeln.
Der Leiter der Pathologie am Klinikum Lüdenscheid, Johannes Friemann, und der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel nahmen – entgegen der RKI-Empfehlung – zahlreiche Obduktionen an Corona-Opfern vor und kamen zu dem Ergebnis, dass Vorkrankheiten eine sehr wesentliche Rolle für den Verlauf der Krankheit spielten:
Ich bin überzeugt, dass sich die Corona-Sterblichkeit nicht mal als Peak in der Jahressterblichkeit bemerkbar machen wird.
Am Gründonnerstag sagte Püschel dann bei Markus Lanz:
Es ist sehr hart von mir ausgedrückt, aber es sind alte und kranke Menschen, von denen einige sowieso sterben würden.“
Der Rechtsmediziner behauptet somit, dass bei den meisten Corona-Patienten, die versterben, der Todesfall lediglich etwas früher eintritt.
Hinsichtlich der Vorerkrankungen nannte Püschel auf Presseanfragen Krebs oder eine chronische Lungenerkrankung. Andere Patienten seien starke Raucher oder schwer fettleibig gewesen, litten an Diabetes oder hatten eine Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Allerdings wirft auch das einige Fragen auf.
Ach, nur Leute mit Vorerkrankungen tot? Ihr wisst schon, dass die auch leben wollen?
titelte der Volksverpetzer.
Zweitens ...
... gibt es eine neue Untersuchung aus Europa, die Zweifel aufkommen lassen, ob die These des Professors wirklich zutrifft. Zumindest aktuell lässt sich in vielen europäischen Ländern durchaus eine klar erhöhte Todesrate feststellen:
Schätzungen des "Euro-MOMO"-Netzwerks zeigen einen starken Anstieg der Gesamtmortalität in vier europäischen Staaten, die schwer von der Corona-Pandemie betroffen sind: Italien, Frankreich, Spanien, England.
Auch in der Schweiz sei die Sterberate erhöht. In Belgien und Portugal ist die Todesrate laut Statistik zumindest leicht erhöht.
Drittens weist der Infektiologe Gerd Fätkenheuer auf eine Studie aus Wuhan hin, bei der die Krankendaten von 191 Patienten ausgewertet wurde. Hier habe sich gezeigt, dass die am häufigsten aufgeführten Begleiterkrankungen der in Wuhan Verstorbenen Bluthochdruck und Diabetes waren. Beide Erkrankungen sind eben nicht unmittelbar tödlich.

Und viertens hat Püschel ein viel geteiltes Zitat gar nicht gesagt – nämlich dass in ganz Deutschland oder gar weltweit noch "nie“ ein gesunder Mensch an Covid-19 gestorben sei:
Eine Sprecherin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, an dem Klaus Püschel tätig ist, schreibt in einer E-Mail an Correctiv: „Das im unten genannten Facebook-Post Herrn Prof. Dr. Klaus Püschel zugeschriebene Zitat ist von Herrn Prof. Püschel weder geäußert noch autorisiert worden.“
Trotzdem korrigierte das RKI Mitte April seine Empfehlung bezüglich der Obduktion von Covid-19-Toten: Nunmehr seien Obduktionen "zum Ziele des besseren Verständnisses des Krankheitsbildes und möglicher Therapieoptionen gezielt und unter adäquatem Schutz des Personals durchzuführen".
Der Leiter der Pathologie der München Kliniken in Harlaching und Neuperlach, Marcus Kremer, begrüßt diese Entscheidung – sieht darin aber ebenfalls keinerlei Anzeichen für einen vormaligen Vertuschungsversuch:
Ich glaube, wir müssen ein wenig Verständnis dafür haben, dass das RKI zunächst von Obduktionen abriet, weil wir uns alle bei dieser Erkrankung sehr tastend von Erkenntnis zu Erkenntnis bewegen. Man hatte wohl anfangs Angst vor einer weiteren Verbreitung der Erkrankung im Obduktionssaal und hat daher zunächst von Obduktionen abgeraten.
Auf den Rat von uns Pathologen und von Lungenfachärzten hat das RKI aber relativ schnell reagiert und die Empfehlung zurückgenommen und sich sogar dafür ausgesprochen, Covid-19 Verstorbene wenn möglich zu obduzieren.
Was ist nun der aktuelle Stand in Sachen "mit" oder "am" neuen Coronavirus gestorben?
In Österreich hat das Gesundheitsministerium am 14. April die Definition eines Corona-Toten geändert, berichtet addendum:
Es zählt nunmehr nur jene Personen, die „tatsächlich an COVID-19 gestorben sind".
In Deutschland laufen die Bemühungen um eine genauere Todesursachenstatistik gerade an. An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen ist ein Register für Covid-19-Obduktionen im deutschsprachigen Raum eingerichtet worden. Dort werden die Obduktionsinformationen gesammelt.
Allerdings wollen die Pathologen in erster Linie "Lebende retten", erklärt die Geschäftsführerin vom Dachverband der Pathologen in Deutschland, Gisela Kempny. Sollte sich beispielsweise der Verdacht erhärten, dass viele Covid-19-Erkrankte an Lungenembolien sterben, könnten gängige Blutverdünner helfen:
Mit den Obduktionen sollen Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf gewonnen werden, vor allem um außergewöhnliche Verläufe, wie etwa die von jüngeren Verstorbenen, zu verstehen.
Für die gesellschaftspolitische Debatte um Sinn und Unsinn der Maßnahmen bringen die Obduktionen dagegen wenig.
Update vom 1. Mai:
Eine Studie der University of Glasgow widerlegt möglicherweise die Meinung, dass wer infolge einer Coronavirus-Infektion stirbt, meist sowieso nicht mehr lange zu leben gehabt hätte. Demnach verlieren männliche Coronavirus-Opfer im Schnitt 13 Jahre Lebenszeit, bei Frauen sind es elf Jahre.
Dabei betrachteten die Wissenschaftler explizit die Auswirkungen von Leiden, die Betroffene schon vor ihrer Covid-19-Infektion hatten. Selbst alte Menschen oder Vorerkrankte hätten ihren Ergebnissen zufolge häufig noch mehrere Jahre zu leben gehabt, wenn sie sich nicht mit dem Coronavirus infiziert hätten.
Überträgt man die in der britischen Studie veröffentlichten Annahmen für die Auswirkung von Vorerkrankungen auf Deutschland, so ergibt sich hierzulande durch den Tod an Covid-19 immer noch ein Verlust von 9,9 Jahren Lebenszeit für Männer und 8,5 Jahren für Frauen. Auch viele Corona-Patienten, die Vorerkrankungen hatten, sind demnach deutlich früher gestorben, als statistisch zu erwarten gewesen wäre.
Update vom 18. Mai
Man stirbt nicht „am“, sondern „mit dem Virus“. Das führt extrem in die Irre.
Richtig: Wer ertrinkt, stirbt nicht am Wasser, sondern an Sauerstoffmangel. Wer erschossen wird, stirbt nicht an der Kugel, sondern an Herzversagen. Aber selbst wenn man sagt, dass das Virus nicht Ursache des Todes ist, so bleibt es doch sein Anlass – der Mensch ist tot und wäre es sonst nicht.
Das Strafgesetzbuch kennt übrigens keine Differenzierung wie „an der Verletzung“ oder „mit der Verletzung“, sondern stellt allein auf die Kausalität ab. Wäre das gleiche Ergebnis (der Tod) zur gleichen Zeit auch ohne das Virus eingetreten? Wenn ja, ist es unschuldig. Wenn nein: auf die Anklagebank mit ihm.
Update vom 20. Mai
Richtig ist: Es gibt bei Covid-19 – wie bei anderen Erkrankungen auch – Risikofaktoren, die einen schweren oder gar tödlichen Verlauf wahrscheinlicher machen. Auch sterben vor allem ältere Menschen nach einer Coronavirus-Infektion, in Deutschland sind die Verstorbenen im Schnitt 81 Jahre alt. Eine Untersuchung zu Corona-Toten aus Italien, die allerdings nur auf Daten aus den Krankenakten beruht, ergab, dass 96 Prozent der Verstorbenen mindestens eine Vorerkrankung hatten.
Genau diese These belegen auch Obduktionsergebnisse des Rechtsmediziners Klaus Püschel in Hamburg. Diese sind allerdings nur eine sehr kleine Stichprobe und lassen keine Aussage darüber zu, wie viel Lebenszeit die Infektion mit Sars-CoV-2 die einzelnen Personen gekostet hat.
Ein genauerer Blick auf die mittlerweile als besonders kritisch eingestuften Vorerkrankungen zeigt auch: Es handelt sich dabei keinesfalls nur um Leiden, die auch ohne eine Corona-Infektion innerhalb kürzester Zeit zum Tod geführt hätten – sondern meist um „Zivilisationskrankheiten“ wie Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes. Zudem steht die Forschung immer noch am Anfang, wie genau das neuartige Coronavirus im Körper wütet.
Dachte man anfangs noch, es handele sich in erster Linie um eine Lungenkrankheit, zeigen neue Studien, dass oft auch weitere Organe befallen werden. Das wiederum bedeutet, dass eine bestimmte Vorerkrankung mit einem möglichen Tod nach einer Corona-Infektion gar nicht zwingend etwas zu tun haben muss.
Aus Modellrechnungen haben schottische Forscher gefolgert, dass selbst alte Menschen oder Vorerkrankte noch mehrere Jahre gelebt hätten, wenn sie sich nicht mit dem Coronavirus angesteckt hätten: „Die meisten Menschen verlieren durch eine Infektion mit Covid-19 deutlich mehr Lebenszeit als die oft kommentierten ein oder zwei Jahre“, resümieren die Wissenschaftler.
Und auch das Robert-Koch-Institut schreibt: „Schwere Verläufe können auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung auftreten und werden auch bei jüngeren Patienten beobachtet.“
Auch zeigen Statistiken aus besonders vom Coronavirus betroffenen Gebieten, dass dort zuletzt deutlich mehr Menschen starben. So verzeichnete zum Bespiel die norditalienische Stadt Nembro auf dem Höhepunkt der Pandemie elf Mal mehr Todesfälle als im Vorjahreszeitraum
- Süddeutsche Zeitung: Covid-19 kostet etliche Jahre Lebenszeit
- The Economist: Would most covid-19 victims have died soon, without the virus?
- Tagesschau: Corona-Tote: Neun Lebensjahre verloren
- Welt+: Wären die meisten Covid-19-Opfer ohne das Virus bald gestorben?
- Mimikama: Der sinnlose Vergleich von Covid-19 mit anderen Sterbezahlen
Angst/Bürgerrechte
Der Grundtenor vieler aktueller Verschwörungstheorien ist, dass „der tiefe Staat“ mit dem Coronavirus die „Neue Weltordnung“ herbeiführen will, schreiben zum Beispiel Pravda-TV und andere "Alternativmedien“:
Wenn man die Gesellschaft in Panik versetzt, lässt sie mit sich praktisch alles tun, auch die Verhängung eines Notstandes, der die Bürgerrechte für einen unbefristeten Zeitraum ausser Kraft setzt. Die Idee einer Pandemie, die brutale Massnahmen erfordert, um die Menschheit zu retten, wurde bereits mit diversen Hollywood Produktionen in das Bewusstsein der Menschen eingepflanzt.
In den einschlägigen Foren wird das auch genau so weitergetratscht:
Sogar entsprechende Flugblätter kursieren:
Nun ist es allerdings so, dass auch Verfassungsrechtler, Wissenschaftler, Politiker, Journalisten und Leser die Regelungen und Einschränkungen des sogenannten Lockdown überaus kritisch sehen und allenthalben eine schnelle Rückkehr zur Normalität gefordert wird.
Aber nicht nur das spricht gegen eine groß angelegte "Verschwörung".
Mimikama weist darauf hin, dass ...
... für eine solche Verschwörung hunderttausende, ja Millionen Menschen weltweit nötig wären, die es zwar schaffen, einen neuen Virus loszulassen und sämtliche Politiker und Führungskräfte der Welt mit einzubeziehen, aber es nicht hinbekommen, den einen Youtuber oder den kleinen Blog zum Schweigen zu bringen, der das alles aufdeckt [...] Im Prinzip geht es diesen Leuten nur darum, Erklärungen für Dinge zu finden, für die es keine Erklärung gibt.
Der Unterschied zwischen Kritik an den staatlichen Maßnahmen und einer Verschwörungstheorie besteht unter anderem in der Annahme, dass hinter der gegenwärtigen Situation ein kohärenter Plan stecke und die Corona-Krise nur dazu diene, verschiedene sinistre Vorhaben ("Bargeldabschaffung", "Totalüberwachung" etc.) durchzusetzen.
Der Tübinger Kulturwissenschaftler Prof. Michael Butter erklärt in einem Gespräch für den Youtube-Kanal "Politikstunde" der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb):
Es ist völlig legitim zu sagen, wir müssen jetzt aufpassen, dass diese Einschränkung der Grundrechte, die wir gerade erfahren, irgendwann zurückgefahren wird, dass das kein Einfallstor wird für irgendwelche Kräfte in der Wirtschaft, aber auch in der Politik und im Polizei- und Sicherheitsapparat. Das ist wichtig, das zu kritisieren und eine Stimme dagegen zu sein.
Nur man darf diese Kritik nicht delegitimieren dadurch, dass man sie in eine Verschwörungstheorie einpackt, zum Beispiel "Die haben diese Coronakrise nur verursacht, um das alles durchzukriegen."
In dem Moment, wo man der Überzeugung ist, das ist alles geplant worden, es gibt diese eine Gruppe, die das in Gang gesetzt hat, um dieses und jenes Ziel zu erreichen, dann hat man die Grenze zur Verschwörungstheorie überschritten.
In einem Interview mit Zeit-Online führt Butter weiter aus:
Etwa in dem Fall von Wodarg, dass die wissenschaftlichen Fakten gezielt verdreht werden, um ein größeres Ziel zu erreichen. Fast jeder zweite Artikel auf den einschlägigen Seiten kommt am Ende immer zu der entscheidenden Frage: Wer steckt dahinter? Wem nützt die Corona-Krise? Es geht immer darum, die eigentlichen Drahtzieher zu identifizieren.
Natürlich ist es keine Verschwörungstheorie, dass Staaten auf verschiedene Weise versuchen, während der Coronakrise autoritäre Strukturen aufzubauen und Demokratie zu schwächen – nicht nur Viktor Orban in Ungarn. Wer sich speziell für diesen Punkt interessiert, kann zum Beispiel den "COVID-19 DemocracyWatch"-Newsletter von openDemocracy abonnieren.
- Whistleblower: Covid-19: Eine günstige Gelegenheit für autoritäre Staaten
- Belltower News: Corona-Pandemie: Fake News im Familien-Chat – Was kann ich tun?
- Perspective Daily: Das musst du wissen, um Fake News zu verstehen
- GWUP: Verschwörungstheorien - Was ist eine legitime wissenschaftliche Position und was ist Nonsens?
- Mimikama: Zwangsüberwachung aller Android- und Apple-Geräte?
- Mehr dazu beim Stichwort "Verschwörungstheorien".
Anthroposophische Medizin
Im März veröffentlichte der einflussreiche anthroposophische Arzt und stellvertretende Leiter der „Medizinischen Sektion“ des Goetheanums, Georg Soldner, einen Artikel über „das Coronavirus“. Dieser Beitrag wird auf der Webseite der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland und vom Bund der Freie Waldorfschulen geteilt.
Der kritisch-aufklärende Anthroposophie.blog schreibt dazu:
Für die anthroposophische Medizin ist der Mensch ein kosmisches Wesen, aus dem Kosmos stammend und eng mit diesem verbunden. Soldner rät daher dazu, sich mehr mit dem Kosmos zu beschäftigen und sich der „Sonne zuzuwenden“. Als Vorbeugung gegen eine Virus-Infektion empfiehlt der Facharzt für Kinderheilkunde unter anderem die Einnahme von Globuli aus „Lichtsubstanzen“ wie „potenziertem Phosphor“ und kosmischem „Meteoreisen“:
Was können wir tun? [...] Täglich und im Winter möglichst mittags ins Freie gehen und sich so mit der Peripherie, ganz elementar mit dem Kosmos verbinden [...] Potenzierter Phosphor und entsprechend potenziertes Meteoreisen morgens können als Lichtsubstanzen ebenfalls die Abwehrkraft unterstützen.
Diese „Lichtsubstanzen“ stärkten die Lunge, die in der anthropsophischen Medizin als "kleines Abbild der Erde" gilt. Die Lunge würde vor allem geschwächt durch mangelnde Spiritualität und unverarbeitete soziale Spannungen:
Was schwächt die Lunge? Dazu zwei Dinge: mangelnde Beziehung zur Erde und zur Sonne sowie soziale Spannungen. Es ist deshalb ratsam, die eigene Lunge, dieses Atmungsorgan, von innen und außen zu schützen, indem man soziale Spannungen auszugleichen versucht. Wer in ungelösten sozialen Konflikten steht, ist hier aus meiner Sicht vermehrt gefährdet.
Die empfohlenen Globuli aus kosmischen Meteoren sind praktischerweise von der anthroposophischen Firma Wala zu beziehen:
Kritiker sehen in der Anthroposophischen Medizin eine Pseudomedizin, deren theoretischen Grundlagen unhaltbar sind und für die nichts spricht.
Update vom 4. Juni:
- Anthroposophie.blog: Anthroposophische Medizin: "Mystisch, irrational und unwirksam"
- Anthroposophie.blog: Anthroposophischer Mediziner: Ursache für Corona ist 5G
- Twitter-Thread: Wie kann man sich gegen das Coronavirus schützen und stärken? Die Anthroposophische "Medizin" meint: Mit esoterischen #Eurythmie-Tänzen, #Waldorf-Meditation und #Globuli aus dem Weltall
-
Anthroposophie – Eine kurze Kritik. Alibri-Verlag 2019, 176 Seiten, 10 €
- Mehr dazu bei "Homöopathie" und "Homöopathie / Spanische Grippe / Cholera"
Argumente
Wie kann man Falschbehauptungen und Verschwörungstheorien im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis argumentativ begegnen?
Ein Patentrezept, das in jeder Situation und bei jedem Gegenüber funktioniert, gibt es nicht. Verschiedene Möglichkeiten besprechen bei twitch.tv der Multikünstler Tommy Krappweis, die Kriminalpsychologin Lydia Benecke, das Podcaster-Duo Hoaxilla und der Autor und Journalist Bernd Harder.
Eine Podcast-Version gibt es bei Hoaxilla.
Zum Video und zu weiterführenden Links und Literaturtipps geht es im GWUP-Blog.
- "Der schwierige Umgang mit Verschwörungsgläubigen" (GWUP-Blog)
- „Auf dem Schlachtfeld: Umgang mit Verschwörungsgläubigen“ (GWUP-Blog)
-
Zehn Tipps, wenn Freunde und Bekannte Verschwörungsmythen verbreiten (GWUP-Blog)
Astrologie
Astrologie-Gläubige berufen sich auf dieses Interview der "Star-Astrologin" Ruth Bauer-Wolf, das am 30. Dezember 2019 in der Landesschau Baden-Württemberg ausgestrahlt wurde:
Entsprechende Kommentare zum Beispiel bei Youtube behaupten, die Astrologin habe "zu 100 Prozent recht behalten" etc.
Bevor man sich das Filmchen ansieht, sollte man versuchshalber eine Liste mit Stichwörtern erstellen, die man als "eingetroffene" Vorhersage der Coronakrise akzeptieren würde, etwa:
Corona, Virus, Epidemie, Pandemie, China, Ausgangssperre, Katastrophenfall, Börsencrash, Wirtschaftseinbruch, Rezession, Krankheit, Ladensterben, existenzielle Krise, Seuchenausbruch, Gesundheitswesen, Einschränkungen – oder zumindest irgend etwas in dieser Richtung.
Nichts davon ist zu hören. Nach etwa sechs Minuten Rumgeflachse zwischen dem eher amüsierten Moderator und der höflich-steifen Astrologin kommen endlich ein paar Sätze zu 2020:
Was man ganz klar sagen kann, dass es sehr viele Veränderungen geben wird, also 2020 wird ein sehr turbulentes Jahr, und ich möchte auch allen raten, bleiben Sie mutig, bleiben Sie dabei, es ist nicht schlecht, aber es ist schon auch so, dass man mehr aufeinander achten muss, miteinander mehr sprechen muss, einfach sich an die Hand nehmen und sagen: Wir schaffen das.
Aber es wird schon viele Veränderungen geben. Im wirtschaftlichen Bereich auf jeden Fall, im politischen Bereich, da wird der März und der April ganz herausragend sein, da wird es große Veränderungen geben.
Man kommt aber auch große große Schritte wieder weiter, eben in allen Dingen, die mit der Natur zu tun haben, die Einsicht brauchen, die Veränderungen ermöglichen, dass die Leute auch anders wieder denken. Es wird viele Veränderungen geben, es wird plötzlich eine neue Führungselite da sein, die dann auch vernünftiger denkt.
Das ist alles.
Die Spiegel Online-Jahresvorschau vom 31. Dezember ("Der globale Stresstest 2020") brachte die bevorstehenden Veränderungen weitaus konkreter auf den Punkt.
Und dass viele Astrologen sich bei ihren Prognosen speziell auf den März/April kaprizieren würden, ist auch nichts Mysteriöses – denn in der Vorstellung der Sterndeuter wird 2020 ab dem 21. März vom Mond regiert. Und solche "Mondjahre" gelten in der Astrologie "allgemein als unbeständig, veränderlich und unkontrollierbar".
Die Frage ist, ob es ein Jahr in der Menschheitsgeschichte gab, das nicht "unbeständig, veränderlich und unkontrollierbar" gewesen ist?
Nur mit einem Satz liegt Frau Bauer-Wolf tatsächlich vollkommen richtig (Minute 1:27):
Die Kunst [der Astrologie] ist die Interpretation.
- Astrodicticum simplex: Warum Astrologie nicht funktionieren kann
- GWUP-Blog: "Mein Horoskop stimmt immer!" – Ja und?
Arvay, Clemens
Im Frühjahr hat Arvay noch hauptsächlich gegen den Mund-Nasen-Schutz agitiert. Mittlerweile (September) spielt er für die Verschwörungsmythenszene vor allem den Kronzeugen gegen RNA-Impfstoffe.
Dazu gibt es einen ausführlichen Faktencheck bei Relativer Quantenquark mit dem Fazit:
Arvay benutzt im typischen Stil moderner Verschwörungsideologen ein Gemisch aus Halbwahrheiten, unzulässigen Verkürzungen und aus dem Zusammenhang gerissenen Details, um den Eindruck zu erwecken, es gäbe globale dunkle Machenschaften, hinter denen, wie er ausdrücklich betont, Bill Gates stecke.
Dementsprechend ist es auch kein Wunder, dass seine Aussagen im Wesentlichen von den typischen Fake-News-Schleudern der Verschwörungsmythenszene verbreitet werden.
Anders als die meisten Verschwörungsideologen scheint er jedoch weniger politische als Marketingzwecke zu verfolgen, denn rein zufällig erscheint in wenigen Tagen sein neues Buch, dessen Untertitel die Arvay’sche Phantasiewelt wunderbar zusammenfasst: „Wie Umweltzerstörung die Corona-Pandemie auslöste und warum ökologische Medizin unsere Rettung ist“.
Ayurveda / Prinz Charles / Homöopathie
Auch beim britischen Thronfolger Prinz Charles war eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus diagnostiziert worden. Charles sei inzwischen genesen, vermeldeten viele Agenturen und Publikationen:
Prinz Charles zeigte nur milde Symptome, während seiner Isolation hat er sogar weiter gearbeitet und unter anderem Telefonkonferenzen geführt.
Dabei gab es auch Behauptungen, die Genesung sei einer Behandlung mit Homöopathie und Ayurveda zu verdanken. Dies habe der indische AYUSH-Minister mitgeteilt (anders, als immer wieder suggeriert wird, handelt es sich bei AYUSH nicht um das indische Gesundheitsministerium). Minister Shripad Naik erklärte bei einer Pressekonferenz in Goa, dass die Genesung von Prinz Charles „unsere (indische) jahrtausendealte Praxis" bestätige.
Ella Lynch, die Sprecherin des Prinzen, wies diese Behauptung zurück und erklärte, seine Königliche Hoheit sei "dem medizinischen Rat des National Health Service des Vereinigten Königreichs gefolgt und sonst nichts weiter". In einer E-Mail an The Indian Express bezeichnete sie die Meldungen zur Behandlung mit Homöopathie/Ayurveda als „falsch".
Den Trugschluss angeblicher homöopathischer Behandlungserfoge greift auch der "Faktenfinder" der Tagesschau auf:
Es gibt selbsternannte Experten, die von Wunderheilungen durch Globuli berichten. Innerhalb von drei Tagen seien Corona-Symptome verschwunden.
Das Problem ist: Die Erkrankung durch das Coronavirus verläuft laut Robert-Koch-Institut bei rund 80 Prozent der Menschen milde bis moderat. Das heißt: Erkrankte merken oft nur schwache Symptome, werden innerhalb weniger Tage von selbst wieder gesund. Darin liegt die Gefahr der Verbreitung: Dass Menschen, die gar nicht wissen, dass sie COVID-19 haben, andere Leute anstecken.
Das alles hat nichts mit dem Einfluss von Globuli zu tun, sondern mit einem milden Krankheitsverlauf bei vielen Infizierten. Selbst der Verband klassischer Homöopathen Deutschlands e.V. warnt vor dem Einsatz von Homöopathie gegen Corona.
- Natalie Grams: Was wirklich wirkt – Kompass durch die Welt der sanften Medizin
- Mehr dazu bei "Homöopathie" und "Homöopathie / Spanische Grippe / Cholera"
B
Baba Wanga
In Deutschland trendet seit einigen Jahren die bulgarische "Seherin" Baba Wanga, die 1996 im Alter von 85 Jahren starb.
Warum, ist nicht so ganz klar. Auch seriöse Medien wie Die Welt oder Der Westen geben nie eine Quelle an, wo diese "Prophezeiungen" eigentlich herkommen – was auf bloßes Hörensagen schließen lässt.
So ist es auch derzeit.
Nach einem Bericht der englischen Boulevardzeitung Daily Star behauptet die bulgarische Sportlerin und Trainerin Neshka Stefanova Robeva, Baba Wanga habe ihr bereits vor Jahrzehnten von dem Coronavirus erzählt:
Im Jahre 1996 soll es zu einem Treffen zwischen der bulgarischen Weltmeister-Trainerin und der Wahrsagerin gekommen sein. Baba Wanga habe ihr während des Gespräches prophezeit: „Corona wird über uns kommen.“ Die Trainerin nahm die Vorhersage eigenen Angabe zufolge zunächst als politische Warnung auf. Im bulgarischen bedeutet das Wort Corona nämlich „Vormundschaft“. Angesichts der aktuellen Geschehnisse ist sich Robeva nun allerdings sicher: Baba Wanga sah schon damals die Epidemie kommen!
Nachprüfbar ist das natürlich nicht.
Bislang gibt es nur die Berichte und Zeugenaussagen in dem Buch
Wanga – Das Phänomen: Die Seherin von Petritsch
Und das stammt von ihrer Nichte Krasimira Stojanowa, ist also mit größter Vorsicht zu genießen.
Die Autorin Daniela Mattes weist in ihren Recherchen "Baba Wanga: Auf den Spuren der blinden Prophetin" darauf hin, dass ...
... viele Vorhersagen und Informationen, die mit Baba Wanga in Verbindung gebracht werden, nachträglich erfunden und teilweise mit falschen Beweisen unterlegt wurden.
Sogar die Fan-Seite Babavanga.de wiegelt ab:
Viele Leser fragen sich sicherlich, inwiefern die Prophezeiungen der Seherin Baba Vanga der Wahrheit entsprechen und was dem Bereich der urbanen Legenden entstammt.
Nun, das muss jeder für sich beurteilen, denn trotz sorgfältiger Recherche möchten und können wir die Voraussagen der Seherin nicht als Fakten präsentieren.
Der bulgarische Journalist Todor Ovtcharov erklärt unverblümt:
Ich kann mich an Baba Vanga schon in meiner Kindheit erinnern. Sie war oft im Fernsehen zu sehen.
Sie sprach in schwammigen Metaphern und mit einem sehr starken Dialekt und ich verstand kaum, was sie sagte. Aber als ihr blindes Gesicht im Fernsehen erschien, hörten ihr alle zu. Alle warteten auf die nächste Prophezeiung. Sie wollten wissen, wann der Übergang vom Sozialismus in den Kapitalismus vollendet sein wird, wann die Strompreise erhöht werden und ob die bulgarische Fußballnationalmannschaft das nächste Spiel gewinnen wird.
Die Erwachsenen deuteten ihre Worte immer anders und immer ihren eigenen Wünschen nach. Doch der Glaube, dass alles vorgeschrieben ist, dass eine unsichtbare Kraft unser Leben leitet, schien den Menschen zu helfen.
Damit verkörperte Baba Wanga in Bulgarien wohl das, was hierzulande die "Volksseher" à la Mühlhiasl und Irlmaier waren – nämlich einfache Deutler, die ihr Unbehagen an Fortschritt und Veränderung in düsterem Geraune artikulierten:
Passt zu jeder Krisenzeit.
- Belltower News: Corona-Pandemie: Fake News im Familien-Chat – Was kann ich tun?
Baden
- Ein heißes Bad (oder Alkohol/Chlor) verhindert eine Infektion mit dem Coronavirus.
Der Schweizer "Ganzheitsmediziner" Andreas Bircher behauptete in einem Interview des Schweizer Privatsenders QS24, das Coronavirus SARS-CoV-2 lasse sich mit heißen Bädern und Schwitzkuren behandeln.
Für SARS-CoV-2 gilt laut der US-amerikanischen Seuchenschutzbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC), dass bisher keine konkrete Temperatur genannt werden könne, die die Viren abtöte oder inaktiv werden lasse. So wie sich das Virus nicht durch Trinken heißen Wassers abtöten lässt, wie zum Beispiel Correctiv schon hier berichtet hat, so haben nach bisherigen Erkenntnissen auch heiße Bäder keinen unmittelbaren Effekt auf die Coronaviren.
Nein, sagt auch die WHO.

Unabhängig von der Temperatur des Bade- oder Duschwassers bleibt die Körpertemperatur konstant bei 36,5 bis 37 Grad. Zwar sind viele Viren hitzeempfindlich und gehen ab einer Temperatur von etwa 60 Grad kaputt, da bei dieser hohen Temperatur die Proteine zerstört werden. Allerdings gilt das auch für die Proteine in unseren Körperzellen.
Und dass das Corona-Virus schon "bei einer Temperatur von 26 bis 27 Grad stirbt", ist eine Fake-News.
Zum Händewaschen wird (aus Umweltgründen) sogar kaltes Wasser beziehungsweise "eine angenehme Wassertemperatur" empfohlen:
Die Wassertemperatur hat keinen Einfluss auf die Reduktion der Mikroorganismen. Daher sollte die individuell angenehme Wassertemperatur gewählt werden. Viel wichtiger sind die Dauer des Händewaschens und das Maß der Reibung beim Einseifen der Hände.

Auch den ganzen Körper mit Alkohol oder Chlor einzureiben/zu besprühen oder mit einer Ultraviolett-Desinfektionslampe zu bestrahlen oder in gechlortem Wasser zu schwimmen, tötet keine Viren ab, die bereits in den Organismus eingedrungen sind.
- Correctiv: Nein, Alkohol zu trinken tötet das Coronavirus nicht ab
- Correctiv: Heißes Bad gegen Coronavirus? Andreas Bircher stellt bei TV-Interview falsche Behauptungen auf
- Mehr dazu beim Stichwort "Alkohol", Sauna" und "UV-C-Licht"
Bahner, Beate
Die Heidelberger Juristin Beate Bahner, Fachanwältin für Medizinrecht, wurde am 12. April in die Psychiatrie eingewiesen (siehe "Update"). Das berichteten übereinstimmend zahlreiche Medien, darunter Welt-Online:
Bahner sei am Sonntag in einer polizeilichen Maßnahme in einer Klinik vorgestellt und dort von einem Arzt begutachtet worden, sagte Norbert Schätzle vom Polizeipräsidium Mannheim.
Aus Fürsorgegründen für die Frau hätten die Kollegen die Vorstellung in der Psychiatrie für erforderlich gehalten. Die Frau habe sich gewehrt und körperliche Gewalt gegen Polizisten ausgeübt. Der Arzt habe dann offenbar entschieden, sie in der Klinik zu behalten.
„Sie hat einen sehr verwirrten Eindruck gemacht“, hatte ein Polizeisprecher zuvor das Vorgehen gegenüber der „Rhein-Neckar-Zeitung“ bereits erklärt.
Warum versetzte das die Szene der Corona-Verschwörungstheoretiker – von den Impfgegnern bis hin zu QAnon-Fans – in Panik?

Bahner war "die juristische Hoffnung der Corona-Skeptiker" (taz). Sie wollte auf gerichtlichem Wege den Shutdown so schnell wie möglich beenden. Wie man auf ihrer Homepage nachvollziehen kann, kündigte sie zunächst
- am 3. April eine Normenkontrollklage gegen die Corona-Verordnung Baden-Württembergs an.
- Am 7. April erklärte sie in einem 19-seitigen Schreiben den Shutdown für verfassungswidrig und zum "größten Rechtsskandal, den die Bundesrepublik je erlebt hat". Auf Seite 18 rief Bahner zu einer bundesweiten Demonstration auf:

- Am 8. April reichte Bahner einen Eilantrag beim VGH Baden-Württemberg ein, die Corona-Verordnung Baden-Württembergs "sofort auszusetzen".
- Am selben Tag reichte sie einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht ein, "wegen des Angriffs auf den Bestand der Bundesrepublik Deutschland".

- Am 10. April erklärte Bahner auf ihrer Homepage, dass das Polizeipräsidium Mannheim ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet habe, "wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten gemäß Paragraf 111 Strafgesetzbuch". Konkret ging es um ihren Aufruf zu der bundesweiten Demonstration "Coronoia 2020".
Polizei und Staatsanwaltschaft teilten dazu mit:
Wegen des Verdachts, öffentlich zu einer rechtswidrigen Tat aufgerufen zu haben, ermitteln die Staatsanwaltschaft Heidelberg und das Dezernat Staatsschutz der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg gegen eine Heidelberger Rechtsanwältin.
Sie soll über ihre Homepage öffentlich zum Widerstand gegen die staatlich erlassenen Corona-Verordnungen aufgerufen haben. Darüber hinaus soll sie dazu aufgerufen haben, sich am Ostersamstag bundesweit zu einer Demonstration zu versammeln.
In diesem Zusammenhang wird seitens der Strafverfolgungsbehörden eindrücklich darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an öffentlichen Versammlungen zu Zeiten der COVID-19-Pandemie einen Straftatbestand erfüllen kann, zumindest indes eine Ordnungswidrigkeit darstellt.
Auch am 10. April lehnte das Bundesverfassungsgericht Bahners Eilantrag ab:

Ihr Antrag habe mehrere Begründungen vermissen lassen. So habe sie weder erklären können, warum sie die Landesverfassungsgerichte übersprungen hat, noch, "durch welche konkreten Regelungen in welchen Bundesländern sie in eigenen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten unmittelbar und gegenwärtig betroffen sein soll".
Noch am selben Tag wollte Bahner laut taz ihre Anwaltszulassung zurückgeben:
In dieser Diktatur kann auch ich leider nichts mehr für Sie tun,
schrieb sie ihren Unterstützern.
Davon findet sich auf ihrer Homepage allerdings nichts mehr. Noch vorhanden ist ein offener Brief an die Schriftstellerin Juli Zeh, in dem sie schreibt:
Bitte unterstützen Sie mich dringend und übernehmen Sie. Ich kann schließlich nicht alleine die Welt retten [...] Ich habe es jetzt wirklich satt, wie wir hier weiterhin für dumm verkauft werden. Außerdem muss ich mich jetzt endlich um meinen kleinen Hund kümmern.
- Am 11. April veröffentlichte Bahner eine "Corona-Auferstehungs-Verordnung" und erklärte den Shutdown "mit sofortiger Wirkung für beendet". Zudem kündigte sie an, dass sie ihre Anwaltszulassung doch behalten will.

In einem Begleittext schrieb sie:
Und falls Ihr mögt, dann sehen und hören wir uns gerne wieder, allerdings frühestens im Mai. Denn ich mache jetzt mal meinen eigenen „Shutdown“, um mich ein paar Wochen zu erholen.
Es ist nämlich ein weiterer Schock, wenn man plötzlich merkt, dass der lauteste Polizeihelikopter aller Zeiten hinter einem selbst her ist. Es kann also schon ein Weilchen dauern, bis ich keine Angst mehr habe vor Helikoptergeräuschen.
Der Jurist und Blogger Heinrich Schmitz kommentierte das im Nachhinein (am 18. April) so:
Wer die Verlautbarungen der Heidelberger Anwältin Beate Bahner gelesen hatte und sich auch nur ein wenig mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht auskennt, der musste sofort erkennen, dass der Weg zum Bundesverfassungsgericht nicht den Hauch einer Chance haben konnte [...]
Wer allerdings ein wenig auf ihrer Homepage herumstöberte, der konnte recht schnell Zweifel daran entwickeln, ob die Kollegin noch so ganz bei Sinnen war [...] Ein Zeichen von Größenwahn oder Hinweis auf eine narzisstische Störung.
Was geschah dann am 12. April?
Das Polizeipräsidium Mannheim teilt dazu mit:
Am Sonntagabend, kurz vor 20 Uhr, informierte ein Zeuge das Führungs- und Lagezentrum des Polizeipräsidiums Mannheim per Notruf darüber, dass in der Thibautstraße/Bergheimer Straße eine Frau stehe, die angegeben habe, sie werde verfolgt. Eine Streife traf die Frau an und stellte die Personalien fest.
Im Rahmen des weiteren Gesprächsverlaufs und aufgrund ihrer Verhaltensweise hielten es die Beamten für erforderlich, medizinische Hilfe einzuholen. Hierzu wurde die Frau festgehalten und sollte in eine Klinik gebracht werden. Daraufhin setzte sie sich zur Wehr und trat mehrfach gegen einen Beamten.
Diesbezüglich wurden die Ermittlungen gegen die Verdächtige wegen des Verdachts des tätlichen Angriffs und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte aufgenommen. Anschließend wurde die Frau zur Universitätsklinik Heidelberg gebracht und dort stationär aufgenommen.
Bei der Frau, die am Ostersonntagabend in die Universitätsklinik Heidelberg gebracht und dort stationär aufgenommen wurde, handelt es sich um die Heidelberger Rechtsanwältin, gegen die die Staatsanwaltschaft Heidelberg und des Dezernat Staatsschutz der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg wegen des Verdachts, öffentlich zu einer rechtswidrigen Tat aufgerufen zu haben, ermitteln.
Der Impfgegner Hans Tolzin verbreitete am 14. April eine Sprachnachricht von Beate Bahner, die ihm "eine Bekannte von Frau Bahner" zugespielt habe und die mittlerweile im Internet kursiert.
Nach Tolzins Auffassung "scheint diese echt zu sein", außerdem will er mit Bahner am Ostermontag "in der geschlossenen Abteilung" telefoniert haben. Ein Stimmenvergleich mit einem Interview Bahners am 9. April beim MDR bringt keinen Aufschluss über die Authentizität.
In dem Audio-Mitschnitt, der angeblich an ihre Schwester gerichtet ist, spricht Bahner ruhig, sieht sich (ab Minute 9:25) aber als
... schönes Exemplar dafür, was allen passieren wird auf der ganzen Welt, wenn sie nicht jetzt endlich aufwachen und sehen, was das für ein Terrorregime [ist], wie dies die Welt noch nie nie gesehen hat.
Da können sich Mao, Hitler und Stalin wirklich eine Scheibe abschneiden, und auch der Trump kann noch was lernen in Sachen Fake News, das kann er noch nicht so gut wie, ja, wer auch immer: böse, böse, böse Mächte, die uns hier tyrannisieren, terrorisieren.
Und ich muss sagen, ich hatte heute Nacht wirklich Ängste, dass sie mich umbringen hier, dass sie mir ne Giftspritze setzen auf Anordnung, ich hatte nachts dann auch mal irgendwie Angst, dass sie mich wegfliegen.
An anderer Stelle mutmaßt Bahner, dass die zuständige Ärztin sie zehn Minuten lang habe warten lassen, weil diese wohl "ihre Anweisungen von ganz oben oder den USA" erst noch habe entgegennehmen müssen. Sie (Bahner) sei schließlich "im Moment der größte Staatsfeind der Polizei".
Als Grund, warum sie überhaupt auf die Straße gerannt ist und ein Auto angehalten hat, gibt Bahner an, dass sie sich "von zwei Killern" bedroht gefühlt habe.
Das Polizeipräsidum Mannheim wies am 14. April darauf hin, dass ...
... im Rahmen des gegen die Beschuldigte geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens weder die Unterbringung der Beschuldigten in einer psychiatrischen Klinik noch eine sonstige strafprozessuale Zwangsmaßnahme veranlasst wurden.
Das heißt, es besteht kein Zusammenhang mit laufenden Ermittlungen, sondern es ging bei der Klinikeinweisung um eine akute Situation von Selbst- und Fremdgefährdung.
Laut GenFM ist Beate Bahner "in den letzten Tagen von rechten und verschwörungsideologischen Medien extrem gehypt worden".
Die taz schrieb allerdings schon vor der heute bekanntgewordenen Entwicklung:
Auf Twitter wurde spekuliert, ob Beate Bahner ein Kunstprojekt sei oder ob sie psychische Probleme habe.
Am 14. April war bei Twitter unter anderem zu lesen:
Traurige Geschichte einer Frau, die sich an Eitelkeit berauscht und in #Paranoia landet.
- Update vom 15. April:
Walulis erklärt in einem Video, "wie Spinner Beate Bahner instrumentalisieren und wieso Leute tatsächlich in die Psychiatrie eingewiesen werden können".
Auf der Webseite der Kanzlei Bahner findet sich heute folgender Hinweis:

Auch der Impfgegner Hans Tolzin räumt in einer Stellungnahme ein, dass "manches an ihrem [Bahners] Verhalten irritierend war und ist. Hoffentlich wird sich klären, was an ihrer Geschichte wahr ist – und was nicht".
Nach einem Bericht von heidelberg24 ist Beate Bahner am Mittag des 15. April zu einer Anhörung in ihrem Ermittlungsverfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (siehe oben: "10. April") bei der Polizeidirektion Heidelberg erschienen:
Nach ihrer Anhörung sorgt Beate Bahner für eine Überraschung: Sie tritt vor die Menge und erklärt, dass sie sich bei der Polizei entschuldigt habe.
Die Verletzung am Kopf und Knie stammen von einem Fahrradsturz, den sie „besoffen“ erlitten hatte und nicht von den Polizeibeamten.
Sie müsse aber jetzt gleich gehen, da Sie noch mit Freunden in ein Café gehen würde.
Rund 200 Personen hätten vor dem Polizeipräsidium ihre Solidarität mit Bahner bekundet, berichtet die Rhein-Neckar-Zeitung:
Mit Schildern und Sprechchören ("Wir sind das Volk") und weitgehend, ohne die Abstandsregeln zu beachten, versammelten sich dort zahlreiche Menschen – darunter viele Corona-Leugner sowie bekannte Verschwörungstheoretiker und Rechtsradikale – aus ganz Deutschland.
Eine RTL-Reporterin sagt:
Mein Eindruck ist: Frau Bahner hat sich hier feiern lassen wie ein Popstar.
Eine Ermittlungsgruppe des Polizeipräsidiums Mannheim soll nun die Teilnehmer der Demonstration identifizieren.
- Update vom 16. April:
Auf ihrer Webseite schreibt Bahner:

Sie wolle sich zunächst einmal bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft entschuldigen für den großen Aufruhr, den sie verursacht habe. Es tue ihr leid, dass die Polizei mit den etwa 200 Personen, die sich um 13 Uhr vor dem Polizeipräsidium versammelt haben, nun einen solchen Ärger habe. Sie habe lediglich um Beistand gebeten, da sie sich in der neuen Rechtslage nicht auskenne.
Denn es sei so gewesen, dass sie in den letzten 14 Tagen im Urlaub gewesen sei. Sie habe mehrere kleine Städtereisen unternommen und sei zwischenzeitlich immer nur kurz in Heidelberg gewesen. In den ersten beiden Aprilwochen sei sie zuerst in Berlin gewesen. Sie habe dort Museen besucht und sei in den Opernhäusern gewesen.
Sodann sei sie nach Paris gefahren, insbesondere um dort den Louvre und eine Bootsfahrt auf der Seine zu genießen. Kurz zurück in Heidelberg sei sie schließlich nach London geflogen, um dort weitere Freunde zu besuchen, in schönen Geschäften zu stöbern, die großartigen Museen zu genießen und in das Royal Opera House zu gehen.
Angeblich ist das alles nur "ironisch" gemeint und niemand verstehe den schrägen Humor von Frau Bahner.
Zu einem weiteren skurrilen Statement Bahners am 17. April auf ihrer Webseite ("Hilferuf über den großen Teich") schreibt heidelberg24:
Unklar ist bei all dem, ob die 54-Jährige sich mit diesen Texten durch Überspitzung über die Lage lustig macht oder ob sie vielleicht wirklich wieder medizinische Hilfe braucht.
- Die Kolumnisten: Absturz einer Anwältin
- siehe auch "Binder, Thomas"
Bhakdi, Sucharit
Update vom September:
- GWUP-Blog: hr-iNFO mit "Postfaktencheck" zu Bhakdis Falschbehauptungen
Ein illustratives Beispiel für Bhakdis Falschbehauptungen ist dieser kurze Ausschnitt aus einem Video-Interview vom 15. August 2020.
Darin sagt Bhakdi:
Da alle Sentinel-Laboratorien in Deutschland seit Monaten keine SARS-CoV-2-Infektionskrankheiten melden, kann es keine Epidemie geben.
Diese Behauptung wiederholte er in einem Interview mit Boris Reitschuster:
Es gibt seit Wochen keine neuen Covid 19 Kranken mehr in Deutschland
.
Im RKI-Situationsbericht vom 13. August hätte Bhakdi nachlesen können, dass "aufgrund der geringen Zahl eingesandter Proben keine robuste Einschätzung" der Covid-19-Situation aus dem Sentinel-Netzwerk möglich sei, das lediglich einen kleinen Teil der Surveillance darstellt.
Sogar einer Erstinformationsquelle wie Wikipedia kann man entnehmen, dass die Sentinel-Daten "nicht repräsentativ" für das Covid-19-Geschehen sind. Was Bhakdi ebenfalls verschweigt:
Auch gibt es weiterhin Nachweise über Sentinel-Krankenhäuser.
Völlig unklar bleibt darüber hinaus, warum Bhakdi überhaupt den (wenigen) Laboranalysen des Sentinelsystems vertraut, aber nicht den (vielen) Laboranalysen hinter den bestätigen Fällen.
Einzelheiten kann man hier nachlesen:
- Volksverpetzer: So manipuliert Bhakdi die Corona-Zahlen
- Correctiv: RKI-Bericht sagt nicht, dass „seit Wochen“ kein SARS-CoV-2-Fall nachgewiesen wurde
- Faktenfinder: Keine Corona-Fälle mehr?
- ujf.biz: Professor Seltsam oder wie ich lernte, das Virus zu lieben
-
ujf.biz: Professor Seltsams Impfgegner und Quanten-Geistheiler
- Tagblatt: Bhakdi und Reiss sind bei Corona-Skeptikern Helden: Ihre Kernaussagen im Faktencheck
- Psiram: „Fehlalarm“ – oder Falsches Zeugnis? Reiss/Bhakdi und die Wissenschaft
- t-online: "Corona Fehlalarm"? Das sagen Experten zu dem umstrittenen Bestseller-Buch
- Relativer Quantenquark: Sucharit Bhakdi ist für Covid-19 nicht bloß kein Experte – es ist viel schlimmer
-
Die Universität Kiel hat sich von Bhakdis Buch „Corona Fehlalarm?“ – und seiner Koautorin Karina Reiß von der Klinik für Dermatologie der Uni Kiel – distanziert.
- WDR 1: Was ist dran an den umstrittenen Thesen von Bhakdi?
Ein Faktencheck der Süddeutschen Zeitung kommt zu dem Fazit:
Das Autorenpaar [zitiert] nur einzelne Studien, die größtenteils aus den Anfangszeiten der Pandemie stammen. Wichtige wissenschaftliche Arbeiten zu den gleichen Themen bleiben unerwähnt.
- Volksverpetzer: So manipuliert Bhakdi die Corona-Zahlen: Es gibt neue Corona-Kranke
- Volksverpetzer: PCR-Tests sind sehr genau: Teile diesen Text, um die zentralen Lügen der Pandemie-Leugner zu widerlegen
Stand März - August:
Ein Fakten-Check zu den Behauptungen des emeritierten Mikrobiologen der Universität Mainz gibt es bei Mimikama und beim ZDF:
Das Fazit:
Seine Thesen sind unwissenschaftlich, seine Zahlen zu niedrig [..]
Bhakdi stellt sich bewusst gegen den Konsens der Wissenschaft, Universitäten, Staatengemeinschaft und der WHO. Allein die Begründung, dass Umweltfaktoren dazu geführt hätten, dass in Italien derzeit täglich mehr als 500 Tote alleine als direkte Nachwirkung auf den Virus sterben, entspricht keiner wissenschaftlichen Grundlage und selbst seine eigene Argumentation bzgl. Luftqualität hält einer Überprüfung nicht stand.
Dementsprechend findet seine Meinung auch in den meisten Medien und staatlichen Stellen wenig Widerhall und beschränkt sich auf Youtube und Verschwörungsgruppen bzw. Plattformen, die dem Interview des emeritierten Professors viel Aufmerksamkeit schenken, um eigene Verschwörungstheorien zu bestätigen.
Ohne auf diese Gegenargumente einzugehen, legte Bhakdi nach und publizierte am 26. März einen "Offenen Brief" an die Bundeskanzlerin.
Dazu ist kritisch anzumerken:
- Warum sucht ein Wissenschaftler nicht erst einmal den Austausch mit seinen Fachkollegen? Warum erbittet er sich Antworten auf seine "fünf Fragen" nicht vom RKI oder von anderen Experten, die mit der Thematik betraut sind?
- Was unterscheidet diese Egozentrik von einem x-beliebigen Verschwörungstheoretiker, der etwa über verfassungsrechtliche Fragen stolpert (zum Beispiel „Friedensvertrag“, „Souveränität“ o.ä.), aber nicht einen Juristen fragt, der ihm den Sachverhalt erklären könnte, sondern stattdessen Briefe an den Bundespräsidenten schreibt?
Sogar Autoren, die "Alternativmedien" und deren konspirologischen Narrativen eher wohlwollend gegenüberstehen, kritisieren Bhakdi:
Manche seiner Argumente wären sogar plausibel, ginge es darum, eine wissenschaftliche Arbeit zu verfassen. Aber der Professor lebt im Elfenbeinturm. Man kann nicht im Verlauf einer Pandemie, bei der wenige Tage über viele Menschenleben entscheiden, Wochen dauernde statistische Erhebungen einfordern [...] Der Mann versteht nicht, worauf es ankommt. Bhakdi verlangt, dass Maßnahmen erst ergriffen werden, wenn die Gefährlichkeit des Virus gesichert sei. Was für ein Unsinn. Man muss vorsorgen, solange die Ungefährlichkeit nicht gesichert ist.
In Bhakdis Schreiben heißt es unter anderem:
Die Angst vor einem Ansteigen der Todesrate in Deutschland (derzeit 0.55 Prozent) wird medial derzeit besonders intensiv thematisiert. Viele Menschen sorgen sich, sie könne wie in Italien (10 Prozent) und Spanien (7 Prozent) in die Höhe schießen, falls nicht rechtzeitig gehandelt wird [...] Gleichzeitig wird weltweit der Fehler begangen, virusbedingte Tote zu melden, sobald festgestellt wird, dass das Virus beim Tod vorhanden war – unabhängig von anderen Faktoren.
Das ist nicht korrekt.
Das RKI geht zwar davon aus, dass die – bislang geringe – Sterberate steigen wird. Aber weder wird dies medial befeuert noch behauptet jemand in der öffentlichen Debatte, dass das SARS-CoV-2-Virus außergewöhnlich gefährlich sei beziehungsweise eine hohe Letalität habe. Tatsächlich hat das Virus offenbar eine eher niedrige Case-Fatality-Rate (die CFR beschreibt den Anteil der tödlichen Verläufe einer Erkrankung).
Die wichtigste Größe ist nicht die Zahl der Sterbenden, sondern der schwer Erkrankten.
Einem behandelnden Arzt auf der Intensivstation einer Klinik ist es weitgehend egal, ob an einer vordergründigen SARS-CoV-2-Infektion möglicherweise noch andere Atemwegserreger aus der Corona-Virusfamilie beteiligt sind. Oder was eventuell "eine erhöhte Luftverschmutzung" (Bhakdi) mit der Erkrankung zu tun hat. Das ist allenfalls von Bedeutung für die wissenschaftliche Evaluierung der Coronakrise. Denn das Virus ist neu, und auch fieberhafte Forschung kann nicht innerhalb weniger Wochen alle Fragen klären und Lösungen anbieten:
Oder sollen die Ärzte etwa in Bergamo nebenbei schnell 500 Leichen in Schutzausrüstung obduzieren, um die Todesursachenstatistik zu verfeinern?
Ob jemand am oder mit dem Virus gestorben ist, lässt sich in der aktuell angespannten Lage kaum auseinanderdividieren. Dem RKI zufolge können zwar Verstorbene, die zu Lebzeiten nicht auf Covid-19 getestet worden waren, aber in Verdacht stehen, an COVID-19 gestorben zu sein, post mortem – also nach ihrem Tod – auf das Virus untersucht werden. Allerdings sollen derzeit eine innere Leichenschau, Autopsien oder andere aerosolproduzierenden Maßnahmen vermieden werden (Update: Am 14. April hat das RKI neue Empfehlungen herausgegeben), da auch tote Infizierte als ansteckend betrachtet werden:
Letztlich wird erst eine epidemiologische Nachbetrachtung ergeben können, wieviele Fälle als kausal anzusehen sind.
Das heißt: Wie viele Menschen durch das Coronavirus in diesem Jahr zusätzlich gestorben sind, wird man erst in zirka acht Monaten in der jährlichen Todesstatistik sehen.
Die Verantwortlichen sind aber gezwungen, auf Basis der Informationen zu handeln, die jetzt verfügbar sind, erklärt der Statistikexperte und Professor an der Medizinischen Universität Freiburg Gerd Antes:
Berücksichtigt man die Gesamtsituation und die Erfahrungen aus anderen Staaten, hatte Deutschland keine andere Wahl, als dem Virus erst mal mit drastischen Maßnahmen zu begegnen. So konnten wir Zeit gewinnen. Die müssen wir jetzt nutzen, um eine bessere Datenlage zu schaffen und künftig fundierter entscheiden zu können.
Entscheidend ist, dass sich das SARS-CoV-2-Virus pandemisch ausbreitet und schwerere Symptome verursacht als die endemischen, saisonal auftretenden Coronaviren.
In der Praxis geht es deshalb darum, dass diese Patienten auf der Intensivstation möglicherweise nicht mehr versorgt werden können, weil die Fallzahlen von Covid-19 extrem schnell ansteigen, da ein neues Virus auf eine nicht immunisierte, nicht geimpfte Bevölkerung trifft:
Es ist ja nicht so, dass die Intensivbetten größtenteils leerstehen und nur auf die Covid-19-Kranken warten. Anders gesagt: Bisher bloß schwere, aber durch intensivmedizinische Behandlung meist heilbare Erkrankungen werden dann tödlich [...] Sollten 80 Prozent aller Menschen erkranken, dann heißt das, es müssten 5,6 Millionen Menschen wegen COVID-19 im Krankenhaus versorgt werden. Dann müssten mehr als 1,8 Millionen Menschen intensivmedizinisch behandelt werden. Deutschland hat etwa 28 000 Intensivbetten. Wenn innerhalb von wenigen Monaten knapp zwei Millionen Schwerstkranke betreut werden müssen, dann …
Einen detaillierten Fakten-Check zu "Bhakdis Brief an die Kanzlerin" gibt's bei BR24 und beim SWR.
Die Zeit stattete Sucharit Bhakdi für ein Dossier (Nr. 21/2020 vom 14. Mai) einen Hausbesuch ab.
In dem Beitrag wird deutlich, wie sehr der Corona-Verharmloser „Gefallen an seiner neuen Nebentätigkeit als Youtuber gefunden hat“ und dass das „Sich-selbst-infrage-Stellen“ bei dem emeritierten Professor nicht mehr klappt. Angesprochen wird auch Bhakdis Auftritt bei dem Verschwörungstheoretiker > Ken Jebsen mit dem Fazit:
Die beiden [Jebsen und Bhakdi] sind sich einig.
In der Facebook-Gruppe Nothing but the Truth – Aufklärung über die Verschwörungszene verglich ein Mitglied Anfang Juni die Fachveröffentlichungen von Christian Drosten, Sucharit Bhakdi und > Wolfgang Wodarg in der medizinischen Meta-Datenbank Pubmed.
Das Ergebnis:
- Drosten Virus: 377 Treffer
- Drosten Sars: 68 Treffer
- Drosten Mers: 120 Treffer
- Drosten Corona: 5 Treffer
- Drosten Covid: 15 Treffer
- Bhakdi Virus: 5 Treffer
- Bhakdi Sars: 0 Treffer
- Bhakdi Mers: 0 Treffer
- Bhakdi Corona: 0 Treffer
- Bhakdi Covid: 0 Treffer
Von Wolfgang Wodarg lässt sich überhaupt nur eine einzige Publikation aus dem Jahr 1989 finden. Ein Aufsatz über Gesundheitsämter.
- Update: Und wenn Covid-19 doch viel harmloser wäre?
Nennenswert etwas ausrichten kann man nur, wenn man früh handelt. Wir wollen doch nicht Studien abwarten, die uns dann sagen, dass wir vor einem Monat wirklich dringend etwas hätten tun sollen.
Der Schweizer Facharzt für allgemeine Chirurgie, Herz- und Gefässchirurgie und Präsident von „EurAsia Heart", Prof. Paul R. Vogt, hat am 7. April in der Mittelländischen Zeitung eine "Zwischenbilanz oder eine Analyse der Moral, der medizinischen Fakten sowie der aktuellen und zukünftigen politischen Entscheidungen" veröffentlicht.
Ein Auszug:
Handelt es sich hier nur um "eine gewöhnliche Grippe", die jedes Jahr vorüberzieht und gegen die wir üblicherweise "nichts" unternehmen – oder um eine gefährliche Pandemie, welche rigide Massnahmen benötigt?
Um diese Frage zu klären, muss man bestimmt keine Statistiker fragen, die noch nie einen Patienten gesehen haben. Die reine, statistische Beurteilung dieser Pandemie ist sowieso unmoralisch. Fragen muss man die Leute an der Front.
Keiner meiner Kollegen – und ich natürlich auch nicht – und niemand vom Pflegepersonal kann sich erinnern, dass in den letzten 30 oder 40 Jahren folgende Zustände herrschten, nämlich dass:
- ganze Kliniken mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose besitzen;
- ganze Intensivstationen mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose aufweisen;
- 25 bis 30 Prozent der Pflegenden und der Ärzteschaft genau jene Krankheit auch erwerben, welche jene Patienten haben, die sie betreuen;
- zu wenig Beatmungsgeräte zur Verfügung standen;
- eine Patientenselektion durchgeführt werden musste, nicht aus medizinischen Gründen, sondern weil wegen der schieren Anzahl an Patienten schlicht das entsprechende Material gefehlt hat;
- die schwerer erkrankten Patienten alle dasselbe – ein uniformes – Krankheitsbild aufgewiesen haben;
- die Todesart jener, die auf der Intensivstationen verstorben sind, bei allen dieselbe ist;
- Medikamente und medizinisches Material auszugehen drohen.
Aufgrund von 1-8 ist es klar, dass es sich um einen gefährlichen Virus handelt, der dieser Pandemie zugrunde liegt.
Die Behauptungen, eine "Influenza" sei genau gleich gefährlich und koste jedes Jahr gleich viele Opfer ist falsch. Zudem ist die Behauptung, man wisse nicht, wer "an" und wer "wegen" COVID-19 sterbe, ebenso aus der Luft gegriffen.
Vergleichen wir Influenza und COVID19:
Hat man das Gefühl, bei Influenza seien immer alle Patienten "wegen" Influenza gestorben und nie einer "mit"? Sind wir Mediziner im Rahmen der COVID-19-Pandemie nun alle plötzlich so verblödet, dass wir nicht mehr unterscheiden können, ob jemand "mit" oder "wegen" COVID-19 stirbt, wenn diese Patienten eine typische Klinik, typische Laborbefunde und ein typisches Lungen-CT aufweisen?
Aha, bei der Diagnose "Influenza" waren natürlich alle immer hellwach und haben immer die ganze Diagnostik bemüht und waren immer sicher: nein, bei der Influenza sterben alle "wegen" und nur bei COVID-19 viele "mit" [...]
Wir können glimpflich davonkommen, oder eine Katastrophe erleben. Rigide Massnahmen bewirken, dass die Kurve der Kranken flacher verläuft. Es geht aber nicht nur um die Höhe der Kurve, es geht auch um die Fläche unter der Kurve und diese repräsentiert am Ende die Anzahl Toter.
Updates zu "an oder "mit" Covid-19 gestorben?
- siehe "An oder mit Covid-19 gestorben?"
Updates zum Thema "Übersterblichkeit"
- siehe "Grippe (im Vergleich mit Covid-19)"
Updates zum Thema "Nur so gefährlich wie Grippe?"
- siehe "Grippe (im Vergleich mit Covid-19)"
- Science Blogs: Schuster bleib bei Deinen Leisten: Kommentar zu Prof. Bhakdis Einlassungen
- Welt-Online: Warum die Corona-Krise keine Übertreibung ist
- Pharmazeutische Zeitung: Pandemie-Management – Meinungen am Rande des Mainstreams
- Zeit-Online: "Glauben Sie nicht jedem, der einen Doktortitel hat"
- Belltower News: Corona-Pandemie: Fake News im Familien-Chat – Was kann ich tun?
- GWUP: Verschwörungstheorien - Was ist eine legitime wissenschaftliche Position und was ist Nonsens?
- BR24: Bhakdis Brief an die Kanzlerin – Was ist dran an seinen Fragen?
- Faktenfuchs: Wie werden Corona-Todesfälle gezählt?
- BR24: Was ist gefährlicher – Corona oder Grippe?
- Süddeutsche Zeitung: Corona-Falschmeldungen erreichen ein Millionenpublikum
- SWR3: Video im Faktencheck: Prof. Sucharid Bhakdi kritisiert Corona-Maßnahmen
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker”: So manipuliert dich dieser Kettenbrief
- Mehr dazu beim Stichwort "An oder mit Covid-19 gestorben?", Youtube-Videos", Grippe" und "Hockertz"
Bircher, Andreas
- siehe "Baden"
Binder, Thomas
Neben Beate Bahner gilt Verschwörungsgläubigen der Schweizer Kardiologe Thomas Binder als einer der "Kritiker der Corona-Diktatur, die in psychiatrischen Einrichtungen verwahrt" würden. Binder hatte sich in den sozialen Netzwerken vehement über den "Corona-Schwindel" verbreitet und erklärt, "diese SARS-CoV-2-Schein-Pandemie ist in der Realität eine 5G-Pandemie". Bill Gates und andere bezeichnete er als "psychopathische Oligarchen" und "personifizierte Teufel".
Eine seine wirren Drohungen konnte man als Aufruf zur Waffengewalt gegen Regierungen und Behörden verstehen:
Am Karsamstag wurde Binder festgenommen und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Die Kantonspolizei Aargau teilte dazu mit:
Die Kantonspolizei Aargau erhielt am frühen Samstagabend, 11. April 2020, eine Meldung, wonach ein 58-jähriger Schweizer aus dem Bezirk Baden Drohungen gegen Angehörige und Behörden verbreitet habe. Da der Verdacht bestand, dass der mutmaßlich psychisch labile Mann bewaffnet sein könnte, traf die Polizei rund um das Gebäude besondere Sicherheitsvorkehrungen.
Die Kantonspolizei Aargau konnte den Mann am späten Abend festnehmen. Er wurde anschliessend in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Die Staatsanwaltschaft Baden hat eine Strafuntersuchung eröffnet.
Alex Dutler von der Aargauer Staatsanwaltschaft erklärte im SFR:
Der Beschuldigte hat in den sozialen Medien verschiedene auffällige Äusserungen gemacht. Aufgrund dieser Äusserungen mussten wir davon ausgehen, dass er für sich oder für andere eine Gefahr darstellen könnte. Eine Drittperson teilte dann noch mit, dass er über eine Schusswaffe verfügt. Aus diesen beiden Gründen musste die Polizei reagieren.
Der Beschuldigte wurde nach der Festnahme ärztlich untersucht. Die Ärzte kamen zum Schluss, dass er nicht haftfähig ist aus gesundheitlichen Gründen. Er kam dann für die genaueren Untersuchungen in die psychiatrische Klinik. Dort wurde eine sogenannte fürsorgerische Unterbringung gemacht. Diese macht man, wenn jemand zum Beispiel wegen psychischen Problemen für sich oder andere eine Gefahr darstellt.
Wenn man sieht, zu welchen Schlüssen die Mediziner kamen, kann man sicher sagen, dass wir richtig reagiert haben.
Am 17. April schrieb Binder bei Twitter und Facebook, dass er "um 16 Uhr in die ambulante psychiatrische Betreuung entlassen" werde. Auch zwischen dem 11. und 17. April setzte der Arzt zahlreiche Tweets und Postings ab, was die Behauptung, er solle wegen seiner Corona-Kritik "mundtot gemacht" werden, absurd erscheinen lässt.
- Mimikama: Corona-Kritiker Thomas Binder wegen Drohungen festgenommen
- Medinside: Verhafteter Aargauer Arzt in Psychiatrie
- siehe auch "Bahner, Beate"
Browne, Sylvia
Sylvia Celeste Browne war ein in den USA sehr prominentes "Medium". Sie starb 2013
2010 und 2013 brachte der Skeptical Inquirer zwei umfangreiche Artikel über die "Hellseherin"
- Psychic Defective: Sylvia Browne’s History of Failure
- The Psychic Defective Revisited: Years Later, Sylvia Browne’s Accuracy Remains Dismal
Der Autor Ryan Shaffer weist ihr darin eine Vielzahl von Fehlprognosen nach, sowohl bei Vermisstenfällen als auch in Bezug auf politische und gesellschaftliche Ereignisse.
In Deutschland haben der Wahrsagerchecks-Blog und Capital kritisch über die "Hochstaplerin" berichtet:
Was nun ihre Corona-Prophezeiung ...
Um das Jahr 2020 wird sich eine schwere, lungenentzündungsähnliche Erkrankung über den ganzen Globus ausbreiten, die die Lunge und die Bronchien angreift und sich allen bekannten Behandlungen widersetzt.
... angeht, verleiht ihr das Debunking-Portal snopes immerhin eine großzügige "Mixture"- (also zwischen "True" und "False")Bewertung:
It's unclear whether Browne's "prediction" was more of a lucky guess, considering the book was written after the SARS outbreak [...]
Although it could be argued that stating a respiratory illness would sweep through the world in 2020 was accurate, other elements of the book passage are unknown or unlikely.
Auch Mimikama weist darauf hin, dass ...
... jene Vorhersage nur wenige Jahre nach dem Ausbruch des SARS-Virus getroffen [wurde]. So ist die „Prophezeiung“, dass in etwa zehn Jahren ein ähnliches Virus auftaucht, nichts weiter als ein statistischer Glücksgriff.
Zuletzt sei noch zu erwähnen, dass jene Behauptung nur eine von vielen „Prophezeiungen“ ist, die aber überhaupt gar nicht eintrafen.
So heißt es weiter bei Sylvia Browne:
Fast verblüffender als die Krankheit selbst wird die Tatsache sein, dass sie plötzlich so schnell weggeht, wie sie gekommen ist, zehn Jahre später erneut angreift und dann vollständig verschwindet.
Das klingt tatsächlich schon weniger plausibel – und darüber hinaus zielt der Investigator Benjamin Radford vom CFI auch auf die vage Zeitangabe "around 2020", was "je nach subjektiven Kriterien variiert und plausibel einen Bereich von plus oder minus drei oder mehr Jahren umfassen könnte."
Ob Covid-19 nun wirklich inhärent mit einer "schweren" (severe) Art von Lungenentzündung einher geht und ob Brownes Schilderung einer infektiösen Atemwegserkrankung überhaupt eine SARS-CoV-2-Infektion in ihren Merkmalen und Besonderheiten beschreibt, ist letztendlich Interpretationssache – und relativ unbedeutend, meint Radford:
Browne has made many thousands of predictions; the fact that this one happened to possibly, maybe, be partly right is meaningless.
Vollständig validiert werden kann die Vorhersage ohnehin erst in zehn Jahren, wenn laut Sylvia Browne Covid-19 erneut ausbrechen und danach "completely" verschwinden soll:
A neat trick for a prediction made.
C
Chlordioxid
- siehe "Miracle Mineral Supplement/MMS"
Coach Cecil
Am 8. April berichtete das ZDF über den ehemaligen Basketballprofi Cecil Egwuatu, der als Fitnesscoach und Social-Media-Influencer den Youtube-Kanal "Coach Cecil" betreibt.
Dem ZDF zufolge verbreitet "Coach Cecil" Verschwörungstheorien über die Coronakrise (wobei er "Zahlen und Definitionen verdreht oder bewusst missversteht") und empfiehlt zugleich Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminpräparate gegen Covid19. Auch die Hamburger Morgenpost schreibt, dass sich in seinen Videos ...
... unauffällige Meinungs-Mache, Fehlinterpretationen und Falsch-Aussagen
häuften.
- ZDF: Youtuber & Fitnesscoach "Cecil": Wie mit Corona-Mythen Geld verdient wird
- Hamburger Morgenpost: Corona-Verharmlosung: Hamburger Youtube- und Instagram-Star sorgt für Unruhe
- Deutschlandfunk: Corona-Verschwörungen vom Fitness-Coach
Der Facharzt für Innere Medizin und Youtuber Dr. Janos Hegedüs ("Sprechstunde mit Dr. Hegedüs") hat sich ebenfalls mit "Coach Cecil" beschäftigt:
Fans von "Coach Cecil" verteidigen den Fitnesscoach mit der Behauptung, er stelle nur Statistiken und "die öffentlichen Aussagen der verantwortlichen Personen aus Politik, Medizin und Wirtschaft" zusammen, präsentiere aber nicht "seine persönlichen Meinungen" oder "ideologischen Konzepte".
Allerdings genügt schon ein Blick auf die Titel seiner Videos, um zu sehen, dass "Coach Cecil" keine sachliche Berichterstattung verfolgt, sondern das Zahlen- und Faktenmaterial zur Corona-Krise in ein großes Narrativ von geheimen Absichten und Hintergrundmächten einbaut – was ihn als Verschwörungstheoretiker und nicht als "Wahrheitssucher" kennzeichnet. So tragen seine Videos Titel wie "AUFGEFLOGEN! Die WAHREN Mächte", "Corona – Abschaffung der Demokratie", "Erwischt! die große Corona LÜGE", "Bill Gates wird JEDEN impfen, auch Dich!", "Unglaublich – die große Corona LÜGE ist aufgeflogen!" oder "Corona – Rechtsstaat gestorben, Bahner zerstört".
Beispielhaft kann man die Argumentationsmuster seiner Fans (und deren partiell aggressives Verhalten) im GWUP-Blog verfolgen. Die Masche von Coach Cecil selbst analysierte am 6. Mai 2020 auch der Blog Onkel Michaels kleine Welt, und zwar am Beispiel der Videos, die Cecil gegen die Chemikerin, Autorin, Moderatorin und preisgekrönte Yotuberin Mai Thi Nguyen-Kim gerichtet hat ("GEFÄHRLICHE Mailab" etc.):
Ein selbst ernannter „Coach“, der ebenfalls sehr aktiv im Bereich der Corona-Verschwörungstheorien ist und dies mittels Videos in die Welt hinausposaunt, hat sich einige Videos von Mai Thi Nguyen-Kim vorgenommen und diese „debunked“. So beispielsweise ihr Video zu Vitamin C, Kurkuma oder Low Carbe.
Das sieht dann so aus, dass in hektischen Wortschwallen irgendwelche vermeintliche „Fakten“ präsentiert werden, die der Zuseher in dem Moment gar nicht einordnen kann, da vor allem auch immer wieder Quellenangaben für Behauptungen fehlen.
Auch werden in diesen Videos falsche Tatsachen dargestellt. Beispielsweise wird in dem Video zu Vitamin C behauptet, der Chemiker Linus Pauling hätte für seine Forschungen auf dem Gebiet der hochdosierten Vitamine den Nobelpreis bekommen. Dies ist so nicht richtig.
Pauling erhielt den Nobelpreis für Chemie für seine Forschungen über die Natur der chemischen Bindung und deren Anwendung zur Erhellung der Strukturen von komplexen Substanzen. Und das über zehn Jahre, bevor er mit dem Vitamin-Unsinn angefangen hat.
Diese Videos zeichnen sich durch hektische und dadurch äußerst aggressiv wirkende Monologe aus. Man merkt schnell, dass hier schon die grundlegendsten Kenntnisse zum wissenschaftlichen Arbeiten fehlen.
Quittiert werden diese Videos mit Zuseherkommentaren, die nur als ekelhaft zu bezeichnen sind. Kritische Kommentare gegen den „Coach“ und seine Aussagen werden schleunigst gelöscht.
Woher die Intention kommt, merkt man, wenn man sich die Videobeschreibung ansieht. Darin sind ellenlange Werbelinks zu Nahrungsergänzungsmitteln zu finden, darunter auch Kurkumin- und Vitamin C-Produkte. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Auch Correctiv hat das Video "Aufgeflogen: Die wahren Mächte Volksverrat" vom 1. Mai 2020 geprüft.
Die Faktenchecker kommen zu dem Ergebnis, dass die Behauptungen von "Coach Cecil" größtenteils falsch oder unbelegt sind.
- Correctiv: Youtube-Video von „Coach Cecil“: Falsche Aussagen über das RKI, die Corona-Sterblichkeit und Bill Gates
- Volksverpetzer: Alles, was unserer Meinung widerspricht, ist rechts & Verschwörungstheorie!!
- Mehr dazu beim Stichwort "Immunsystem", "Nahrungsergänzungsmittel" und "Youtube-Videos"
Correctiv
Das stiftungsfinanzierte journalistische Recherche-Projekt correctiv überprüft und debunked Falschmeldungen zum Thema Covid-19/Coronakrise hier.
Dabei geht es zum Beispiel um Behauptungen wie
- Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit belegt, dass PCR-Tests keine Infektion mit SARS-CoV-2 nachweisen.
- Polizei darf auf Corona-Infizierte schießen, wenn sie sich nicht an die Quarantäne halten.
- Die Maßnahmen gegen Covid-19 haben wenig bis keinen Effekt.
- In den USA sind nur sechs Prozent der Corona-Toten an Covid-19 gestorben, die US-Gesundheitsbehörde hat die Todesfallzahlen um 94 Prozent nach unten korrigiert.
Etc.
D
Dahlke, Ruediger
- siehe "Grippeimpfung"
- Watson: "Waldbaden" und Fasten: Dahlkes esoterische Wundermittel gegen das Coronavirus
E
Entschwörung
Eine allgemeingültige "Entschwörungsstrategie" für den Umgang mit Verschwörungsgläubigen, die bei jeder Person und in jeder Situation funktioniert, gibt es nicht. Jeder muss seine individuelle Vorgehensweise finden, die abhängig ist von Zeit, Geduld, Temperament, Frustrationstoleranz, Wissen, Umfeld, Zielsetzung und anderem mehr.
In Kurzform haben sich folgende Eckpfeiler für eine Online-/Reallife-Diskussion mit Verschwörungsgläubigen bewährt:
- Freundlich und sachlich bleiben
- Resolutes Auftreten (Profil zeigen, die eigene Weltsicht klarmachen, Interessenehrlichkeit schaffen, Wahrheitskriterien benennen)
- Falschaussagen widerlegen („debunken“), an Fakten festhalten, eingängige persönliche Gegenerzählungen – auch emotionaler, „anekdotischer“ Art – liefern und die Lücke füllen, die eine korrigierte Fehlinformation bei Ihrem Diskussionspartner im Geist hinterlässt.
- Klare Botschaften mit kurzen, verständlichen Sätzen
- Schwerpunkt auf wenigen Kernargumenten, Überkomplexität vermeiden
- Verschwörungstheoretische Falschaussagen möglichst nicht wiederholen, und wenn, dann nur mit der expliziten Warnung, dass das, was jetzt kommt, falsch ist
- Valide Quellenbelege und genaue Erklärungen einfordern
- Nachfragen, Diskussionspartner in logische Widersprüche verwickeln
- Fakten von Meinungen trennen und erklären, was Meinungsfreiheit wirklich bedeutet
- Überlegen, was hinter der Überzeugung des Diskussionspartners stecken könnte
- Unbelehrbaren Diskussionspartnern Grenzen setzen („rote Linie“)
- Klarmachen, dass das Abrücken von einer falschen Annahme nicht bedeutet, die persönliche Weltanschauung aufgeben zu müssen.
Zweifel säen und zum Nachdenken anregen kann jeder. Diese Auffassung teilt auch die Journalistin Franzi von Kempis, die unter dem ironisierenden Namen „Besorgte Bürgerin“ bei Youtube, Twitter und Facebook unterwegs ist. In ihrem Buch „Anleitung zum Widerspruch – Klare Antworten auf populistische Parolen, Vorurteile und Verschwörungstheorien" führt sie folgende Tipps aus:
- Den Kontext kennen und eigene Ziele definieren
- Eine konstruktive Haltung einnehmen
- Psychologische Effekte bedenken
- Zuhören und selbst sachlich bleiben
- (Offene) Fragen stellen und nicht moralisch werden
- Rhetorische Ausweichmanöver (er)kennen
- Grenzen ziehen und menschlich bleiben
Etwas weiter ausgeholt:
Am 13. Mai 2020 veröffentlichte Zeit-Online diesen Essay von Anselm Neft:
Darin schreibt Neft über einen Verschwörungsgläubigen in seinem Umfeld:
Ich fühle mich ohnmächtig, weil seine angeblichen Fragen ("Es wurden also kaum 5G-Masten während des Lockdowns installiert?") tatsächlich auf Gerüchte zurückgreifen, die sich leicht streuen und nur mühsam widerlegen lassen. Ich bin in diesem Austausch auf eine Statistenrolle in einem Schauspiel festgelegt.
Was ich auch sage, bietet nur die Bühne für die Selbstinszenierung meines Gegenübers, gerade wenn ich durch Widerspruch seine Besonderheit unterstreiche. Will ich das nicht mitmachen, bleibt mir nur der Kontaktabbruch.
Oder?
Gerade die Frage nach dem Umgang mit Verschwörungsgläubigen steht derzeit bei vielen Artikeln im Vordergrund. Eine unsystematische Zusammenschau:
Dr. Holm Hümmler warnt im HR-Magazin maintower zunächst einmal vor illusorischen Erwartungen:
Man darf nicht die Erwartung haben, man redet mit jemandem und überzeugt ihn – das wird nicht passieren. Man hat nicht das sofortige Erfolgserlebnis.
Trotzdem müsse man klarstellen, dass es Widerspruch gibt. Ein realistisches Ziel sei es, zum Nachdenken anzuregen:
Wenn ich zum Beispiel auf Faktenchecker-Seiten verweise und sachlich Informationen anbiete, die die kruden Konstrukte auseinandernehmen, erreiche ich womöglich diejenigen, die beginnen, die Widersprüche der Verschwörungstheoretiker wahrzunehmen, oder sich an ihren Gewaltfantasien stoßen.
Das bestätigt auch Saba-nur Cheema von der Bildungsstätte Anne Frank in einem Podcast der Bundeszentrale für politische Bildung (zirka 30 Minuten):
Die pädagogische Leiterin erklärt, dass Menschen durchaus ihre Überzeugung plötzlich ändern könnten, weil sie zum Beispiel ...
... eine Info dann doch total absurd finden oder jemand in ihrer Gruppe sie stört. Und dann kommen sie zu den Bezugspersonen zurück, die sie nicht für komplett verrückt erklärt haben, sondern die weiterhin mit ihnen im Gespräch geblieben sind.
"Emotionale Verbindung", "Respekt" und "Wertschätzung" sind auch drei von sechs Punkten, auf die Dana Buchzik bei Edition F fokussiert – aber auch das "Recht auf Selbstschutz".
Der Psychologe Sebastian Bartoschek bekräftigt das:
Man sollte sich erst einmal ehrlich fragen: „Will ich überhaupt das Gespräch darüber suchen?“ Denn wenn ich das tue, muss ich das auch wertschätzend gestalten. Es bringt nichts loszupoltern – damit kann ich niemanden überzeugen und werde im Zweifelsfall nur noch mehr verlieren.
Wir nennen das den „Backfire-Effekt“ – je stärker jemand angegriffen wird, desto stärker ist seine Reaktion. Diese Tendenz kann man zwar menschlich sehr gut verstehen, aber sie bringt einen im Diskurs nicht weiter.
Man sollte sich immer wieder Zeit nehmen, die Faktenlage zu erklären und die Dinge gemeinsam und in Ruhe zu Ende zu denken. Das ist sehr zeit- und energieintensiv und sollte vorher gut bedacht sein. Auf jeden Fall sollte man an der Seite der Person bleiben und sie nicht fallen lassen.
Das ist ähnlich wie bei Sektenmitgliedern. Da würde man vielleicht auch nicht immer über die Sache diskutieren – aber signalisieren: „Ich bin für dich da, auch wenn ich von dem, was du sagst, nichts halte.“
Der Psychologe Alexander Waschau von Hoaxilla sieht es ähnlich:
Im privaten Umfeld ist es wichtig, Verschwörungsmythen zu widersprechen und falsche Behauptungen nicht stehen zu lassen. Ideal wäre es dabei, nicht direkt auf einen Konfrontationskurs zu gehen, damit das Gegenüber gewillt bleibt, im Diskurs zu bleiben.
Ist das verschwörerische Weltbild aber komplett geschlossen und gegen Kritik immunisiert, wird man diese Personen nicht mehr erreichen können.
Eine gute Einstiegsfrage lautet meiner Erfahrung nach: „Was muss geschehen, damit Du von Deiner Meinung abrückst?“ Mit dieser Frage kann man die grundsätzlich Bereitschaft, vom Verschwörungsmythos abrücken zu wollen, ausloten.
Das rät auch der Sozialpsychologe Roland Imhoff von der Gutenberg-Universität Mainz:
"Verschwörungstheoretiker haben entweder ein verstärktes Bedürfnis danach, Kontrolle über ihr Leben zu erlangen oder ein besonders hohes Bedürfnis, einzigartig zu sein" – so beschreibt Imhoff Verschwörungstheoretiker.
In der Diskussion mit ihnen gehe es also nicht darum, sie zu überzeugen, dass sie einer Verschwörungstheorie glauben, sondern herauszufinden, ob die Theorie gerechtfertigt und plausibel ist oder nicht. Deshalb rät er dazu, auf einer Metaebene zu reden. "Beide Seiten sollten sich fragen: Was könnte denn gegen meine Theorie sprechen?"
"Mit Fakten kommt man nicht weiter, weil es wenige Möglichkeiten gibt, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen." Es geht laut Imhoff darum, wer welcher Quelle glaubt und vertraut. Wenn das bei beiden Gesprächsteilnehmern verschiedene Quellen sind, werden sie sich niemals einigen.
Grundsätzlich gelte in der Diskussion mit Verschwörungstheoretikern: "Es bringt wenig, sich darüber lustig zu machen." Laut Imhoff sollte man "die Sorgen der Menschen ernst nehmen, ohne ihren Theorien zuzustimmen". Nur dann könne ein Austausch gelingen.
Hinter Verschwörungstheorien stecken auch immer bestimmte Motivationen, Nöte, Sorgen oder Bedürfnisse, so Imhoff. "Wenn die Intention hinter der Verschwörungstheorie anderweitig befriedigt wird, dann braucht es vielleicht keine Verschwörungstheorie mehr."
Vor allem in den sozialen Medien sei Widerspruch wichtig:
"In einem offenen Diskurs sollte man bestimmte Dinge nicht unwidersprochen lassen", sonst entstehe ein verzerrtes Bild von Öffentlichkeit. Langwierige Diskussionen dagegen seien oft wenig sinnvoll, weil sie nur geringe Erfolgsaussichten hätten: Da könne man sich fragen, "wie wertvoll einem die eigene Lebenszeit ist."
Die sieben häufigsten (Falsch-)Aussagen und was man ihnen entgegensetzen kann ...
... hat dubito zusammengestellt, zum Beispiel "Corona ist weniger gefährlich als eine herkömmliche Grippe" oder "Wir leben in einer Meinungsdiktatur".
Bei netzpolitik.org schreibt Daniel Laufer von der Sehnsucht nach einem "Zauberwort", mit dem man Verschwörungsgläubige wieder auf die rechte Bahn holen kann:
Aber so einfach ist es natürlich nicht.
Wer Angehörigen helfen will, muss herausfinden, warum sie Verschwörungserzählungen anhängen, was dieser Glaube ihnen bedeutet, und letztlich, was er ihnen bringt. Im Gespräch merkt man, ob es beispielsweise eine Angst vor Impfungen gibt oder ob sich jemand vor allem wichtig machen will.
Viel lasse sich zudem mit emotionalen Anekdoten erreichen, am besten mit Bezug zu einem selbst. Schauermärchen über die angeblichen Folgen von Impfungen könnte man zum Beispiel begegnen, indem man klar macht, wie wenig man sich selbst vor diesen fürchtet, und welche gefährlichen Konsequenzen das Coronavirus für viele Menschen hatte, die daran erkrankt sind, weil es noch keinen Impfstoff gibt.
Schlussendlich geht es darum, den Betroffenen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, das sie sich andernfalls im Verschwörungsglauben verschaffen. Anteilnahme beruhigt einen Menschen mehr und löst ihn eher aus seinem Gedankengut als dagegen zu reden.
Aber auch diese Strategie kann scheitern. Oft geschehe dies, wenn man anfangs zu lange gezögert habe und die Betroffenen bereits zu tief in diese Welt abgerutscht seien, so Riede.
Darauf hat auch Katharina Nocun mehrfach hingewiesen, deren Buch "Fake Facts – Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen" in der Corona-Krise erschienen ist (mit Pia Lamberty).
Dem rbb sagte die Netzaktivistin:
Nicht erst, wenn Menschen irgendwann bei Chemtrails und Echsenmenschen angelangt sind, sollte man eingreifen. Es hilft, Fragen zu stellen: Warum glaubst du das, wer behauptet das? Dabei sollte man sich in Diskussionen nicht im Klein-Klein verlieren, denn meist geht es um das grundlegende Narrativ: dass jemand den Medien, der Politik, der Wissenschaft als Ganzes misstraut.
Wenn jemand über "die Medien" redet, sollte man einhaken und nachfragen: Wer sind "die Medien"? Die Bildzeitung, die taz? Ist es sinnvoll, derart unterschiedliche Akteure in einen Topf zu werfen?
Wir können auch schauen: Hat die Person finanzielle Schwierigkeiten, kriselt es in der Beziehung, im Job? Wenn man an zugrunde liegenden Problemen etwas ändert, dann ist manchmal die Verschwörungserzählung als Fluchtpunkt nicht mehr attraktiv.
Bei öffentlichen Diskussionen ist Gegenrede wichtig. Vor allem rassistische, antisemitische Verschwörungserzählungen sollte man nicht einfach so stehen lassen, schon um ein Zeichen zu setzen: Das glaubt nicht die Mehrheit.
Auch im Youtube-Kanal von Philippe Wampfler warnt Nocun (ab Minute 4:40) vor dem Impuls, es "wegzuschieben", wenn bei einem Familientreffen Verschwörungsmythen geäußert werden:
Damit verpasst man möglicherweise den Zeitpunkt, zu dem die Leute noch erreichbar sind. Je früher man interveniert, desto besser.
Außerdem könne es eine gute Strategie sein, einfach Fragen zu stellen:
Es ist wichtig, Widerspruch zu zeigen. Im Internet oder in grossen Chatgruppen geht es dabei auch um die stillen Mitleser. Im Freundes- oder Familienumfeld ergibt es Sinn, die Person im Zwiegespräch darauf anzusprechen, in einem ruhigen und sachlichen Ton – auf gar keinen Fall herablassend.
Es kann auch eine gute Strategie sein, einfach Fragen zu stellen. Etwa: Wer steht denn hinter diesem Medium, auf das du dich beziehst? Hat diese Person eine politische Agenda? Wie finanziert sich diese Website?
Wie erklärst du dir, dass eine Million Wissenschaftler Teil dieser Verschwörung sein müssen – und kein Einziger das bisher enthüllt hat? Oder wie wahrscheinlich ist es denn, dass eine geheime globale Verschwörung von hochintelligenten Milliardären existiert, wenn das ein B-Promi auf Instagram aufdeckt?
Da lohnt es sich, an den kritischen Geist zu appellieren.
Dass das Sinn hat und funktionieren kann, zeigt dieser Twitter-Thread:
An einem Stück kann man das Ganze auch bei Plazeboalarm nachlesen.
Eine Zusammenfassung des Themas "Entschwörung" in zehn Punkten ist am 2. Juni bei Zeit-Online erschienen:
- Halten Sie dagegen
- Intervenieren Sie früh
- Stellen Sie sich auf einen langen Prozess ein
- Passen Sie Ihre Strategie an
- Verlieren Sie sich nicht in Details
- Lassen Sie das Gespräch nicht eskalieren
- Stellen Sie Fragen
- Bleiben Sie empathisch
- Zeigen Sie klare Kante
- Wenden Sie sich an Beratungsstellen
- GWUP-Blog: Verschwörungstheorien: Wenn einem die Worte fehlen
- GWUP-Blog: Wie wird man eigentlich zum Verschwörungsgläubigen?
- GWUP-Blog: Der schwierige Umgang mit Verschwörungsgläubigen
- GWUP-Blog: "Auf dem Schlachtfeld": Umgang mit Verschwörungsgläubigen
Esoterik
Isses jetzt weg?
Eigentlich dürfte es gar keine neuen Covid-19-Fälle mehr geben – schließlich hat doch am 5. April "die größte weltweite Meditation" zur "endgültigen Auslöschung des Corona-Virus" stattgefunden.
Sogar die Gesundheitssprecherin der Grazer FPÖ warb dafür (mittlerweile hat sie den Eintrag wieder gelöscht):
Zunächst wurde die kindliche Eso-Kaiserin Christina von Dreien als Urheberin der imaginären Desinfektionsreinigung kolportiert. Das "stets melancholisch wirkende Starlet der Szene" (Stiftung Gurutest) verneinte dies in ihrem Newsletter, erteilte dem Anliegen aber seinen Segen:

Eigentlicher Initiator der kontaktlosen Virentötung ist eine esoterische "Widerstandsbewegung", die sich "Cobra" nennt und die Webseite "Transinformation" betreibt.
Dort findet sich auch ein "vorläufiger Bericht zur Meditation":

Was dieses "energetische Ereignis" jetzt gebracht haben soll, ist für unsereiner nicht nachvollziehbar. Anscheinend wurde dadurch irgendeine "Schwingung" erhöht. Oder sowas.
Die Esoterik bleibt sich also auch in der Corona-Krise treu. So wie die Verschwörungstheorien zu Corona umgehend in das Netz bestehender Verschwörungsideologien eingewoben worden sind, so versichern sich derzeit auch die Esoteriker vorwiegend der transzendenten Bedeutsamkeit ihrer eigenen Existenz.
Selbstaufwertung durch wirkungslose Ersatzhandlungen – viel mehr steckt wohl nicht hinter solchen Aufrufen zur Massenmeditation oder zur "21 Uhr Wohnzimmer-Revolution":

Die globale Pandemie, um die es doch angeblich geht, wird dabei verharmlost oder bestenfalls zur "Lektion für die Menschheit" verklärt – etwa von dem Schweizer "Channelmedium" Nancy Holten.
Mit Verschwörungstheoretikern teilen Esoteriker dabei nicht nur die Vorliebe für Verschwörungstheorien, in denen es zum Beispiel um "Hintergrundmächte" (Christina von Dreien) oder Virenleugnung (Christian Anders, Bruno Würtenberger) geht:


Sondern auch das Faible für einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte.
Keine Lust mehr auf Hygienemaßnahmen und Ausgangsbeschränkungen? Kein Problem. Beherzigen wir doch einfach die Botschaft des Virus – dann geht er weg und alles wird wieder gut. Meint etwa der Baseler Esoterikverein "gaia media":


Auch die Betreiberin der Seite "EnergieZentriert" plaudert gerne mal mit dem geschwätzigen neuen Coronavirus:
Trotzdem Angst vor SARS-CoV-2?
Kein Problem.
Schließlich gibt es doch die "Zapper-Heilkarte, ein energetischer Schutzmantel gegen infektiöse Krankheitserreger, die es zu neutralisieren gilt. Das bedeutet: Sieg über den Corona-Virus.“
Oder das hier:
Oder man wählt einfach die 537354:

Schöner als mit diesen überall kursierenden "Heilzahlen" kann man die magisch-kindliche Weltsicht vieler Esoteriker kaum illustrieren.
Also:
Wirkungslose Ersatzhandlungen, Komplexitätsreduktion durch Simplifizierung – fehlt eigentlich nur noch das dritte Kernelement von Esoterik, die Egozentrik beziehungsweise die Sakralisierung des Ichs.
Ah, da ist sie ja schon:
Klar, SARS-CoV-2 ist nur für solche Menschen gefährlich, die nicht das richtige Bewusstsein haben, nicht in der richtigen Schwingung leben. Und die Todesopfer von Covid-19 – die haben sich schon vorher bereit erklärt, zu gehen, sagt Nancy Holten in diesem Video (ab Minute 8:10).
Und dieses altbekannte Victim blaming rundet das Bild, das die Esoterik in der Coronakrise gibt, trefflich ab.
Denn im Moment passiere ja nichts weiter – heißt es in dem "spirituellen Blog" amoralion –, als dass "der Schnupfen zum Katastrophenfall, der Husten zum Notstand erklärt" werde:
Bis ein Virus in Form von Symptomen in unserer Körperhülle erscheint, hat es eine lange Reise hinter sich.
Zunächst konnte es als „fremdes Programm“ in Form von auf uns einprasselnden Leitbildern, Meinungsbildern und Überzeugungen über einen geschwächten, labilen Mentalkörper Eingang in uns finden.
Dann bahnte es sich seinen keimenden Weg durch die Feuchtgebiete der Emotionen, um schließlich an den Ufern des Festkörperlichen zu sprießen.
Was da tatsächlich sprießt, ist Zynismus, fehlende Mitmenschlichkeit und Anteilnahme sowie "Ablenkung von dem, was zum Schutz für andere und sich selbst gerade jetzt getan werden sollte", analysiert der evangelische Weltanschauungsbeauftrage Matthias Pöhlmann.
Ob das in einer echten Krise tragfähig ist, bezweifelt auch die Neue Zürcher Zeitung:
Ich muss gestehen, dass mich eine entscheidende Nebenwirkung der Quarantäne nicht unfroh macht:
Die Esoteriker haben jetzt alle Zeit der Welt, das breite Nichts transzendenter Erfahrung in den eigenen vier Wänden auszukosten. Quarantäne muss eine Hölle der Achtsamkeit sein. Man hat Zeit, sich die Zutaten veganer Brotaufstriche hundertmal vorzulesen. Und man hat wochenlang Zeit, in sich hineinzuhorchen.
Ich glaube, wenn die Corona-Krise vorbei ist, wird es weniger Esoterik geben.
- GWUP-Blog: Die Crème de la Crème der Quacksalber beim „Coronavirus-Onlinekongress"
F
5G
Update vom September:
Spektrum: Der Ursprung von Corona, Verursacher von Krebs, eine chinesische Machtinstrument gegen den Westen – Wie gefährlich ist 5G?
Stand März - August:
Eine originelle Erklärung, was es mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G auf sich hat, wurde im Juni in der Facebook-Gruppe Nothing but The Truth gepostet (Orthografie originalgetreu):
Ein Bekannter der kontakt zum Geheimdienst hat, hat mir die Information zugespiehlt, das Bill Gates seine Pläne geändert hat! Gates ist beunruhikt das immer mehr Leute aufwache und ändert desshalb seine Stratehgie bezücklich der Impf-Chips! 5G wurde modufiziert!!! Wenn es aktifiert wird, werden nicht diejenigen vernichtet die sich von ihm chippen lassen. Sondern diejenigen die Keinen Chip tragen. Der Chip schützt dann die manipulierbaren Massen. Alle freien Menschen sollen ausgelöscht werden!!!
Offen blieb, ob das Ganze möglicherweise Satire oder ein Troll-Versuch sein könnte. Vom Duktus her passt dieses Posting in die Vorstellungswelt von Verschwörungsgläubigen.
Schon am 20. Januar war auf der französischen Konspirologen-Webseite „Les Moutons enrages“ („Die wütenden Schafe“) die Rede von einer zeitlichen Übereinstimmung des Coronavirus-Ausbruchs in Wuhan mit der Installation von 5G-Antennen in der chinesischen Millionenmetropole.
Obwohl das gar nicht stimmte (zum Zeitpunkt des ersten Auftretens von SARS-CoV-2 in Wuhan war 5G schon eineinhalb Jahre im Einsatz), griff zwei Tage später die belgische Zeitung The Laatste Nieuws diesen Gedanken auf. In einem Interview mit dem Blatt behauptete der Allgemeinmediziner Kris Van Kerckhoven aus Putte: „5G is levensgevaarlijk en niemand die het weet“ („5G ist lebensgefährlich und niemand weiß es“).
Von dem Journalisten explizit auf einen Zusammenhang zwischen dem 5G-Ausbau in Wuhan und Corona angesprochen („link met coronavirus?“), antwortete Kerckhoven zwar nur vage „maar het is mogelijk“ („Das ist möglich“) – aber sogleich rauschte seine Äußerung als Tatsachenbehauptung durch die sozialen Netzwerke.
Ähnlich wie bei > Bill Gates basiert auch dieser Verschwörungsmythos auf vorgeprägtem Misstrauen.
Schon zum Jahresbeginn 2019 wies der Verschwörungskanal Klagemauer-TV seine Mitarbeiter an, 5G zum Schwerpunkt für die nächsten Monate zu machen. „Das Thema wurde als das beste angesehen, um möglichst viele Menschen mit Klagemauer-TV in Berührung zu bringen“, berichtet eine Aussteigerin in der GWUP-Zeitschrift Skeptiker.
Wunschgemäß eskalierte die Sache: „Wenn man auf Youtube das Stichwort ,5G Strahlung‘ in die Suchfunktion eingibt“, analysierte der Blog Relativer Quantenquark, „kann man gleich unter den ersten Suchergebnissen den Eindruck gewinnen, der zukünftige 5G-Mobilfunkstandard brächte eine Form von Killerstrahlung mit sich, die in der Lage sein müsste, ganze Landstriche zu entvölkern“.
Wie bei Verschwörungsmythen üblich, gibt es auch bei 5G nicht die einheitliche Erzählung, sondern dutzende unterschiedliche Erklärungen. Demnach verbreiten die neuen Sendemasten das Virus, oder sie aktivieren es. Andere Verschwörungsgläubige behaupten, die 5G-Strahlung bringe Menschen um und die Pandemie sei ein Ablenkungsmanöver, um die Krankheits- und Todesfälle zu vertuschen.
Dies sei auch in Wuhan geschehen. Andere gehen davon aus, die Strahlung schwäche das Immunsystem, was die Verbreitung des Virus erleichtere.
Natürlich verbreiten sich Viren weder über Radiowellen noch über Mobilfunknetze. Und die Krankheit Covid-19 tritt auch in Ländern auf, in denen es gar keine 5G-Mobilfunknetze gibt.
Experten sehen zudem keinen rationalen Grund, anzunehmen, dass Mobilfunkstrahlung gesundheitsschädlich ist. Sie rechnen den verwendenden Strahlentyp zur nicht ionisierenden Strahlung. Diese besitze viel zu wenig Energie, um die DNA zu schädigen und etwa Krebs auszulösen. 5G liefere neue Übertragungsprotokolle, nicht eine neue Sorte geheimnisvoller Strahlung.
5G werde eine größere Zahl von Sendeanlagen brauchen und etwas andere Frequenzen nutzen, aber die Abstrahlungsleistungen seien gering und weit unterhalb aller Grenzwerte, die aus medizinischer Sicht nötig erscheinen. „Wer bisher keine Angst vor Mobilfunk hatte, der muss sich auch vor 5G nicht fürchten“, schreibt der Physiker und Wissenschaftserklärer Florian Aigner.
In Gefahr sind eher die Mitarbeiter von Mobilfunkbetreibern. Vor allem in Großbritannien und in den Niederlanden mehren sich direkte Attacken gegen Menschen, etwa mit versteckten Rasierklingen und Nadeln in Handymasten. Mehr als 200 solcher Vorfälle seien seit Ende März registriert worden –zusätzlich zu 90 Brandanschlägen, die in diesem Zeitraum verübt wurden.
In Wilhelmshaven filmte sich Ende April ein Mann dabei, wie er die Kabel eines Mobilfunkmast zerschnitt und in die Kamera sagte:
Leute, ich will euch nur sagen: Diese Scheiße – ich lasse mich davon nicht mehr kaputtmachen. Und ich erwarte von euch, dass ihr auch rausgeht und diese Scheiße vernichtet.
Die WHO hat die angebliche Corona-Ausbreitung durch 5G in ihre Myth busters-Webseite aufgenommen:
- Correctiv: Nein, es gibt keine Studie, die einen Zusammenhang von 5G und Corona-Ausbrüchen belegt
- Futurezone: Woher die 5G-Coronavirus-Theorie ursprünglich stammt
- Redaktionsnetzwerk Deutschland: 5G und Corona: Woher kommt die Verschwörungstheorie?
- Belltower News: Der konstruierte Zusammenhang zwischen Covid-19 und 5G
- Alliance for Science: What’s behind the latest COVID conspiracy theory?
- Stern: Die "Chemtrails" sind weg, nun haben Verschwörungsfans einen neuen Feind
- Tagesschau: Ist 5G gefährlich?
- Mimikama: 5G und der neue Coronavirus – Eine kombinierte Verschwörungstheorie
- Süddeutsche Zeitung: Die 5G-Verschwörung
- Medwatch: Wie Mobilfunkgegner Angst vor 5G verbreiten
- watson: Coronavirus und 5G – Youtube verliert den Kampf gegen die Verschwörungstheorien
- Futurezone: 5G – das Handynetz des Todes
- Relativer Quantenquark: 5G-Mobilfunk und die Party der Verschwörungs-Schwurbler
- Correctiv: 5G ist nicht schuld an Todesfällen durch das Coronavirus
- Snopes: Was a 5G Tower torn down in China to stop Covid-19?
- Alliance for Sciences: Anti-vaxxers and Russia behind viral 5G Covid conspiracy theory
- Mimikama: 5G und tote Vögel in Italien: Stimmt das?
- Mehr dazu beim Stichwort "Verschwörungstheorien"
G
Gates, Bill
Wenn das mal mit rechten Dingen zugeht:
Sowohl Philipp Walulis als auch Oskar Lafontaine verteidigen Bill Gates gegen "krude Verschwörungstheorien".
Natürlich verbindet Lafontaine das mit Kapitalismuskritik. Und selbstverständlich kann man Gates' Einfluss auf die WHO kritisch betrachten, wie zum Beispiel Die Welt und die Süddeutsche das getan haben (der Zeit-Redakteur Jakob Simmank verfasste schon vor drei Jahren einen entsprechenden Beitrag, bedauert aber heute, mit einigen stilistischen Zuspitzungen den Verschwörungsgläubigen zugearbeitet zu haben).
Gates selbst sagte bei einem Journalistengespräch am 3. Juni zu den Verschwörungsmythen über ihn:
Es fällt mir fast schon schwer, das zu leugnen, weil es so dumm und merkwürdig ist.
Vermutlich wird auch dieser Satz – verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen – künftig als Eingeständnis Gates‘ kursieren, dass er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht leugnen könne.
Denn Verschwörungserzählungen von unsichtbaren Eliten und sinistren Strippenziehern brauchen ein Gesicht. Eine Person, die sie verantwortlich machen können. Eine Figur, die die Situation absichtlich geschaffen hat.
Ein Virus kann man nicht hassen. Es ist ein sehr unbefriedigender Gegner für die menschliche Psyche. Aber Bill Gates, der das Virus angeblich absichtlich in Umlauf gebracht hat – den kann ich hassen,
erklärt die Kriminalpsychologin Lydia Benecke vom GWUP-Wissenschaftsrat.
Und weil es dabei um einen Bösewicht geht, den man schon immer im Blick hatte, verbreiteten sich die Anti-Gates-Ressentiments von Jordan Sathers auch so schnell. Laut dem Internet-Forschungsinstitut Zignal Labs war die These, Gates sei für die Verbreitung von Corona verantwortlich, im April weltweit die am häufigsten in sozialen Medien verbreitete Verschwörungstheorie über das Virus.
Jordan wer?
Jordan Sathers ist ein Verschwörungstheoretiker aus dem QAnon-Dunstkreis, der mit seinem Youtube-Kanal "Destroying the Illusion" regelmäßig die neuesten "Q Drops" verbreitet.
Am 22. Januar warnte er via Twitter seine Follower vor einer „new fad disease“ und behauptete:
Zu Deutsch: Gates soll schon vorher von der Pandemie gewusst haben. So hätte ein von ihm unterstütztes Institut in Großbritannien ein Patent erhalten, das mit dem Coronavirus in Verbindung stehe.
Nach QAnon griff die Seite „Infowars“ des Verschwörungsideologen Alex Jones die steile These auf. In den darauffolgenden Monaten entstand eine globale Welle von Gates-Verschwörungsmythen mit immer groteskeren und fantasievolleren Auswüchsen. Im Mai forderte die parteilose italienische Abgeordnete Sara Cunial (ehemals „Fünf-Sterne-Bewegung“) sogar die Verhaftung des Microsoft-Gründers: Gates sei der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig.
In Deutschland bekam das Video „Gates kapert Deutschland“ des Verschwörungsideologen Ken Jebsen mehr als drei Millionen Klicks – allerdings auch fundierten Widerspruch von prominenten Influencern wie Philipp Walulis, Sophie Passmann und Louisa Dellert.
Tatsache ist:
– Das Pirbright Institute, das unter anderem von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt wird, hat 2015 die abgeschwächte Version eines Erregers aus der Gruppe der Coronaviren patentieren lassen, und zwar im Zusammenhang mit der Impfstoffentwicklung gegen ein Geflügelvirus.
– Gates hat nicht den Tod von 65 Millionen Menschen durch das neue Corona-Virus SARS-CoV-2 angekündigt.
Diese Verschwörungserzählung basiert auf einer „pandemic exercise“, also der Simulation eines globalen Pandemie-Szenarios, die im Oktober 2019 am Johns Hopkins Center for Health Security durchgespielt wurde und an der auch die Bill & Melinda Gates Foundation beteiligt war. Da Coronaviren zum einen recht zahlreich und zum anderen genetisch hochvariabel sind, ist es nicht allzu verwunderlich, für ein solches Gedankenspiel einen Coronavirus zu postulieren.
„Zwar hat unsere Übung ein fiktives Corona-Virus beinhaltet, aber die dafür genutzten Modelle waren nicht mit nCoV-2019 vergleichbar“, schreibt das Johns Hopkins Center in einer Stellungnahme. „Wir sagen auch jetzt nicht vorher, dass der Ausbruch 65 Millionen Menschen töten wird.“ Es handelte sich um ein Krisenszenario mit einer erfundenen Corona-Virus-Pandemie, nicht um eine Vorhersage oder Prognose.
– Gates „schwadroniert“ nicht „ungeniert über Bevölkerungsreduktion“, die er mit Impfstoffen erreichen wolle, wie Verschwörungsgläubige behaupten.
Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung finanziert Impfprogramme in Entwicklungsländern, um die Kindersterblichkeit zu senken, was erwiesenermaßen auch die Bevölkerungsdynamik positiv beeinflusst:
Eine überraschende Erkenntnis für uns war es, dass eine Verringerung der Sterblichkeitsrate das Bevölkerungswachstum reduziert.
Eine hohe Kinderzahl sei bisher die einzige Garantie für die Eltern, im Alter unterstützt zu werden. Wenn die Zahl der Kinder, die bis zum Erwachsenenalter überleben, steige, können Eltern dieses Ziel erreichen, ohne so viele Kinder zu bekommen.
– Von der Gates-Stiftung finanzierte Impfstoffe haben weder Tausenden Kindern in Indien und Afrika geschadet noch in Kenia und anderen Ländern Millionen Frauen zwangssterilisiert. Diese Anschuldigungen gehen auf Impfgegner wie den US-Aktivisten Robert. F. Kennedy Jr. beziehungsweise auf eine Gruppe von katholischen Bischöfen in Afrika zurück und sind von Faktencheckern als „falsch“ oder „unbelegt“ entlarvt worden.
– Interviewpassagen, in denen Gates scheinbar von horrenden Gewinnen seines Impfengagements spricht, sind aus dem Zusammenhang gerissen. Gates verfolgt einen effektiven Altruismus und legt immer wieder dar, dass seine Spenden in Bezug auf Impfungen effektiver seien als jede andere vorstellbare Aufwendung.
Beispielsweise rechnete er vor, dass eine Investition von zehn Milliarden Dollar in Energieprojekte in den Entwicklungsländern eine Rendite von 150 Milliarden Dollar gebracht hätte. Eine Investition derselben Summe in Infrastruktur 170 Milliarden Dollar:
Durch Investitionen in globale Gesundheitsinstitutionen haben wir jedoch all diese Renditen übertroffen: Die zehn Milliarden Dollar, die wir für die Bereitstellung von Impfstoffen, Medikamenten, Moskitonetzen und anderen Hilfsgütern in den Entwicklungsländern zur Verfügung stellten, brachten einen geschätzten sozialen und wirtschaftlichen Nutzen von 200 Milliarden Dollar.
Gates‘ Zuwendungen an verschiedene Pharmaunternehmen, die Impfstoffe produzieren, sind ebenfalls nicht profitorientiert. Zudem gilt der Impfstoffmarkt allgemein als „unattraktiv und risikoreich“.
– Gates hat auch nicht davon gesprochen, zusammen mit einer möglichen Impfung gegen das Sars-CoV-2-Virus einen Mikrochip zu implantieren, um die „totale Kontrolle“ über die Menschheit zu erlangen.
Diese Falschbehauptung geht zurück auf eine Online-Fragestunde beim Internetportal Reddit. Dort konnten am 18. März 2020 User Fragen an Gates stellen. Eine davon drehte sich darum, wie Unternehmen in der Corona-Krise weiterarbeiten und trotzdem den Infektionsschutz aufrechterhalten könnten.
Gates erklärte, dass es eines Tages wohl „digitale Zertifikate“ geben werde, aus denen hervorgeht, wer Covid-19 bereits durchgemacht hat, wer getestet wurde oder – sobald verfügbar – einen Impfstoff erhalten hat.
Ein kleiner Blog namens Biohackinfo machte daraus einen Tag später den Artikel „Bill Gates will use microchip implants to fight coronavirus“ und vermischte Gates‘ Aussage über digitale Zertifikate mit anderen von ihm geförderten Forschungsprojekten – etwa zur digitalen Identität oder zu „Quantum Dot Tattoos“.
Dabei handelt es sich um biokompatible Kapseln im Mikrometerbereich, die einen Impfstoff und fluoreszierende Quantenpunkte enthalten, die im Infrarotlicht auf der Haut anzeigen, welche Impfungen verabreicht wurden. Also eine Art Tätowierung anstelle eines Impfausweises, die aber weder Daten der geimpften Person speichern kann noch etwas mit Mikrochips zu tun hat.
In einem TED-Talk hatte der Tech-Milliardär schon 2015 vor einem Virus-Ausbruch gewarnt und erklärt, es sei jetzt an der Zeit, „all unsere guten Ideen in die Tat umzusetzen", angefangen von der Katastrophenplanung über die Erforschung von Impfstoffen bis hin zur Ausbildung für Gesundheitshelfer.
Laut den Belltower News wurde das achtminütige Video bislang über 26 Millionen Mal angeklickt – auch von zahllosen Verschwörungsgläubigen, die in seiner Rede den Beweis gefunden haben wollen, dass Gates es von langer Hand geplant habe, eine Pandemie zu kreieren, um so das weltweite Gesundheitssystem unter seine Kontrolle zu bringen. „In den Augen der Verschwörungstheoretiker besitzt er das, was sie Vorwissen nennen“, sagt der Tübinger Kulturwissenschaftler Michael Butter:
Das ist ganz wichtig für deren Argumentation. Sie schauen immer, wer vorher schon angeblich Bescheid wusste und das müssen dann die Leute sein, die in die Pläne involviert waren und deshalb dafür verantwortlich sind.
Bill Gates sei als Projektionsscheibe ideal, erklärt auch der Vorsitzende des GWUP-Wissenschaftsrats, Dr. Nikil Mukerji:
Gates hat viel Geld – was ihn per se für viele Menschen verdächtig macht – und er hat weit weniger unter der Pandemie zu leiden als wirtschaftlich schlechter Gestellte.
Viele hätten Angst um ihre wirtschaftliche Existenz oder bereits ernste Schwierigkeiten. Es sei psychologisch nachvollziehbar, so Mukerji, dass man das jemandem in die Schuhe schieben wolle und einen Schuldigen suche. Zudem ärgere wohl viele, dass private Philanthropen sich politisch einmischen und aufgrund ihres Geldes und Einflusses auch etwas bewegen können, ohne demokratisch gewählt zu sein.
Darin könne man zwar ein Demokratiedefizit sehen. Aber andererseits sei die Effektivität von privaten Hilfsgeldern belegbar und zum Beispiel von der Non-Profit-Organisation „GiveWell“ evaluiert worden.
Und gerade weil das Ausmaß an Macht, das Bill Gates hat, die Fantasie anregt und Verschwörungstheorien entstehen lässt, sei es umso wichtiger, begründete Einwände von wirren Ideologien zu trennen, schreibt Zeit-Redakteur Simmank.
Aber darum geht es den Verschwörungsgläubigen und Corona-Demonstranten mit ihren „Gib Gates keine Chance“-Plakaten gar nicht. Für sie ist Gates offenbar ein idealer Schnittpunkt für viele unterschiedliche Ängste:
Jene vor dem Virus selbst und vor Zwangsimpfungen genauso wie für jene vor einem digitalen Überwachungsstaat.
- Correctiv: "Ärzte für Aufklärung" stellen unbelegte und falsche Behauptungen über Impfungen in Indien und Afrika auf
- Correctiv: Michael Spitzbart verbreitet falsche Behauptungen über Bill Gates
- Correctiv: Nein, Bill Gates hat nicht 700.000 Opfer durch eine Corona-Impfung angekündigt
- siehe auch "Jebsen, Ken" und "QAnon"
Geheimplan
Der Verschwörungstheoretiker Heiko Schrang will einen "Geheimplan der Regierung" entdeckt haben, den er als "Masterplan bzw. Gebrauchsanweisung für alles, was gerade abläuft" wertet.
Tatsächlich handelt es sich dabei um einen "Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012", der 2013 veröffentlicht wurde. Darin werden zwei Szenarien in der Theorie durchgespielt: ein extremes Schmelzhochwasser und eine „Pandemie durch Virus Modi-SARS“. Auf correctiv-Anfrage teilte Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit:
Die Risikoanalyse […] dient der vorsorglichen Beschäftigung mit möglichen bundesrelevanten Gefahren und den zu erwartenden Auswirkungen auf die Bevölkerung, ihre Lebensgrundlagen und die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland. Ihre Ergebnisse sollen als Informations- und Entscheidungsgrundlage dienen und somit eine risiko- und bedarfsorientierte Vorsorge- und Abwehrplanung im Zivil- und Katastrophenschutz ermöglichen.
Ein ähnliches Projekt war das Szenario "Die neue Pest" des Zukunftsforschers Karlheinz Steinmüller von 2002.
2010 hatte sich der Bundestag mit der "Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung" befasst.
- Correctiv: Um was es bei dem angeblichen "Geheimplan der Regierung" 2012 wirklich ging
- Correctiv: Nein, Angela Merkel wusste nicht schon 2013 von der aktuellen Coronavirus-Pandemie
- Spiegel-Online: Das Pandemie-Planspiel
- Correctiv: Nein, Videos von Panzern zeigen keine geheime Militäraktion, sondern unterbrochene NATO-Übung
- Mimikama: Faktencheck zum Sharepic "Angela Merkel errichtet gerade eine Diktatur"
- Spiegel-Online: Corona als Stresstest für die Demokratie: "Eine goldene Gelegenheit"
Götz, Sebastian
Ein Youtuber namens Sebastian Götz, nach eigenen Angaben Psychologiestudent in Ulm, glaubt, führende Virologinnen und Virologen liegen falsch: In einem Video auf Youtube hat er im Juni deshalb die „Zerstörung des Corona-Hypes“ gefordert.
- Einen Faktencheck gibt's bei Correctiv.
Griesz-Brisson, Margareta
Das Video einer “Ärztin” namens Margareta Griesz-Brisson geht in Kreisen der Verschwörungsgläubigen und Pandemie-Leugner durch die Decke. Und erscheint in fast jeder „Diskussion“ als vermeintliches Totschlagargument. Mit Argumenten, Fakten oder gar gesundem Menschenverstand hat das aber wenig zu tun:
- Volksverpetzer: Griesz-Brisson zerlegt: Video voller Lügen, Verschwörungsmythen und Wahn
Grippe (im Vergleich mit Covid-19)
Update vom September:
- Welt-Online: 16-mal gefährlicher als Grippe – Drosten verweist auf alarmierende Studie
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Medscape: 10 Mal tödlicher als die Grippe! Epidemiologe benennt 3 Fehler, durch die wir die Corona-Gefahr unterschätzen
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Spiegel-Online: Was Covid-19 und die Grippe verbindet - und was sie unterscheidet
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Correctiv: Nein, es ergibt keinen Sinn, aktuelle Todeszahlen von Covid-19 mit älteren Daten zur Grippe zu vergleichen
Die meisten Forscher gehen im Moment von einer Infektionssterblichkeit – also nicht nur bestätigte Fälle, sondern die Dunkelziffer mit eingerechnet – von 0,5 bis 1,0 Prozent aus. Bei den jährlichen Grippeepidemien liegt dieser Wert durchschnittlich bei 0,1 Prozent.
An der Grippe erkranken jährlich fünf bis 20 Prozent der Bevölkerung, bei Covid-19 kann dieser Wert ohne Gegenmaßnahmen bei 50 bis 60 Prozent liegen, wie beispielsweise in Bergamo, wodurch auch mehr Menschen insgesamt sterben.
Die Pandemie führt darüber hinaus kaum dazu, dass Nicht-Covid-19-Patienten schlechter versorgt werden
- Dazu: "Corona-Fehlalarm": Faktencheck zu Bhakdi/Reiß
- Zum Thema Übersterblichkeit: "Wie viele Menschen sterben an Corona?"
- Medwatch: Wie tödlich ist Covid-19?
Stand März - August
- Es wird aktuell zu viel Aufhebens um das Coronavirus gemacht, ist es doch genauso wenig gefährlich wie herkömmliche Influenza-Viren.
Dazu erklärt der Virologe Dr. Martin Stürmer im Hessischen Rundfunk (hr3):
Ich möchte ungern immer diese Vergleiche hören, denn letztendlich sind es zwei unterschiedliche Viren. Die Influenza, das wissen wir aus der Erfahrung, hat sehr unterschiedliche Ausprägungen – mal ist die Grippewelle ziemlich stark, mal ist sie weniger stark. Der Unterschied bei dem neuen Coronavirus ist, dass es bis dato in der Menschheit noch gar nicht vertreten gewesen ist. Wir wissen über das Virus relativ wenig, wir kennen es erst seit etwa drei Monaten. Die Menschheit hat diesen Erreger noch nie gesehen, wir haben keine Immunität, keinen Impfstoff, keine Medikamente. Insofern ist es durchaus ein gefährliches Virus und ich scheue mich, es immer mit der Influenza zu vergleichen.
- Über die Grippewelle wird nie so viel geredet.
Es stört mich tatsächlich auch, dass man über Grippewellen relativ wenig hört, denn wir können uns aktiv schützen und es gäbe so deutlich weniger Tote. Gegen das neue Coronavirus können wir uns aktuell nicht aktiv schützen. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Wir haben es mit einem neuen Erreger zu tun, deshalb ist es keine Hysterie, sondern Vorsicht, die wir walten lassen, weil wir diesen Erreger noch nicht kennen und nicht wissen, wie er sich in der Bevölkerung verhält. Ich möchte gar nicht wissen, wie die Situation aktuell aussehen würde, wenn auf der Welt nicht überall so rigide Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus ergriffen worden wären.
- Das Virus ist ohnehin nur für fünf Prozent der Bevölkerung gefährlich, die Sorge ist übertrieben.
Die fünf Prozent beziehen sich auf Patienten, die schwerstkrank werden durch das Virus. 15 Prozent werden immerhin noch solche Verläufe haben, dass sie höchstwahrscheinlich ins Krankenhaus kommen und sogar intensivpflichtig behandelt werden müssen. Bei 80 Prozent der Bevölkerung verläuft das Ganze vergleichweise milde und harmlos. Wir reden aber im Umkehrschluss davon, dass ein Fünftel der Bevölkerung so krank wird, dass sie vermutlich alle ins Krankenhaus und auf die Intensivstationen gehen müssen.
- In Italien und Spanien ist das Gesundheitssystem allgemein schlecht, dort sterben immer so viele Menschen.
Es ist etwas zu einfach, immer alles auf die sehr schlechten Gesundheitssysteme in den südeuropäischen Ländern zu schieben. Natürlich sind die Gesundheitssysteme dort nicht unbedingt vergleichbar, aber Norditalien, wo ja der Schwerpunkt der italienischen Infektionswelle liegt, hat ein vergleichsweise gutes Gesundheitssystem. Eine Kollegin von mir kommt aus Norditalien und hat dort noch Familie. Sie berichtet, dass das keinesfalls normale Zustände sind, so sieht es nicht jedes Jahr in Norditalien aus. Dementsprechend kann man das so nicht stehen lassen. Es gibt ja noch genügend andere Länder mit guten Gesundheitssystemen, in denen die Fallzahlen steigen und wenn die Maßnahmen nicht so rigide wären, würden sämtliche Systeme kollabieren.
Der Schweizer Facharzt für allgemeine Chirurgie, Herz- und Gefässchirurgie und Präsident von „EurAsia Heart", Prof. Paul R. Vogt, hat am 7. April in der Mittelländischen Zeitung eine "Zwischenbilanz oder eine Analyse der Moral, der medizinischen Fakten sowie der aktuellen und zukünftigen politischen Entscheidungen" veröffentlicht.
Ein Auszug:
Handelt es sich hier nur um "eine gewöhnliche Grippe", die jedes Jahr vorüberzieht und gegen die wir üblicherweise "nichts" unternehmen – oder um eine gefährliche Pandemie, welche rigide Massnahmen benötigt?
Um diese Frage zu klären, muss man bestimmt keine Statistiker fragen, die noch nie einen Patienten gesehen haben. Die reine, statistische Beurteilung dieser Pandemie ist sowieso unmoralisch. Fragen muss man die Leute an der Front.
Keiner meiner Kollegen – und ich natürlich auch nicht – und niemand vom Pflegepersonal kann sich erinnern, dass in den letzten 30 oder 40 Jahren folgende Zustände herrschten, nämlich dass:
- ganze Kliniken mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose besitzen;
- ganze Intensivstationen mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose aufweisen;
- 25 bis 30 Prozent der Pflegenden und der Ärzteschaft genau jene Krankheit auch erwerben, welche jene Patienten haben, die sie betreuen;
- zu wenig Beatmungsgeräte zur Verfügung standen;
- eine Patientenselektion durchgeführt werden musste, nicht aus medizinischen Gründen, sondern weil wegen der schieren Anzahl an Patienten schlicht das entsprechende Material gefehlt hat;
- die schwerer erkrankten Patienten alle dasselbe – ein uniformes – Krankheitsbild aufgewiesen haben;
- die Todesart jener, die auf der Intensivstationen verstorben sind, bei allen dieselbe ist;
- Medikamente und medizinisches Material auszugehen drohen.
Aufgrund von 1-8 ist es klar, dass es sich um einen gefährlichen Virus handelt, der dieser Pandemie zugrunde liegt.
Die Behauptungen, eine "Influenza" sei genau gleich gefährlich und koste jedes Jahr gleich viele Opfer ist falsch. Zudem ist die Behauptung, man wisse nicht, wer "an" und wer "wegen" COVID-19 sterbe, ebenso aus der Luft gegriffen.
Vergleichen wir Influenza und COVID19:
Hat man das Gefühl, bei Influenza seien immer alle Patienten "wegen" Influenza gestorben und nie einer "mit"? Sind wir Mediziner im Rahmen der COVID-19-Pandemie nun alle plötzlich so verblödet, dass wir nicht mehr unterscheiden können, ob jemand "mit" oder "wegen" COVID-19 stirbt, wenn diese Patienten eine typische Klinik, typische Laborbefunde und ein typisches Lungen-CT aufweisen? Aha, bei der Diagnose "Influenza" waren natürlich alle immer hellwach und haben immer die ganze Diagnostik bemüht und waren immer sicher: nein, bei der Influenza sterben alle "wegen" und nur bei COVID-19 viele "mit" [...]
Wir können glimpflich davonkommen, oder eine Katastrophe erleben. Rigide Massnahmen bewirken, dass die Kurve der Kranken flacher verläuft. Es geht aber nicht nur um die Höhe der Kurve, es geht auch um die Fläche unter der Kurve und diese repräsentiert am Ende die Anzahl Toter.
- Update vom 24. April:
Die Todeszahlen durch Covid-19 und Influenza sind aktuell nicht vergleichbar. Auch zu einer Übersterblichkeit in Deutschland gibt es bisher keine Daten.
In anderen Ländern lassen sich bereits Trends beobachten. In Italien gab es laut dem italienischen Gesundheitsministerium seit Anfang März einen deutlichen Anstieg der durchschnittlichen Mortalität, insbesondere im Norden des Landes und besonders stark bei Menschen über 85 Jahren. Für England und Wales hat zudem das Office of National Statistics kürzlich Zahlen veröffentlicht, die einen Anstieg der wöchentlichen Todesfälle im Vergleich zum Fünf-Jahres-Durchschnitt aufweisen.
New York weist zwischen März und April bereits siebenmal mehr Corona- als Grippetote auf. Und in ganz USA:
Coronavirus Kills More Americans in One Month Than the Flu Kills in One Year
- Update vom 27. April:
Jüngsten Angaben von EuroMomo (European Mortality Monitoring) zufolge sind in Europa innerhalb von vier Wochen etwa 100.000 Menschen mehr gestorben als sonst üblich in diesem Zeitraum. EuroMomo erfasst die sogenannte Übersterblichkeit in 24 europäischen Staaten.
Die Angaben zeigen, dass bereits in den ersten 16 Wochen 2020 die Zahl der erfassten übermäßigen Todesfälle die Gesamtwerte der Vorjahre übersteigt. Und dass, obwohl es 2017/18 eine schwere Grippewelle gegeben hatte und die jüngsten Angaben für 2020 durch Nachmeldungen noch weiter steigen könnten.
Der Infektiologe Jeremy Farrar sagte am 28. April in der Zeit zum Unterschied Grippe vs. Covid-19:
Auch wenn die Welt ähnliche Ausbrüche schon erlebt hat – die Spanische Grippe, Malaria oder die Pest im Mittelalter: Das wirklich einmalige und gleichzeitig die größte Herausforderung ist die dramatische Geschwindigkeit, mit der sich das Virus über die Welt verteilt. Etwas wirklich Vergleichbares hatten wir wohl noch nie [...]
Es ist erstaunlich, wie lange Menschen mit Covid-19 die Krankheit übertragen können. Einige sind ansteckend, bevor sie Symptome haben und noch immer ansteckend, wenn sie zwei Wochen später auf die Intensivstation gebracht werden. Und es gibt eine große Bandbreite von klinischen Verläufen: von sehr mild bis sehr schwer. All das macht es so schwer, die Erkrankung zu kontrollieren.
Menschen werden bei Grippe dazu angehalten zu Hause zu bleiben, wenn sie sich krank fühlen. Wir haben Tests und ein paar Behandlungsmöglichkeiten, auch wenn die nicht perfekt sind. Und natürlich haben wir Impfungen. Bei Covid-19 haben wir all das noch nicht: Wir hatten zu Beginn keine guten Tests, wir haben noch immer keine Medikamente, von denen wir wissen, dass sie helfen, und wir haben keinen Impfstoff.
Und es gibt noch einen Unterschied zu Influenza: Bei der saisonalen Influenza gibt es normalerweise ein gewisses Maß an Immunität in der Bevölkerung. Einfach weil viele Menschen schon einmal eine Grippe durchgemacht haben. Der Körper beseitigt das Virus deshalb schneller, sodass man nicht so lange ansteckend bleibt.
Bei Sars-CoV-2 scheint niemand Immunität gehabt zu haben. Es sieht nicht danach aus, als gäbe es eine starke Kreuzimmunität, also einen Schutz, weil sich jemand vor Kurzem mit einem Coronavirus infiziert hat, das eine einfache Erkältung auslöst.
- Update vom 30. April:
In Deutschland sind bis Anfang April sind mehr Menschen gestorben als sonst, vor allem unter den älteren Personen. Das sagen die aktuellen Sterbefalldaten für 2020.
- Update vom 1. Mai
Stanford-Studie: Warum Corona definitiv tödlicher ist als die Influenza
- Update vom 9. Mai
In Deutschland sind bis Mitte April offenbar etwas mehr Menschen gestorben als zu erwarten gewesen wäre. Besonders deutlich ist der Effekt regional zu erkennen – und bei Menschen über 80. In den Hotspot-Landkreisen ist die Übersterblichkeit teilweise drastisch höher.
- Update vom 20. Mai:
"Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich", schreibt die Süddeutsche Zeitung.
Und der Vergleich von Covid-19 mit der Grippe hinkt gewaltig.
Es gibt Unterschiede auf vielen Ebenen: Kommt es zu schweren Verläufen, ist die Infektion mit Sars-CoV-2 gefährlicher, beeinträchtigt mehr Organe und führt zu einer höheren Sterblichkeit als eine Infektion mit Influenza-Viren. Beide Erkrankungen befallen als erstes Organ nach dem Rachen die Lunge. Bei der Grippe bleibt es dabei. Zwar erleiden Patienten bei schwerer Virusgrippe auch häufiger Infarkte, oder eine Herzinsuffizienz verschlimmert sich, weil der Körper geschwächt ist und ein eventuell vorgeschädigtes Herz schneller versagt.
Doch bei Covid-19 werden fast alle Organe in Mitleidenschaft gezogen, buchstäblich von Kopf bis Fuß. Das Virus nutzt den ACE-2-Rezeptor als Eingangspforte in die Zellen, und der kommt fast überall im Körper vor.
Ärzte haben daher früh gefordert, neben Beatmungsgeräten auch Dialysegeräte anzuschaffen. Viele Covid-Patienten starben an Nierenversagen, gestörter Blutgerinnung oder Herzversagen. „Wir haben Patienten mit fulminanten Embolien gesehen“, sagt Intensivmediziner Stefan Kohlbrenner aus Freiburg. „Es kommt zum Multiorganversagen. Bei der Grippe muss man vom Ein-Organ-Versagen der Lunge sprechen.“
Kardiologen haben im Fachblatt Jama Cardiology gezeigt, dass akute Herzschäden bei 22 Prozent der Patienten mit Covid-19 beobachtet wurden. Bei der Grippe liegt der Anteil bei einem Prozent. Infarkte, Thrombosen, Embolien, Nierenversagen, aber auch Schlaganfälle und kognitive Ausfälle nach Infektionen mit Sars-CoV-2 wurden vielfach beschrieben. Deshalb ist die Sterblichkeit bei schweren Verläufen mit Covid-19 ungleich größer als bei der Grippe.
In der Diskussion um die Sterblichkeit kursiert oft die Zahl von 25 000 Toten in der besonders schlimmen Grippesaison 2017/18. Corona-Tote gibt es in Deutschland bisher knapp 8000, womöglich sind es bis Sommer 10 000. Die Zahl ist deswegen niedriger, weil von März an drastische Einschränkungen galten, sonst hätte es mehr Opfer gegeben.
Zudem wurden in der ungewöhnlich schweren Grippesaison 2017/18 tatsächlich „nur“ 1674 Todesfälle an Grippe im Labor bestätigt. Da in Jahren, in denen die Grippe stark wütet, mehr Menschen sterben als sonst („Übersterblichkeit“) und Influenza oft nicht als Todesursache angegeben wird, stellt das RKI jedoch Hochrechnungen an, wie hoch die tatsächliche Zahl der Opfer sein könnte.
So kommen die 25 000 Todesfälle für 2017/18 zustande. In der elfwöchigen Grippesaison 2019/20, die beendet ist, liegt die Zahl der Todesopfer bei 509.
- Tagesschau: Corona-Pandemie: Weniger gefährlich als die Grippe?
- BR24: Was ist gefährlicher – Corona oder Grippe?
- Welt-Online: Faktencheck: Warum die Corona-Krise keine Übertreibung ist
- Correctiv: Michael Spitzbart liegt falsch – das Coronavirus ist aktuell nicht mit dem Grippevirus vergleichbar
- Lars und die Welt: Und wenn Covid-19 doch viel harmloser wäre?
- Volksverpetzer: Abrechnung mit dem “Aber 25.000 Grippetote”-Argument der Corona-Verharmloser (25. August)
- Volksverpetzer: Ein Twitter-Thread zeigt, dass Corona wirklich nicht nur eine Grippe ist
Grippeimpfung
Der "Ganzheitsmediziner" Ruediger Dahlke verbreitet via Facebook die Behauptung, dass "die normale Grippe-Impfung das Risiko für Corona-Covid-19 dramatisch" erhöhe. Zugleich kritisiert er die "Impffreudigkeit und überhaupt Gläubigkeit an Schulmedizin" in Italien.
Dahlke ist seit vielen Jahren für seine "zusammenfantasierten Ratschläge" und seine Vorliebe für esoterische Behandlungsmethoden bekannt.
Sein Covid-19-Statement gründet auf der Misinterpretation eines Artikels in dem britischen Online-Medium Mirror:
Coronavirus: Top medic warns anyone who gets the flu jab should stay at home
In dem Beitrag wird aber mitnichten behauptet, dass eine Grippeimpfung das Risiko für eine Covid-19-Erkrankung erhöhe.
Sondern es geht darum, dass diejenigen Risikogruppen, die in Großbritannien kostenlos die Grippeschutzimpfung erhalten (älter als 65, Schwangere, bestimmte Vorerkrankungen, Pflegeheimbewohner etc.), auch stärker gefährdet sind, an Covid-19 zu erkranken.
Oder wie es im Faktencheck der Deutschen Presseagentur (dpa) heißt:
Der Influenza-Experte Jonathan Van-Tam bekleidet in England das Amt des "Deputy Chief Medical Officer". Am 17. März wurde er in der Sendung "BBC Breakfast" interviewt. Auf die Frage, welche Teile der Gesellschaft sich als Risikogruppen für Covid-19 ansehen sollten, antwortete Van-Tam: Es seien vor allem diejenigen, denen staatlicherseits eine Grippe-Impfung angeboten werde – mit Ausnahme von Kindern.
Van-Tam sagt ausdrücklich nicht, dass man aufgrund einer vorangegangenen Grippeimpfung eine höhere Gefahr habe, an Covid-19 zu erkranken.
- Mimikama: Dr. Ruediger Dahlke: „Grippeschutzimpfung erhöht COVID-19 Risiko“ – Faktencheck
- dpa-Faktencheck: Britische Regierung behauptete nicht, dass die Grippe-Impfung das Covid-19-Risiko erhöhe
- Ganzheitlich durchleuchtet: Ruediger Dahlke – Der sanfte Erlöser
H
Hildmann, Attila
- Watson: "Wie sich Attila Hildmann vom Vegan-Koch zum Verschwörungstheoretiker wandelte"
- GWUP-Blog: Schmierentheatraliker und Verschwörungsideologe Attila Hildmann hat Angst vor Wissenschaftlerinnen
- GWUP-Blog: Attila Hildmann und der Postillon: Wenn „Querdenker“ nicht mal geradeaus denken können
- siehe "Widerstand 2020"
- RND: Corona-Verschwörungen: Warum drehen so viele Promis durch?
Hockertz, Stefan
Auch der Immunologe Stefan Hockertz bemüht den Vergleich mit der Grippe und kritisiert die Reaktion der Politik auf die Corona-Pandemie als "unverhältnismäßig, autoritär, rechthaberisch und maßlos".
Ähnlich wie Sucharit Bhakdi behauptet auch Hockertz, dass die meisten Menschen, die jetzt als Corona-Todesfälle gezählt werden, “so oder so gestorben” wären. Sie seien mit Corona gestorben und nicht an Corona.
Update vom 21. April:
- siehe dazu "An oder mit Covid-19 gestorben?"
Zu Hockertz' übrigen Aussagen gibt es folgende Fakten-Checks:
- Correctiv: Coronavirus nicht gefährlicher als Grippe? Warum Stefan Hockertz’ Behauptungen in die Irre führen
- BR24: Aussagen des Immunologen Hockertz im Faktencheck
- Welt-Online: Warum die Corona-Krise keine Übertreibung ist
- Mimikama: Nicht das Virus macht uns krank, sondern die Angst? – Irreführende Behauptungen
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker”: So manipuliert dich dieser Kettenbrief
- Mehr dazu bei "Bhakdi" und "Grippe"
Homburg, Stefan
Der Finanzwissenschaftler behauptet in einem Youtube-Video, der Lockdown des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland sei völlig sinnlos gewesen. Die Reproduktionszahl des Virus, die angibt, wie oft ein Infizierter das Virus an andere weitergibt, sei bereit zuvor unter dem Wert 1 gelegen und habe sich durch den Lockdown praktisch nicht verbessert.
Homburg übersieht wissentlich oder unwissentlich wesentliche Fakten, die zum Verständnis der Reproduktionszahl und ihrer Entwicklung notwendig sind. Erstens lässt sie sich in der Regel nur mit einem Verzug von zehn bis elf Tagen sicher festlegen. Alles andere – insbesondere aktuelle Werte – sind Prognosen oder Hochrechnungen.
Zweitens gab es bereits vor dem weitgehenden Lockdown über Wochen schrittweise verschärfte Maßnahmen wie das Verbot von Großveranstaltungen und später von Schulen und Kitas. Auch diese Maßnahmen haben wahrscheinlich Effekte gezeigt. Viele Menschen haben außerdem bereits Restaurants gemieden, im Home-Office gearbeitet oder anderweitig Kontakte eingeschränkt – wie der Tagesspiegel herausgearbeitet hat.
Die Süddeutsche Zeitung hielt Homburg seinen Auftritt bei den Corona-Protesten am 9. Mai in Stuttgart vor.
Keine drei Wochen nach Veröffentlichung [eines beschwichtigenden Videos] trat Homburg in Stuttgart auf, vor den Tausenden Menschen auf dem Wasen, viele von ihnen kamen mit Verschwörungsplakaten und Anti-Impf-Zeichen – und Homburg sprach auf derselben Bühne wie ein anderer Redner nach ihm, der die Corona-Pandemie mit Auschwitz verglichen hatte.
Auch in einem fast zweistündigen Gespräch mit den SZ-Journalisten beantwortete Homburg entscheidende Fragen nicht. Er könne auf Nachfragen keine Begründungen für seine Behauptungen nennen und bleibe Erklärungen schuldig. Entscheidende Stellen "für sein ganzes Konstrukt" blieben damit offen.
Homburgs Reaktion auf die verschiedenen Kritikpunkte war eher irritierend als souverän:
Zu Homburgs Hauptargument, die am 22. März beschlossenen Kontaktbeschränkungen hätten keinerlei Auswirkungen auf die Verbreitung des Virus gehabt, gibt es mittlerweile verschiedene Untersuchungen.
Eine Studie, die in Science veröffentlicht wurde, zeigt, dass sich anhand der gemeldeten Infektionszahlen in Deutschland drei Zeitpunkte erkennen lassen, an denen die Ausbreitung von SARS-CoV-2 jeweils wirksam reduziert wurde:
- Zeitpunkt um den 7. März: Zu diesem Zeitpunkt wurden Großveranstaltungen wie Messen und Fußballspiele verboten. (In NRW z.B. am 10.3.). Die Wachstumsrate der Virusverbreitung sank von 30 auf 12 %.
- Zeitpunkt um den 16. März: Fast alle Schulen, Kindergärten und die meisten Geschäfte wurden am 16.3. auf Anordnung geschlossen. Die Ausbreitungsrate sank weiter auf 2 %.
- Zeitpunkt um den 24. März. In dieser Phase wurden die Kontaktbeschränkungen eingeführt (konkret am 22.3.). Die Wachstumsrate der Virusverbreitung sank auf -3 %
Auch die Wissensredaktion der Süddeutschen Zeitung hat herausgearbeitet, dass es "nicht das eine entscheidende Datum" gab, sondern ein Bündel an Maßnahmen dazu beitrug, die Epidemie einzudämmen und auf einem niedrigem Niveau zu halten. Dazu gehören auch die weitreichenden Kontaktverbote vom 22. März.
Kollegen von Homburg erklärten auf Anfrage, der Ökonom sei "inhaltlich abgedriftet" und mache grobe Fehler.
- Tagesspiegel: Der Fall des Stefan Homburg: Ein Wirtschaftsprofessor als raunender Corona-Kritiker
- Ruhrbarone: "Professor Humbug" dreht durch: "Das hier IST 1933"
- Correctiv: Faktencheck zu Stefan Homburg – Warum seine Argumente zur Reproduktionszahl des Virus zu kurz greifen
- Correctiv: Ist der Lockdown unwirksam? Die Behauptungen über die Reproduktionszahl im Fakten-Check
- Tagesspiegel: Der "überflüssige" Lockdown? Ja, der R-Wert sank schon vor der Kontaktsperre – aber...
- Tagesspiegel: War das alles wirklich nötig? Die Corona-Maßnahmen im Check
- Welt: Was Sie über die Grafik wissen sollten, über die ganz Deutschland spricht
- Welt: Covid-19-Reproduktionszahl: Der große Streit um eine scheinbar simple Formel
Homöopathie
Dass "das indische Gesundheitsministerium" ein homöopathisches Präparat zur Corona-Prävention empfohlen habe, war bereits eine Fake-News.
Nachdem solche anfänglich haarsträubenden Statements aus vielen Quellen die Runde machten, bei denen homöopathische Mittel zu Prophylaxe und Behandlung von Covid-19 „empfohlen“ wurden, gab es eine Reihe von Kurskorrekturen,
rekapituliert der Blog Keine Ahnung von Garnix.
Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) hat eine Pressemitteilung herausgegeben:
Der DZVhÄ betont, dass auch für homöopathische Ärzte in Deutschland die Empfehlungen der zuständigen nationalen Gesundheitsbehörden die maßgebliche Orientierung beim medizinischen Umgang mit dem Corona-Virus ist.
Der Verband klassischer Homöopathen Deutschlands e.V. rät ...
... allen Kolleginnen und Kollegen dringend, sich an die Vorgaben der offiziellen Stellen des RKI und BMG zu halten. Insbesondere von der Verbreitung von Ratschlägen zur Verwendung einzelner Arzneien zur Prophylaxe oder Behandlung der Erkrankung ist Abstand zu nehmen.
Verschiedene Kommentatoren kritisieren diese Aussage sogar noch als unvollständig:
Homöopathie kann bei ALLEN Indikationen auf keine validen Daten verweisen, die auf eine zuverlässig zu erzielende Heilung mit potenzierten Arzneimitteln hinweisen.
Zudem sei der Aufruf vom VKHD "alles andere als einsichtig" und diene wohl eher dem Selbstschutz als dem Schutz der Öffentlichkeit.
Tatsächlich scheinen einige "Selbstberufene bar jeglicher Einsicht" (Keine Ahnung von Garnix) auch weiterhin "homöopathische Arzneien, die bei einer Corona-Ansteckung helfen können", zu propagieren. Einen aktuellen Fall schildert die Verbraucherzentrale Brandenburg, die zugleich vor Homöopathika warnt, die angeblich vor einer Corona-Ansteckung schützen.
Denn auch in den Stellungnahmen einiger homöopathischer Vereinigungen wird das VKHD-Statement erkennbar relativiert.

Deshalb noch einmal:
Finger weg!!
von Globuli.
Die Zentrale zur Bekämpfung Unlauteren Wettbewerbs hat einen Apotheker abgemahnt, der für "Corona Komplex Z Globuli" warb.
- GWUP-Blog: Homöopathen und Corona
- Super.Markt-Video: Heilmittel: gefährliche Geschäfte mit Corona
- SWR3: Anti-Corona-Globuli: Vorsicht vor Homöopathie gegen das Coronavirus
- dpa: Covid-19: Zustimmung zu Homöopathie-Einsatz gilt nur eingeschränkt
- GWUP-Blog: Homöopathen wollen mal wieder Relevanz vorgaukeln – mit einer Corona-Umfrage
Homöopathie / Spanische Grippe / Cholera
Zu den Versuchen, die Wirkungslosigkeit von Homöopathie zu relativieren, gehört der Verweis auf "Erfahrungen mit homöopathischen Maßnahmen in epidemiologischen Situationen". In jüngerer Zeit hatte zum Beispiel die Organisation "Homöopathen ohne Grenzen" versucht, Ebola-Patienten in Liberia zu behandeln, was ihr von den Behörden untersagt wurde. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte in diesem Zusammenhang im August 2014 vor nicht konventionellen Therapieversuchen.
- Tagesspiegel: Der grenzenlose Irrglaube der Homöopathie
- FAZ: Homöopathen gegen Ebola – "Je tödlicher die Krankheit, desto mehr Quacksalberei"
Erfolge des Homöopathie-Erfinders Samuel Hahnemann gegen die Cholera müssen sehr differenziert betrachtet werden:
- Onkel Michael: Samuel Hahnemann und die Cholera
- Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie: Homöopathie bei der Bekämpfung von Epidemien
- Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie: Homöopathie und die Cholera in Wien 1831/32
Auch angebliche Erfolge homöopathischer Behandlungen bei der „Spanischen Grippe“ vor rund 100 Jahren sind seit jeher Gegenstand homöopathischer Narrative. In der aktuellen Situation beginnen sie erneut verbreitet zu werden. So schreibt eine „staatlich anerkannte Heilpraktikerin“ auf einer der großen sogenannten „Nachbarschaftsseiten“:
Guten Morgen liebe Nachbarn, lassen Sie mich Ihnen zum Zeitvertreib eine wahre Geschichte erzählen. Im Jahr 1918 wütete die spanische Grippe. Ein Amerikaner, Dean Pearson, untersuchte hinterher 26 795 Grippefälle, die schulmedizinisch behandelt wurden und 24 000 Grippefälle, die homöopathisch behandelt wurden. Von den 26 795 Grippeerkrankten starben 6 768 und von den 24 000 homöopathisch behandelten starben gerade mal 273 Menschen. Dies alles können Sie nachlesen in dem Buch "Das kann Homöopathie" von Aleksander Stefanovic. Ich finde, das sind Zahlen, die eine deutliche Sprache sprechen. Und dennoch versucht man immer wieder die Homöopathie schlecht zu reden.“
Dazu erklärt Udo Endruscheit vom Informationsnetzwerk Homöopathie:
Es ist längst klar, dass man den Zahlen aus den Jahren nach 1920 keine Beweiskraft zubilligen kann. Es sind viele, sehr unterschiedliche partielle Ergebnisse, mal aus dieser, mal aus jener Region, mal ambulant, mal stationär behandelte Patienten und auch darüber hinaus ohne jede Grundlage, die Rückschlüsse auf die Vergleichbarkeit der Fälle zuließen (z.B. Angaben zu Behandlungsformen).
Auch zeigten sich durchaus nicht überall Abweichungen von den normalen Sterberaten. Insgesamt sind die Zahlen nicht im Mindesten belastbar und zumindest teilweise auf Legendenbildung zurückzuführen. Man weiß ja nicht einmal, wie viele Menschen überhaupt an der Spanischen Grippe gestorben sind (die Schätzungen schwanken immerhin zwischen 27 und 50 Millionen – wie will man da verlässliche Zahlen für eine bestimmte Behandlungsform belegen? Eine Illusion – wie auch Homöopathen letztlich einräumen).
Aleksander Stefanovic ist Autor des Buches "Das kann die Homöopathie" (Narayana-Verlag), das glänzende Erfolge vom Schnupfen bis zu jeglicher Krebsart und eben auch bei Epidemien, „wissenschaftlich dokumentiert“. Der darin genannte Dean Pearson ist einer der vielen, die über "Erfolge" der Homöopathie bei der Spanischen Grippe berichtet haben. Er hat keine über 26.000 Fälle „untersucht“, sondern Berichte von etlichen homöopathischen Ärzten zusammengetragen, wie viele andere auch. Stefanovic hat seine Weisheiten wahrscheinlich aus dem Artikel “Homeopathy In Influenza- A Chorus Of Fifty In Harmony” von W. A. Dewey, das 1920 im Journal of the American Institute of Homeopathy erschienen ist. Dort steht in einer langen rein quantitativen Aufzählung solcher Einzelberichte von etlichen Ärzten und Kliniken u.a.:
Dean W. A. Pearson of Philadelphia collected 26,795 cases of influenza treated by homeopathic physicians with a mortality of 1.05%, while the average old school mortality is 30%.
Also ist Pearsons Zahl selbst schon eine Kompilation von Einzelberichten etlicher Ärzte, deren Validität schon damals niemand beurteilen konnte. Gerade Pearson wird wohl aus zwei Gründen als Zeuge angerufen:
Einmal, weil die Letalitätsrate mit 1,05 % sensationell niedrig zu sein scheint (andererseits die Rate von 30 % bei konventionell Versorgten nicht weniger sensationell ist) und zum anderen, weil Pearson mit der Autorität des damaligen Dekans des damaligen Hahnemann Medical College of Philadelphia aufwarten konnte. Die Zahlen muss man – auch die anderer von Dewey angeführter Meldungen – als weitestgehend invalide ansehen, zumal auch die Gesamtletalität nicht bekannt ist, sie wird allgemein auf etwa 2,5 Prozent der Erkrankten geschätzt (was ein Bild von der Gesamtzahl der weltweit Erkrankten vermittelt).
Die Invalidität der Zahlen und Berichte wird gelegentlich auch von Homöopathen eingeräumt. Zum homöopathischen LMHI Homeopathic World Congress 2017 in Leipzig wurde ein Paper veröffentlicht, das zu dem Schluss kommt:
Es existierte keine einheitliche konventionelle Therapie zur Behandlung der Spanischen Grippe. Ebenfalls existieren keine validen Daten zur Mortalität. Erfolge traten womöglich bereits durch den Verzicht auf konventionelle Medikamente auf. Es wurden vergleichsweise wenig Patienten von Homöopathen behandelt. Auch diese wandten keine einheitliche Therapie an. Die Behandlung durch Homöopathen war nicht eindimensional, sondern es handelte sich um ein komplexes polytherapeutisches Vorgehen. Die Behandlungsresultate differierten sehr (Schwerstkranke/Kliniken versus früher Behandlungsbeginn/ambulant sowie abhängig von Zeit und Ort). Einige Auswertungen deuten darauf hin, dass es beeindruckende Erfolge gab. In Frage gestellt werden muss, ob diese als Belege taugen. Generell waren Forschungsbegriff/-kriterien weniger stringent als heute.
Das Paper ist nicht unterzeichnet, es ist jedoch anzunehmen, dass es von Stefanie Jahn stammt, die in der Schriftenreihe „Quellen und Studien zur Homöopathiegeschichte“ als Band 21 die Arbeit "Spanische Grippe und Homöopathie: die Behandlung der Pandemie im internationalen Vergleich“ veröffentlicht hat. Jahn war auch Vortragende beim Kongress.
- Fazit: Eine Berufung auf angebliche bessere Erfolge homöopathischer gegenüber konventioneller Behandlung bei der Spanischen Grippe 1918/19 hat aus vielerlei Gründen keine valide Grundlage.
Hygiene-/Corona-Demos
Update September:
- GWUP-Blog: Corona-Demos: Der „Rebell“ als traurige, abstoßende Gestalt
- GWUP-Blog: Corona-Verschwörungsmythen: Phantastereien von „dunklen Mächten“ statt sachlicher Kritik
- GWUP-Blog: Corona-Demos in Berlin: GWUP-Interview bei TV Bayern Live
- GWUP-Blog: Corona-Demo in Berlin: Traurige Verschwendung von Engagement
Seit dem 28. März demonstriert jeden Samstag auf dem Rosa-Luxemburg-Platz an der Volksbühne in Berlin ein Sammelsurium aus linken und rechten Aktivisten gegen eine angebliche „Corona-Diktatur“. Experten sprechen von einer "breiten verschwörungsideologischen Querfront".
Am 2. Mai gab der Journalist und GWUP-Pressesprecher Bernd Harder im Deutschlandfunk ein Interview dazu:
Harder sieht im einträchtigen Demonstrieren gegen die Coronramaßnahmen „ein neues Phänomen“. Man könne es als „eine Art Querfront“ bezeichnen, sagt er: „Da marschieren Leute von ganz links bis ganz rechts. Und der große gemeinsame Faktor, der sie alle eint, ist der Glaube an die ganz große Verschwörung.“
Etwa dass der Staat die umstrittene Mobilfunktechnologie G5 etablieren wolle, um seine Bürger zu überwachen und eine Diktatur zu etablieren. Oder dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus nur ein Ablenkungsmanöver seien, während im Hintergrund die Versklavung der Bevölkerung vorbereitet werde.
Dass es derzeit Kritik gebe, sei absolut nachvollziehbar, sagt Harder, denn: „Politiker treffen weitreichende Entscheidungen auf der Basis relativ geringer Informationen.“ Und diese Informationen müssten teils innerhalb kurzer Zeit wieder relativiert werden.
Aber: „Es gibt einen Unterschied zwischen kritischer Wachsamkeit und destruktiver Pseudoskepsis.“
Welt-Online schrieb zum selben Thema:
Seit Ende März versammeln sie sich, die Corona-Skeptiker. Eigentlich gelten strenge Abstandsregeln, doch das hindert eine kuriose Truppe nicht daran, sich jeden Samstagnachmittag vor der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz zu treffen. Die sogenannten Hygienedemos wenden sich gegen die Maßnahmen der Regierung, das „Terrorregime“ und seine gleichgeschaltete Presse.
Organisiert wird das Ganze von der „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“, einem Verein in Gründung um den Theaterdramaturgen und Journalisten Anselm Lenz.
Kommen kann jeder, deshalb ist es schwer zu sagen, was für ein Milieu sich hier zusammenfindet und ob es überhaupt eines ist. Bekannte Neonazis wurden gesichtet, andere Teilnehmer wirken wie besorgte Erdkundelehrer. Es gibt ältere Damen und aggressive Hooligans, die „Wir sind das Volk“ rufen. Viele meditieren stundenlang auf Laken, gewaltlos, stumm. Die Szenerie ist bizarr, man hat das Gefühl, dass sie jederzeit in alle Richtungen kippen könnte […]
Viele auf der Hygienedemo wären offensichtlich gerne Räuber, unabhängige Geister, unverbogene Trotzköpfe gegen die Gleichschaltung der Naiven. Lauter moderne Räuber Hotzenplotze laufen hier herum, die sich von keinem Alois Dimpfelmoser mit Pickelhaube sagen lassen, was sie zu tun und zu denken haben. Und von einer Großmutter auch nicht, oder von der Kanzlerin.
„Ich möchte mir von Frau Merkel nicht sagen lassen, dass ich mir die Hände waschen muss“, sagte Frank Castorf im Wochenmagazin Der Spiegel. Das Zitat ging einmal durch die Republik. Auch Castorf will sich nicht den Virologen unterwerfen. Gibt es also doch eine Wahlverwandtschaft zwischen der Bühne und den Bommeln? […]
Noch lassen sich die Vernünftigen den Wahnsinn gefallen. Aber nicht ohne Kommentar. „Wir sind nicht eure Kulisse“ schreiben die Anwohner der Rosa-Luxemburg-Straße auf Transparente und hängen sie vor ihre Fenster, auch die Geschäfte machen das. Die Volksbühne selbst hat ihr Rad und ihren Namenszug schwarz verhängt. Aber nur weil man etwas verbirgt, verschwindet es ja nicht.
Man kann dem kulturellen Resonanzraum, den man über so viele Jahre mit aufgebaut hat, eben nicht mit ein paar Überziehern und Distanzierungen loswerden […]
Wie lange wird sich diese simple Idee im Herzen Berlins halten? Wohl nicht mehr lange. Die Menschen hier sind aufmüpfig, aber auch anspruchsvoll. Schlechte Stücke werden hier rasch abgesetzt.
Update vom 10. Mai
Am Wochenende 9./10. Mai kam es zu zahlreichen Protestveranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen bundesweit.
- In Nürnberg:
Um 14 Uhr folgten Demonstranten, die gegen eine Impfpflicht zu Felde zogen. Mit Schildern wie "Gegen Mundschutz-Pflicht" und "Nein zur Zwangsimpfung" waren mehr als 2000 Menschen erschienen. Immer wieder skandierte die Menge "Wir sind das Volk".
Einige Teilnehmer gaben sich zudem deutlich als Anhänger von Verschwörungstheorien zu erkennen: "Über meinen Körper bestimme ich und nicht Bill Gates" war auf einem der Schilder zu lesen. Ein anderer Teilnehmer hatte auf sein T-Shirt geschrieben: "Ich habe in meinem Leben die Grünen, die Linken gewählt. Ich bin kein Rechtsextremist."
Aber es hatten sich mehrere bekannte Rechtsextreme unter die Menge gemischt. Vertreter der Hooligan-Szene und der Gelbwesten-Vereinigung waren ebenfalls anwesend, einige Teilnehmer warben außerdem für die neue Gruppierung "Widerstand 2020", unter anderem mit Schriftzügen auf ihrer Kleidung.
- In München:
- In Stuttgart:
- In Berlin:
Und in mehreren anderen Städten, wo die Demos teilweise "aus dem Ruder" liefen:
- BR24: Tausende Leute, kein Abstand: Corona-Demos laufen aus dem Ruder
- nordbayern.de: Corona-Demo läuft aus dem Ruder: Jetzt spricht Nürnbergs OB
- BR24: "Rücksichtslos": Kommunalpolitiker empört über Corona-Demos
- Merkur: Streit um Corona-Demos: Schluss mit „gefährlicher Rücksichtslosigkeit“? – Herrmann reagiert
- RND: Polizei zu Corona-Demos: “Unbegreiflich, wie man so etwas fordern kann”
- Passauer Neue Presse: Corona-Demo: Polizei lässt gewähren, erstattet jedoch Anzeige
- Welt-Online: „Unbeteiligte wurden aufgefordert, den Mundschutz abzunehmen“
- Frankfurter Neue Presse: Sogenannte „Hygiene“-Demo in Limburg gestoppt – Corona-Regeln missachtet
Bei Twitter trendete der Hashtag #Covidioten, mit scharfer Kritik an den Demonstranten:
Politiker und Verfassungsschutz zeigten sich "beunruhigt".
Was war da los?
In der Ausgabe (Nr. 20/2020) berichtete auch Der Spiegel über "Deutschlands neue Wutbürger". Nach Einschätzung der Autoren vereine das neue Coronavirus Menschen im Protest, die bislang wenig gemeinsam und kaum etwas miteinander zu tun hatten:
Rechtsextremisten, Impfgegner, Antisemiten, Verschwörungsideologen, Linksradikale, Alt-Autonome und Esoteriker. Und ganz normale Bürger, denen politisches Engagement bislang eher fremd war.
Die Proteste sind auch den Politikern nicht entgangen – und beeinflussen deren Handeln. Dass in dieser Woche die bislang weitgehendsten Lockerungen beschlossen wurden, hängt auch mit der Angst vor den Corona-Wutbürgern zusammen.
Natürlich seien bei den Demos nicht nur "chronische Merkel-Hasser oder Impfgegner" anzutreffen, sondern auch Menschen, die während der Krise ihren Job verloren haben:
Alleinerziehende Mütter sind gekommen oder Gastronomen, die ihr Restaurant schließen mussten. Sie halten die Einschränkungen für unverhältnismäßig, protestieren "gegen staatliche Willkür".
Das ist selbstverständlich ihr gutes Recht. Alarmierend sei indes der Versuch von Extremisten, die "wilde Mischung aus besorgten Bürgern und Verschwörungsideologen fast aller politischen Schattierungen" (taz) zu kapern.
So warnt auch der Zentralrat der Juden in Deutschland:
Miro Dittrich von der Amadeu-Antonio-Stiftung sieht das Problem vor allem bei den sogenannten Accelerationists, also Leuten, die den Untergang beschleunigen wollten:
Jetzt müsse man gerade das Chaos, diesen Ausnahmezustand, noch mehr ins Extreme treiben, um noch mehr Unruhe auszulösen, um einen instabileren Staat zu haben, den man dann durch einen Bürgerkrieg stürzen kann.
Aber neu ist das nicht, die Probleme haben wir seit Langem in unserer Gesellschaft. Leider wurden sie viel zu sehr belächelt. Das holt uns jetzt in der Krise ein.
Dass die Coronakrise Verschwörungstheorien massiv triggert, sollte keine große Überraschung sein. In einer aktuellen Studie der Technischen Universität Ilmenau und der Universität Bern (Jens Wolling und Dorothee Arlt) geben 85 Prozent der Befragten an, dass sie davon ausgehen, in der Coronakrise keinen Einfluss auf das Handeln der Regierung zu haben.
Und Kontrollverlust ist einer der Hauptgründe, warum sich Menschen zu Verschwörungsmythen hingezogen fühlen, erklären die Autorinnen Pia Lamberty und Katharina Nocun ("Fake Facts") in verschiedenen Interviews:
- Tagesspiegel: "Die Pandemie ist ein Paradebeispiel für Kontrollverlust"
- Deutschlandfunk: Der Boom der Corona-Verschwörungstheorien
- Deutschlandfunk Kultur: #82 Bill Gates war’s! – Warum eskalieren die Verschwörungstheorien?
- Video: Verschwörungstheorien – Gespräch mit Katharina Nocun
- WDR: Corona-Verschwörungstheorien – „Viele suchen einen Schuldigen"
Die Unsichtbarkeit und die den ganzen Erdball umspannende, alles durchdringende Totalität des Virus mache ihn zu einer Art Urbild jeglichen Verschwörungsdenkens (FAZ):
Zu einer Metapher und zugleich dem Beweis dafür, dass die gesamte Realität, wie die Macht sie uns vorstellt, eine Lüge sein könnte.
Dass die "Hygiene-Demos", die seit Ende März vor sich hin dümpelten, gerade jetzt eskalieren, war vorhersehbar:
Es ist kein Zufall, dass die Paranoiker in dem Moment, in dem die Gesellschaft in eine fragile Normalität zurückkehrt, versuchen die Bühne zu entern.
Der Konsens des Lockdowns löst sich auf. Gleichzeitig brechen stillgelegte soziale Kämpfe auf, welche Branche zuerst wieder öffnen darf. Beides ist nötig. Denn Demokratie heißt nicht Konsens von oben, sondern geregelter Kampf der Interessengruppen.
Für manchen Restaurantbesitzer, der Angst vor dem Bankrott hat und sich benachteiligt fühlt, scheint die Idee, dass alles Lüge ist, anziehend zu sein.
Man sollte sich von der Konjunktur des Irrsinns aber nicht irre machen lassen. Denn all das ist auch ein flüchtiger Effekt der Aufmerksamkeitsökonomie. Selten war es leichter, die Scheinwerfer auf sich zu richten.
Ein Autor von Kochbüchern hat es mit der Idee, als Samurai im Kampf gegen die Weltverschwörung zu sterben, zu einer gewissen Bekanntheit gebracht.
Diese neue Querfront ist nicht so einflussreich, wie sie es in ihren Filterblasen suggeriert. Weniger als zehn Prozent lehnen, laut einer ARD-Umfrage, das Krisenmanagement der Regierung rundheraus ab. Die Allianz von Impfgegnern bis zu Rechtsextremen ist laut und schrill – stabil schon weniger.
Bislang haben wir es eher mit einem ästhetisch strapaziösen als demokratiegefährdenden Phänomen zu tun.
Ist das wirklich so?
Auch der Protestforscher Simon Teune sieht nur ein begrenztes Mobilisierungspotenzial für eine neue Bewegung:
Auch tun sich ja heute schon erste Brüche auf. Und je mehr die Demonstrationen von Verschwörungsglauben und Rechtsextremen geprägt werden, desto abschreckender werden sie für Menschen, die die Corona-Maßnahmen kritisieren.
Das kann sein – muss aber nicht.
Andere Experten befürchten, dass ...
... je länger die Corona-Pandemie die Gesellschaft im Griff hat, umso mehr könnten sich Verschwörungstheoretiker radikalisieren.
Die Daten der genannten Studie von Wolling/Arlt geben darauf "derzeit keine Antwort". Auch der Tübinger Kommunikationsforscher Olaf Kramer schwankt in einem Spiegel-Interview recht unsicher zwischen Wunsch und Wirklichkeit:
Wir brauchen neue Kommunikationsformen. Denn auch unabhängig von der Coronakrise erleben wir die Tendenz zur Polarisierung.
Eine Gesellschaft beruht darauf, dass es eine Art Wertekonsens geben muss. In der Rhetorik sprechen wir von einem "common ground", also einem gemeinsamen Boden, auf dessen Basis man Argumente entwickeln und über politische Maßnahmen entscheiden kann.
Wenn sich dieser gemeinsame Boden aber durch eine Teilung in zwei Lager [Befürworter und Gegner der Corona-Maßnahmen] auflöst, dann ist Verständigung schwierig [...] Zum einen sind wir alle gefragt, mehr "einladende Rhetorik" zu praktizieren.
Die Motive der Gegenseite zu verstehen, ist auch im Internet wichtig. Zum anderen kann es gerade in den sozialen Medien technische Antworten geben.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, weist darauf hin, dass es "die unterschiedlichsten Möglichkeiten" gebe, sich in der Coronakrise "zu Wort zu melden, seine Meinung zu äußern und Aufmerksamkeit für sein Anliegen zu bekommen" – sagt aber nicht konkret, welche.
Völlig zu Recht warnt die FAZ davor, kritische "Ökonomen, Politiker, Rechtsprofessoren, Lobbyisten, die gerade noch die Mitte der Gesellschaft behaupteten und verteidigten", durch den Virus-Diskurs an den Rand und in die Defensive zu drängen.
Dennoch sieht das Blatt auch den entscheidenden Unterschied zwischen kritischen Fragen und Verschwörungsmythen:
Die Wirtschaft ist sehr belastet, aber weit von einem Zusammenbruch entfernt. Es könnte schnell ein Modus vivendi für eine Übergangszeit gefunden sein, wenn die Menschen besonnen blieben.
Das sind diese Demonstranten aber nicht. Manchen geht es um einen Systemwechsel. Normale Bürger, die in diesen Sog geraten, sollten ihre kritischen Antennen in diese Richtung ausfahren.
Viele Menschen fühlen sich zu wenig informiert. Informationen darf man einfordern, muss sie aber auch in den richtigen Quellen suchen.
Man findet sie nicht auf der Straße, nicht bei den Menschen mit Aluhut – und nicht bei Rednern mit Schaum vor dem Mund.
Möglicherweise müssen wir uns vorerst mit dem Minimalerfolg abfinden, dass Politik, Behörden und Medien das Problem überhaupt mal wahrnehmen.
Dann könnte man allmählich zu dem kommen, was Lamberty/Nocun in einem noch nicht veröffentlichten Interview für den Skeptiker (2/2020) anregen:
Es ist längst überfällig, dass die Politik dieses Problem erkennt und auch angeht. Insbesondere bei der Förderung von Projekten, die sich seit Jahren mit dem Thema auseinandersetzen, braucht es eine bessere und vor allem nachhaltigere Finanzierung.
Die Vermittlung von Wissen rund um den richtigen Umgang mit Verschwörungsmythen sollte in Schulen gelehrt werden.
Und schlussendlich bleibt auch das, was der SPON-Kolumnist Christian Stöcker zum Ausdruck bringt:
– Umgekehrt steht es der deutschen Mehrheitsgesellschaft frei, die Verschwörungserzählungen als Schwachsinn zu betrachten, die Tanzlehrer, Köche, Sängerinnen, YouTuber und Unterwäschemodels verbreiten. Und das tut sie ja auch überwiegend.
– Bei manchen der Verschwörungsweitererzähler könnte man die Hoffnung haben, dass sie vielleicht doch nicht ganz glücklich mit ihren neuen Fans sind. Damit, dass sie jetzt eine Klientel anfeuern, zu der Leute gehören, die Kamerateams mit Totschlägern angreifen.
Am 16. Mai schrieb die Welt:
Das Infektionsschutzgesetz ist ein scharfes Schwert. Jetzt kommt es zum Einsatz. Sehr viele Menschen sind darüber irritiert, um es vorsichtig auszudrücken. Unternehmer, die ihre Mitarbeiter kündigen müssen. Familien, die in kleinen Wohnungen verzweifeln. Angestellte, die ihr Einkommen verlieren. Ein Teil davon geht auf die Straße. Diese Menschen protestieren friedlich.
Es gab Kundgebungen von Pflegern für bessere Arbeitsbedingungen. Auch Gastronomen, Schausteller, Menschen aus dem Tourismus und anderen stillgelegten Branchen haben in den vergangenen Wochen immer wieder friedlich und ohne Verschwörungsmythen auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht.
Und dann sind da jene, die solche Gründe nicht brauchen, oder die diese Gründe einfach vorschieben. Sie haben ihre Ideologie. Bizarre Visionen von Verschwörungen, heimlichen Weltherrschern, gern was mit Kinderblut und Untergrundarmeen unter der Erde. Wie aus dem Nichts rollt die Demo-Welle durchs Land, nicht mehr nur in Metropolen.
Politiker, Verfassungsschützer und Wissenschaftler sehen beide Seiten der jungen Bewegung – ihre teils begründeten Sorgen, aber auch die Verschwörungsideologien.
Manche Veranstalter setzten sich rational mit den Corona-Maßnahmen auseinander, die meisten Organisatoren hätten jedoch „entweder kein Problem mit Extremisten, Demokratiehassern, Antisemiten, Impfgegnern und Verschwörungsmythologen – oder aber sie teilen Fantasien von einer ‚Corona-Lüge‘ und einer gegen ‚das deutsche Volk‘ gerichteten ‚Weltverschwörung‘“, sagt der Politikwissenschaftler Lars Rensmann von der Universität Groningen. Die Bewegung, einschließlich der neuen Partei „Widerstand 2020“, habe mindestens eine „offene Flanke in die Welt der Verschwörungsfantasien und einer antidemokratischen Querfront“.
Die Corona-Krise sei ein so wirksamer Treiber, weil es sich nicht um eine imaginierte Gesellschaftskrise handele, sondern um eine reale. „Sie betrifft alle und hat enorme Ausmaße in allen Gesellschaftsbereichen“, stellt Rensmann fest. „So kann sich die Bewegung über die ‚üblichen Verdächtigen‘ und harten Ideologen hinaus verbreitern. Das Fundament bilden aber teils ideologisch Überzeugte, die sich auch unabhängig von der Corona-Krise vernetzen und in Teilen schon lange vorher organisiert haben.“
Es sei fraglich, ob sich hier wirklich eine neue Kraft bilde, oder ob ein im Kern bereits bestehendes Konglomerat verschwörungsmythischer und anti-demokratischer Querfront-Unterstützer nur mittels der Corona-Krise eine neue Öffentlichkeit finde.
Das ganze Problem mit den Corona-Demos brachte am 19. Mai dieser kurze Videoclip auf den Punkt:
Ein 84-jähriger Rentner, der auf die Straße geht, weil er seit acht Wochen seine Frau im Pflegeheim nicht mehr besuchen darf, wird von einem Verschwörungsideologen niedergebrüllt.
Statt sich provozieren zu lassen, antwortet der aggressiv bedrängte Alfons Blum aus Gera nur:
Den ganzen 20-minütigen Beitrag von Report Mainz gibt's hier zu sehen, die entsprechende Szene ab Minute 1:20.
Das Problem nicht erst seit Donald Trump ist: Die Lauten, Dummen und Aggressiven geben den Ton an,
schrieb dazu Die Zeit:
Derzeit, bei sogenannten Corona-Protesten, sind das zum Beispiel Leute, die behaupten, das Virus sei ein Mythos, in Wahrheit steckten wahlweise irgendwelche bösen Staaten, Bill Gates oder die Pharmaindustrie dahinter. Diese Leute prägen das Bild, sie bestimmen die Richtung. Vernünftig vorgetragene, nachvollziehbare Kritik wird überlagert von Verschwörungsmythen und Ideologie [...]
Legitime, konstruktive, fruchtbare Kritik ist plötzlich diskreditiert durch das Geschrei von Populisten, Verschwörungserzählern, Impfgegnern und sonstigen merkwürdigen Gestalten [...]
Distanzierung ist nötig. Es genügt nicht, zu schweigen oder sich nur leise abzugrenzen von den Irren. Einem Menschen, der auf einer "Corona-Demo" vernünftige Kritik anbringt und sagt: "Aber ich habe mit den Extremisten hier doch nichts zu tun!", muss man entgegenhalten: Mag sein, aber indem du Seite an Seite mit ihnen gehst, wirst du wahrgenommen als jemand, der sich mit ihnen gemeinmacht.
Die radikale Minderheit prägt das Bild, weil die vernünftige Mehrheit zu leise ist. Es muss also im eigenen Interesse eines jeden Anständigen sein, sich laut und deutlich von den Unanständigen abzugrenzen. Das funktioniert nur, indem man ihnen zunächst mit Argumenten und Fakten begegnet – und sie, wenn sie sich partout jedem vernünftigen Austausch widersetzen, ächtet, ausgrenzt, zur Verantwortung zieht.
Hier ist Social Distancing im eigentlichen Sinne des Wortes angebracht. Dort, wo sie Räume besetzen wie bei den "Corona-Demonstrationen", müssen die Vernünftigen sich abgrenzen – und sich andere Räume, Bühnen, Plattformen suchen.
"Man muss auch vernünftig bleiben", hat der 84-jährige Blum gesagt, ein heldenhafter Satz in diesen Zeiten. Vor allem aber: Die anständige Mehrheit muss lauter werden. Viel, viel lauter. Damit alle Aufmerksamkeit Herr Blum bekommt, nicht der Brüllheini.
- GWUP-Blog: „Dunning Kruger Blues – Corona Edition 2020“ von Tommy Krappweis
- GWUP-Blog: Verschwörungsmythen und Corona-Demos: Widersprechen? Zuhören? Oder auslachen?
- GWUP-Blog: Spiegel-TV bei der Corona-Demo: "Vom Schwindelarzt aus Sinsheim bis zum gescheiterten Journalisten Ken Jebsen"
- GWUP-Blog: Corona-Proteste: Impfgegner, Verschwörungsideologen – und ganz normale Bürger
- GWUP-Blog: Verschwörungsideologe brüllt berechtigte Anliegen bei Corona-Demo nieder
- Tagesspiegel: Seit an Seite mit Extremisten: Wen ziehen die Corona-Proteste an?
- Tagesschau: "Hygienedemos": Jahrmarkt der kruden Ideen
- Correctiv: "Hygiene-Demos": Russland-Freunde gegen Corona
- JFDA: Dokumentation und Analyse der "Hygienedemo" am 18. April 2020
- Zeit-Online: Die Stunde der Pseudo-Opposition
- BR24: Wie Corona Verschwörungstheorien sprießen lässt
- Volksverpetzer: Hey, ihr Corona-Schwurbler: Ihr seid nicht “kritisch”, ihr seid peinlich
- Süddeutsche Zeitung: Die Allianz des Unsinns
- Panorama: "Hygiene-Demo" in Berlin: Juden angeblich Schuld an Corona
- Zeit-Online: Sie wollen sich anstecken dürfen
- Taz: Köpfe der Corona-Relativierer
- siehe dazu auch "Widerstand 2020" und "Impfgegner"
Hydroxychloroquin
- siehe "Malaria"
Ibuprofen
- Bloß kein Ibuprofen mehr nehmen
Zunächst verbreitete sich in den soziale Netzwerken das Gerücht, Ibuprofen verstärke die Symptome von Covid-19 beziehungsweise beschleunige die Vermehrung des Virus. In der Kettennachricht wurde die Uni Wien als Quelle genannt, die diese Fake News jedoch dementierte.
Dennoch riet die WHO kurze Zeit später davon ab, bei Verdacht auf eine Infektion mit dem neuartigen Virus ohne ärztlichen Rat das Medikament Ibuprofen einzunehmen. Dann nahm sie die Warnung aber wieder zurück.
Das arznei-telegramm ordnet den ganzen Vorgang fachlich ein:
Belastbare wissenschaftliche Belege für einen spezifischen negativen Effekt von Ibuprofen auf Infektionsrisiko und Krankheitsverlauf von COVID-19 gibt es derzeit nicht. Es gibt aber gute Gründe, bei schweren Atemwegsinfektionen und bei der in ihrem Verlauf noch wenig bekannten COVID-19-Infektion auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) zu verzichten und – falls eine Fiebersenkung überhaupt geboten ist – Parazetamol vorzuziehen.
Praktische Tipps zum Thema "Ibuprofen bei Coronavirus-Infektion" gibt's auch bei der Apotheken-Umschau.
Immunsystem
- Kann Personen, die ein starkes Immunsystem haben, auch das neuartige Coronavirus nicht ernsthaft krank machen?
"Ein wichtiges Wort ist hier, wie so oft derzeit, das Wort neuartig. Nach allem, was bekannt ist, ist Sars-CoV-2 für Menschen und damit auch für ihr Immunsystem, neu", erklärt der Tagesspiegel in einem Fakten-Check.
Über die ganz konkrete Reaktion des Immunsystems auf Sars-CoV-2 weiß man, weil es eben neu ist, noch nicht sehr viel. Auch Leute mit per se gut funktionierendem Immunsystem können möglicherweise schwer erkranken, dann nämlich, wenn viele Viren direkt in die Lunge gelangen, anstatt sich zunächst im Rachenraum zu vermehren und dort auch schon eine Reaktion der Immunzellen auszulösen.
Zu diversen "Immunboostern", die vor Corona schützen sollen, hat die Süddeutsche Zeitung den Ernährungsmediziner Prof. Hans Hauner von der TU München befragt. Es gebe seit Jahren immer wieder Versuche, immunstimulierende Wirkungen von Lebensmitteln zu belegen, erklärt Hauner. Daraus ergebe sich bis heute kein stimmiges Bild, denn oft handele es sich um In-vitro-Studien, etwa in Zellkulturen, die sich nicht auf den Alltag übertragen lassen. Daneben existierten etliche Studien mit Menschen, die aber bisher auch keine brauchbaren Ergebnisse geliefert hätten:
So wird von Polyphenolen und Carotinoiden, die in Äpfeln, Gewürzen, Karotten, Nüssen – aber auch dunkler Schokolade – enthalten sind, behauptet, dass sie "wesentlich zur Immunsteuerung beitragen", wie Mitarbeiter der Uni Graz kürzlich verkündeten.
Das sei "nicht wirklich belegbar", wundert sich Hans Hauner. Ähnliches gelte für Eisen, das "in der Ausprägung des Immunsystems eine große Rolle" spielen würde. Auch hier mahnt Hauner zur Vorsicht. Was im Labor beobachtete Befunde für die Gesundheit bedeuten, sei "völlig unklar".
Zink wird ebenfalls gerne zur Stärkung der körpereigenen Abwehr empfohlen, bei Defiziten kann es zu Veränderungen im Immunsystem kommen. "Zinkmangel kommt bei uns so gut wie nicht vor, sodass eine Zinkgabe nicht sinnvoll ist", sagt Hauner. "Ähnliches gilt für Selen, der häufig für Deutschland postulierte Selen-Mangel ist ein Märchen, erst kürzlich verliefen Studien mit Selen auf Intensivstationen erfolglos."
Das gilt auch für Granulate, Elixiere und andere Vitaminpräparate, mit denen ein Riesenmarkt bedient wird, die allenfalls das Gewissen beruhigen, aber nicht der Gesundheit dienen.
Ein paar natürliche Immunbooster gebe es allerdings. An erster Stelle seien Bewegung, wenig Stress sowie ausreichend Schlaf zu nennen.
- Tagesspiegel: 12 Fragen von "Knoblauch" bis "Kalte Dusche"
- Süddeutsche Zeitung: Die Kraft des Körpers
Welt-Online schrieb am 11. April:
Die Vorstellung, die Körperabwehr ließe sich durch Pillen, Pülverchen oder Gewürze zu Höchstleistungen animieren, ist falsch.
Die Greifswalder Professorin Barbara Bröker ist Spezialistin für Infektionsimmunologie. Sie leitet die Abteilung für Immunologie an der Universitätsmedizin der Hansestadt. „Unsere Immunabwehr ist ein faszinierendes und komplexes System. Eine von zehn Zellen des Körpers ist eine Immunzelle“, sagt Bröker. „Es wäre etwas naiv zu glauben, dass man dieses hochspezialisierte System durch Pillen oder Superfood verbessern könnte.“
Auch ein weiterer Umstand verringert die Chance, dass wirksame Bestandteile der Nahrung, wie das Gingerol des Ingwers oder das Allicin des Knoblauchs, tatsächlich einen positiven Effekt auf das Immunsystem haben. Die Menge der Stoffe, die letztendlich an der richtigen Stelle im Körper ankommt, ist oft viel zu gering.
Die Infektionsimmunologin Barbara Bröker erklärt das an einem anderen Beispiel: „Dem grünen Tee wird ja auch eine sehr positive Wirkung nachgesagt. Wenn man aber nachrechnet, welche Menge der pharmakologisch wirksamen Substanzen aufgenommen werden müssten, stellt man fest: So viel Tee kann kein Mensch trinken.“
Auch bei den Corona-Demos sind Aussagen zu hören wie ""Gesundes Essen, guter Schlaf, frische Luft, weniger Stress, und den Nächsten einfach mal umarmen", wie [ein Teilnehmer] sagt. "Ich verstehe nicht, warum die Regierung nicht lieber sowas fördert."
Dazu erklärt die Wissensredaktion der Süddeutschen:
In zahlreichen Youtube-Videos ist zu hören, dass ein „gesundes“ Immunsystem der beste Schutz sei vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 und anschließender Erkrankung. Diese Aussage ist nicht eindeutig falsch oder richtig – und stiftet so schnell Verwirrung.
Richtig ist, dass Patienten, deren Immunsystem nicht in vollem Umfang arbeitet, etwa aufgrund einer chronischen Erkrankung oder durch Behandlung mit sogenannten Immunsuppressiva, ein besonders hohes Risiko haben, selbst an eigentlich harmlosen Erregern wie einem Erkältungsvirus schwer zu erkranken. Diese Menschen zählen daher auch in der Corona-Pandemie zur Hochrisikogruppe.
Als wissenschaftlich belegt gilt auch, dass etwa chronischer Stress das Immunsystem beeinflussen kann, weshalb es – völlig unabhängig von Sars-CoV-2 – immer gut ist, möglichst gesund zu leben.
Der Umkehrschluss allerdings ist nicht grundsätzlich korrekt. So suggeriert die oft verwendete Formulierung des „gesunden“ Immunsystems, dass jeder sich mit einem entsprechenden Lebensstil vor einer Infektion und einem anschließend schweren Verlauf von Covid-19 schützen kann. Jeder müsse nur, so die These, gesund leben – und schon verliert das Virus an Bedrohung.
Doch so einfach ist es nicht.
Denn die üblichen Empfehlungen wie Teetrinken oder Wechselduschen, schützen weder vor einer Sars-CoV-2-Infektion, noch helfen sie bei einer schweren Covid-19-Erkrankung, sagt Christine Falk vom Institut für Transplantationsimmunologie der Medizinischen Hochschule Hannover [...]
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Wer sich schützen möchte, muss eine Infektion nach aller Möglichkeit verhindern.
- Mehr dazu (zum Beispiel zu den Nahrungsergänzungsmitteln Vitalpilze, Cystus, Dr. Feil Immunpakt und Algovir-Erkältungsspray bei "Nahrungsergänzungsmittel".
Impfgegner
Häufige Presseanfrage an die GWUP: Wie verhalten sich eigentlich die Impfgegner in der Coronakrise?
Dazu ein FAQ (angelehnt an ein Interview mit der Augsburger Allgemeinen):
- Ist die Coronakrise für Impfgegner nicht ein heilsames Besinnungserlebnis?
Der Kultur-Korrespondent der Welt hat kürzlich darüber geschrieben, welche Weltanschauungen nach der Corona-Krise wohl keine Anhänger mehr haben werden. Dabei nannte er auch die Impfgegner. Der eigentlich naheliegende Gedanke dabei war: Jetzt müssten Impfgegner doch sehen, was in einer Welt passieren würde, in der es keine Impfungen gibt, in der sie jedem gefährlichen Erreger ausgeliefert und der einzige Schutz davor ein permanenter Lockdown wäre. Aber das ist leider eine naive Vorstellung.
Bei den überzeugten Impfgegnern in Deutschland passiert derzeit eher das Gegenteil: Sie radikalisieren sich weiter. Das sieht man zum Beispiel in Berlin, bei den sogenannten Hygiene-Demos, die dort samstags stattfinden. Da sind auffallend viele Impfgegner mit dabei. Einer der Szene-Größen, der gelernte Milchwirt Hans Tolzin, hat gleich zu Beginn der Corona-Krise einen Preis von 100.000 Euro ausgelobt, wenn ihm jemand beweisen könne, dass das neue Coronavirus SARS-CoV-2 wirklich existiert.
- Warum nehmen die Skeptiker diese Herausforderung nicht an?
Wir kennen solche Auslobungen nur allzu gut von dem „Masern-Prozess“ 2016. Auch damals hatte ein Virenleugner 100.000 Euro für einen Existenznachweis des Masernvirus versprochen. Ein junger Arzt legte ihm daraufhin sechs anerkannt beweiskräftige Studien vor. Trotzdem verlor der Mediziner den Prozess aus rein formaljuristischen Gründen, weil der Auslober „einen“ Beweis gefordert hatte und nicht sechs, und das Gericht die Auffassung vertrat, dass der Impfgegner die Bedingungen für die Auslobung selbst bestimmen dürfe – und somit auch, welchen Beweis er akzeptiert.
Da es solchen Leuten ja nicht wirklich um Erkenntnis, Wissenschaft und Fakten geht, sondern um eine unerschütterliche Grundüberzeugung, die mit allen Mitteln verteidigt wird, finden die immer einen Weg, sich aus der Affäre zu ziehen. Es ist daher völlig sinnlos, Herrn Tolzin die hunderten Studien von Forschern verschiedener Länder zum Aufbau, Verhalten und den Auswirkungen des neuartigen Coronavirus zu zeigen.
- Wie reagieren Impfgegner und Virenleugner auf das Auftauchen des neuartigen Coronavirus?
Dazu kursieren verschiedene, auch widersprüchliche Auffassungen. Einige behaupten, es gebe gar kein Virus, das Ganze sei ein Fake beziehungsweise eine große Verschwörung, um beispielsweise eine Impfpflicht durchzusetzen oder um die Pharmaindustrie reich zu machen.
Andere anerkennen zwar, dass da wohl gerade etwas umgeht, sind aber davon überzeugt, dass der Erreger total überschätzt werde und allenfalls mit einer Grippe vergleichbar sei. Als „Beweis“ dafür werden zum Beispiel Fotos von „leeren Corona-Ambulanzen unserer Krankenhäuser“ gepostet. Diese Bilder sind aber gar nicht aktuell in Corona-Stationen aufgenommen worden. Und außerdem dienen die derzeitigen Maßnahmen ja gerade dazu, eine Überlastung des Gesundheitssystems und speziell der Krankenhäuser beziehungdweise Intensivstationen und Beamtmungsplätze zu verhindern. Umso besser, wenn das zu klappen scheint (Präventionsparadox).
- Auch in Corona-Zeiten ist eine Impfung für erklärte Impfgegner also keine Option?
Nein. Wir alle warten auf einen Impfstoff, weil erst dann, bei einer umfassenden Immunität der Bevölkerung, die Pandemie zum Ende gebracht werden kann. Bei Impfgegnern ist das aber ganz anders. Sie laufen in ihren Social-Media-Filterblasen heute schon Sturm gegen die angeblich drohende „Zwangsimpfung“ gegen Covid-19, weil sie ihre früheren Befürchtungen jetzt erst recht bestätigt sehen – nämlich dass die ganze Impferei eine einzige große Verschwörung sei, mit der dunkle Hintergrundmächte sinistre Ziele erreichen wollen, wie zum Beispiel Krankheiten zu erzeugen, an denen dann die Pharmaindustrie verdienen kann, oder aber uns die Grundrechte wegzunehmen.
Wenn man der Vorstellung anhängt, böse Mächte wollen auf uns zugreifen“, erklärt der Religionsphilosoph Ansgar Martins, "dann ist die Angst vor Impfungen naheliegend, weil die Spritze einen Direktangriff auf die leibliche Unversehrtheit darstellt“.
- Gegen wen oder was richteten Impfgegner ganz konkret ihren Widerstand? Bill Gates?
Bill Gates ist in der Tat das ganz große Feindbild der Impfgegner, weil er schon vor Jahren vor einer möglichen Pandemie gewarnt hat und die Entwicklung von Impfstoffen vorantreibt und finanziell fördert. Deshalb werfen Verschwörungsgläubige ihm mit Slogans wie „Gib Gates keine Chance“ vor, er wolle mit seinen Impf-Aktivitäten noch reicher werden oder aber die Weltbevökerung reduzieren. Hier wird auch nochmal deutlich, dass viele Impfgegner von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenüber den sogenannten „Eliten“ und staatlichen Institutionen angetrieben werden.
Das ist zum Teil verständlich – natürlich sollten wir alle darauf achten, dass die Maßnahmen in der Coronakrise angemessen und zeitlich begrenzt bleiben. Bei Impfgegnern schlägt diese kritische Wachsamkeit aber um in eine destruktive Pseudo-Skepsis, bei der es nur noch um die angeblichen geheimen „Pläne“ hinter den Corona-Maßnahmen und um die vermeintlichen „Profiteure“ geht. In einem viel geteilten Internet-Meme heißt es etwa, die Mundschutzmasken würden „symbolisieren, dass wir Sklaven sind“.
Professor Schwurbelstein nennt das einen "plumpen, horizontbeschränkten, aber auch gefährlichen zivilen Ungehorsam der infantilen Art".
- Wie groß ist das Problem mit den Impfgegnern zahlenmäßig?
Da muss man differenzieren. Es gibt eine aktuelle Erhebung, nach der in Deutschland rund drei Prozent der Eltern jede Impfung ihrer Kinder ablehnen – egal gegen welche Krankheit. Das sind praktisch die harten Impfgegner, also eher Impfverweigerer. Und diese Menschen sind die treibende Kraft hinter dem, was wir aktuell an Radikalisierung beobachten. Darüber hinaus gibt es etwa zehn Prozent „Impfskeptiker“, die Vorbehalte verschiedener Art gegen Impfungen haben, aber vermutlich mit guten Argumenten noch zu erreichen wären.
- Und wie wird das Virus von dieser Gruppe der "weichen" Impfgegner gesehen?
Da könnte die Corona-Krise möglicherweise ein Umdenken bewirken. Es setzt ja niemand einfach so leichtfertig die Gesundheit und das Leben seiner Kinder aufs Spiel.
- Wie sind Impfgegner organisiert?
Der Organisationsgrad ist eher gering. An physischen Kontakten soll es rund 200 sogenannte „impfkritische Elternstammtische“ in Deutschland geben. Ort und Termine werden aber nur auf Anfrage mitgeteilt. Dann gibt es Demonstrationen, so hätte zum Beispiel am 21. März in München eine „Demo für die Impffreiheit“ stattfinden sollen, die aber wegen der Coronakrise ausfiel. Das meiste findet aber im Internet statt, in geschlossenen Gruppen, wo man sich gegenseitig bestärkt und keinerlei Kritik erwünscht ist oder geduldet wird.
- Wie wird man zum Impfgegner?
Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal genügt schon ein Arzt, der keine Zeit oder keine Lust hat, sich mit den Fragen und Unsicherheiten von an sich impfwilligen Patienten auseinanderzusetzen. Das weckt natürlich Misstrauen, und wenn man dann anfängt, im Internet nach Informationen zu suchen, landet man sehr schnell auf den impfkritischen Seiten und wird dann über die Suchmaschinen-Algorithmen immer tiefer hineingezogen.
Oft spielt auch die Weltanschauung eine Rolle. Nicht von ungefähr gelten zum Beispiel Murnau in Bayern und der Prenzlauer Berg in Berlin als Impfgegner-Hochburgen. Die Menschen, die dort leben, sind gebildet und gut situiert und vermutlich aufrichtig auf der Suche nach den richtigen Antworten – aber so manches durchdringt man dann doch nicht bis zur notwendigen Tiefe und verlässt sich am Ende dann lieber auf sein Gefühl oder die weltanschauliche Sozialisation.
Viele Anhänger von „alternativen“ Weltanschauungen glauben, dass „natürlich“ grundsätzlich „gut“ sei. Und dass ihre Kinder deshalb Krankheiten besser „durchmachen“ und auf „natürliche“ Weise immun werden sollten, als sich impfen zu lassen. Das Problem ist nur: Giftpflanzen, Skorpione und Erdbeben sind auch „natürlich“.
Die Natur ist nicht nett. Noch 1870 starben in Deutschland 250 von 1000 Kindern. Dass das heute anders ist, verdanken wir eben nicht „besserer Hygiene“ und „sauberem Wasser“, wie radikale Impfgegner behaupten. Wenn das stimmen würde, wären ja alle Erkrankungen, an denen die Leute früher gestorben sind, nahezu gleichzeitig zurückgegangen.
Man kann aber ganz klar nachvollziehen, dass erst die Einführung der verschiedenen Impfungen dafür gesorgt hat.
- Correctiv: Bill Gates' angebliche "Impfverbrechen" im Faktencheck
- Spiegel-Online: "Verschwörungstheorien und Impfgegnertum hingen schon vor Corona zusammen"
- Mimikama: Den Impfwahn STOPPEN!? Das möchten wir auch
- Tagesspiegel: Warum Corona-Leugner zur Gefahr werden können
- Correctiv: Irreführendes Video: Xavier Naidoo zweifelt Existenz des Coronavirus an und verlangt "Beweise"
- Volksverpetzer: Dieses Glossar an Impf-Fakes solltest du teilen, um Impfgegner zu ärgern
- Mimikama: Testperson an neuem Corona-Impfstoff gestorben: stimmt das?
- GWUP-Blog: Was Impfgegner und Gegner von Impfgegnern wissen sollten
- GWUP-Blog: Wer verdient wieviel mit Impfstoffen? Und was ist drin?
- Volksverpetzer: Impf-Verschwörungsmythos geprüft: Lohnt sich die Corona-Pandemie überhaupt finanziell?
Impfzwang
Update vom September:
- Spiegel-Online: Ethikrat sieht keine Grundlage für Immunitätsausweis
- tagesschau.de: Immunitätsausweis – Ethikrat lehnt ab
Stand März - August:
Viel Verschwörungsgetöse um nichts. Weder hat die Bundesregierung einen Corona-"Impfzwang" (respektive "Zwangsimpfung") beschlossen noch wird es absehbar einen Immunitätsnachweis geben.
Letzteres gab Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 5. Mai bekannt:
Das Überkochen der einschlägigen Internetforen ist also nur mal wieder gezielte Empörungsprovokation, mit der die neuen Bündnisreihen geschlossen werden sollen:
Worum ging's überhaupt?
Kurz gesagt um einen Vorschlag von Spahn, der darauf abzielte, das Infektionsschutzgesetz an zwei Stellen (Paragraph § 22 und Paragraph §28) zu ergänzen beziehungsweise zu reformieren.
Das Gesundheitsministerium wollte zum einen, dass eine Immunität gegenüber Covid-19 durch eine separate Dokumentation oder einen Eintrag im Impfpass nachgewiesen werden kann, analog zu den bisherigen individuellen Impfdokumentationen (Paragraph 22).
Das hätte auch Auswirkungen auf den Paragraphen 28 gehabt, in dem die "Anordnung und Durchführung von Schutzmaßnahmen" geregelt ist: Wer nachweisen kann, immun zu sein (durch Impfung oder durchgemachte Erkrankung), könnte dann nämlich von einschränkenden Maßnahmen ausgenommen werden.
Impfgegner und Verschwörungsgläubige machten aus dieser harmlosen Ankündigung das:
In einem guten Erklärvideo für den Youtube-Kanal Kanzlei WBS brachte der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke die Sachlage allgemeinverständlich rüber:
Am 29. April, hat die Bundesregierung diesen Gesetzesentwurf, der jetzt viele Menschen aufregt, erst mal eingebracht.
Der Bundestag wird am 8. Mai darüber beraten und schon am 14. Mai soll das Gesetz verabschiedet werden, sodass es Mitte Juni in Kraft treten kann.
Hintergrund ist, dass wir künftig Immunitätsdokumentationen bekommen sollen, und es soll dann klar werden, dass von bestimmten Personen keine Infektionsgefahr mehr ausgeht. Das soll nicht nur für Covid-19-Erkrankte gelten, sondern für alle Arten von Krankheiten.
Bürger sollen ihre Immunität durch ein Dokument oder durch eine Chipkarte nachweisen können. Und ein Arzt soll das Ganze entsprechend ausstellen. Hintergrund der ganzen Geschichte ist, dass man bestimmte Berufsgruppen entlasten will, die sollen dann unbeschwerter, mit mehr Sicherheit, ihren Tätigkeiten nachgehen können, zum Beispiel im Gesundheitswesen. Wenn man wüsste, diese und jene Ärzte sind immun, dann können diese vielleicht auch kritischere Operationen durchführen, weil von ihnen keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht.
Wie will man das nun anstellen?
Man will Paragraph 22 des Infektionsschutzgesetzes ändern und dort zusätzlich noch die Immunitätsdokumentation einführen. Was es da schon jetzt gibt, und deswegen kommen vielleicht auch diese Gerüchte auf, ist die Impfdokumentation. Und in gleicher Weise wie eine Impfdokumentation soll es künftig auch eine Immunitätsdokumentation geben. Es soll also dokumentiert werden, ob Ihr gegen gewisse ansteckende Krankheiten entweder geimpft oder immun seid.
Das ist erst mal der grundsätzliche Plan. Es sollen dort folgende Daten stehen: der Name der Krankheit, was wäre jetzt aktuell Covid-19, das Datum der Feststellung der Immunität und die voraussichtliche Dauer der Immunität. Dann die Testmethode, also wie ist diese Immunität getestet worden, und der Name des Arztes, der die Immunität festgestellt hat.
Das soll nach Paragraph 22 Infektionsschutzgesetz in einer neuen Immunitätsdokumentation stehen, die künftig die Bürger erhalten sollen.

Bezogen auf Covid-19 allerdings kann da noch gar nichts reingeschrieben werden, weil wir noch gar nicht wissen, wie lange derjenige überhaupt immun ist. Spahn spricht daher von einer vorsorglichen Regelung [...]
Fakt ist jedenfalls: Es ist jetzt nicht so, dass da eine Impfpflicht gegen Covid-19 drinsteht. Sondern da, wo festgehalten wird, dass man geimpft worden ist, soll künftig auch festgehalten werden, dass man immun ist. Das ist das, was in den Paragraph 22 Infektionsschutzgesetz reinkommen kann. Das ist jetzt erst mal relativ langweilig, da steht dann einfach nur: "Ich bin immun gegen Covid-19."
Jetzt erst wird’s spannend, jetzt kommt nämlich die große Frage: Wozu führt das, wenn in meinem Immunitätspass oder in meiner Immunitätsdokumentation drinsteht, dass ich immun gegen irgendetwas bin?
Das führt dazu, dass ich nach dem Infektionsschutzgesetz möglicherweise mehr Freiheiten haben könnte als jemand, der nicht immun ist.
Schauen wir also mal, was in den Paragraphen 28 Infektionsschutzgesetz rein soll:
Da wird gesagt, dass bei der Anordnung von Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden soll, ob jemand eine Krankheit wegen eines Impfschutzes oder einer bestehenden Immunität nicht oder nicht mehr übertragen kann. Wenn man so einen Immunitätsausweis hat, kann es also sein, dass man zu seiner Zweitwohnung am Meer fahren darf. Es kann sein, dass man wieder zur Arbeit gehen darf, als Friseurin zum Beispiel.
Niemand aber sagt, Ihr müsst euch impfen, gegen Covid-19 gibt es ja noch gar keine Impfung. Das ist überhaupt nicht vorgesehen, aber natürlich hätten diejenigen, die geimpft sind, gewisse Vorteile, wenn beispielsweise ein Lockdown stückweise wieder aufgehoben wird.
Bei der Änderung im Paragraph 28 Infektionsschutzgesetz geht es also darum, dass man die Freiheitsrechte schneller wieder für diejenigen öffnen kann, die geimpft oder immun sind.
Das ist alles. Allerdings kritisierten auch Medien, Datenschützer, Virologen und Politiker Spahns Pläne.
Der erklärte am 5. Mai, dass es vorerst keine Regelungen geben soll, inwiefern solche Immunitätsnachweise Ausnahmen von Alltags-Beschränkungen ermöglichen könnten. Spahn habe den Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme dazu gebeten. In der Koalition sei vereinbart worden, bis dahin keine gesetzliche Regelung zu dieser Frage vorzunehmen.
Auch die angebliche Ankündigung einer Zwangsimpfung durch den CDU-Politiker Rudolf Henke ist eine bewusste Falschinterpretation.
- Update vom 20. Mai:
Bislang arbeiten Forscher an mehr als 100 Impfstoff-Kandidaten. Etwa zehn von ihnen werden an ersten Freiwilligen getestet. Es ist viel zu früh, etwas über Wirksamkeit und etwaige Nebenwirkungen der Vakzine zu sagen,
schreibt die Süddeutsche Zeitung.
Unwahrscheinlich ist derzeit, dass es eine Impfpflicht geben wird [...] Außerdem ist es recht wahrscheinlich, dass sich genügend Menschen freiwillig impfen lassen. Um die sogenannte Herdenimmunität zu erreichen, genügt es im Falle von Covid-19, wenn etwa 70 Prozent der Menschen geimpft sind.
Dann sind auch die anderen weitgehend mit geschützt, weil sich der Erreger nicht mehr effektiv verbreiten kann. Geht man von den Standardimpfungen bei Kindern aus, sollte diese Quote zu schaffen sein.
- Zeit-Online: Angst vor der Zwangsimpfung
- Mimikama: Nein, es wurde kein Impfzwang beschlossen
- Volksverpetzer: Fake! KEIN “Impfzwang” – Wie ihr über das Infektionsschutzgesetz belogen werdet
- SWR3: Faktencheck: Hat das Bundeskabinett einen „Impfzwang“ beschlossen?
- Schwäbische Zeitung: Corona-Impfpflicht heimlich beschlossen? Das steckt wirklich hinter der Aufregung
- Mimikama: Kündigt ein CDU-Politiker die Zwangsimpfung von Kindern an?
- Correctiv: Nein, CDU-Politiker Henke will Kinder nicht für Zwangsimpfungen abholen lassen
- Mimikama: Den Impfwahn STOPPEN!? Das möchten wir auch
- Volksverpetzer: Impf-Verschwörungsmythos geprüft: Lohnt sich die Corona-Pandemie überhaupt finanziell?
- RND: Gerüchte um Corona-Impfpflicht – das sind die Fakten
- Correctiv: Bill Gates' angebliche "Impfverbrechen" im Faktencheck
Influencer
Die amerikanische Influencerin Ava Louise rief im März eine „Corona-Challenge“ aus – und leckte einen Toilettensitz in einem Flugzeug ab. Danach sagte sie: „Ich wollte einfach nur mehr Aufmerksamkeit als diese Corona-Bitch.“ Auf Instagram hat sie mehr als 200.000 Follower, schreibt die FAZ.
Die FAZ weiter:
Auch in Deutschland haben viele Menschen auf der Plattform eine große Reichweite, die in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind.
Die ehemalige Monrose-Sängerin Senna Gammour hat rund eine Million Follower. In ihrer Story teilte sie kürzlich das Video, in dem Jebsen seine Verschwörungstheorien über Bill Gates vorträgt, und schrieb dazu: „Wenn das alles stimmen sollte, sind wir am Arsch.“
Auch der Rapper Fler verbreitet Videos von Jebsen, genau wie die Influencerin Sarah Foxx. Sie empfahl das aktuelle Video ihren mehr als 100.000 Followern und ergänzte den „Funfact“, dass der Begriff Verschwörungstheorien von der CIA erfunden worden sei.
Das Youtuber-Pärchen Ardy und Luna Darko verbreitete nicht nur das Jebsen-Video, sondern nahm nach Kritik daran noch ein eigenes Video auf, das es seinen 500.000 Followern auf Youtube präsentiere. Darin heißt es laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Wo hört das auf? Wir können doch nicht anfangen so eine Reinigung zu vollziehen. Und am Ende muss Kunst verboten werden, und Bücher müssen verbrannt werden und man muss reingewaschen sein.”
Dass es für eine Verschwörung keine Beweise gibt, ist für Influencerin Sarah Foxx übrigens fast schon Beweis genug. Auf Instagram schrieb sie: „Denkt ihr wirklich, dass es für irgendwas Beweise geben wird, für das es keine Beweise geben soll?“
- RND: Corona-Verschwörungen: Warum drehen so viele Promis durch?
- FAZ: In der Corona-Krise: Promis, die auf Verschwörungstheoretiker starren
- Bayern 2: B-Promis, was hat Corona nur aus Euch gemacht?
- Bunte: "Influencer Corona-Update"
- Bento: Influencerinnen und C-Promis zündeln mit Corona-Verschwörungsmythen – was ist da los?
- RP-Online: Warum Prominente und Influencer Verschwörungstheorien verbreiten
- The Best Social Media: Die Aluhut-Promis: So macht sich das Netz über Corona-Verschwörungen lustig
- Focus-Online: Die wirren Verschwörungstheorien der Stars
- ZDF: Influencerin Louisa Dellert zu Corona-Mythen: "Der Ton ist rauer geworden"
- siehe auch "Xavier Naidoo", "Til Schweiger", "Detlef Soost", "Sonja Zietlow", "Attila Hildmann"
Intervallfasten
Sogar das populäre Online-Magazin Wunderweib verbreitet Fake News:
„Ammenmärchen“, sagt Hendrik Streeck, Virologe an der Bonner Uniklinik, laut dem Fake-Ticker von BR24:
Es gibt keine Hinweise, dass Intervallfasten oder irgendein Fasten Einfluss hat auf das virale Wachstum – oder aber auch auf die Stärke des Immunsystems.“ Ein Ausschwemmen von Viren, so etwas gebe es nicht. Viren würden entweder vom Immunsystem gestoppt oder von Medikamenten. Es gebe auch keinen Mechanismus, bei dem man Viren einfach aus dem Körper rauswaschen könne.
J
Jebsen, Ken
Sollten Sie diesen Text wirklich lesen wollen, müssen Sie zwei Dinge im Vorhinein wissen:
Erstens ist Ken Jebsen ein ehemaliger Moderator, der vor fast zehn Jahren seinen Job beim rbb aufgrund von Antisemitismus verlor – damals bezeichnete er den Holocaust als PR. Zweitens stellen sich auch sonst die meisten seiner Behauptungen als falsch heraus.
So beginnt der Faktencheck des t-online-Rechercher-Redakteurs Jonas Mueller-Töwe zu einem viel geklickten Video von Ken Jebsen über verborgene Machenschaften in der Corona-Krise.
Es ist voller Fehler, Verschwörungsmythen und Ungenauigkeiten,
analysiert auch das ZDF.
Zu den Faktenchecks geht es hier:
- Frankfurter Rundschau: Bill Gates und das Coronavirus – was hat das miteinander zu tun?
- SWR3: Faktencheck: KenFM-Video: "Gates kapert Deutschland"
- T-Online: Das ist dran an Ken Jebsens großer Gates-Verschwörung
- ZDF: Warum Sie Ken Jebsen nicht vertrauen sollten
- Correctiv: Große Verschwörung zum Coronavirus? Wie Ken Jebsen mit irreführenden Behauptungen Stimmung macht
- Volksverpetzer: So manipuliert dich KenFM: die Propaganda-Tricks entlarvt
- Volksverpetzer: KenFM lügt über „gekauften“ Spiegel
- Volksverpetzer: Wie dich KenFM anlügt: Gates will einen möglichst sicheren Impfstoff
Die Autorin und Moderatorin Sophie Passmann hat bei Instagram einen zehnminütigen Rant gegen Verschwörungstheoretiker wie Ken Jebsen und Attila Hildmann gepostet:
Was mich immer aggressiv macht an Leuten, die so Verschwörungstheorien-Videos weiterleiten: Da steckt ja drin, ich habe als einziger die Wahrheit erkannt. Alle großen Tageszeitungen, alle öffentlich-rechtlichen Medienanstalten, alle Medienmacher und Medienmacherinnen in Deutschland haben nicht verstanden, was ich verstanden habe – denn ich habe mal bei einer Casting-Singshow mitgemacht.
Auch die Influencerin Louisa Dellert kommentiert sachlich und unaufgeregt Jebsens Verschwörungsmythen:
Ebenso wie Philipp Walulis:
An verschiedenen Beispielen zeigt Walulis, dass Jebsen …
… unter dem Deckmantel des Journalismus Quellen offensiv falsch aus[legt], um Panik zu schüren [….]
Er stellt in seinen Videos massiv Tatsachen falsch dar und verliert sich in Widersprüchen. Falsche Zahlen, falsche Geschichten, Jebsen weiß offenbar irgendwann selbst nicht mehr, was er da erzählt. Unstimmigkeiten ohne Ende.
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat sich Jebsens Video angesehen:
Er habe dem Grundgesetz viel zu verdanken, sagt der Mann [Ken Jebsen]. Aber dieses Grundgesetz sei momentan massiv in Gefahr, Stichwort: Corona. Ob man die eigenen Kinder auf Mallorca besuchen dürfe, ob man seinen Beruf ausüben könne, ob man eine Maske tragen wolle oder nicht, all das bestimme man nicht mehr selbst, sondern „Bill and Melinda Gates“:
„Diese beiden Menschen haben sich über die WHO in die Weltregierungen hineingehackt und bestimmen aktuell das, was man Normalität nennt.“ Auf den Demonstrationen teilen viele diese Einschätzung. Sie tragen Transparente mit der Aufschrift: „Gib Gates keine Chance!“
Der Mann im Video ist jetzt in Rage. Er rattert Zahlen herunter, die seine These belegen sollen. Bill Gates finanziere die Weltgesundheitsorganisation zu über achtzig Prozent und bestimme dort „ganz knallhart, was Gesundheit ist“.
Das Paar Gates hätte „ein Faible für Impfungen“, hätte die weltweit tätige Impfallianz Gavi gekauft, das Robert Koch-Institut in Deutschland, kontrolliere mit seinem Geld die Medien und die Regierung. Das Ehepaar Gates, so lautet das vorläufige Fazit, habe inzwischen mehr Macht als Roosevelt, Churchill, Stalin und Hitler seinerzeit zusammen. „Selbst diese vier Personen mussten sich die Macht auf dem Planeten teilen.“
So geht es in einer Tour weiter, immer schneller, immer schriller. Im neuen Infektionsschutzgesetz werde ein Impfzwang „durch die Hintertür eingeführt“, behauptet der Mann. Überhaupt verdreht er alles: Aus dem tastenden Vorgehen der Regierung wird der Plan, eine Gesundheitsdiktatur zu errichten. Aus einem Impfstoff wird eine Biowaffe. Und aus dem Bemühen, Menschenleben zu retten, der heimliche Versuch, die Menschheit zu dezimieren.
Schon die grundlegenden Zahlen und Aussagen stimmen nicht. Das kann man herausfinden, wenn man das Video anhält und anderswo nachschaut. Dann kann man zum Beispiel nachlesen, dass Gates die Weltgesundheitsorganisation nicht zu achtzig Prozent mit seinem Geld finanziert, sondern nur etwa zehn Prozent des Budgets beisteuert. Man kann auch erfahren, dass es keinen Impfzwang durch die Hintertür im neuen Infektionsschutzgesetz gibt.
Darin steht zwar, das Bundesministerium für Gesundheit werde „ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen“, dass besonders bedrohte Menschen geimpft werden, falls eine schwere Epidemie drohe. Das geht aber nur mit Zustimmung des Bundesrates. Außerdem steht es schon seit gut zwanzig Jahren im Gesetz.
Aussage um Aussage kann man so überprüfen. Wer das tut, muss dann aber auch erkennen, dass keine einzige Person oder eine einzige Macht hinter dem gesamten Weltgeschehen steckt. Die Fakten benennen keinen Schuldigen. Anders als der Mann im Video.
- Correctiv: Große Verschwörung zum Coronavirus? Wie Ken Jebsen mit irreführenden Behauptungen Stimmung macht
- FAZ: Der Wahn aus dem Netz
- Belltower News: Ken Jebsen, der gefährliche Querfront-Demagoge
- BR24: Corona-Mythen: Warum Bill Gates zur Zielscheibe wird
- Belltower News: Bill Gates als Bösewicht in Zeiten von Covid-19
- Vice: Nein, Bill Gates will euch keinen Mikrochip einpflanzen
- Correctiv: Ken Jebsen: Das Böse ist immer und überall
- Taz: Köpfe der Corona-Relativierer
- RND: Sophie Passmann erklärt ihr Wutvideo
- ZDF: Influencerin Louisa Dellert zu Corona-Mythen: "Der Ton ist rauer geworden"
K
Kalcker, Andreas
- siehe "Miracle Mineral Supplement/MMS"
Kettenbriefe
Bei einem jetzt-Artikel der Süddeutschen Zeitung ging es speziell um Kettenbriefe als Medium der Infodemie (Beispiele für aktuelle Corona-Kettenbriefe finden sich bei verbraucherschutz.com).
Die beiden befragten Experten gaben zwei unterschiedliche Antworten, die wir kurz vertiefen wollen.
[Der Medien- und Kommunikationspsychologe] Tobias Rothmund von der Uni Jena rät dazu, die Skepsis in Fragen zu formulieren, wenn man selbst mit solch einem Kettenbrief konfroniert ist.
„Die erste Frage sollte sein: Was ist die Quelle der Information?“
Auf diesem Weg können Fehlinformationen in der Regel zuverlässig identifiziert werden. Nachhaken sollte man, wenn es gar keine Quellen gibt, wenn die Quellen nicht nachvollziehbar sind oder wenn es sich nicht um seriöse Quellen handelt. Zu diesen zählen zum Beispiel ein verlässliches Medium, ein Ministerium oder ein Klinikum.
Nicht aber beispielsweise "eine Mitarbeiterin der Uniklinik", die angeblich aus einer Sitzung berichtet, aus der sie gerade kommt.
Also im Grunde der übliche Fake News-Check:
Fakten prüfen:
- Wird die Nachricht auch über andere, größere Medien verbreitet?
- Geben andere Medien noch Zusatzinformationen, die etwas an der grundlegenden Sache ändern?
Quelle überprüfen:
- Wie lange ist der-/diejenige bereits bei Twitter/Facebook/WhatsApp etc. aktiv und was hat er/sie bisher geschrieben?
- Machen die bisher veröffentlichten Beiträge Sinn und erscheinen glaubhaft?
- Wer und wie viele Leute haben die Beiträge geteilt?
- Wie viele und welche Freunde oder Follower hat er/sie?
- Urheber prüfen
- Hinterfragen
- Googeln
- Anrufen und nachfragen
Allerdings gibt es den sogenannten Sleeper-Effekt, der dazu führen kann, dass die Empfänger zwar der Quelle misstrauen, die Fake News inhaltlich aber plausibel finden – weil die Information über die Quelle mit der Zeit in Vergessenheit gerät.
Deshalb rät die Kommunikationspsychologin Margarete Boos von der Uni Göttingen dazu, den Wahrheitsgehalt von Kettenbriefen grundsätzlich in Frage zu stellen:
Eine unpersönliche Form der Kommunikation in einem privaten Medium wie Whatsapp – das passt nicht zusammen.
Oder direkter formuliert:
Kettenbriefe waren schon vor dem Internet-Zeitalter kein adäquates Medium zur Kommunikation seriöser Anliegen. Den Absendern geht es nicht um Information und Aufklärung, sondern dahinter stecken meist Langeweile, fehlgeleitete Kreativität oder der Wunsch, Macht auf andere auszuüben.
Formal zu erkennen sind Kettenbriefe auch an dem Appell, die Nachricht an möglichst viele Kontakte weiterzuschicken, ein holpriger Sprachstil mit vielen Fehlern und verdächtige Links:
Wenn Sie den Absender der Nachricht kennen, sollten Sie ihn darauf hinweisen, dass es sich um einen Kettenbrief handelt. So können Sie auch dazu beitragen, dass künftig weniger Spam-Nachrichten verbreitet werden.
Sollten Sie den Absender der Nachricht nicht kennen, blockieren Sie den Kontakt am besten gleich. Zudem sollten Sie die Nachricht als Spam melden.
- Eine Checkliste "Wie finde ich gute Informationen zum Coronavirus?" gibt's bei gesundheitsinformation.de
- Zeit-Online: "Glauben Sie nicht jedem, der einen Doktrotitel hat"
- Belltower News: Corona-Pandemie: Fake News im Familien-Chat – Was kann ich tun?
- Mimikama: WhatsApp-Sprachnachricht mit falschen Informationen zum Coronavirus
- Perspective Daily: Das musst du wissen, um Fake News zu verstehen
- Mimikama: Coronavirus: Die Eskalation der Falschmeldungen
- GWUP: Verschwörungstheorien - Was ist eine legitime wissenschaftliche Position und was ist Nonsens?
King, Stephen
Kaum will man sich bei Youtube mal entspannt einen situationsgerechten Film ansehen (konkret "The Stand"), schlagen einem solche Kommentare entgegen:

Ach wirklich? Schauen wir mal.
Natürlich weckt der Roman von 1978 Assoziationen an die gegenwärtige Corona-Krise. Allerdings erklärt King selbst:
Nein, das Coronavirus ist NICHT wie THE STAND. Es ist nicht annähernd so ernst. Es ist eminent überlebensfähig. Bleiben Sie ruhig und treffen Sie alle angemessenen Vorsichtsmaßnahmen.“
"Und dazu kommt noch", schreibt Onkel Michael,
... dass es wirklich einen ganzen Haufen von ähnlichen Büchern gibt. Derartige Dystopien werden schon seit ewigen Zeiten geschrieben, veröffentlicht und von den Leserinnen und Lesern verschlungen. Lediglich in der Qualität unterscheiden sie sich. Letztendlich beschreiben sie aber den immergleichen Plot des Endes der Menschheit [...]
In diese Kategorie fällt auch das Buch, das aktuell kolportiert wird. Es handelt sich um den Thriller „The Eye of the Darkness“, den der amerikanische Autor Dean Koontz unter seinem Pseudonym Leigh Nichols im Jahre 1981 veröffentlichte.
Knoblauch
- Knoblauch/Zwiebeln/Sesamöl/Kokosöl/Marihuana/Kokain helfen gegen eine Ansteckung
Nichts davon. Obgleich Knoblauch gesund sei, gebe es keine Hinweise, dass er vor einer Coronavirus-Infektion schütze, meint die WHO. Dasselbe gilt für andere Hausmittelchen wie zum Beispiel Zwiebeln.
Zum Thema Kiffen schreibt Mimikama:
Cannabis [sei] zwar nützlich bei Stress und Schmerzlinderung, auch gegen Übelkeit helfe, es allerdings keine Hinweise gäbe, dass es antiviral wirken würde. Auf der Suche nach einer schnellen und einfachen Heilmethode sind Menschen bereit, alles Mögliche zu glauben. Doch weder Desinfektionsmittel noch Kokain oder Marihuana sollte man konsumieren, um eine eventuelle Infektion zu bekämpfen.
Köhnlein, Claus
Ein Fakten-Check zu den Behauptungen des Kieler Internisten findet sich bei Mimikama.
Das Fazit:
In dem Interview mit dem russisch-populistischen Sender „RT Deutsch“ äußert Dr. Köhnlein Behauptungen und Vermutungen, die schon zum damaligen Zeitpunkt, aber auch heute, nicht haltbar sind. Seine Positionierung als AIDS-Leugner und Impfgegner lassen zudem erkennen, dass er auch weiterhin behaupten wird, dass COVID-19 nur eine erfundene Seuche ist, damit Mediziner weltweit Profit machen können – quasi eine medizinische Verschwörung, an der hunderttausende Ärzte und Wissenschaftler weltweit stillschweigend beteiligt sind.
- Zeit-Online: "Glauben Sie nicht jedem, der einen Doktortitel hat"
- Welt-Online: Warum die Corona-Krise keine Übertreibung ist
- Süddeutsche Zeitung: Corona-Falschmeldungen erreichen ein Millionenpublikum
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker”: So manipuliert dich dieser Kettenbrief
Kollodiales Silber
Der Generalstaatsanwalt von Missouri hat im März 2020 den amerikanischen TV-Evangelisten Jim Bakker "wegen falscher Behauptungen zur Wirksamkeit von Silberlösung als Behandlung gegen das Coronavirus" angeklagt. Bei Bakkers "Silver Solution" handelt es sich um kollodiales Silber, das in der "alternativ"-medizinischen Szene seit langem als Allheilmittel zur inneren Einnahme bei einer Vielzahl von Erkrankungen gehandelt wird:
Quacksalberei, sagen die zuständige Federal Drug Administration (FDA) und die Federal Trade Commission (FTC). Die Produkte seien nicht zugelassen; sie bedeuteten "ein signifikantes Risiko für die Gesundheit der Patienten". Die FDA wertete Verkauf und Werbung für das vermeintliche Anti-Corona-Produkt als eine Bedrohung der öffentlichen Gesundheit.
Nachdem Bakker das Mittel auch in seiner Fernsehshow angepriesen hatte, schrieb ihm die FDA zunächst einen "Warning Letter":
Wir brauchen in dieser Situation keine Firmen, die Kunden mit falschen Präventionsbehauptungen ausnutzen.
Zwar war die medizinische Anwendung von Silber schon in der Antike bekannt, zu dieser Zeit wurde die Substanz als Desinfektionsmittel und zur Wundbehandlung eingesetzt. Aber schon 1999 reagierte die US-Gesundheitsbehörde FDA auf die verbreitete Verwendung von kolloidalem Silber. Sie sprach sich damals gegen den innerlichen und äußerlichen Gebrauch von OTC-Arzneimitteln aus, die kolloidale Silberbestandteile oder Silbersalze enthalten, da diese Produkte allgemein als nicht sicher und nicht wirksam anerkannt wurden und immer noch werden.
Das Portal medizin-transparent von Cochrane Österreich erklärt:
Die zahlreichen Behauptungen rund um Heilung, Linderung oder Vorbeugung von Silberwasser sind unserer Recherche zufolge aus der Luft gegriffen. Denn ob die Einnahme von kolloidalem Silber die Gesundheit positiv beeinflussen kann, wurde nie in aussagekräftigen Studien erforscht.
Zwar zeigen Laborexperimente, dass Silberlösungen im Reagenzglas krankheitserregende Mikroorganismen bekämpfen können. Aus diesen Ergebnissen lässt sich jedoch nicht schließen, dass kolloidales Silber auch im menschlichen Körper gegen Krankheitserreger wirksam ist. Schließlich ist der Stoffwechsel des Menschen viel komplexer als Vorgänge in einem Reagenzglas.
- Mimikama: Es gibt keine Beweise für Corona-Immunisierung durch Silberwasser
Koontz, Dean
In Deutschland erschien das Buch 1988 unter dem Titel "Die Augen der Dunkelheit". Es ist derzeit nicht verfügbar. In der englischen Ausgabe findet sich diese Passage:
Es geht also um ein Virus mit der Bezeichnung „Wuhan-400“, weil es in einem streng geheimen chinesischen Militärlabor in der Nähe der Stadt Wuhan entwickelt wurde.
Verblüffend?
Geht so. Onkel Michael führt weiter aus:
Schauen wir uns doch einmal die Erstausgabe an. Die erschien wie gesagt 1981 und dort – schau schau – heißt das Virus „Gorki-400“ und wurde in einem streng geheimen russischen Militärlabor in der Nähe der Stadt Gorki (seit 1990 heißt sie wieder Nischni-Nowgorod, falls ihr sie auf dem Globus suchen wollt) entwickelt wurde.
Erst in der Neuauflage wurde Gorki zu Wuhan und die Sowjetunion zu China. Ist ja auch klar. Damals war die UdSSR gerade zusammengebrochen und in der Bad Guy-Hitparade ins Bodenlose gefallen. Also musste ein neuer Bösewicht her und das wurden die Chinesen.
Wären es beispielsweise die Nordkoreaner geworden, hieße das Virus vielleicht „Ch’ŏngjin-400“ und kein Mensch würde sich für das Buch interessieren. Für Wuhan sprach dann noch, dass sich dort das virologische Institut der chinesischen Akademie der Wissenschaften befindet. Oder vielleicht mochte Dean Koontz den Namen „Wuhan“ einfach oder was auch immer.
Aber was hat es dann mit diesem Posting auf sich:
In around 2020 a severe pneumonia-like illness will spread throughout the globe, attacking the lungs and the bronchial tubes and resisting all known treatments.
Diese Passage stammt gar nicht aus dem Koontz-Roman. Sondern es handelt sich um zwei Sätze von "End of Days" (2008) der amerikanischen "Hellseherin" Sylvia Browne, die derzeit von dem Promi-Sternchen Kim Kardashian verbreitet werden.
- Weiter bei "Sylvia Browne"
Korb, Katrin
Bei der "Menschenwürde-Demo" am 9. Mai in Oldenburg äußerte sich die Ärztin Dr. Katrin Korb kritisch zu den Themen Medikamenten-Nebenwirkungen, Impfschutz und Versammlungsfreiheit.
- Einen Faktencheck gibt's bei Mimikama.
Kron, Rolf
Rolf Kron, Impfkritiker und Homöopath, behauptet in einem Video, der „Hype“ um das neuartige Coronavirus sei schnell vorbei und die Maßnahmen übertrieben.
Seine Aussagen sind größtenteils falsch oder es gibt nach jetzigem Stand der Forschung keine Belege dafür,
schreibt Correctiv.
- Correctiv: Nein, Covid-19 ist, anders als von Rolf Kron behauptet, nicht nur ein harmloser Schnupfen
- Mimikama: Coronavirus: Die überholten Aussagen des Rolf Kron
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker”: So manipuliert dich dieser Kettenbrief
- INI-Blog: Impfkritiker im Kompetenzcheck: Rolf Kron
Kuhbandner, Christof
In dem renommierten Blog-Portal Spektrum.de/SciLogs schrieb der Regensburger Psychologie-Professor Christof Kuhbandner am 23. April, dass die These von der epidemischen Ausbreitung des Coronavirus auf einem statistischen Trugschluss beruhe.
Faktenchecks dazu gibt es bei MDR-Wissen und im Blog Volksverpetzer.
L
Labor
Update vom September:
- National Geographic: Why misinformation about COVID-19’s origins keeps going viral
- Mimikama: Studie beweist nicht, dass das Coronavirus aus einem Labor stammt
- Watson: Stammt das Corona-Virus aus einem chinesischen Labor? Der Fakten-Check
Stand März - August:
Dazu gibt es zwei Thesen:
- SARS-CoV-2 als Biowaffe
Diese Verschwörungstheorie kann als widerlegt gelten.
Am 17. März hat das Fachjournal Nature Medicine die Studie "The proximal origin of SARS-CoV-2" veröffentlicht. Demnach bestätigen neue Analysen, dass SARS-CoV-2 natürlichen Ursprungs ist. Darauf deuten Details des viralen Andockproteins und Vergleiche mit schon existierenden Coronaviren hin. Andere Studien legen ebenfalls einen natürlichen Ursprung nahe.
"Reiner Schwachsinn“, sagt auch der Virologe Prof. Luka Cicin-Sain vom deutschen Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Man brauche sich das Virus nur genau anschauen, um eindeutig sagen zu können, dass es tierischen Ursprungs sei. Nach Einschätzung der US-Geheimdienste ist das neuartige Coronavirus nicht in einem Labor erzeugt worden. Man stimme „dem breiten wissenschaftlichen Konsens zu, dass das Covid-19-Virus weder von Menschen erschaffen noch genetisch modifiziert wurde“, erklärte das Büro des Leiters der Nationalen Geheimdienste (ODNI).
- Eine Zusammenfassung der Arbeit findet sich bei scinexx.
- Neue Zürcher Zeitung: Kein Platz für Verschwörungstheorien – Der Stammbaum des Coronavirus enthüllt, woher es kommt
- Correctiv: Biowaffe aus den USA? Wolfgang Gedeon verbreitet irreführende Theorie zu Coronavirus im Landtag
- Humanistischer Pressedienst: "So etwas kann man im besten Labor der Welt nicht herstellen"
- Welt-Online: Coronavirus im Labor gezüchtet? Warum das nicht plausibel ist
- Das neue Coronavirus ist aus einem Hochsicherheitslabor der Biosicherheitsstufe 4 in Wuhan ausgebrochen oder freigesetzt worden.
Einen anderen Verdacht griff Mitte April erneut die Washington Post auf. Demnach hätten bereits 2017 und 2018 Wissenschaftler sowie US-Diplomaten auf Sicherheitsprobleme am Wuhan Institute of Virology (WIV) hingewiesen. Dieses Forschungslabor wird unweit des Huanan Seafood Market in Wuhan (ein Markt für Wildtiere und Meeresfrüchte) betrieben, wo das neue Coronavirus höchstwahrscheinlich von einem tierischen Zwischenwirt auf den Menschen übergesprungen ist. Fledermäuse dürften in der Infektionskette eine Rolle gespielt haben. Derzeit weiß man aber weder, wo und wann das Virus aus dem Fledermausreservoir auf den Menschen übergesprungen ist, noch, ob dazwischen noch irgendein anderes Tier beteiligt war.
Nach den Epidemien von SARS, MERS und der "Schweinegrippe" sollte am WIV die Forschung an Coronaviren stark intensiviert werden. Über die Arbeiten des Labors an Fledermaus-Viren sind mehrere Studien veröffentlicht worden, zum Beispiel im April 2018 im Wissenschaftsjournal Nature. Ein Washington Post-Autor vermutet, dass die erste menschliche Infektion mit SARS-CoV-2 durch einen Laborunfall entstanden sein könne, etwa durch die versehentliche Infektion eines Laboranten.
Ein Beleg dafür existiert derzeit nicht. Das Labor weist die Vorwürfe zurück. Allerdings mehren sich Vertuschungs-Vorwürfe gegen die chinesische Regierung. Trotzdem trägt das Gerücht, dass der Erreger Sars-CoV-2 einem Labor entwichen sein könnte, jetzt wenig zur Lösung akuter Probleme bei.
- Mimikama: Professor Tasuku Honjo sagte nicht, das Coronavirus sei nicht natürlich
- Correctiv: Nein, der japanische Immunologe Tasuku Honjo sagt nicht, das Coronavirus sei "nicht natürlich"
- The European: Woher kommt das Coronavirus wirklich?
- Tagesschau: Labor in Wuhan wehrt sich gegen Vorwürfe
- CNN: Beijing tightens grip over coronavirus research, amid US-China row on virus origin
- Scinexx: Coronavirus: Aus dem Virenlabor freigesetzt?
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: Herkunft des Coronavirus – Was ist dran an der Laborunfall-These?
Luftanhalten als Schnelltest auf das Coronavirus
Dieser angebliche Rat von Experten aus Taiwan wird massenhaft in einem WhatApp-Kettenbrief verbreitet.
Unter anderem die Deutsche Presse-Agentur (dpa) ging dem nach:
Behauptung: Wer tief einatmet und dann problemlos für zehn Sekunden die Luft anhalten kann, hat keine Fibrose in der Lunge und sich somit nicht mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 angesteckt.
Bewertung: Luftanhalten ist kein Schnelltest für eine Ansteckung mit Sars-CoV-2. Zu Beginn der Ansteckung vermehrt sich das Virus meist vor allem im Rachen, nicht in der Lunge. Andere Erkrankungen wie Asthma können zudem das Luftanhalten erschweren. Eine Fibrose ist außerdem kein Krankheitszeichen von Covid-19.
Fakten: Einen eigenhändigen Schnelltest auf Sars-CoV-2 gibt es laut Bundesgesundheitsministerium derzeit nicht. Ob ein Mensch zehn Sekunden lang die Luft anhalten kann oder nicht, kann zudem verschiedene Gründe haben.
Auch correctiv hat sich damit beschäftigt:

Das Taiwan Fact-Check Center hat die Behauptung schon im Februar überprüft und zwei Experten befragt. Beide hatten von einem solchen Vorgehen noch nicht gehört, einer bezeichnete den Hinweis als falsch. Weder bei der WHO noch beim Robert-Koch-Institut wird ein solcher Test erwähnt [...]
Die häufigsten Symptome von Covid-19 sind laut WHO Fieber, Müdigkeit und Husten. Aber auch eine laufende Nase kann ein Symptom sein, ebenso wie Schmerzen, eine zugeschwollene Nase, Halsschmerzen oder Durchfall. Auf diese Symptome sollte man also achten.
M
Malariamittel/Medikamente
Update vom September:
Die renommierte medizinische Fachzeitschrift LANCET hatte im Juni die Übersichtsarbeit „Hydroxychloroquine or chloroquine with or without a macrolide for treatment of COVID-19: a multinational registry analysis“ retracted, weil schon am Tag der Veröffentlichung Einwände gegen die Darstellung in der Arbeit und vor allem gegen den Umstand erhoben wurde, dass zahlreiche invalide klinische Berichte zu einer Art Review verarbeitet worden waren (u.a. die Mini-Fallstudie von Prof. Raoult in Marseille, siehe dazu "Update von Udo Endruscheit").
Dazu gab es auch eine "Expression of Concern" vom LANCET.
Was nun aufhorchen lässt:
Der LANCET hat sein Peer-Review-Verfahren evaluiert und verschärft deutlich die Spielregeln, und zwar aufgrund des zurückgezogenen Hydrochloroquin-Artikels. Die Redaktion erklärt sich in dem Artikel „Learning from a retraction“.
Stand März - August:
Als möglicher medizinischer "Durchbruch" gegen Covid-19 werden hier und da alte Wirkstoffe wie Hydroxychloroquin und das eng verwandte Chloroquin genannt, die gegen andere Krankheiten eingesetzt werden, insbesondere gegen Malaria und die Autoimmunkrankheit Lupus.
Das arznei-telegramm schreibt dazu:
Ein klinischer Nutzen von Chloroquin und Hydroxychloroquin bei Infektionen mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 ist bislang nicht belegt. Beide sollten derzeit zur Therapie von COVID-19 nur im Rahmen klinischer Studien verwendet werden.
Weitere Beiträge dazu gibt es unter anderem bei Spiegel-Online:
Versuche in Zellkulturen haben zwar schon vor Längerem gezeigt, dass Chloroquin die Vermehrung vieler Viren bremsen kann, dies gelingt auch mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2. Dass ein Mittel in einer Zellkultur wirkt, bedeutet allerdings noch lange nicht, dass es auch infizierten Menschen hilft.
Die Süddeutsche Zeitung nennt sechs Wirkstoffe, die aktuell von der WHO gegen Covid-19 getestet werden:
Die Malariamittel Chloroquin und Hydroxychloroquin gelten bislang als eher chancenlose Kandidaten.
Mehr noch: Mit selbst verabreichten Chloroquin-Dosen gegen Covid-19 gab es in den USA und in Afrika bereits Todesfälle. Das Deutsche Ärzteblatt "warnt vor vorzeitigem Einsatz von Chloroquin-Azithromycin-Kombinationstherapie gegen COVID-19-Infektionen".
- Zenodo: Statistical review of Hydroxychloroquine and azithromycin as a treatment of COVID-19: results of an open-label non-randomized clinical trial
- Update von Udo Endruscheit:
Am 16. März stellte eine Forschergruppe aus Frankreich um den Virologen Prof. Didier Raoult eine Fallstudie vor (in einer nicht reviewten Vorabveröffentlichung und in einem Vortragsvideo), das Heilungserfolge bei schwer an Covid-19 erkrankten Patienten zeigen sollte. Die binnen 24 Stunden reviewte Hauptveröffentlichung folgte in kürzester Zeit im International Journal of Antimicrobial Agents.
Eine Fallstudie (Case study) dient – anders als randomisierte placebokontrollierte klinische Vergleichsstudien – nicht dazu, einen Evidenzbeleg zu erbringen.
42 Patienten, zusammengeführt aus mehreren Kliniken, wurden in Gruppen aufgeteilt. 16 Patienten erhielten „konventionelle“ Behandlung. 26 wurden mit Hydroxychloroquin (HQ) behandelt, davon 6 zusätzlich mit dem Antibiotikum Azithromycin (AZ). Von den 26 Hydroxychloroquin-Patienten schieden sechs aus der Fallstudie aus. Über sechs Tage wurden die drei Gruppen verglichen, indem täglich diagnostiziert wurde, ob Virusfreiheit vorlag. Das sehr knappe Chart hierzu zeigte eine Virusfreiheit nach sechs Tagen bei den in Kombination behandelten Patienten und eine deutlich geringere Zahl von Virusbelasteten in der nur mit HQ behandelten gegenüber der „konventionell“ behandelten Gruppe.
Diese Arbeit zog weltweit Aufmerksamkeit auf sich und belebte den Aspekt einer möglichen Behandlung mit dem Malariamittel Hydroxychloroquin, das bereits in Wuhan experimentell eingesetzt wurde. US-Präsident Trump griff sofort das Thema auf und erklärte in einer Pressekonferenz die Kombinationsbehandlung HQ+AZ zur „Chance, einer der größten Durchbrüche in der Geschichte der Medizin zu sein“. Mindestens ein Mensch starb, weil er im Vertrauen hierauf das Chloroquin zur Selbstbehandlung einsetzte. In den USA begannen sogar Ärzte, das Mittel zu horten und beschworen damit die Gefahr von Engpässen bei der Versorgung von Patienten herauf, die das Mittel regulär benötigen (z.B. bei Lupus erythematodes).
Die WHO warnte sehr schnell, dass es keine belastbare Evidenz für diese Therapieform gebe und die Gefahr nicht unbedeutender Nebenwirkungen bestehe. In der Folge wurde die Arbeit der Forschergruppe um Raoul umfangreich analysiert und kritisiert.
Die wissenschaftliche Welt widersprach schnell Folgerungen, die auf die Annahme eines Evidenzbelegs für den Einsatz der Mittel hinausliefen. Auch auf ethische Probleme bei der Fallstudie wurde hingewiesen. Inzwischen wurden zahlreiche methodische Einwände gegen die Arbeit vorgebracht, die den Standpunkt erhärten, dass mangels Evidenz und auch wegen der zu erwartenden Nebenwirkungen HG oder HG/AZ derzeit keine klinisch anwendbaren Therapieoptionen darstellen.
Update:
Auch die medizinische Basis für das Uralt-Medikament Resochin ist dünn.
- Faktenfinder: Resochin gegen Coronavirus – Zu früh für Optimismus?
- Der Arzneimittelbrief: Medikamentöse Therapie bei COVID-19: Was wissen wir zu den aktuell empfohlenen, aber noch nicht zugelassenen Arzneimitteln?
- RiffReporter: Was hilft gegen Corona?
Update:
Am 10. April schrieb Welt-online über Hydroxychloroquin:
Die Datenlage für Hydroxychloroquin im Einsatz gegen Covid-19 ist dünn. Ob das alte Malaria-Medikament wirklich gegen die schwere Lungenkrankheit hilft, die das Sars-CoV-2-Virus auslösen kann, wird derzeit in Großstudien getestet. Außerdem hat das vermeintliche Wundermedikament Nebenwirkungen, die schwerwiegend sein können.
- Spiegel-Online: Hydroxychloroquin gegen Corona: Studie deutet auf Wirkungslosigkeit von Malaria-Mittel hin
Update:
Für die Behandlung von Covid-19 gilt das Präparat Remdesivir unter Wissenschaftlern momentan als der vielversprechendste Kandidat. Weltweit wird es derzeit an Tausenden Patienten getestet, auch in Deutschland,
schreibt Welt-Online am 19. April.
Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.
- Psiram: Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.
- ujf.biz: Professor Seltsam oder wie ich lernte, das Virus zu lieben
- ujf.biz: Professor Seltsams Impfgegner und Quanten-Geistheiler
- T-Online: Sucharit Bhakdi und Co.: Verein von Corona-Rebellen verliert Gemeinnützigkeit
Mikovits, Judy
- siehe "Plandemic"
Mimikama
Die private Initiative überprüft und debunked täglich moderne Mythen, Fake News und Verschwörungstheorien jeder Art.
Zur Kategorie "Covid-19/Coronakrise" geht es hier.
Dabei geht es zum Beispiel um Behauptungen wie:
- Kann der PCR-Test das Coronavirus gar nicht nachweisen?
- Bezahlung für Corona-Darstellung?
- Coronavirus: Alle Behauptungen und Faktenchecks im Überblick (Stand: 2. April)
Miracle Mineral Supplement/Master Mineral Solution/Miracle Mineral Solution (MMS)/Trinklösungen mit Chlordioxid
Update vom September:
Business Insider: Bolivien setzt giftiges Bleichmittel als Wundermedizin gegen Covid-19 ein.
Stand März - August
Das Online-Portal medizin-transparent von Cochrane Österreich schreibt:
Weltweit warnen Fachleute vor der Einnahme von MMS. In etlichen Fällen hat das Mittel schwere Vergiftungen ausgelöst. Behauptungen über eine heilende Wirkung sind unhaltbare Gerüchte. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Substanz gegen Autismus, Malaria, Krebs, Aids oder Hepatitis wirksam ist oder gegen eine Infektion mit dem Coronavirus (Covid-19) hilft.
Eine angebliche Studie, nach der Chlordioxid-Lösungen das Coronavirus "inaktivieren" sollen, ist von correctiv geprüft worden.
[Die Studie] bezog sich auf eine andere Coronavirus-Art, das SARS-Virus. Es ging jedoch nie darum, dass Menschen Chlordioxid trinken sollten. Sondern um das Überleben des SARS-Virus unter anderem in Wasser und die Frage, wie effektiv Desinfektionsmittel wie Chlor oder Chlordioxid das Virus darin abtöten können.
Am 23. April ermunterte US-Präsident Trump bei einer Pressekonferenz Forscher dazu zu prüfen, ob eine Injektion von Desinfektionsmittel in den Körper von Covid-19-Patienten Wirkung zeigen könnte. Bereits kurz danach warnte die Katastrophenschutzbehörde des Bundesstaats Washington die Bürger vor der Einnahme von Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln: "Machen Sie eine schlechte Situation nicht schlimmer." Weltweit löste Trumps Äußerung Empörung aus. Tags darauf stellte er seine Aussage als „Sarkasmus“ dar. Er habe keineswegs die Bürger dazu aufrufen wollen, Desinfektionsmittel zu sich zu nehmen.
Nichtsdestotrotz verzeichnete die Giftzentrale im US-Bundesstaat Illinois einen „signifikanten Anstieg“ der Anrufe im Zusammenhang mit Reinigungsmitteln, sagte die Direktorin des Gesundheitsamtes, Ngozi Ezike. Beispielsweise sei mit einer Mischung aus Bleichmittel und Mundwasser gegurgelt worden, „in einem Versuch, das Coronavirus zu töten“. Ezike warnte eindringlich vor der Einnahme von Haushaltsreinigern.
In Deutschland postete nach dem Trump-Statement der Verschwörungstheoretiker Oliver Janich seine "positiven Erfahrungen mit intravenösem Chlordioxid". Als Anti-Meme entwarf die Comedian Amanda Kerri eine "Studie" des New England Journal of Medicine:
This will kill you. Don't do it.
Auch der deutsche Wunderheiler Andreas Kalcker propagiert zum Beispiel via Twitter den Einatz von Chlordioxid gegen Covid-19. Die dabei erwähnte Studie "Determination of the Effectiveness of Oral Chlorine Dioxide in the Treatment of COVID 19" stammt allerdings von der "Genesis Foundation", der "Kirche der Chlorbleiche" (hpd), und ist von dem Studien-Register der National Library of Medicine der Vereinigten Staaten mit Warnhinweisen versehen worden.
- Mimikama: Chlordioxid (Desinfektionsmittel) kann im Körper großen Schaden anrichten
- FactCheck.org: Fake Coronavirus Cures, Part 1: MMS is Industrial Bleach
- Univision: Is Trump now a follower of the "church of bleach"?
- Spiegel-Online: Donald Trump und Elon Musk: Forscher warnen vor medizinischen Tipps von Prominenten
N
Nahrungsergänzungsmittel
Allgemein zum Thema Nahrungsergänzungsmittel schreibt Mimikama:
Alternative Heilmittel kann man zur Zeit als besonders gefährlich einstufen.
Einerseits bringen sie nicht den gewünschten Effekt, suggerieren eine Wirkung, die sie nicht haben, und bringen Menschen dazu, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Noch dazu werden sie meist zu hohen Preisen an den Verbraucher gebracht.
Sollte man trotzdem einen Kauf überlegen, ist eine genaue Vor-Information unumgänglich: Was verspricht der Hersteller oder Anbieter, liegen die angegebenen Daten im Bereich der Realität? Für hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel ist ärztlicher Rat einzuholen, um eventuelle Unverträglichkeiten oder Überdosierungen vorzubeugen.
Es bewährt sich auch hier wieder, kritisch zu bleiben und angebliche „Heilmittel“ mit einer gesunden Skepsis zu betrachten.
Bei bento gibt es eine Reportage über eine Firma, die "Immunbooster" gegen Corona verhökert.
Als das Coronavirus nach Deutschland kommt, will er [ein Firmenvertreter] mich animieren, damit Kundinnen und Kunden zu überzeugen. Man soll mit einem "FitLine"-Produkt sein Immunsystem stärken, um sich so zu schützen [...]
Mittlerweile warnt sogar das Bundesernährungsministerium in einer Bekanntmachung vor den Maschen von Firmen wie PM International:
Kein Nahrungsergänzungsmittel könne vor dem Coronavirus schützen.
"Man spielt nicht mit der Angst der Menschen", mahnt Ernährungsministerin Julia Klöckner, "diese Geschäftemacher dürfen keinen Erfolg haben!"
Auch die Verbraucherzentralen warnen:
- Es gibt keine Nahrungsergänzungsmittel, die eine Erkrankung mit dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) verhindern können.
- Nahrungsergänzungsmittel dienen auch nicht der Behandlung von Erkrankungen.
- Da dieser Virus erst seit kurzer Zeit bekannt ist, gibt es noch keine Studien, die eine Wirksamkeit von bestimmten Pflanzen, Vitaminen oder Mineralstoffen gegen ihn beweisen. Zitierte Studien beziehen sich in der Regel auf andere (Corona-)Viren.
- Ein FAQ zum Thema "Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit Bezug zur Corona-Situation" gibt's beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Am 7. April hat sich das SWR-Magazin Marktcheck speziell mit den Nahrungsergänzungsmitteln Vitalpilze, Cystus, Dr. Feil Immunpakt und Algovir-Erkältungsspray befasst. Zum Video (zirka sieben Minuten) geht es hier.
Am 14. April berichtete auch Report Mainz über Nahrungsergänzungsmittel gegen Corona:
Kein Nahrungsergänzungsmittel kann vor Corona schützen oder eine Erkrankung mit Covid-19 heilen. Deshalb fordern Verbraucherschützer, dass die Angebote verschwinden. "Das ist einfach nur falsch und eigentlich gerade schon kriminell", sagt Angela Clausen von der Verbraucherzentrale. Behörden und Internetshops müssten schneller reagieren.
Update vom 14. April:
Das Landgericht Gießen hat der Firma Mykotroph aus Limeshain per einstweiliger Verfügung untersagt, die eigenen Vitalpilze mit Verweis auf Corona zu bewerben:
Auf der Internetseite des „Instituts für Ernährungs- und Pilzheilkunde“ hieß es: „Corona-Infektion: Wie wir uns mit Vitalpilzen schützen können.“
Das Gericht stellte hierzu fest: „Derzeit existieren keine randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien zu einer heilenden oder schützenden Wirkung von Pilzen hinsichtlich einer Infektion mit dem Virus Covid-19.“
- DocCheck: Corona-Arzneien: 6 unseriöse Angebote
Naidoo, Xavier
In einem Video-Interview mit dem rechten Pseudo-Journalisten "Digitaler Chronist" (recte Thomas Grabinger) vom 19. April stellt der Sänger die Existenz von Viren infrage:
Am 22. April folgte ein Video-Statement, in dem Naidoo von Menschen schwadroniert, die "mit Forken bewaffnet nach Berlin" ziehen. Zugleich kündigt er an, "die Verantwortlichen" wegen der Maskenpflicht verklagen zu wollen – mit den üblichen wirren und widersprüchlichen „Begründungen“:
Lieber Herr Spahn, lieber Herr Drosten, böse Frau Merkel: Wir können das nicht mitmachen. Sie fahren nicht nur die Wirtschaft an die Wand, Sie bringen unsere Alten um.“
Zu Naidoos virologischen und epidemiologischen Einlassungen schreibt Correctiv:
Naidoo lässt dabei zentralen Kontext aus: Es gibt etliche wissenschaftliche und teils jahrzehntealte Erkenntnisse zu Coronaviren – und mittlerweile hunderte detaillierte Studien zum neuen Virus SARS-CoV-2 und der daraus resultierenden Lungenerkrankung Covid-19. Dazu kommen die Forschungsergebnisse einzelner Virologen und Epidemiologen [...] Die Forschungslage ist eindeutig: Es gibt sowohl das neuartige Coronavirus, als auch eine Pandemie.
Generell hat Naidoo sich offenbar von der Unterhaltungsindustrie "losgesagt" und sieht seine Aufgabe nun darin, "die Leute aufzuklären".
Seit März tauchen in kurzer Folge immer mehr Videos auf, in denen Naidoo die "Fridays for Future"-Bewegung mit dem biblischen Antichristen gleichsetzt, den anthropogenen Klimawandel leugnet oder Verschwörungstheorien verbreitet, nach denen die Coronakrise nur ein Ablenkungsmanöver sei, um den "Deep State" zu bekämpfen – einen geheimen Staat im Staate aus Bürokraten, Politikern, Geheimdiensten und Militärs, die im Verborgenen die Fäden ziehen und nebenbei Zehntausende Kinder in unterirdischen Tunnelsystemen gefangenhalten und foltern, um das Stoffwechselprodukt Adrenochrom als Anti-Aging-Elixier aus ihren Körpern zu gewinnen:
- GWUP-Blog: Xavier Naidoo als "Niedergangsbeschleuniger"
- GWUP-Blog: Pro Sieben verspricht: „Der Sänger mit dem Aluhut wird nie wieder in unseren Shows sein. Nie wieder.“
- GWUP-Blog: Xavier Naidoo und die satanische "Adrenochrom"-Verschwörung
- GWUP-Blog: Xavier Naidoo: "Der Mann aus der QAnon-Welt"
Dass das ehemalige DSDS-Jurymitglied rechten Verschwörungsphantasien anhängt, ist seit langem bekannt. Warum Naidoo seinen "verstörenden Absturz" (Tagesspiegel) gerade jetzt massiv selbst beschleunigt, einen mehrfach verurteilten "Reichsbürger" als "wahren Helden" preist und eine Zusammenarbeit mit dem rechtsextremen Rapper Chris Ares ankündigt – darüber kann nur spekuliert werden.
Ein Grund mag sein, dass rechte Verschwörungsgläubige mit der Covid-19-Pandemie den Zeitpunkt einer „völkisch-nationalistischen Erneuerung“ gekommen sehen.
Die Deutsche Welle schreibt in einer Analyse des „pandemischen Populismus“:
- „Alternative Medien“ befinden sich in einem „Info-Krieg“ gegen die demokratischen Parteien und die parlamentarische Demokratie. Sie streuen Unsicherheiten, um den Systemsturz herbeizuführen.
- Je länger die Corona-Pandemie die Gesellschaft im Griff hat, umso mehr könnten sich Verschwörungstheoretiker radikalisieren.
- Selbst Befürworter von Kontakt- und Ausgangssperren werden durch die langanhaltende Unsicherheit empfänglicher für populistische oder verschwörungstheoretische Inhalte.
In dieser Situation hat Naidoo sich anscheinend vorgenommen, die "Massenhypnose", unter der seiner Auffassung nach "die Deutschen und das Land schon seit Jahren stehen", zu brechen. Hinter Naidoos Erzählungen steckt indes eine Ideologie, die Menschen zu Gewalt treiben kann.
- RND: Corona-Verschwörungen: Warum drehen so viele Promis durch?
- Vice: So radikalisiert Xavier Naidoo seine Fans mit Verschwörungstheorien
- Volksverpetzer: Naidoo verbreitet einen wirren, rechtsextremen Verschwörungsmythos
- Mannheim24: Verschwörungsmythen auf dem Prüfstand: Der Xavier-Naidoo-Faktenfinder
- GWUP-Blog: Gegen die "Corona-Diktatur": Verschwörungsideologen radikalisieren sich
- GWUP-Blog: Xavier Naidoo und die satanische Adrenochrom-Verschwörung
- BR: QAnon: Ausbreitung einer Verschwörungsbewegung
- siehe auch "QAnon"
Nasenspülung
- Man kann den Erreger mit einer Nasendusche wegspülen
Auch das verneint die WHO.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass das regelmäßige Spülen der Nase mit Kochsalzlösung vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützt.
Was an der Aussage stimmt, schreibt die FAZ, sei ...
... dass Viren in der Regel ein salziges Milieu nicht mögen und sich in ihm weniger gerne festsetzen. Deshalb rät man bei einer Erkältung zu Nasenspülungen mit Kochsalzlösungen. Wir reden hier also eher von einer präventiven Maßnahme, die sicher nicht schadet, die aber in keiner Weise so effektiv ist wie soziale Distanzierung und Händewaschen. Auf das Inhalieren mit Kochsalzlösung allein sollte sich niemand verlassen.
Neue Weltordnung
Der 15. Mai 2020 ging ereignislos vorüber – obwohl nicht nur der Verschwörungsideologe Oliver Janich in einem Video vorausgesagt hatte, dass an diesem Datum „die Diktatur in Deutschland errichtet wird. Biowaffenangriff wahrscheinlich“.
Von keinem der Aluhut-Protagonisten gab es anschließend eine Verlautbarung zum ausgefallenen Staatsstreich, merkte der Blog Ruhrbarone lapidar an.
Dafür verteidigte der ehemalige Vatikandiplomat Erzbischof Carlo Maria Viganò vehement den Verschwörungsmythos von der „Neuen Weltordnung“, den er in einem „Corona-Appell“ vom 7. Mai als angebliche Tatsache dargelegt hatte.
In dem Aufruf mit dem lateinischen Titel „Veritas liberabit vos“ (Die Wahrheit wird euch befreien) behaupten Viganò und seine Mitunterzeichner, es gebe „Kräfte, die daran interessiert sind, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen“. „Fremde Mächte“ mischten sich ein, „supranationale Einheiten“ mit unklaren Absichten und „sehr starken politischen und wirtschaftlichen Interessen“. Projekte, „um besser manipulieren und kontrollieren zu können“ erblickte der italienische Geistliche ebenso hinter den weltweiten Corona-Maßnahmen wie eine „Politik der drastischen Bevölkerungsreduzierung“ sowie den „beunruhigenden Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung“.
Auf scharfe Kritik an seinem Pamphlet legte Viganò am 15. Mai noch nach. Das „Projekt einer neuen Weltordnung“, das von „supranationalen Organisationen gefördert wird, muss entlarvt, bekannt gemacht und angeprangert werden“, erklärte der Papst-Kritiker auf der Website der Initiative.
Auch in Deutschland trugen Teilnehmer bei Corona-Demos „FCK NWO“-Shirts. Nicht zuletzt die Aufforderung, wegen der Coronakrise möglichst bargeldlos zu bezahlen, triggerte diesen Verschwörungsmythos.
So heißt es in einem Leserkommentar auf der Webseite der ING-Direktbank unter einem entsprechenden Artikel:
Wenn der Mensch Angst hat, glaubt er an alles. Ich bin davon überzeugt, dass Corona Virus und die ganze Show Drumherum ist die Einladung der NWO. Für Leute die das Wort nicht kennen Neue Weltordnung. Es gibt noch kein Heilmittel aber Welt weit Knapp 102.000 Menschen weltweit vom Covid-19 geheilt. Ist doch alles seltsam was da passiert? Als nächstes was kommen wird ist die Bargeldabschaffung. Unsere Regierung ist der größte Virus den sie Lügen das sich die Balken Biegen.
Sinn und Zweck der Bargeldabschaffung sei es, mittels des elektronischen Zahlungsverkehrs den „gläsernen Bürger“ zu schaffen und Sparer zu zwingen, ihr Geld auf einem Konto zu parken.
Neu ist das alles nicht. Auch während der Flüchtlingskrise 2015 redete die Verschwörungsideologin Eva Herman von „unsichtbaren Fäden“ und von einer „bestimmten Gruppe von Machtmenschen“, die sich die Welt „aus ihrem Kapitalsammelbecken heraus untertan machen“ wollten.
Solche Dystopien zur „Neuen Weltordnung“ kamen 1991 mit dem gleichnamigen Buch („The New World Order“) des evangelikalen Predigers Pat Robertson in Mode. Davor wurde der Begriff vor allem von Wissenschaftlern und Politikern benutzt, die sich über die Lehren aus den beiden Weltkriegen, das künftige Kräfteverhältnis der Großmächte und den Nutzen internationaler Kooperation Gedanken machten.
Heute geht es angeblich darum, dass Geheimgesellschaften an der Errichtung einer supranationalen, autoritären Weltregierung und der Abschaffung der Bürgerrechte arbeiteten. Die Corona-Pandemie wird als Plan dieser weltweit vernetzten Eliten gesehen, die mithilfe der Krise eine zunehmende Militärpräsenz, die Destabilisierung des Finanzsystems und eine Abschaffung der Bürgerrechte forcieren.
Auch 5G-Strahlung spiele dabei eine entscheidende Rolle – wie etwa in dem Aluhut-Video „5G kommt! Verstrahlt im Namen der NWO!“ zum Ausdruck kommt.
- siehe auch "5G"
Nostradamus
Natürlich kursieren auch zur Coronakrise Nostradamus-Verse, die das gegenwärtige Geschehen angeblich exakt beschreiben.
Am populärsten ist dieses Sprüchlein:

Zu Deutsch:
Nostradamus schrieb im Jahr 1551!
Es wird ein Zwillingsjahr (2020) geben, aus dem eine Königin (Korona) aus dem Osten (China) kommen wird und die in der Dunkelheit der Nacht eine Pest (Virus) auf einem Land verbreiten wird mit 7 Hügeln (Italien) und wird das Zwielicht der Menschen in Staub verwandeln (Tod), um die Welt zu zerstören und zu ruinieren. Es wird das Ende der Weltwirtschaft sein, wie Sie sie kennen.
Leider ist mal wieder kein Vers angegeben, wo das genau stehen soll. Aber eigentlich genügt bereits ein flüchtiger Blick, um den Unsinn zu erkennen.
Erstens: In den 942 Vierzeilern der berühmten "Centurien" des Nostradamus finden sich nur acht konkrete Jahreszahlen: 580, 703, 1607, 1609, 1700, 1727, 1792 und 1999.
2020 taucht nicht auf. Nirgendwo. Und auch sonst kein "Zwillingsjahr". Auch nicht das Wort.
Zweitens: "Im Jahr 1551" schrieb Nostradamus noch gar keine Vierzeiler (Quatrains), sondern nur jährliche Almanache, und zwar in Prosa.
Kurz gesagt: Dieser "Corona-Vers" von Nostradamus existiert nicht.
Recht bizarr ist auch diese Deutung:

Zwar gibt es diesen Vers wirklich – es handelt sich um II.,65. Und tatsächlich erblicken Nostradamus-Deuter darin unter anderem "another big earthquake" irgendwann in naher Zukunft in Kalifornien.
Aber die willkürliche Umdeutung von "Plague" (primär: Pest) in "Corona" ist aberwitzig, ebenso wie die Erläuterung dazu:
Nostradamus was an extraordinary prophet. Till now, no event in history has correlated with his belief a "Great Plague" was coming to inflict suffering on the world.
Nun ja – vielleicht sollte man erst mal nachlesen, wann Nostradamus gelebt und womit sich der Mann beschäftigt hat.
Als Arzt bekämpfte Michel de Nostredame von 1525 bis 1528 höchstselbst die Pest in Narbonne, Toulouse, Carcassonne und Bordeaux. Sehr wahrscheinlich starben auch seine erste Frau und zwei seiner Kinder am Schwarzen Tod.
Der dunkle Grundton seiner "Centurien" reflektiert gerade diese Lebenserfahrungen. Also lassen wir "Pest" besser einfach mal Pest sein. Und Nostradamus in Frieden ruhen.
P
PCR-Test
- Volksverpetzer: Die Wahrheit hinter PCR
- Volksverpetzer: PCR-Tests sind sehr genau. Teile diesen Text, um die zentralen Lügen der Pandemie-Leugner zu widerlegen
- Correctiv: PCR-Test auf SARS-CoV-2: Warum in der Praxis falsch-positive Ergebnisse selten sind
- Correctiv: Nein, es sind nicht 90 Prozent aller positiven PCR-Tests in den USA falsch-positiv
- Correctiv: Nein, das RKI verstößt mit seiner Zählweise von Fällen aufgrund von PCR-Tests nicht gegen das Infektionsschutzgesetz
- MDR: Führen andere Coronaviren zu falsch positiven PCR-Tests?
- Volksverpetzer: Zwölf Lügen über den PCR-Test
- NDR-Podcast: Goldstandard bleibt der PCR-Test
- MedWatch: Sind viele Corona-Tests nicht einfach falsch-positiv?
Pani, Michael
Wie Der Standard berichtet, verkauft der Wiener Arzt "Therapiefläschchen" mit "Informationsmedizin", die man sich auf die Brust legen soll, um damit Viren abzuwehren. Die Ärztin und Science-Bloggerin Marlene Heckl schreibt dazu:
Die Theorie dahinter: beim Körperkontakt soll die dazu benötigte energetische Information aus dem 50 Euro teuren Fläschchen in die Körperzellen über.
Ich kann gar nicht sagen was für mich der größere Irrsin ist: die wissenschaftlich absolut unhaltbare Theorie dahinter oder die Tatsache, dass Ärzte hier die Not und Angst der Menschen ausnutzten.
Bitte fallt auf diese falschen Versprechungen nicht rein, das ist ein absoluter FAKE. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
- Zeit-Online: "Glauben Sie nicht jedem, der einen Doktortitel hat"
- Welt-Online: Fakten-Check: Warum die Corona-Krise keine Übertreibung ist
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker”: So manipuliert dich dieser Kettenbrief
Plandemic
Verschwörungstheorien über das Coronavirus grassieren nicht nur in Deutschland. Auch im Ausland wird millionenfach ein Video mit dem Titel „Plandemic“ geteilt. Eine umstrittene Wissenschaftlerin äußert darin Falschinformationen über das Coronavirus.
Einen Faktencheck gibt's bei Mimikama.
- GWUP-Blog: Wie eine Wissenschaftlerin zur Verschwörungstheoretikerin wurde: Judy Mikovits und „Plandemic“
- PolitiFact: Fact-checking ‘Plandemic 2’: Another video full of conspiracy theories about COVID-19
Weitere Infos dazu:
- Deutschlandradio: Welche Verschwörungstheorien das Video „Plandemic“ über das Coronavirus verbreitet
- New York Times: Virus Conspiracists Elevate a New Champion
- Science-Based Medicine: Plandemic: Judy Mikovits and the mother of all COVID-19 conspiracy theories
- Science-Based Medicine: Plandemic: Judy Mikovits and the mother of all COVID-19 conspiracy theories (some final thoughts)
- Sciencemag: Fact-Checking Judy Mikovits, the controversial virologist attacking Anthony Fauci in a viral conspiracy video
- Snopes: "Plandemic": Was Judy Mikovits Arrested Without a Warrant and Jailed Without Charges?
- FactCheck: The Falsehoods of the "Plandemic" Video
- 20min: Youtube und Facebook kämpfen gegen Fake-Corona-Dokumentationsfilm
- Der Standard: Die Corona-Verschwörungstheoretiker haben einen neuen Superstar
- CFI: „Plandemic“ Asks Questions – But Won’t Answer Them
Polit-X
Der kommerzielle Politikinformationsdienst Polit-X gewährt einen kostenlosen und anmeldungsfreien Zugang zu den Themen„Corona“ und „Covid-19“. Zu den abrufbaren Informationen gehören zum Beispiel die aktuellen Empfehlungen von Bund und Ländern, Beschlüsse der Parlamente sowie Tickermeldungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) und anderer Einrichtungen. Im Normalfall wird das Tool von professionellen Politikbeobachtern genutzt. Nach eigenen Angaben will das Berliner Digital-Unternehmen "zur sachlichen Diskussion beitragen und unsere solide Faktenbasis den Fakenews und der Panikmache entgegensetzen".
Zur Corona-Datenbank geht es hier.
Mimikama: Sammlung von Corona Maps und Statistik-Seiten
Propolis
Propolis soll das Immunsystem stärken und vor dem Coronavirus schützen. Auch gegen Erkältungen und Grippe soll Propolis helfen. Belege für diese Behauptungen fehlen.
- medizin-transparent: Kein Wirkbeleg: Propolis gegen Coronavirus, Erkältung & Grippe
Q
QAnon
Update September:
- GWUP-Blog: Ist „QAnon“ identifiziert? (Er ist jedenfalls kein hochrangiges Mitglied der Trump-Regierung)
- GWUP-Blog: QAnon: „Der bösartigste Verschwörungsglaube der Gegenwart“
-
GWUP-Blog: QAnon: Die „Mitmach-Ideologie“ ruft ihre Anhänger zur Tarnung auf
Stand März - August
Mitten in der Coronakrise brach Xavier Naidoo in Tränen aus. In einem Video, das Anfang April über seine Telegram-Gruppe ins Netz gespült wurde, überkommt den einst gefeierten Soul-Sänger ein Heulanfall. Erst nach beinahe drei Minuten findet Naidoo die Sprache wieder und schluchzt aufgelöst in die Kamera, dass „wenn ich es richtig verstehe in diesem Moment in verschiedenen Ländern der Erde Kinder aus den Händen pädophiler Netzwerke befreit werden. Aber nicht so, wie Ihr denkt.“
Sondern? Das bleibt vage. Naidoo raunt kaum verständlich etwas von „Adrenochrom … geht auf Adrenochrom … Bilder … wenn ihr das ertragen könnt, und ich weiß seit mindestens 15 Jahren, was los ist.“
Allerdings „weiß“ der Ex-DSDS-Juror auch, dass hinter der Umweltbewegung „Fridays for Future“ der Antichrist steckt, dass die Erde eine Scheibe und Deutschland immer noch besetzt ist. Und „richtig verstanden“ hat der Aluhut-Barde vermutlich auch nicht, dass er in seinem Selfie-Film lediglich Elemente der „QAnon“-Verschwörungstheorie wiedergibt.
Diese „besonders wilde Erzählung“ hat in den vergangenen Jahren ihren Weg „vom Narrensaum des Internets hinein in die Republikanische Partei der USA gefunden und gewinnt in Deutschland in einem alarmierenden Tempo neue Anhänger“, schreibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Unter den meistverbreiteten Corona-Verschwörungstheorien bei Youtube liegt der Themenkomplex „QAnon“ auf Platz drei (15 Prozent), hinter „Bill Gates“ (75 Prozent) und „Zwangsimpfungen“ (80 Prozent). Auch QAnon-Kanäle auf Telegram gehören mit einem Abonnentenschub zu den Profiteuren der Corona-Infodemie.
Und das, obwohl sich die kryptischen Botschaften des mysteriösen „Q clearance patriot“ stets als Luftnummer herausstellen.
Unter diesem Namen tauchte „Q“ im Oktober 2017 in dem Internetforum „4chan“ auf. Der anonyme User gab sich den Anstrich eines hochrangigen Mitglieds von Trumps innerem Kreis. Seine tatsächliche Existenz und wahre Identität sind völlig unklar. Er will die Sicherheitseinstufung „Q Clearance“ des US-Energieministeriums besitzen, die den Zugang zu streng geheimen Informationen – allerdings nur dieser Behörde – erlaubt.
QAnon“ (von „Q Clearance“ und „Anonymous“) bezeichnet sowohl den angeblichen Insider selbst als auch die Verschwörungsmythen, die er verbreitet. Dazu gehört die Behauptung, dass US-Politiker, hohe Beamte, Geheimdienstler und Hollywoodstars einen globalen Kinderhändlerring betreiben und zugleich einen Putsch planen, um die USA in eine Diktatur zu verwandeln. Donald Trump sei dagegen von patriotischen Militärs ins Amt gehievt worden, um diese Verschwörung zu stoppen und den „Deep State“ auszuschalten. Die Anhänger dieser Vorstellung – die „QAnons“ – sind aufgefordert, mitzukämpfen.
Es läuft folgendermaßen ab,
erklärt die deutschsprachige Seite Qlobal-Change:
Q postet Nachrichten (auch bekannt als „Drops“ oder „Crumbs“) auf einem anonymen Online-Forum, die von den Nutzern des Boards diskutiert, analysiert und kritisiert werden. Hunderte von Social-Media-Accounts verbreiten dann Q’s neueste Postings an weltweite Anhänger, die ihre Forschungen, Analysen und Interpretationen der neuesten Informationen von Q teilen.
Das klingt nach Nostradamus-Exegese – und ist es auch.
Als Trump Anfang April vor Journalisten von einem „Licht am Ende des Tunnels“ sprach, meinte er damit die Entwicklung der Corona-Pandemie in den USA. Die QAnons interpretierten die lapidare Bemerkung aber anders: als Hinweis, dass die Befreiung Tausender Kinder aus ihren unterirdischen Verliesen begonnen habe.
Dort seien die Jungen und Mädchen gefoltert worden, um ihnen das körpereigene Adrenalinstoffwechselprodukt Adrenochrom abzuzapfen, das „der Hollywood-Elite“ sowie Hillary Clinton und anderen Mitgliedern der „Deep State“-Schattenregierung als Verjüngungselixier diene. Hinter der Coronakrise mit den Grenzschließungen, Ausgangsbeschränkungen, Behelfskliniken und Intensivkapazitäten stecke eine Trumpsche Inszenierung, um die Rettung der Kinder aus den Fängen der Verschwörer zu ermöglichen.
Die einschlägigen Internetforen quollen alsbald über mit „Beweisfotos“: ein Lazarettschiff im Hafen von New York, ein provisorisches Zeltkrankenhaus im Central Park, sogar eine Tunnelsprengung in Bayern mit der Bildunterschrift: „Trump holt Menschen raus, die von der Kabale in Käfigen gehalten werden. Adrenochrom. Aktion läuft wohl gerade?“ Mitnichten. In Wirklichkeit zeigte die Aufnahme den Tunneldurchschlag des Kaiser-Wilhelm-Eisenbahntunnels an der Mosel im November 2011.
Als dann der Karfreitag, 10. April (in der Lesart der QAnons der „Donald John Trump“-Tag: DJT = 4., 10. und 20. Buchstabe des Alphabets = 4/10/20 in amerikanischer Datumsschreibweise), ohne „großes Erwachen“ und „Sturm“ verstrich, ließen auch Mitglieder der deutschen Facebook-Gruppe „Die Säuberung (Adrenochrom) 2.0“ gewisse Zweifel erkennen:
Ich bin verunsichert und hab auch wieder Angst, dass die Satanisten doch wieder gewinnen und alles bleibt wie vorher, ich sehe nirgends eine Veränderung, was ist passiert, wann kommt was in die Öffentlichkeit?
Noch am selben Tag postete „Q“ die tröstliche Botschaft:
Patrioten: Seid vorsichtig bei der Interpretation der veröffentlichten Informationen. Falsche Erwartungen, die auf Spekulation basieren, werden nur diejenigen bestärken, die uns angreifen.
Was an konkreten Ankündigungen wie „Hillary Clinton will be arrested between 7:45 AM – 8:30 AM EST on Monday – the morning on Oct 30, 2017“ (so „Q’s“ erstes Posting am 28. Oktober 2017) falsch „interpretiert“ werden kann, bleibt sein Geheimnis. Aber trotz des permanenten Ausbleibens solcher Vorhersagen sah man auch bei den „Hygiene-Demos“ in Deutschland Schilder mit dem Buchstaben „Q“.
Der Attentäter von Hanau, der am 19. Februar 2020 zehn Menschen ermordete, teilte in seinen Videos Narrative der QAnon-Bewegung, darunter die Vorstellung von Untergrundbasen, wo eine machtbesessene Elite pädophiler Teufelsanbeter Kinder gefangen hält.
Experten sehen in QAnon eine „Digitalsekte“ oder sogar eine apokalyptische Erlösungsreligion mit gnostischen Zügen („Die Hellen kämpfen gegen die Dunklen.“), mindestens aber eine breit aufgefächerte Verschwörungstheorie, die in alle Richtungen anschlussfähig ist.
Im Grunde,
analysiert der preisgekrönte Blog Volksverpetzer,
... spekulieren die Anhänger*innen dieses Mythos nur so lange über kryptische Botschaften zweifelhaften Ursprungs, bis sie sich was ausgedacht haben, was ihnen gefällt. Und dann glauben sie daran und überzeugen sich selbst davon, weil er die Welt in ihrem Sinne erklärt.“
Eine passende Verschwörungserzählung für jede Gruppe sozusagen, für Impfgegner ebenso wie für Menschen, die an den „tiefen Staat“ glauben, sichtbar geworden spätestens mit den bundesweiten Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen.
So twitterte die Politikerin Marina Weisband am 3. Juni:
Wenn ihr jemanden seht, der in Tweets oder Namen WWG1WGA verwendet, weist das auf QAnon hin, jene amerikanischen rechtsradikalen Verschwörungsfanatiker, die in Trump den Heiland sehen.
Tatsächlich prangte „WWG1WGA“ etwa auf dem Shirt einer Ordnerin bei der „Grundrechtsdemo“ am 9. Mai in Kempten. Das Akronym steht laut QGlobal-Change für den „berühmtesten Satz von Q“ und „drückt die weltweite Gleichberechtigung der Bewegung aus“:
Where We Go One We Go All.
R
RT Deutsch
Einem EU-Bericht zufolge hat die russische Regierung eine "signifikante Desinformationskampagne" in der Coronakrise gestartet. Ziel sei es, die Krise in westlichen Ländern zu verschlimmern, indem das öffentliche Vertrauen in die nationalen Gesundheitssysteme untergraben werde, schreibt der Tagesspiegel. In Deutschland kommt dabei dem staatlichen russischen Internetsender RT Deutsch eine Schlüsselrolle zu:
Auf dem Sender werden die Maßnahmen der Bundesregierung als „Panikmache“ kritisiert und einen Versuch „mehr Kontrolle über die Gesellschaft“ zu erlangen. Eine Sendung des RT-Deutsch-Formats „Der fehlende Part“ trägt den Titel „Die Epidemie die nie da war“ – auf YouTube wurde der Beitrag bereits fast 750.000 mal angeschaut – ,an anderer Stelle wird offenbar sogar Händewaschen als sinnvoller Schutz gegen Ansteckungen angezweifelt.
Die deutschen Sicherheitsbehörden hätten bei der Abwehr von Desinformationskampagnen daher auch "RT Deutsch" im Blick.
- Spiegel-Online: Verfassungsschutz warnt vor Instrumentalisierung der Coronakrise durch Rechtsextreme
- Störungsmelder: Neonazis und Corona: Zwischen Verschwörungstheorien und Nachbarschaftshilfe
Rubikon
Im April veröffentlichte Rubikon eine Liste mit "120 Expertenstimmen zu Corona – Weltweit kritisieren hochrangige Wissenschaftler, Ärzte, Juristen und andere Experten den Umgang mit dem Coronavirus.“
- Volksverpetzer: Faktencheck – Die “120 Expertenstimmen zu Corona” auseinandergenommen
- Schwurblerperlen: "120 Expertenstimmen" – Personenanalyse
S
Sauna / Dan Lee Dimke
Unter anderem auf der deutschsprachigen Facebook-Seite Professional Sauna Coaching wird die Behauptung eines "Dr. Dan Lee Dimke" verbreitet, man könne das aktuelle Coronavirus SARS-CoV-2 in einer "heißen Sauna" oder sogar mit einem Haartrockner abtöten. Als "Beweis" führt Dimke an, dass Coronaviren bei höheren Lufttemperaturen innerhalb weniger Minuten abstürben – etwa "im Frühjahr 2003 während der SARS-CoV-Pandemie, als die Tagestemperaturen auf über 22° C stiegen".
Korrekt ist, dass für viele Viren in den Wintermonaten Hochsaison ist. Das gilt für die Influenza genauso wie für viele andere grippale Infekte. In den Sommermonaten treten sie weit seltener auf. Aber der Ausbruch des SARS-Virus von 2003 lässt nicht auf die aktuelle Situation übertragen, da die Datenlage für die aktuelle Corona-Pandemie zu dünn sei, schreibt der BR-Faktenfuchs:
In der Wissenschaft ist man mittlerweile vorsichtig optimistisch, dass erhöhte Temperaturen, sowie steigende Luftfeuchtigkeit die Ausbreitung des neuen Coronavirus verlangsamen könnten. Studien, die diesen Schluss nahelegen, beruhen jedoch nicht auf virologischen Untersuchungen des Sars-Cov-2 Virus, sondern auf einem Abgleich von Gesundheits- und Wetterdaten.
Bei Vergleichen zu anderen Coronaviren sind Wissenschaftler zurückhaltend: Die Datenlage sei zu gering, Gesetzmäßigkeiten daraus nicht abzuleiten.
Einig ist man sich zumindest in einem Punkt: Selbst wenn wärmere Temperaturen eine Auswirkung auf das neue Coronavirus haben, verschwinden wird es dadurch nicht.
Was nun die Sauna angeht:
Tatsächlich gibt es Studien zur Hitzeempfindlichkeit des SARS-Coronavirus, die die Infektiosität bei unterschiedlichen Temperaturen untersucht haben. Auch das neue SARS-CoV-2 ist ersten Erkenntnissen nach temperaturempfindlich, jedoch weist die WHO darauf hin, dass es bei der Körpertemperatur seines Wirts von 36° C Grad und mehr sehr wohl überlebensfähig ist.
Mehr als 38 Grad C im Körperinneren werden es indes in der Sauna nicht. Selbst die Hautoberfläche erreicht dabei nicht mehr als 40 Grad C.
Somit ist auch Dimkes Empfehlung, Nase und Nebenhöhlen mit einem Föhn zu erwärmen beziehungsweise die heiße Luft aus dem Haartrockner einzuatmen, Unsinn.
Übrigens ist "Dr." Dan Lee Dimke kein Arzt. Auf seiner Website gibt er an, einen Doktortitel in Pädagogik und einen Master-Abschluss in Betriebswirtschaft zu haben. Seine Biografie listet eine Reihe ungewöhnlicher Fähigkeiten auf, beschreibt jedoch keine beruflichen Erfahrungen, die Dimke für medizinische Beratung qualifizieren würden.
- Süddeutsche Zeitung: Das Coronavirus stirbt nicht bereits bei 27 Grad Celsius
- Medscape: COVID-19 'Infodemic': Researchers Step Up to Stop the Spread
-
Snopes: No, a Hair Dryer Won’t Stop Coronavirus
Schiffmann, Bodo
Update September:
- GWUP-Blog: „Der Impf-Krieg“: Was tun gegen die Welle des Misstrauens und ärztliche Corona-Rebellen?
- Volksverpetzer: Warum Masken-Gegner plötzlich lauter tote Kinder erfinden
- Volksverpetzer: Gutachten überführt Corona-Lügner: 13-Jährige nicht durch Maske gestorben
Stand März - August:
Aktuell wird ein Video von Bodo Schiffmann, Spezialist für Schwindelanfälle und Leiter der Schwindelambulanz Sinsheim, viral auf Facebook und Whatsapp geteilt. Schiffmann hält die meisten aktuellen Maßnahmen gegen das Coronavirus für falsch und vollkommen übertrieben. Sie würden zu einer gezielten Massenpanik führen, angetrieben von Politik und Medien, die die Krankenhäuser zusammenbrechen lasse. Als besonders radikales Beispiel für aktuelle Maßnahmen führt er Notfallpläne eines Krankenhauses in Straßburg an, die empfehlen, Patienten über 80 Jahren schmerzlindernde Sterbebegleitung zuteil werden zu lassen.
Die Schwäbische Zeitung schreibt dazu:
Schiffmann ignoriert zum Beispiel bei den Schilderungen zu Straßburg, dass es sich bei diesen Entscheidungen um Notfällpläne für den Fall handelt, dass eine Klinik einem Ansturm von lebensgefährlich Erkrankten nicht mehr Herr werden kann - weil zum Beispiel Personal oder Plätze fehlten [...]
Schiffmann ignoriert des Weiteren den Fakt, dass es der Bevölkerung aktuell noch an einer grundlegenden Immunisierung gegen das Coronavirus fehlt und es keine medikamentösen Behandlungsmethoden gibt – was laut Meinung der meisten Experten zu einer anderen Einschätzung der Gefahrenlage führen muss.
Außerdem geht Schiffmann nicht korrekt auf die aktuelle Datenlage ein, die zwangsläufig mit Unsicherheiten belegt ist. Das darf im Umkehrschluss nicht dazu verleiten, alles als ungefährlich anzusehen
Einen weiteren Bericht über den "Arzt aus der Schwindelambulanz" gibt es hier, einen Psiram-Eintrag hier und einen Correctiv-Artikel hier.
- Pharmazeutische Zeitung: Pandemie-Management – Meinungen am Rande des Mainstreams
- Schwäbische Zeitung: Fake-News zum Coronavirus enttarnt
- Zeit-Online: "Glauben Sie nicht jedem, der einen Doktortitel hat"
- Belltower News: Corona-Pandemie: Fake News im Familien-Chat – Was kann ich tun?
- GWUP: Verschwörungstheorien - Was ist eine legitime wissenschaftliche Position und was ist Nonsens?
- Welt-Online: Fakten-Check: Warum die Corona-Krise keine Übertreibung ist
- Süddeutsche Zeitung: Corona-Falschmeldungen erreichen ein Millionenpublikum
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker”: So manipuliert dich dieser Kettenbrief
- Mehr dazu beim Stichwort "Youtube-Videos" und "Widerstand 2020"
Schweiger, Til
Der Schauspieler gehörte schon 2015 zu den Promi-Claqueuren von Xavier Naidoo und erklärte sich im März 2020 weiterhin mit Naidoo solidarisch ("Ich bin Team Naidoo"). Ein Video des Corona-Verharmlosers Bodo Schiffmann empfahl er seinen fast 400 000 Instagram-Followern mit den Worten: „sehr informativ“.
- RND: Corona-Verschwörungen: Warum drehen so viele Promis durch?
- FAZ: In der Corona-Krise: Promis, die auf Verschwörungstheoretiker starren
- Volksverpetzer: Auch Til Schweiger teilt jetzt Fakes und Corona-Verharmlosungen
- Bayern 2: B-Promis, was hat Corona nur aus Euch gemacht?
- Bento: Influencerinnen und C-Promis zündeln mit Corona-Verschwörungsmythen – was ist da los?
- RP-Online: Warum Prominente und Influencer Verschwörungstheorien verbreiten
- Focus-Online: Die wirren Verschwörungstheorien der Stars
- The Best Social Media: Die Aluhut-Promis: So macht sich das Netz über Corona-Verschwörungen lustig
-
Nordbuzz: Til Schweiger: Corona-Aufklärung auf Instagram – fieser Shitstorm für den Schauspieler
Schweinegrippe
Verschwörungsgläubige und Corona-Verharmloser (wie zum Beispiel eine Gruppe namens "Ärzte für Aufklärung") werfen dem Virologen Prof. Christian Drosten immer wieder vor, bei seiner Einschätzung der sogenannten Schweinegrippe (H1N1) im Jahr 2009/10 weit danebengelegen zu haben – und diese Fehler aktuell zu wiederholen.
In dem "Coronavirus-Update" des NDR vom 19. Mai mit Korinna Hennig hat Drosten dazu Stellung genommen:
Hennig: Ich würde mich gern heute einem anderen Thema zuwenden, das wir beide schon länger verabredet haben für diesen Podcast und immer verschieben mussten. Man kann die Coronavirus-Pandemie historisch vergleichen mit anderen Epidemien und Pandemien. Vor mehr als zehn Jahren gab es, daran erinnern sich viele noch, die sogenannte Schweinegrippe H1N1. Damals warnte die Weltgesundheitsbehörde mit deutlichen Worten. Zuletzt hieß es von der WHO, das Coronavirus ist zehnmal tödlicher. Hat man sich damals verschätzt bei der Schweinegrippe?
Drosten: Man hat sich am Anfang der Schweinegrippe-Pandemie schon verschätzt, was die Schwere angeht. Aber wie es im Nachhinein dargestellt wird, ist auch nicht richtig.
Wir wissen heute übrigens genau, warum man sich verschätzt hat. Das können wir hier auch mal erörtern. Es ist aber dennoch im Nachhinein betrachtet nicht so, dass man sagen kann, das war alles komplett harmlos. Wir hatten, was die allgemein Verstorbenen angeht, ungefähr so eine Zahl wie in einer Grippesaison weltweit. Da sind nicht mehr Patienten dran verstorben als an einer normalen saisonalen Influenza, aber auch nicht weniger, wie das manchmal dargestellt wird.
Es gibt aber einen großen Unterschied, nämlich das Altersprofil. Das war eine Influenza-Pandemie und da sind mehr auch die Erwachsenen des mittleren Alters betroffen. Und wir hatten hier bei diesem Virus ein Artefakt, ein immunologisches Artefakt, ein natürliches Phänomen, das wir aber damals noch nicht verstanden haben. Das können wir gleich noch besprechen, wenn wir darüber reden wollen, warum man sich verschätzt hat am Anfang.
Aber dieselbe Phänomen hat auch dazu geführt, dass nur ungefähr 20 Prozent derjenigen, die verstorben sind, über 65 Jahre alt waren. Das ist bei einer normalen Influenza ganz anders. Da ist wie beim SARS-2-Virus schon das Maximum der Verstorbenen im hohen Alter, also jenseits des Ruhestandsalters, sagen wir mal so von der Vorstellung.
Hennig: Ab 65 Jahren.
Drosten: Genau, das ist jetzt hier noch stärker betont. Aber bei einer pandemischen Influenza, so war es auch bei der H1N1-2009-Pandemie, da sind es die mittelalten Erwachsenen, die 25- bis 35-Jährigen, die betont sind. Ich kann mich genau daran erinnern: Zu der Zeit - ich war damals Virologe in Bonn - da gab es auf allen Intensivstationen Erwachsene mit schwersten Verläufen, also 30-Jährige, 35-Jährige, die gestorben sind - für die man nichts mehr tun konnte wegen akuter Virus-Pneumonie. Man darf nicht vergessen, bei der Influenza ist die Pathogenese anders als bei dem jetzigen Coronavirus.
- Weiter bei Coronvirus-Update 42: "Bei der Schweinegrippe kam alles anders"
Simpsons
Was haben die Simpsons nicht schon alles vorausgesagt: Trumps Präsidentschaft (darüber berichteten wir 2016), die Finanzkrise in Griechenland, die Higgs-Boson-Gleichung und vieles mehr.
Die Coronakrise soll sich in diesem Zusammenschnitt aus den Folgen "Das Wunder von Burns" (2010, Staffel 22, Folge 6) und "March wird verhaftet" (1993, Staffel 4, Folge 21) zeigen.
... die nächste schwachsinnige, gefakte Krise [geplant wird], die die Amerikaner wieder in ihre dunklen Zimmer zwingt, gefesselt an den Fernseher und zu ängstlich, die Werbeblöcke zu überspringen.
Schließlich einigen sich die Verschwörer auf eine "Gesundheitspanik" mit "einem tödlichen Virus", einer neuen Krankheit namens "House Cat Flu" (Hauskatzengrippe).
Mimikama kommentiert:
Vergleichsmöglichkeit mit 2019-nCoV: Gar nicht!
Es sei denn, man ist fester Anhänger von Verschwörungstheorien und kann sich nicht vorstellen, dass Viren auf natürliche Art und Weise entstehen, sich entwickeln und verbreiten. Exakt jene Verschwörungstheoretiker werden in dieser Szene eigentlich aufs Korn genommen.
Dann kommt ein Ausschnitt aus der viel älteren Folge 4/21, in der man sieht, wie in einem Werk in Japan ein erkrankter Mitarbeiter in ein Paket mit einem Saftenthafter hustet, woraufhin Keime der "Osaka Flu" in das Paket gelangen und Wochen später Homer Simpson infizieren:
Die Szene beäugt kritisch die harten Arbeitsbedingungen in Japan, wo man sich quasi auch mit starker Erkältung und einem zertrümmerten Becken zur Arbeit schleppt.
Auf den neuen Coronavirus trifft allerdings die Szene nicht zu: Der Virus wird in Japan freigesetzt, nicht in China.
Ein weiterer Fehler ist die Überlebensdauer des Virus: Coronaviren überleben höchstens ein paar Stunden auf Oberflächen. Selbst wenn SARS-CoV-2 ein so richtig harter Brocken sein sollte und tagelang überleben kann, dazu noch ein Mitarbeiter am besten direkt auf die Ware nieste, so ist es mehr als unwahrscheinlich, dass das Virus noch am Leben ist, wenn es Wochen später in einem Paket ankommt.
- Auch die "Simpsons"-Autoren distanzieren sich von der Deutung einer "Corona-Verschwörung".
Six, Billy
Update vom September:
- Correctiv: Billy Six – Es stimmt nicht, dass seit April keine neuen Covid-19-Fälle nachgewiesen wurden
Stand März - August:
Der rechte Youtube-Blogger Billy Six filmte ohne Genehmigung einen leeren Aufenthaltsbereich des Berliner Virchow-Klinikums (eine Zweigstelle der Charité) und behauptet in seinem Video, dass hier “gar nichts los” sei und die Coronakrise von Politik und Medien völlig übertrieben dargestellt werde.
Die Klinik hat mittlerweile Strafanzeige gestellt und erklärte, die Corona-Patienten befänden sich entweder auf der Intensivstation oder in der Charité-Untersuchungsstelle, die sich "in einem separierten Gebäudeteil am Campus Virchow-Klinikum" befinde.
- Psiram: Billy Six
- Volksverpetzer: Faktencheck: Billy Six verläuft sich in der Charité & erzählt Lügen über Covid-19
- BR24: Video von rechtem Blogger über Berliner Klinikum ist Desinformation
- Tagesschau: Charité widerspricht Behauptungen von Billy Six
- ZDF: Die Halbwahrheiten des Billy Six
- Mimikama: Billy Six – Wenn ein Verschwörungstheoretiker journalistisch sein will
Ein ähnliches Video zeigt eine Frau vor dem Klinikum Rechts der Isar in München, die erklärt, dort sei “alles ruhig” und “alles entspannt”. Darin will sie den Beweis sehen, dass es sich bei der Sorge um Corona nur um “Panikmache” handelt.
Das Krankenhaus hat via Facebook geantwortet:
Update: Video Klinikum rechts der Isar: "Es war ein dummer Fehler"
- Tagesschau: Trend aus den USA: Videos werden vor Krankenhäusern gedreht
- BR24: Nein, im Klinikum Rechts der Isar ist nicht "alles ruhig" - aber es ist auch "nicht überlastet"
- Volksverpetzer: Diese 10 Faktenchecks zu aktuellen Corona-Fake News solltest du zur Aufklärung teilen
- Volksverpetzer: Faktencheck Corona-Klinik – Die überraschend öde Erklärung für diese “Medienmanipulation
- Mimikama: Video: Klinikum Rechts der Isar
- Welt-Online: Fakten-Check: Warum die Corona-Krise keine Übertreibung ist
- Mimikama: Coronavirus: Die Eskalation der Falschmeldungen
- Süddeutsche Zeitung: Corona-Falschmeldungen erreichen ein Millionenpublikum
Soost, Detlev
Dem Tanztrainer Detlef D! Soost, der aus der Castingshow „Popstars“ bekannt ist, scheint die Verschwörungstheorie, dass ab dem 15. Mai in Deutschland eine „Neue Weltordnung“ die Macht übernehmen wird, nicht ganz fremd zu sein.
Auf Facebook schrieb Soost am 4. Mai:
In ihrem zehnminütigen Rant gegen Corona-Verschwörungstheoretiker greift die Autorin und Moderatorin Sophie Passmann Soost als Beispiel heraus:
Doch Detlef, aber wir haben halt eine Pandemie und da gibt’s so Sachen, die muss man machen. Sich zum Beispiel schützen [...] Nur Fragen stellen macht einen nicht angreifbar, impliziert aber natürlich trotzdem das, was man sagen möchte.
Und eine Corona-"Impfpflicht" ist natürlich auch nicht in Sicht.
- RND: Corona-Verschwörungen: Warum drehen so viele Promis durch?
- RND: Gefährliche Verschwörungstheorien vom Ende der Demokratie
- FAZ: In der Corona-Krise: Promis, die auf Verschwörungstheoretiker starren
- Bayern 2: B-Promis, was hat Corona nur aus Euch gemacht?
- Bento: Influencerinnen und C-Promis zündeln mit Corona-Verschwörungsmythen – was ist da los?
- RP-Online: Warum Prominente und Influencer Verschwörungstheorien verbreiten
- The Best Social Media: Die Aluhut-Promis: So macht sich das Netz über Corona-Verschwörungen lustig
- Focus-Online: Die wirren Verschwörungstheorien der Stars
- siehe auch "Impfzwang"
Spitzbart, Michael
- siehe "Grippe"
- Correctiv: Michael Spitzbart verbreitet falsche Behauptungen über Bill Gates
T
TCM
Schon im Februar vermeldete die Webseite german.china.org.cn., dass ...
... der Einsatz von TCM in frühen Stadien und die Integration der traditionellen chinesischen in die westliche Medizin sich als wichtige Methode zur Heilung von mehr Patienten und zur Verringerung der Sterbefälle erwiesen
hätte.
Dieses Portal wird "mit geprüfter Genehmigung der Legislative und der Verwaltung der Volksrepublik China" betrieben und hat seinen Sitz in Peking.
Dazu muss man wissen, dass Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) von großer Bedeutung für die nationale Agenda des Landes ist und mit Propagandakampagnen aufgewertet wird, schreibt die US-Ärztin Harriet Hall ("SkepDoc").
Für Science-Based-Medicine hat Hall sich diverse Artikel, "Studien" und Youtube-Videos mit TCM-Erfolgsberichten angesehen. Die Medizinerin erklärt, dass die angeblichen "Beweise" ("proven effective") weit unter dem Standard liegen, der für einen echten Nachweis akzeptabel wäre ("the evidence is far below the standard that I would accept as proof").
Auch MedicineNet weist darauf hin, dass die verschiedenen Behauptungen der chinesischen Behörden und von TCM-Anwendern kaum wissenschaftlich belegt seien, so dass man sich fragen müsse, ob diese Praktiken überhaupt funktionierten:
Certain herbs and ancient practices might help protect against COVID-19 coronavirus, or ease its symptoms, according to the Chinese government and traditional Chinese medicine practitioners. But these claims come with scant scientific evidence, leaving many to wonder whether they work at all.
Ein Beispiel:
Chinese news agency Xinhua published an article about Qingfei Paidu soup, for instance, made of ephedra and licorice root, among other ingredients. A TCM hosptial director told reporters the brew was effective in treating symptoms of hundreds of COVID-19 patients, but these claims have not been verified by researchers or news reporters outside China.
(Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichte einen Artikel über Qingfei Paidu-Suppe, die unter anderem aus Ephedra und Süßholzwurzel zubereitet wird. Der Direktor eines TCM-Krankenhauses sagte Reportern, das Gebräu sei bei der Behandlung von Symptomen von Hunderten von Covid-19-Patienten wirksam, aber diese Behauptungen wurden nicht von Forschern oder Journalisten außerhalb Chinas bestätigt.)
Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass ein Kräuterregiment Covid-19 heilen oder auch nur Smptome lindern könne ("no evidence exists that any combination of herbs will cure COVID-19, or even lessen symptoms").
Außerdem habe das amerikanische National Institute of Health (NIH) eine Warnung ausgesprochen, dass nicht nur die behaupteten Behandlungsvorteile nicht schlüssig seien, sondern einige TCM-Kräutermischungen und Nahrungsergänzungsmittel auch mit Pestiziden, Industriechemikalien, verschreibungspflichtigen Arzneimittelsubstanzen oder falsch etikettierten Zusätzen belastet sein können.
Harriet Hall zieht das Fazit:
Chinese government sources and news sources that follow the government-controlled narrative must be considered unreliable.
(Chinesische Regierungsquellen und Nachrichtenquellen, die dem offiziellen Narrativ der Regierung folgen, müssen als unzuverlässig betrachtet werden.)
- Science-Based Medicine: TCM for Covid-19
- MedicineNet: Coronavirus Alternative Treatments: Can Traditional Chinese Medicine and Herbs Help?
- GWUP-Blog: Geht der Medizin-Nobelpreis 2015 an die Traditionelle Chinesische Medizin?
- BlooDNAcid: Die WHO erkennt TCM an – ein gefährlicher Widerspruch
- Psiram: Traditionelle Chinesische Medizin
- GWUP-Blog: Vortragsvideo "Traditionelle Chinesische Medizin"
U
UV-Licht
In einigen Ländern werden mit UV-C-Licht U-Bahnen und Krankenhäuser desinfiziert. Im Internet sind die Lampen für jeden zu kaufen.
Allerdings: Die Anwendung der UV-Desinfektion in Kliniken folgt strengen Verfahrensstandards. Der Physik-Professor Benno Bucher von der Technischen Hochschule Rapperswil/Schweiz warnt:
Die UV-C-Strahlung ist eine sehr starke Strahlung, stärker als die UV-A und UV-B-Strahlung, die man vielleicht vom Sonnen kennt, wo man sich mal einen Sonnenbrand holt. UV-C-Strahlung kann Schlimmeres als Sonnenbrand anrichten, sie führt zu viel stärkeren Verbrennungen. Das ist eine sehr starke Strahlung. Es ist schwierig, sie privat zu Hause einzusetzen, denn die Strahlung ist für das Auge unsichtbar. Gerade für die Augen besteht auch ein großes Risiko, denn hier ist die Eindringtiefe der Strahlung erhöht, man muss eine Schutzbrille tragen.
Eine gute Möglichkeit zur Desinfektion sieht Bucher nur, wenn das UV-C-Licht industriell oder professionell angewendet wird:
Für Otto Normalverbraucher ist das keine gute Möglichkeit, denn da drohen Gesundheitsschäden. Das sind massive Strahlungen. Man muss sich schützen, mit Brille und eigentlich auch einem Schutzanzug, wenn man damit arbeitet.
- Welt-Online: Interview mit Prof. Benno Bucher über Coronavirus-Desinfektion
V
Verschwörungstheorien
Als ob die Pandemie nicht schlimm genug wäre, ist zugleich weltweit eine Infodemie zu beobachten,
beklagen Experten,
eine Flut von Gerüchten, Halbwahrheiten und Lügen überschwemmt die sozialen Medien.
Unser FAQ dazu:
- Welche Verschwörungstheorien kursieren derzeit?
Die populärsten:
Es gibt keinen SARS-CoV-2-Virus und keine Coronakrise, in Wahrheit gehen die Toten und Kranken auf die verheerenden gesundheitlichen Folgen der 5G-Einführung zurück, was vertuscht werden soll.
Die Coronakrise soll das Gesellschafts- und Finanzsystem in die Knie zwingen und die Bevölkerung für radikale Maßnahmen gefügig machen, die der Etablierung einer "Neuen Weltordnung" (NWO) dienen.
Das Virus ist eine Bio-Waffe der Amerikaner/Russen/Juden/Zionisten/Chinesen etc., mit dem die Wirtschaft konkurrierender Staaten geschwächt werden soll.
Das Virus ist eine Erfindung der Pharma-Industrie, um Milliarden mit Impfungen zu verdienen oder beim Impfen die Bevölkerung zwecks RFID-Überwachung zu chippen.
- Was ist der aktuelle Nährboden für diese Verschwörungstheorien?
Wir befinden uns in einer sehr unübersichtlichen Situation, die sich nahezu täglich ändert. Es gibt keine Gewissheiten mehr, auch Autoritäten wie Ärzte und Wissenschaftler haben nicht auf alles eine Antwort und können kaum längerfristige Prognosen über den Fortgang der Coronakrise abgeben. Und fast jeder von uns hat ein dumpfes Gefühl im Bauch.
Komplexität, Angst und Verunsicherung sind die klassischen Treiber von Verschwörungstheorien.
- Warum glauben so viele Menschen Verschwörungstheoretikern?
Verschwörungstheorien reduzieren Komplexität: Sie geben einfache Antworten auf komplizierte Fragen und schaffen somit eine Art Ordnung im Chaos. Simple, aber falsche Antworten sind für viele attraktiver als Ungewissheit.
Hinzu kommt: Wer nicht gerade im Gesundheitswesen arbeitet und tagtäglich hautnah mit den Auswirkungen der Coronakrise konfrontiert wird, für den erscheinen die harten Einschnitte in das gesellschaftliche Leben und in die persönliche Freiheit schwer nachvollziehbar. Und wenn Menschen den Sinn einer an sich guten Sache nicht verstehen, dann flüchten sie sich mitunter in Phantomängste, etwa in Form von Verschwörungstheorien über finstere Machenschaften geheimer Drahtzieher.
- Ist das ein neues Phänomen?
Nein, das ist alles wenig originell. Nahezu identische Narrative hatten wir vor zehn Jahren während der sogenannten "Schweinegrippe" (hier und hier).
- Gibt es Menschen, die besonders anfällig für diese Verschwörungstheorien sind?
Es scheint tatsächlich eine psychische Grundbefindlichkeit zu geben, die tendenziell anfälliger für Verschwörungsmythen macht, wie Raab/Carbon/Muth von der Uni Bamberg sie herausgearbeitet haben.
Demnach ist die einzige „wirklich griffige soziologisch-psychologische Variable, die in mehreren Studien einen starken Zusammenhang mit dem Glauben an Verschwörungstheorien zeigt“, ein Gefühl der „Entfremdung“ – definiert als die subjektive Empfindung von Isolation, Machtlosigkeit und Kontrollverlust. Und wann fühlt man sich machtloser und einflussloser als im Angesicht einer Virusepidemie?
Mit Verschwörungserzählungen machen sich „Hilflose scheinbar zum Herrn von Verhältnissen, deren Herr sie gerade nicht sind“, schrieb der Historiker Dieter Groh schon den 1990er-Jahren. Verschwörungsmentalität ist also ein Versuch, mit Krisen umzugehen, eine "Fiktion von Kontrolle" herzustellen: Derartige Theorien "bieten ein Moment von Kontrollerleben, für die Menschen, die das so äußern, weil sie wenigstens wissen, wo der Gegner steht.“
Damit eng verbunden ist die Erkenntnis, dass Verschwörungsgläubige den Zufall verabscheuen, das heißt: Sie stellen zwischen den Imponderabilien des Alltags bedeutungsvolle Bezüge her, was Trost gibt durch ein Gefühl des Verstehens von an sich unkontrollierbaren Lebensereignissen – wie etwa einer Ansteckung mit einem Virus.
In allem, was geschieht, sehen Verschwörungsgläubige daher konsequent jemandes pure Absicht verwirklicht.
Und schließlich haben Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, ein starkes Bedürfnis nach Einzigartigkeit (Selbstaufwertung). Sie wollen diejenigen sein, die wissen, was die Wahrheit ist, während wir anderen nur "Schlafschafe" oder "Medienzombies" sind.
- Was sind die Zutaten für eine "gute" Verschwörungstheorie?
Nichts ist so, wie es scheint. Alles hängt mit allem zusammen, also Personen und Ereignisse, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben – zum Beispiel der Coronavirus-Ausbruch in China und die Proteste in Hongkong (ergo: Das Virus wurde freigesetzt, um die Demonstrationen zu beenden).
Es gibt keinen Zufall. Und immer existiert eine dunkle Macht im Hintergrund, die uns schaden will. Oft steckt ein wahrer Kern in dem Narrativ, der an ein bereits vorhandenes Misstrauen anknüpft, zum Beispiel an reale Pharmaskandale, Lobbyismus, regierungsamtliche Lügen, Vertuschungen.
- Was bezwecken Verschwörungstheoretiker?
Die Leute, die solche Verschwörungstheorien bewusst in die Welt setzen – etwa indem sie bei Youtube entsprechende Videos veröffentlichen –, verfolgen meist eine ganz bestimmte Absicht.
Die vielen Pseudo-Experten mit falschem oder leider auch echtem Doktortitel im medizinischen Bereich haben in aller Regel kommerzielle Interessen. Es geht in erster Linie um Self-Promotion. Fast immer lässt sich dahinter die Werbung für ein eigenes obskures Heilverfahren oder ein Verkaufsshop mit speziellen Nahrungsergänzungsmitteln oder ähnlichem ausmachen (auch Werbegelder kann man mit Fake-News-Videos gerieren).
Es handelt sich also häufig nicht um verantwortungsvolle Mediziner und Wissenschaftler, die von dem Wunsch angetrieben werden, die Bevölkerung offen und sachlich über das Virus zu informieren, sondern um altbekannte Scharlatane, Geschäftemacher und Verschwörungstheoretiker, die ihre Schwurbeleien über Impfungen, "Alternativmedizin" etc. an einem neuen Aufhänger hochziehen.
Auch Motive wie Narzissmus, Geltungsbedürfnis und Eifersucht ("Ich möchte auch mal dazu gefragt werden") mögen eine Rolle spielen.
Andere versuchen die Angst und Unsicherheit, die wir alle derzeit empfinden, systematisch weiter zu schüren. Denen geht letztendlich um die Entsolidarisierung der Menschen und um die Destabilisierung des "Systems" und der "Lügenmedien". In der Coronakrise sehen sie einen willkommenen "Niedergangsbeschleuniger" und eine "Chance, auf die sie lange gewartet haben" (Akzeleration). Die Strategie dahinter ist oft gar nicht so sehr, die Zuhörer von einer anderen Weltsicht zu überzeugen. Vielmehr sollen Zweifel an der offiziellen Darstellung geweckt werden.
Der große Teil derjenigen aber, die gängige Verschwörungstheorien einfach nur konsumieren und weiterverbreiten, glauben wohl ernsthaft, dass sie einer "verborgenen Wahrheit" zum Durchbruch verhelfen müssen – also etwas Gutes tun. Das Gegenteil ist der Fall.
- Wie kann man erkennen, dass es sich um eine Verschwörungstheorie handelt?
Ein Kennzeichen ist die sogenannte Zentralsteuerungshypothese – also der "große Plan" dahinter. Verschwörungstheoretiker behaupten, dass sogar ein globales Ereignis wie die Coronakrise von Hintergrundmächten lenk- und steuerbar sei, um damit sinistre Ziele und Absichten ("Bargeldabschaffung", "Totalüberwachung" etc.) durchzusetzen. Das ist Unsinn, denn so funktioniert die Welt im 21. Jahrhundert nicht. Natürlich gibt es echte Biowaffen – das ist in diesem Fall der besagte wahre Kern. Aber je vernetzter unsere Welt ist, desto weniger Sinn macht so etwas selbst für den, der Böses im Schilde führt.
Weiteres Merkmal einer Verschwörungstheorie ist eine selektive Pseudoskepsis, die zum Beispiel "die Mainstream-Medien" unter Generalverdacht stellt, aber jedes Facebook-Gerücht begeistert weiterstreut. Und nicht zuletzt die Phrase "Cui bono", mit der Verschwörungsgläubige ganz selbstverständlich vom Profiteur eines Ereignisses auf den Verursacher schließen. Würde das stimmen, müsste wohl Lieferando hinter der Coronakrise stecken. In Wahrheit ist es aber so:
Die drastischen Einschränkungen zur Eindämmung von Corona verursachen mutmaßlich allein in Deutschland Schäden in Höhe von Hunderten Milliarden Euro und könnten die gesamte Weltwirtschaft in eine schwere Krise reißen. Welche Regierung daran ein Interesse haben sollte, bleibt unklar. Zudem warnen nicht nur einzelne, sondern auch miteinander konkurrierende Staaten weltweit vor der Pandemie. Hatte beispielsweise US-Präsident Donald Trump zunächst noch behauptet, es handele sich lediglich um eine Grippe, will auch er mittlerweile von solchen Vergleichen nicht mehr wissen. Sogar Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro scheint die Hilferufe aus seinem Land nicht mehr ignorieren zu können.
Bei vielen Videos von Medizin-Scharlatanen fällt zudem der penetrante Appellcharakter und der absolute Wahrheitsanspruch auf, der sich in Formulierungen äußert wie "Aufwachen!" oder "Ihr müsst aufhören, das [also die offizielle Version der Ereignisse] zu glauben!"
Oder in Kurzform:
- "Hinter allem steckt eine große Verschwörung und unbekannte supermächtige Mächte, die aber nicht mächtig genug sind, um mir meinen Youtube-Kanal abzudrehen. Du kannst niemandem vertrauen, außer mir."
- "Ich weiß es besser als alle Wissenschaftler*innen, denn siehe, ich habe einen Youtubekanal."
- "Ich ignoriere hier mal eben 99 Prozent der Evidenz, die gegen meine Thesen spricht, und erwähne ausschließlich “Fakten”, die meine Verschwörungstheorien untermauern.”
- “Die Wissenschaft kann etwas nicht mit 100-prozentiger Sicherheit sagen? Da gab’s mal 'nen kleinen Fehler in einer Vorhersage? Das müssen Versager sein, deshalb könnt ihr genauso gut auf mich hören.”
- "Ich simplifiziere das alles mal ganz doll, und dann hört sich meine Verschwörungstheorie auch schon logisch an."
Fragen, die man stellen sollte, sind also:
- Wer hat das Video hergestellt?
- Mit welcher Intention?
- Wer ist der Adressat?
- Was die Kernaussagen?
- Wovon soll ich überzeugt werden?
- Wo sind die Widersprüche in der Argumentation?
- Beweise für die These?
- Wo finden sich Behauptungen und Spekulationen?
- Gibt es andere Meinungen dazu?
In einer so komplexen Situation, wie wir sie gerade erleben, gibt es weder Gewissheiten noch einfache Antworten. Und jeder, der behauptet, er hätte welche, sagt nicht die Wahrheit.
- Was raten Sie Menschen, die wissen wollen, ob sie es mit einer Verschwörungstheorie oder mit Fake News zu tun haben?
Einfach mal googeln, was man zu dieser oder jener Behauptung und ihrem Urheber beziehungsweise Verbreiter so findet. Oder gleich bei Fact-checking-Portalen wie GWUP, Mimikama, correctiv, faktenfinder etc. nachschauen, ob man sich dort bereits damit beschäftigt hat.
Ganz wichtig: sich nicht bloß aufs "Bauchgefühl" verlassen und nicht nur nach Bestätigungen für die eigene Überzeugung suchen. Das kann gerade in solchen Krisenzeiten in die Irre führen. Denn natürlich würden wir lieber lesen, dass alles ganz harmlos und ganz unkompliziert ist – ist es aber leider nicht.
- Kann man überzeugte Verschwörungsgläubige vom Gegenteil überzeugen?
Kaum, denn der Verschwörungsglaube ist in gewisser Weise identitätsstiftend und daher mit Fakten wenig zu erschüttern.
Was man aber versuchen kann, ist zum Beispiel auf das exaltierte Gehabe vieler Verschwörungstheoretiker in ihren Videos aufmerksam zu machen. Und dann zu fragen, ob man so jemandem wirklich die Gesundheit seiner Kinder, Eltern und Großeltern anvertrauen will.
Ein schönes Beispiel ist das Corona-Video von "Dr. Leonard Coldwell" alias Bernd Klein, das mittlerweile von Youtube gelöscht wurde, aber andernorts noch kursiert. Der Herr widerspricht sich ständig selbst, stellt sogar auf den ersten Blick völlig absurde Zusammenhänge her und türmt dabei so viele Verschwörungstheorien aufeinander, dass sie unter der Last der eigenen Implausibilität zusammenbrechen. Das soll glaubhaft sein?
- Sind Verschwörungstheorien gefährlich?
Am gefährlichsten sind derzeit die Verschwörungstheorien und Fake News, die sich auf medizinische/epidemiologische Maßnahmen beziehen. Verschiedene Aluhüte versuchen ihrem Publikum einzureden, dass es das Coronavirus gar nicht gibt oder dass es völlig harmlos sei und die Anstrengungen dagegen in Wahrheit ganz anderen Zwecken dienen würden.
Es geht letztendlich darum, die notwendigen offiziellen Maßnahmen zu diskreditieren und auszuhebeln.
Aber auch solche Fehlinformationen, die Misstrauen säen und Panik erzeugen und dabei zum Beispiel an rassistische Diskurse und antisemitische Weltverschwörungsmythen anknüpfen, sind nicht ohne.
Denn sie konstruieren Feindbilder, vertiefen die Gräben und Spannungen in der Gesellschaft und torpedieren evidenzbasierte Entscheidungen.
Zum Thema "Umgang mit Verschwörungsgläubigen" siehe "Entschwörung"
- Social Media Watchblog: Warum so viele Menschen an Corona-Verschwörungstheorien glauben
- GWUP-Blog: Verschwörungsmythen und Corona-Demos: Widersprechen? Zuhören? Oder auslachen?
- GWUP-Blog: Der schwierige Umgang mit Verschwörungsgläubigen
- GWUP-Blog: "Auf dem Schlachtfeld": Umgang mit Verschwörungsgläubigen
- Mimikama: Politisch motivierte Mythen: Wir müssen aufpassen!
- Tagesspiegel: Verschwörungstheorien: Wie Rechtsextreme in der Corona-Krise zündeln
- Belltower News: Rechtsterroristische Akzelerationisten: Hurra, diese Welt geht unter
- Coronavirus: Rechtsextreme und antisemitische Verschwörungstheorien
- GWUP-Blog: STRG_F-Video zur Coronakrise: „Das Virus heißt Verschwörung und Verharmlosung“
- Psiram: Verschwörungstheorien zur Covid-19-Pandemie 2019/2020
- Correctiv: Falsch, verschwört, verwirrt: eine Reise durch Dunkel-Youtube
- Mimikama: Coronakrise – Bitte seid selbstkritisch!
- Zeit-Online: "Glauben Sie nicht jedem, der einen Doktortitel hat"
- Belltower News: Corona-Pandemie: Fake News im Familien-Chat – Was kann ich tun?
- Störungsmelder: Neonazis und Corona: Zwischen Verschwörungstheorien und Nachbarschaftshilfe
- Faktenfinder: Die Legende vom "Corona-Schwindel"
- GWUP: Verschwörungstheorien - Was ist eine legitime wissenschaftliche Position und was ist Nonsens?
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker”: So manipuliert dich dieser Kettenbrief
Vitamin C
- Die Infektionen in China gehen zurück, weil die Regierung Vitamin C in der Bevölkerung verteilt.
Die orale Einnahme von hochdosierten Produkten wird nach bisherigen Erkenntnissen weder vor noch während einer Erkrankung mit COVID-19 helfen,
erklärt Mimikama.
Der Verbreiter dieser Nachricht (der Salzburger Arzt Michael Spitzbart) hat einen Psiram-Eintrag und "propagiert seine dubiosen Heilmethoden gegen alle möglichen Arten von Krebs".
Coronavirus: It’s Time to Debunk Claims That Vitamin C Could Cure It
findet sich auf der Debunking-Seite snopes.com.
Das Fazit:
Obgleich Vitamin C einen geringfügigen Einfluss auf Erkältungskrankheiten hat [es kann die durchschnittliche Krankheitsdauer von einer Woche um einen halben bis einen Tag verringern; Anm. d. Autors], ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Einnahme großer Mengen eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 heilen kann – oder überhaupt einen nennenswerten Effekt hat.
Zu Spitzbarts Claim "Vitamin C tötet Viren höchst effektiv ab“ erklärt Dr. Dieter Hoffmann vom Institut für Virologie an der Technischen Universität München gegenüber correctiv:
„Bisher gibt es meines Wissens keine Hinweise, dass Vitamin C Viren direkt inaktiviert.“ Auch zu der Behauptung, dass Vitamin C direkt gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 wirkt, sind dem Experten „keine Daten bekannt“.
Auch das Portal medizin-transparent von Cochrane Österreich fand "keine wissenschaftlichen Hinweise", dass Vitamin C gegen das Coronavirus wirkt:
Derzeit wird eine solche Studie mit Intensivpatientinnen und -patienten in China durchgeführt. Mit Ergebnissen ist nicht vor Ende 2020 zu rechnen.
- Update:
Auf unsere kritische Einschätzung der Datenlage hin bekamen wir den Newsletter (16/2020) vom "Orthomolecular Medicine News Service" zugeschickt. Darin findet sich ein Sammelsurium von angeblichen Erfahrungsberichten ("Vitamin C rettet Familie in Wuhan vor Covid-19"), Werbesprüchen ("Wenn Sie klug und entsprechend motiviert sind, befolgen Sie [unsere] Empfehlungen") und ein paar "Studien" zu Corona und Vitamin C.
Udo Endruscheit hat sich diese zusammengewürfelte Publikation genauer angesehen:
Die bisherige Gesamtevidenz zur Frage, ob Vitamin C Erkältungskrankheiten und anderen respiratorischen Erkrankungen viraler Art vorbeugen kann, ist klar negativ. Bislang konnten in belastbaren Studien nur minimale Effekte auf die Dauer von Atemwegsinfektionen festgestellt werden. Auch einzelne Arbeiten zu Pneumonien belegen keine belastbare Evidenz.
Bei einer der im Newsletter verlinkten Studie erschöpft sich das Fazit darin, dass man mehr Forschung brauche, weil es doch immerhin Anzeichen dafür gebe, dass Vitamin C nicht nur bei Skorbut wirksam sei.
Noch viel weniger Evidenz existiert für eine Wirksamkeit von (hochdosiertem) Vitamin C zur Behandlung von Covid-19. Mit der Sammlung von – teils selbstreferenzierenden – Publikationen und Berichten im Newsletter von orthomolecular.org wird das Gegenteil nicht belegt. Wie die meisten Publikationen zur Orthomolekularen Medizin muss man diese Publikationsliste als Veröffentlichung in starkem Eigeninteresse einstufen. Einer der Mitautoren der Übersicht beziehungsweise Hauptautoren der ganzen Seite, Andrew W. Saul, ist in den USA als „The Megavitamin Man“ bekannt.
Die Art der meisten Publikationen (Aufsätze, Internet-Publikationen, Anekdoten, Fallberichte) macht sie ohnehin ungeeignet, aus ihnen Rückschlüsse auf Evidenzen zu ziehen. Auf Unterseiten von orthomolecular.org werden Studien zu Lungenentzündung und Vitamin C aus dem Jahre 1936 angeführt.
Insgesamt handelt es sich um eine unsystematische Sammlung, die offenbar den Eindruck erwecken soll, es gebe eine umfassende – natürlich positive – Studienlage und viele Publizierende stünden hinter der These der Wirksamkeit von Vitamin C (Masse statt Klasse). Das Thema Corona ist zudem eingestreut zwischen Publikationen, die damit unmittelbar gar nichts zu tun haben und untereinander nur durch den Terminus „Vitamine“ verbunden sind.
Richtig ist, dass derzeit in Wuhan eine (!) vorab publizierte Studie (d.h., von deren Konzept man sich ein Bild machen kann) läuft, die sich mit der Hypothese, Vitamin C könne Covid-19 positiv beeinflussen, beschäftigt. Ergebnisse liegen bislang nicht vor und werden auch erst für Ende 2020 erwartet.
Die besondere Problematik dieser Studie (und anderer mit „experimentellen“ Wirkstoffen) ist zum einen praktischer und zum anderen ethischer Natur. Der Grund ist der gleiche: Es ist nicht möglich, belastbar gegen eine Placebogruppe oder gegen eine nicht behandelte Gruppe zu testen. Das macht solche Arbeiten zu einer Gratwanderung und schließt zugleich aus, dass es „etliche Studien“ mit belastbaren Ergebnissen dazu überhaupt geben kann (die gleiche Problematik liegt bei Chloroquin vor, die Arbeit von Prof. Raoul, Marseille, wird aus ethischen wie aus systematischen Gründen heftig kritisiert).
Auf orthomolecular.org findet sich jedenfalls nichts, was einem Evidenzbeleg für Vitamin C bei Covid-19 auch nur nahe käme.
Somit bleibt es bei dem Fazit, das der Biochemiker Prof. Peter McCaffery in dem bereits genannten Artikel "Coronavirus: it’s time to debunk claims that vitamin C could cure it" in Bezug auf die propagierte Infusionstherapie mit hoch dosiertem Vitamin C schreibt:
Die geringfügigen Auswirkungen von Vitamin C auf Corona-Erkältungsviren haben eine neue klinische Studie zur Therapie von Covid-19-Infektionen mit sehr hohen intravenösen Dosen von Vitamin C initiiert. Diese Studien haben gerade begonnen und es liegen noch keine Ergebnisse vor. Die intravenöse Anwendung von Vitamin C führt zu einem viel höheren und schnelleren Vitaminspiegel im Blut, als dies mit oral eingenommenen Vitamin C-Präparaten erreicht werden kann. Obwohl dieser Ansatz die milde Schutzwirkung von Vitamin C erhöhen könnte, ist dies dennoch hypothetisch – und die intravenöse Injektion birgt ihre eigenen Risiken, wie Infektionen, Gefäßschäden, Luftembolien oder Blutgerinnsel.
Update vom 14. April:
Ein Heilpraktiker, der die Gabe von hochdosiertem Vitamin C mittels Infusion als eine "sehr gute Hilfe sowohl bei bereits vorliegender Virusinfektion als auch prophylaktisch gegen das Corona-Virus" angepriesen hatte, wurde von der Zentrale zur Bekämpfung Unlauteren Wettbewerbs abgemahnt.
- Onkel Michael: Die Orthomolekulare Medizin oder Blödsinn mit Vitaminen
- Spiegel-Online: Schützen Vitamine vor dem Coronavirus?
Vitamin D
Zu Vitamin D erklärt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR):
Da SARS-CoV-2 erst seit kurzer Zeit bekannt ist, gibt es keine Studien, die untersucht haben, ob eine Vitamin-D-Supplementierung vor einer Infektion mit diesem Virus schützt. Fallberichte weisen darauf hin, dass die chronisch sehr hohe Einnahme von Vitamin-D über Präparate ohne ärztliche Kontrolle gesundheitliche Risiken bergen kann.
Dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen könnte, ist wenig plausibel. Denn auch Schnupfen und ähnliche virale Infekte können Vitamin D-Präparate nicht verhindern.
- Correctiv: Nein, Julia Klöckner will Vitamin D nicht verbieten
- Futurezone: Der Schwindel mit den Vitaminen
- Spiegel-Online: Schützen Vitamine vor dem Coronavirus?
- medizin-transparent: Unterstützt Vitamin D das Immunsystem gegen Corona und anderen Viren?
W
Weber, Walter (Arzt, Hamburg)
- siehe "Ärzte für Aufklärung"
Wasser/Wasserstoffperoxid
- Ständiges Wassertrinken schützt vor einer Corona-Infektion
In einer WhatsApp-Nachricht heißt es, man solle sicherstellen, "dass Ihr Mund und Hals feucht und niemals trocken ist", etwa indem man alle 15 Minuten ein paar Schlucke Wasser trinke.
Auch das bringt nichts:
Zwar infiziert das neuartige Coronavirus die Atemwege, wenn es ihm gelingt, über Mund, Nase oder Tränenkanäle in den Körper vorzudringen. Je nachdem, wie stark sich das Virus in den Zellen im Rachen oder in der Lunge ausbreitet, kann es gefährlich werden. Durch Wassertrinken lässt sich das allerdings nicht verhindern. Hat es das Virus in den Mund geschafft, ist es zu spät.
Mimikama erklärt dazu:
Man kann Viren nicht einfach so „runterspülen“ und man kann sie auch nicht mit Essig- oder Salzwasser deaktivieren. Man hilft den Menschen mit dem Rat höchstens damit, nicht zu dehydrieren, gegen SARS-CoV-2 hilft dies jedoch nicht.
Dasselbe gilt für auch "heiße Getränke" wie Tee, Kaffee, Suppen, heißes Wasser etc. Wer das Corona-Virus über Mund oder Nase aufnimmt, kann es nicht noch tagelang "weggurgeln".
Ebenso wenig hilft es übrigens, Alkohol zu trinken oder antiseptische Mundspülungen anzuwenden, erklärt die Ärztin Marlene Heckl bei SciLogs:
Alkohol und manche Mundspülungen töten zwar bestimmte Keime für einen gewissen Zeitraum im Speichel ab. Das sind aber hauptsächlich Bakterien. Selbst wenn sie als antiseptisch deklariert werden, bedeutet das also nicht, dass sie tatsächlich vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen.
Bei Alkohol müsste man theoretisch schon eine ziemlich hohe Konzentration von mindestens 60 Prozent trinken, um die Viren zu schädigen. Eine so hohe Konzentration führt allerdings wiederum leicht zu Schleimhautreizungen und bewirkt dadurch möglicherweise sogar eher das Gegenteil, indem es ein leichteres Eindringen des Virus in unsere Zellen ermöglichen könnte.
Die Aussage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, das Corona-Virus sei "alkoholsensibel", bezieht sich lediglich auf die Desinfektion von kleinen Oberflächen und die Händedesinfektion.
Ob Gurgeln mit Wasserstoffperoxid gegen das Coronavirus, Grippe oder Erkältungen hilft, wurde wissenschaftlich nie untersucht. Auch zu den Risiken ist wenig bekannt.
Es kursiert eine gefälschte Meldung des Robert-Koch-Instituts laut der 100 Gramm Alkohol pro Tag – das entspräche etwa fünf Bier – zu einer ausreichenden Desinfizierung des Mund- und Rachenraums führen sollen. Das ist Unsinn. Der häufige oder exzessive Konsum von Alkohol schützt nicht vor Covid-19, sondern erhöht das Risiko für Gesundheitsprobleme. Wissenschaftliche Studien belegen, dass ein chronischer Alkoholkonsum das Immunsystem schwächt.
- Correctiv: Nein, Alkohol zu trinken tötet das Coronavirus nicht ab
- Tagesschau: Gurgeln hilft nicht gegen Corona-Infektion
Widerstand 2020
Update vom September:
Im Juli 2020 berichtete Deutschlandfunk Nova, die Gruppierung Widerstand2020 habe sich „anscheinend aufgelöst“.
Stand März - August:
Bei einem Deutschlandfunk-Interview am 2. Mai ging es um die neue "Querfront" der Corona-Leugner, -Verharmloser und -Verschwörungsgläubigen von ganz rechts bis ganz links.
Nach Ansicht der Belltower News radikalisiert sich diese Bewegung "extrem schnell" und sei auch bereit, Gewalt anzuwenden:
Inzwischen sind es Hunderte, die auf die Straßen gehen. Sie halten „Mahnwachen“ ab und geben an, dass sie in Deutschland Grundrechte und Freiheiten in Gefahr sehen.
Dies wäre ein legitimer Grund für Kritik, doch verbinden sehr viele Menschen auf diesen Veranstaltungen ihre Kritik mit verschwörungsideologischen Weltbildern. Auf den Demonstrationen verbreiten die Teilnehmer*innen die krudesten Mythen zu Covid-19 und zum generellen Geschehen auf der Welt. Das hat weniger mit Kritik an Maßnahmen zu tun, dafür mehr mit Antisemitismus, Misstrauen gegenüber demokratisch gewählten Regierungen und Angst vor Manipulation.
Die Menschen auf den Demonstrationen teilen beinahe alle eine ablehnende Haltung zum Impfen und sehen in Bill Gates den Schurken der Stunde, für manch einen ist er auch der Teufel persönlich.
Parallel zur Live-Beobachtung, wie sich Menschen auf der Straße radikalisieren, können wir dasselbe in Gruppen und Kanälen im Messengerdienst Telegram erleben. Seit kurzer Zeit sprießen regionale digitale Ableger zu den Demonstrationen wie Pilze aus dem Boden. Hier tauschen sich Menschen ganz offen darüber aus, dass sie bereit sind, Waffengewalt anzuwenden und dass sie selbst den eigenen Tod in Kauf nehmen würden, um Widerstand zu leisten.

Wie zum Beispiel der Vegan-Koch Attila Hildmann:
- Frankfurter Rundschau: „Maske ist das neue Hakenkreuz“ – Ein Koch dreht in Corona-Zeiten frei
- RND: Gewaltfantasien und Antisemitismus: Die hochgefährliche Telegram-Gruppe von Attila Hildmann
- Tagesspiegel: Vom Koch zum Verschwörungstheoretiker: Attila Hildmann zieht bewaffnet „in den Untergrund“
- Volksverpetzer: Gefährlich: Attila Hildmann verbreitet Corona-Unsinn und ruft zu Waffengewalt auf
- Video: Sophie Passmann über Attila Hildmann, Ken Jebsen und andere
- Belltower News: Attila Hildmanns Krisenmanagement
- Redaktionsnetzwerk Deutschland: Kaufland und Vitalia schmeißen Produkte von Attila Hildmann aus dem Sortiment
- Süddeutsche: "Na dann klär mich mal auf"
Ähnliche Demos wie in Berlin fanden und finden in Ravensburg, Freiburg, Stuttgart und vielen anderen Städten statt.
Wer kritisch ist und die aktuelle Politik hinterfragt, ist dabei nicht gleich ein Verschwörungstheoretiker.
Im Gegenteil: Zementierte Wahrheiten sind insbesondere in Sachen Corona verdächtig. Es gibt bei dem neuartigen Virus so viele Unbekannte, dass die Wissenschaft und hoffentlich auch Politik und Medien jeden Tag dazulernen. Sachverhalte in Zweifel zu ziehen, Regierungsentscheidungen unter die Lupe zu nehmen und Berichterstattung zu hinterfragen ist richtig.
Aber:
Das gilt nicht nur bei den Regierenden. Auch bei den Kritikern lohnt sich ein Blick auf die Motive und Hintergründe. Nicht jeder, der für den Erhalt der Grundrechte auf die Straße geht oder das Internet vollpostet, hat diese im Sinn. Manche wollen nur die Verunsicherung nutzen, um ihr Süppchen zu kochen.
Jüngste Entwicklung ist eine Parteigründung namens "Widerstand 2020" – was nicht nur dem Autor ("Deutschland rechts außen") und Gründungsdirektor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena Matthias Quent Sorgen bereitet:
Mitbegründer ist der Sinsheimer Arzt Bodo Schiffmann, der mit seinem Youtube-Kanal "Schwindelambulanz" seit Wochen gegen die Corona-Maßnahmen polemisiert:
- Kinder verstehen: Corona – so funktioniert der Schwindel
- Correctiv: Bodo Schiffmann: Der Arzt, dem die Corona-Rebellen vertrauen
- siehe auch "Schiffmann, Bodo"
"Widerstand 2020" wirkt auf den ersten Blick wie ein kuschelige Anti-Parteien-Partei für freiheitsliebende Bürger, wie eine Mitmachpartei ohne starre Hierarchien, kurz gesagt: wie aus dem Hochglanzprospekt für Anti-Establishment-Parteien,
analysiert BR24:
Die Frage ist, ob "Widerstand 2020" sich in diese Debatte einbringen kann und möchte. Ein Blick in die Facebook- und Telegram-Gruppen, die der selbst ernannten Partei nahestehen, offenbart zumindest Abgründe, die daran zweifeln lassen.
Die Gruppierung scheint nicht nur Menschen anzuziehen, die ernsthaft besorgt sind um ihre Grundrechte, sondern auch Verschwörungstheoretiker und Esoteriker. Impfgegner und Verschwörungstheoretiker diskutieren untereinander, in Kommentaren wird gefordert, Angela Merkel einzusperren. In manchen Beiträgen wird von Nano-Chips zur Bevölkerungskontrolle fabuliert und davon, dass am 15. Mai die Demokratie abgeschafft wird.
Die Schnittmenge zum Milieu der Impfgegner scheint beträchtlich und ebenso die Affinität zum verschwörungstheoretischen Spektrum, wie es sich unter anderem auch auf den Hygiene-Demos zeigt.
Laut GenFM unterstützt die Identitäre Bewegung Widerstand2020 – und umgekehrt.
Immerhin werden auch die Sicherheitsbehörden langsam hellhörig, schreibt die taz:
„Extremistische Gruppen nutzen die Krise zur weiteren Verbreitung und Verstärkung ihrer jeweiligen ideologischen Narrative“, heißt es in einem internen Lagebild zur Coronapandemie.
Der Volksverpetzer meint kurz und bündig:
Die Verschwörungsideolog*innen verschwören sich gegen uns. Alle demokratischen Kräfte müssen sich deshalb dagegen vernetzen.
- "Widerstand 2020" bei Psiram
- GWUP-Blog: Verschwörungsmythen und Corona-Demos: Widersprechen? Zuhören? Oder auslachen?
- RND: Widerstand 2020: "Lieb ist das Gegenteil von harmlos"
- RND: "Widerstand 2020" – Was ist das eigentlich?
- BR24: Widerstand 2020: Was radikale Verschwörungstheoretiker eint
- BR24: Analyse: Was will „Widerstand 2020“?
- Deutschlandfunk: Wie „Widerstand 2020“ die Corona-Krise in Frage stellt
- Volksverpetzer: Naidoo, Hildmann, KenFM & Co: Verschwörungsideologen verschwören sich
- Volksverpetzer: Faktencheck: Widerstand 2020 hat die gleiche Adresse wie die AfD Niedersachsen?
- Volksverpetzer: Widerstand 2020 – Verschwörungstheoretiker vereinen sich zu selbsternannter Partei
- Tagesschau: „Widerstand 2020“: Vom Corona-Protest zur Partei?
Wodarg, Wolfgang
Update vom September:
- Gesundheits-Check: Wodargs verwirrende Viren-Nachrichten
- Gesundheits-Check: Coronakrise – die wahre Wahrheit gibt es nur bei alternativen Fachleuten?
- Focus-Online: Hochstapler Postel macht sich über Corona-Skeptiker Wodarg lustig, den er einst betrog
-
DMZ: Die Verschwörungstheorien von Wolfgang Wodarg haben Folgen
Stand März - August
"Die Menschen sind nicht mehr und nicht ernster krank als alle Jahre zuvor“, behauptete der pensionierte Arzt und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wodarg in einem Interview mit Eva Herman auf dem dubiosen YouTube-Kanal „Wissensmanufaktur“.
Während in Italien tausende dem Corona-Virus erliegen, erklärt Wodarg dessen vermeintliche Unbedenklichkeit und bekommt dafür zweieinhalb Millionen Views. In verschwörungstheoretischer Manier fragt er dabei nach dem Cui bono? Wer profitiert davon? Zum einen seien da die Virologen: „die machen dann Impfstoffe und wollen die verkaufen und machen Tests und verdienen daran und sind wichtig“.
Und zum anderen würden angeblich die derzeit heillos überlasteten italienischen Kliniken gewinnen: „Spielen die in Aussicht gestellten europäischen Finanzhilfen für Italiens Kliniken eine Rolle bei der medialen Darstellung der Lage durch einzelne Krankenhäuser?“
Es ist eine beliebte Argumentationstechnik in verschwörungstheoretischen Kreisen, solche Fragen aufzuwerfen, an deren ernsthafter Beantwortung jedoch überhaupt nicht gelegen ist. Es sind unechte Fragen, Suggestivfragen, deren alleiniger Zweck darin besteht, meinungsbildend zu wirken,
schreibt Belltower News.
Zu den viel geklickten Behauptungen des pensionierten Lungenarztes Wolfgang Wodarg gibt es Faktenchecks bei
- Correctiv
- Mimikama
- Spektrum
- Welt-Online
- Spiegel-Online
- RiffReporter
- Gesundheits-Check
- Quora
- Tagesspiegel
Wodarg berief sich auf die Daten der EuroMOMO, um die Gefährlichkeit von Covid-19 in Zweifel zu ziehen. Allerdings waren die Zahlen von EuroMOMO bis weit in den März hinein aus methodischen Gründen keine tragfähige Quelle, um daraus eine sogenannte Übersterblichkeit in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie in Europa abzuleiten.
Die Verantwortlichen von EuroMOMO haben dies mehrfach ausdrücklich betont. Mittlerweile zeichnet sich jedoch eine deutliche Übersterblichkeit in mehreren Ländern ab, darunter Italien und Spanien. Die höhere Zahl von Toten steht laut EuroMOMO in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie.
Nach unserer Einschätzung hat Wodarg sich mit einem Interview bei dem "Alternativ"-Medium Rubikon am 24. März endgültig als Verschwörungstheoretiker erwiesen. Eine Faktenanalyse dieses Auftritts gibt es bei Quora. Schon 2010 zeigte Wodarg eine entsprechende Tendenz, als er in einer Sendung des amerikanischen Verschwörungstheoretikers Alex Jones ("Infowars") auftrat.
Wie wenig sorgfältig (und damit auch vertrauenswürdig) Wodarg arbeitet, konnte auch der Science-Blog Gesundheits-Check zeigen.
Am 19. Mai nahm auch der Virologe Prof. Christian Drosten in seinem "Coronavirus-Update" Stellung zu Wodargs Vorwürfen und dessen Vergleiche mit der "Schweinegrippe" sowie auch zu der ARTE-Doku "Profiteure der Angst" von 2009 – ohne allerdings Wodarg namentlich zu nennen.
- Pharmazeutische Zeitung: Pandemie-Management – Meinungen am Rande des Mainstreams
- Zeit-Online: "Glauben Sie nicht jedem, der einen Doktortitel hat"
- Belltower News: Corona-Pandemie: Fake News im Familien-Chat – Was kann ich tun?
- GWUP: Verschwörungstheorien – Was ist eine legitime wissenschaftliche Position und was ist Nonsens?
- Welt-Online: Fakten-Check: Warum die Corona-Krise keine Übertreibung ist
- Süddeutsche Zeitung: Corona-Falschmeldungen erreichen ein Millionenpublikum
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker”: So manipuliert dich dieser Kettenbrief
- Psiram: Wolfgang Wodarg
- Mehr dazu beim Stichwort "Youtube-Videos" und "Grippe"
Youtube-Videos
Was ähnliche "Experten"-Videos bei Youtube angeht (zum Beispiel von Rolf Kron, Andres Bircher und anderen), ist die erste Frage, die man sich immer stellen sollte:
Wie wahrscheinlich ist es, dass [zum Beispiel] ein lange pensionierter Amtsarzt aus Flensburg Einsichten und Informationen hat, die die gesammelten Erkenntnisse der weltweit aktiven medizinischen Forscher über den Haufen werfen?
Zweitens:
Wenn jemand tatsächlich Einsichten hat, die den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand fundamental infrage stellen, weshalb wendet er sich damit an ein Laienpublikum? Sollte er sie nicht erstmal bei einem Kongress oder in einer sauber dokumentierten Fachpublikation in der Fachwelt zur Diskussion stellen? Das ist das übliche Verfahren in der Wissenschaft.
Die RiffReporter haben dazu den aufschlussreichen Beitrag
- Wodarg, Bhakdi und Co.: Die Besserwisser in Zeiten der Coronakrise
veröffentlicht.
Die meisten youtubenden Ärzte, die sich aus unbekannten Gründen als "Gegenstimme" zur "Corona-Panik" inszenieren, verweigern sich dem wissenschaftlichen Diskurs, gehen nicht auf Gegenargumente ein und wiederholen nur längst Widerlegtes, wobei sie die Fakten ignorieren.
Es sind die immerselben (Pseudo-)Argumente, die sich im Wesentlichen so zusammenfassen lassen:
Covid-19 nicht schlimmer als Grippe, Italien blöd gelaufen wegen „Luftverschmutzung“ und „schlechter Krankenhaushygiene“, keine gesicherten Hinweise darauf, dass es vermehrte Todesfälle wegen Covid-19 gibt etc.
Solche Statements zeigen, dass das Problem nicht verstanden wird. Es geht nicht darum, dass CoV-2 außergewöhnlich gefährlich ist oder eine hohe Letalität aufweist. Der Vergleich von Covid-19 mit der Grippe ist aus anderen Gründen absurd.
In Kurzform:
- Influenza:
Grundimmunität in Teilen der Bevölkerung vorhanden, plus Medikamente, plus Impfung.Trotzdem sterben immer noch Menschen an Influenza (mehr als 25 000 Frauen und Männer in Deutschland während der Grippewelle 2017/2018).
- Covid-19:
Breitet sich schneller aus als Influenza, die Zahl der Infektion steigt extrem schnell an, weil keine Impfung, keine Grundimmunität, keine Medikamente. Folge: Überlastung des Gesundheitssystems, wenn die Fälle nicht über einen längeren Zeitraum gestreckt werden. Die entscheidende Größe ist mithin nicht die Zahl der Sterbenden, sondern der schwer Erkrankten:
Die wirkliche Gefahr des Coronavirus ist nicht die Sterblichkeit. Experten meinen, die Gesundheitssysteme könnten leicht von der Anzahl der Fälle überwältigt werden, die hospitalisiert werden müsen – und oft eine Beatmung benötigen [...] Sollten 80 Prozent aller Menschen erkranken, dann heißt das, es müssten 5,6 Millionen Menschen wegen COVID-19 im Krankenhaus versorgt werden. Dann müssten mehr als 1,8 Millionen Menschen intensivmedizinisch behandelt werden. Deutschland hat etwa 28 000 Intensivbetten.
Der Molekularbiologe und Infektionsimmunologe Christopher Veeck erklärt bei Quora:
SARS-CoV-2 breitet sich schneller aus als Influenza. Das Robert Koch Institut (RKI) stuft den Basisreproduktionsfaktor, also die von einem Fall ausgehende Anzahl an Neuinfektionen, auf 2.3-3.3. Das ist extrem hoch und bedeutet, dass die Zahl der Infektion extrem schnell ansteigt. Und wenn der Gesamtwert höher wird, steigt auch bei sehr niedrigem prozentuellen Anteil die Zahl der Fälle an die eine intensivmedizinische Betreuung brauchen.
Das bedeutet, wenn die Zahl zu groß wird, kann das Gesundheitssystem nicht mehr alle Kranken betreuen, weil alle gleichzeitig krank werden und die Krankenhäuser überfluten. Und dann kommt es zu einem Horrorfilm artigen Szenario bei dem Ärzte sich entscheiden müssen, wem das Beatmungsgerät oder gar ein Krankenbett zukommt.
Und im aller schlimmsten Fall führt es zu den Szenarien, die wir in Italien beobachten, wo Menschen auf den Gängen sterben, weil sie einfach nicht mehr betreut werden können. Die Kapazitäten werden gesprengt.
Correctiv sieht seit dem Ausbruch des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 eine "Allianz aus Homöopathen, Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern und alternativen Medien“ am Werk:
Überschneidungen hat es schon vorher gegeben, aber die hohen Klickzahlen befeuern die Gastauftritte und Co-Produktionen. Mediziner der unterschiedlichsten Fachbereiche liefern den Youtube-Kanälen der „alternativen Medien“ die notwendige Faktenfassade während der Pandemie.
Annette Leßmöllmann, Professorin für Wissenschaftskommunikation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), rät:
Jeder kann selbst einen Check machen. Was für Journalisten schon immer galt, ist jetzt auch Mediennutzern zu empfehlen, eine gesunde Skepsis gehört heute dazu. Wenn jemand zu sehr gegen den Strich bürstet, alle anderen Kollegen angreift, merkt man ja oft, dass da etwas nicht stimmen kann.
- faktenfinder: Corona-Pandemie – Weniger gefährlich als die Grippe?
-
Coronavirus (SARS-CoV-2): Cochrane Ressourcen und News
-
Pharmazeutische Zeitung: Pandemie-Management – Meinungen am Rande des Mainstreams
-
Zeit-Online: "Glauben Sie nicht jedem, der einen Doktortitel hat"
-
Belltower News: Corona-Pandemie: Fake News im Familien-Chat – Was kann ich tun?
- Mimikama: Youtube: Werbegeld für Videos über falsche Coronavirus-"Heilmittel"
- GWUP: Verschwörungstheorien - Was ist eine legitime wissenschaftliche Position und was ist Nonsens?
- Welt-Online: Fakten-Check: Warum die Corona-Krise keine Übertreibung ist
- GWUP-Blog: Woran sind die Corona-Toten "wirklich" gestorben? Bhakdi, Hockertz und Co. im Fakten-Check
- Süddeutsche Zeitung: Corona-Falschmeldungen erreichen ein Millionenpublikum
- Correctiv: Nein, Covid-19 ist, anders als von Rolf Kron behauptet, nicht nur ein harmloser Schnupfen
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker”: So manipuliert dich dieser Kettenbrief
- Mehr dazu beim Stichwort "Bhakdi", "Grippe", "Hockertz", "Schiffmann", "Wodarg" und "Six"
Z
Zeolith
"Ein weiteres angebliches Corona-Wundermittel hört auf den Namen Zeolith",
schreibt die Webaktivistin Katharina Nocun bei derFreitag:
Auf zahlreichen Webseiten wird Nutzern geraten, mit dem Pulver ihr Immunsystem zu „entgiften“, um sich besser vor Covid-19 zu schützen. 500 Gramm kosten rund 25 Euro, was auf den ersten Blick günstig erscheint.
Nur handelt es sich bei Zeolith keineswegs um ein seltenes Gestein. Die Substanz wird auch im Straßenbau verwendet. Etliche Menschen dürften bereits mit ihr in Kontakt gekommen sein – der Stoff ist in gängigem Katzenstreu enthalten, von dem ein Kilogramm für 50 Cent zu haben ist. Die Gewinnspanne bei derartigen Geschäften dürfte erheblich sein. Das Wundermittel Zeolith ist auch nicht erst mit Corona auf den Plan getreten. Zuvor wurde es bereits als angebliches Heilmittel gegen allerhand Beschwerden angepriesen.
Die Verbraucherzentrale NRW warnte bereits 2019 vor dem Konsum, da derartige Produkte häufig mit Aluminium und Blei belastet sind. Statt seinen Körper zu entgiften, um ihn für Covid-19 zu wappnen, hat man somit im schlimmsten Fall das Gegenteil getan. Hinzu kommt, dass der Konsum großer Mengen die Aufnahme von Wirkstoffen aus Medikamenten behindern kann.
Als harmlose „Begleittherapie“ taugt es somit nicht.
- derFreitag: Das üble Geschäft mit der Corona-Angst
- Verbraucherzentrale: Zeolith – am besten geeignet als Katzenstreu
Zietlow, Sonja
Die Dschungelcamp-Moderatorin irritierte im April mit mehreren Postings, darunter eine Liste von Personen mit Doktor- oder Professorentitel, die ihrer Meinung nach offenbar zu Unrecht als Verschwörungstheoretiker gelten:
Darin finden sich sowohl ausgemachte Verschwörungstheoretiker wie Wolfgang Wodarg und Claus Köhnlein als auch eine Reihe von Verharmloser wie Bhakdi, Hockertz, Schiffmann, Fidigge und andere.
Nach massiver Kritik löschte Zietlow ihr Facebook-Profil.
- RND: Corona-Verschwörungen: Warum drehen so viele Promis durch?
- ZDF: Fehlinformationen zu Corona: Wodarg, Bhakdi und Co. im Check
- Volksverpetzer: Rechte & Corona-Verschwörungsideologen feiern RTL-Moderatorin Zietlow
- Volksverpetzer: Faktencheck: “Gelten als Verschwörungstheoretiker” – So manipuliert dich dieser Kettenbrief
- FAZ: In der Corona-Krise: Promis, die auf Verschwörungstheoretiker starren
- Bayern 2: B-Promis, was hat Corona nur aus Euch gemacht?
- Bento: Influencerinnen und C-Promis zündeln mit Corona-Verschwörungsmythen – was ist da los?
- RP-Online: Warum Prominente und Influencer Verschwörungstheorien verbreiten
- The Best Social Media: Die Aluhut-Promis: So macht sich das Netz über Corona-Verschwörungen lustig
- Focus-Online: Die wirren Verschwörungstheorien der Stars